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Diplomarbeit. Der Vertrag zugunsten Dritter rechtshistorisch und rechtsvergleichend dargestellt. eingereicht bei

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Diplomarbeit

zur Erlangung des Grades

einer Magistra der Rechtswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät

der Karl-Franzens-Universität Graz über das Thema

Der Vertrag zugunsten Dritter – rechtshistorisch und rechtsvergleichend dargestellt

eingereicht bei

Em. Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener

Institut für Römisches Recht, Antike Rechtsgeschichte und Neuere Privatrechtsgeschichte

von

Monika Jobst

Graz, Juli 2014

(2)

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version

Graz, Juli 2014

(3)

Danksagung

Einen besonders großen Dank möchte ich meinem Diplomarbeitsbetreuer Em. Univ.- Prof. Dr. Gunter Wesener für die intensive Betreuung und großartige Unterstützung bei meiner Diplomarbeit aussprechen.

Danken möchte ich auch meiner lieben Mutter Anastasia und meiner Schwester Elisabeth, die mich finanziell und mental immer unterstützt haben.

Aus tiefsten Herzen dankbar bin ich meinem Freund Patrick, der seit dem Studienbeginn immer an meiner Seite ist. In schwierigen Zeiten des Studiums hat er mir Mut gemacht und mir Kraft gegeben. Er hat immer an mich geglaubt.

Bedanken möchte ich mich auch noch bei meinen Freunden, Studienkollegen und meinem lieben Mitbewohner Michael, die mir hilfsbereit zur Seite standen und mir eine aufregende und unvergessliche Studienzeit ermöglichten.

In lieben Gedanken, Dankbarkeit und Erinnerung an meinen Vater Ernst Jobst, der sehr prägend für mein Leben war und mich zudem gemacht hat was ich bin.

(4)

Inhaltsverzeichnis

1. Römisches Recht ... 1

1.1. Einleitung ... 1

1.2. Alteri stipulari nemo potest ... 1

1.3. Alteri stipulari dari nemo potest ... 3

1.4. Actio certi: die condictio ... 4

1.5. Actio incerti ex stipulatu ... 5

1.6. Funktionelle Drittberechtigung ... 8

1.7. Nachklassisches Recht ... 9

1.8. Zusammenfassung wichtigster Ausnahmen von der Grundregel ... 11

1.8.1. Der Promissar hatte ein Interesse und eine Klage ... 11

1.8.2. Eine Vertragsstrafe wurde vereinbart. Der Promissar hatte eine Klage ... 11

1.8.3. Spezielle Fälle in denen der Dritte eine Klage hatte ... 11

2. Glossatoren und Kommentatoren ... 12

2.1. Einleitung ... 12

2.2. Die Regel alteri stipulari nemo potest bei den Glossatoren und Kommentatoren ... 12

2.3. Das Stipulationsrecht zugunsten Dritter einer persona publica ... 14

2.4. Gewährung einer actio utilis für den Geschäftsherrn ... 15

2.5. Verba obligativa und verba executiva ... 16

2.6. Ausblick auf das oberitalienische Statutarrecht ... 16

2.7. Bekräftigung des Versprechens durch Eid ... 17

2.8. Die donatio sub modo ... 18

2.9. Exkurs in das kanonische Recht ... 19

3. Usus Modernus Pandectarum und Naturrecht ... 20

3.1. Einleitung ... 20

3.2. Hugo Grotius ... 21

3.2.1. Annahme eines Versprechens im eigenen Namen für einen Anderen ... 21

3.2.2. Annahme eines Versprechens im fremden Namen ... 23

3.2.3. Vertretung ohne Vertretungsmacht ... 23

(5)

3.2.4. Bedeutung der juristischen Leistung von Grotius ... 23

3.3. Die Lehre von Grotius nach Pufendorf, Wolff und Thomasius ... 24

3.4. Usus Modernus Pandectarum ... 25

3.5. Die Loslösung von der Regel alteri stipulari nemo potest ... 26

4. Naturrechtlichen Kodifikationen ... 28

4.1. Einleitung ... 28

4.2. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis ... 28

4.3. Allgemeines Preußisches Landrecht von 1794 ... 30

4.4. Code Civil ... 31

5. Historische Rechtsschule ... 32

5.1. Einleitung ... 32

5.2. Friedrich Carl von Savigny ... 32

5.3. Die Regel alteri stipulari nemo potest in der Historischen Rechtsschule ... 33

5.4. Auswirkungen der Lehre der Historischen Rechtsschule auf die Praxis ... 34

5.4.1. Die Gutsübergabeverträge zugunsten Dritter ... 34

5.4.2. Die Erb- und Eheverträge zugunsten Dritter ... 34

5.4.3. Die Witwen- und Waisenkassen ... 35

5.4.4. Weitere Fälle von Verträgen zugunsten Dritter ... 35

5.5. Die Zulässigkeit der Drittbegünstigung in der Rechtsprechung ... 35

5.5.1. Die dogmatische Form der Verträge zugunsten Dritter ... 36

5.5.1.1. Die Rechtsprechung zum Allgemeinen Preußischen Landrecht ... 37

5.6. Ausblick auf die Entwicklung nach dem Ende der Historischen Rechtsschule ... 38

6. Die Entstehung und Entwicklung des ABGB und der Drittbegünstigung bis 1916 ... 39

6.1. Einleitung ... 39

6.2. Entstehungsgeschichte des ABGB ... 39

6.2.1. Der Entwurf von Horten ... 40

6.2.2. Der Entwurf von Martini ... 40

6.2.3. Das Westgalizische Bürgerliche Gesetzbuch ... 40

6.2.4. Das ABGB ... 41

6.3. Der Vertrag zugunsten Dritter im ABGB 1811 ... 41

6.3.1. Der unechte Vertrag zugunsten Dritter nach § 881 ABGB 1811 ... 43

(6)

6.3.2. Der echte Vertrag zugunsten Dritter nach § 1091 ABGB 1811 ... 43

6.4. Die III. Teilnovelle des ABGB 1916... 45

7. Der echte und unechte Vertrag zugunsten Dritter nach geltendem Recht ... 46

7.1. Einleitung ... 46

7.2. Das dreipersonale Rechtsverhältnis ... 47

7.3. Der echte Vertrag zugunsten Dritter ... 48

7.3.1. Das Einlösungsverhältnis ... 48

7.3.2. Das Deckungsverhältnis ... 49

7.3.3. Das Valutaverhältnis ... 50

7.4. Der unechte Vertrag zugunsten Dritter ... 50

7.5. Formvorschriften ... 51

7.5.1. Die Schenkung unter Lebenden ... 51

7.5.2. Die Schenkung auf den Todesfall ... 52

7.6. Zurückweisungsrecht § 882 ABGB ... 53

7.7. Einwendungen ... 54

7.7.1. Einwendungen des Versprechenden ... 54

7.7.2. Einwendungen des Dritten ... 55

7.8. Der Gutsübergabevertrag nach § 881 Abs 3 ABGB ... 55

8. Rechtsvergleich mit dem deutschen BGB ... 57

8.1. Einleitung ... 57

8.2. Entstehungsgeschichte des BGB ... 57

8.3. Der Vertrag zugunsten Dritter in § 328 BGB ... 58

9. Zusammenfassung ... 61

Literaturverzeichnis ... 63

Abbildungsverzeichnis ... 66

(7)

Abkürzungsverzeichnis

ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

Abs Absatz

BGB deutsches bürgerliches Gesetzbuch

BGBl Bundesgesetzblatt

Bzw beziehungsweise

C Codex

Cap Capitel

D Digesten

f folgende

ff fortfolgende

Hrsg Herausgeber

idgF in der geltenden Fassung OAG Oberappellationsgericht

OGH Oberster Gerichtshof

pr principium

RGBl Reichsgesetzblatt

Rz Randzahl

Sab Sabinus

Ulp Ulpian

Vgl vergleiche

(8)

Einleitung

Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Vertrag zugunsten Dritter, welcher in erster Linie aus rechtshistorischer Sicht betrachtet wird. Der Vertrag zugunsten Dritter wird in den echten und unechten Vertrag zugunsten Dritter unterteilt. Erwirbt der Dritte in dem dreipersonalen Rechtsverhältnis ein eigenes Forderungsrecht auf die Leistung gegen den Versprechenden, der auch als Promittent bezeichnet wird, handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Erwirbt der Dritte kein Forderungsrecht gegen den Promittenten, kann die Leistung lediglich vom Versprechensempfänger, auch Promissar genannt, für den Dritten eingefordert werden. Verträge zugunsten Dritter sind etwa die bäuerlichen Gutsübergabeverträge oder Lebensversicherungen zugunsten Dritter.

Der Vertrag zugunsten Dritter blickt auf eine lange rechtshistorische Entwicklung zurück, welche im klassischen römischen Recht ihre Wurzeln hat aber durch die römisch-rechtliche Regel alteri stipulari nemo potest keine Anerkennung fand. Diese Grundregel begleitet dieses Rechtsinstitut durch die Epoche der Glossatoren und Kommentatoren, des Usus Modernus Pandectarum, des Naturrechts und der Historischen Rechtsschule. Erst durch die III. Teilnovelle des ABGB im Jahr 1916 wird der Vertrag zugunsten Dritter in Österreich anerkannt und in § 881 ABGB normiert.

Am Ende der Diplomarbeit wird noch eine dogmatische Erläuterung dieses Rechtsinstituts und ein Rechtsvergleich zum deutschen BGB untergenommen.

(9)

1. Römisches Recht 1.1. Einleitung

Die Suche nach den historischen Wurzeln des Vertrages zugunsten Dritter führt in das Römische Recht. Für dieses Kapitel sind vor allem das Prinzipat und das Dominat interessant. Das Prinzipat wird auch als die Zeit des klassischen römischen Rechts bezeichnet und unterteilt in Früh-, Hoch- und Spätklassik. Bedeutende Juristen dieser Zeit waren: Labeo, Gaius, Marcellus, Scaevola, Papinianus, Paulus, und Ulpian, um einige zu nennen. Das Dominat wird als nachklassische Zeit bezeichnet, welche 284 nach Christus beginnt und aus der das bedeutende Werk des corpus iuris civilis stammt. 1

Die Literatur ist sich aber darüber einig, dass der Vertrag zugunsten Dritter in seiner modernen dogmatischen Form im klassischen römischen Recht prinzipiell unzulässig war, da eine unmittelbare Drittberechtigung und Drittverpflichtung rechtlich nicht möglich war. 2 Die römischen Juristen kannten weder den Vertrag zugunsten Dritter noch die unmittelbare Stellvertretung. In den Digesten und Institutionen sind jedoch Ansätze des Rechtsinstituts des Vertrags zugunsten Dritter zu finden. Spätestens aus dem nachklassischen Recht geht ein derartiger Vertrag hervor, wonach der Promissar den Promittenten klagen konnte, wenn er an der Leistung an den Dritten ein finanzielles Interesse hatte. 3

1.2. Alteri stipulari nemo potest

Der Grundsatz des alteri stipulari nemo potest war ein Leitgedanke des klassischen römischen Rechts: 4

1 Vgl. Dulckeit/Schwarz/Waldstein, Römische Rechtsgeschichte9 (1995) 330 ff.

2 Vgl. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1998) 6; auch Müller, Die Entwicklung der direkten Stellvertretung und des Vertrags zugunsten Dritter (1969) 14; ebenfalls Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949) 6.

3 Vgl. Ankum, die Verträge zugunsten Dritter in den Schriften einiger mittelalterlichen Romanisten und Kanonisten, in Becker/Schnorr von Carolsfeld (Hrsg), Sein und Werden im Recht. Festgabe für Ulrich von Lübtow zum 70. Geburtstag am 21. August 1970 (1970) 555 (557 f).

4 Vgl. Parapatits, Der Vertrag zugunsten Dritter (2011) 5; ebenso Müller, Entwicklungen 14.

(10)

D. 45, 1, 38, 17 (Ulpian): Alteri stipulari nemo potest, praeterquam si servus domino, filius patri stipuletur: inventae sunt enim huiusmodi obligationes ad hoc, ut unusquisque sibi adquirat, quod sua interest, ceterum ut alii detur, nihil interest mea.

Plane si velim hoc facere, poenam stipulari conveniet ut si ita factum non sit, ut comprehensum est, committetur stipulatio etiam ei, cuius nihil interest: poenam enim cum stipulatur quis, non illud inspicitur, quid intersit, sed quae sit quantitas quaeque condicio stipulationis.

„Für einen anderen kann man sich nichts versprechen lassen, außer wenn sich ein Sklave für seinen Eigentümer, ein Sohn für seinen Vater ein Versprechen geben läßt; denn es sind diese Arten von Obligationen erfunden worden, damit ein jeder das erwerben könne, was in seinem Interesse liegt, daß aber einem anderen etwas gegeben werde, hat für mich kein Interesse. Wenn ich das allerdings tun will, muß ich mir eine Vertragsstrafe versprechen lassen, damit, wenn nicht geschieht, was in die Stipulation aufgenommen worden ist, sie auch zu Gunsten desjenigen verfällt, der weiter kein Interesse (an der Leistung) hat. Denn wenn sich jemand eine Vertragsstrafe versprechen läßt, so wird nicht auf das Interesse gesehen, sondern auf die ausbedungene Summe und die Bedingung der Stipulation.“ 5

Nur Personen, die unmittelbar am Vertragsschluss beteiligt waren, konnten aus diesem Vertrag berechtigt oder verpflichtet werden. Für einen Dritten durfte man sich nichts versprechen lassen.

Der Rechtserwerb eines unbeteiligten Dritten widersprach dem Prinzip, nach welchem die obligatio als vinculum iuris mit den vertragsschließenden Parteien untrennbar verbunden war. 6

Als weitere Quellenbeweise für die Unmöglichkeit einer Drittberechtigung oder Drittverpflichtung dienen folgende Stellen:

D 50, 17, 73, 4: Nec paciscendo nec legem dicendo nec stipulando quisquam alteri cavere potest (Quintus Mucius).

5 Vgl. Finkenauer, Verbindlichkeit und Wirkung der Stipulation im klassischen römischen Recht (2010) 15.

6 Vgl. Bayer, Vertrag 6.

(11)

D 44, 7, 11: Quaecumque gerimus, cum ex nostro contractu originem trahunt, nisi ex nostra persona obligationis initium sumant, inanem actum nostrum efficiunt; et ideo neque stipulari, neque emere, vendere, contrahere, ut alter suo nomine recte agat possumus (Paulus).

C 4, 27, 1 anno 294: Excepta possessionis causa per liberam personam quae alterius iuri non est subdita, nihil acquiri posse indubii iuris est.

C 5, 12, 26 anno 294: Si genero dotem dando pro filia pater communis eam reddi tibi extraneo constituto stipulatus est, nec sibi cessante voluntate nec tibi prohibente iure quaerere potuit actionem.

C 8, 38 (39), 3 pr. anno 290: Ut inter absentes verborum obligatio contrahi non potest, ita alteri, cuius iuri subiectus non est, aliquid dari vel restitui, nisi sua intersit, nemo stipulari potest. 7

Diese Quellenzeugnisse lassen sich in zwei Leitgedanken zusammenfassen:

alteri stipulari nemo potest und per liberam personam nihil nobis acquiri potest. Daraus folgt, dass der Grundsatz der Unzulässigkeit der Drittberechtigung und Drittverpflichtung nicht nur auf Stipulationen, sondern generell auf alle Schuldverhältnisse anzuwenden war. 8 Es geht aus den Rechtsquellen sicher hervor, dass ein Dritter, der nicht Vertragspartei war, keine Rechte aus dem Vertrag erwerben konnte. 9

1.3. Alteri stipulari dari nemo potest

Der Rechtssatz alteri stipulari nemo potest war im klassischen römischen Recht jedoch leicht verändert formuliert. Vor Justinian war der Inhalt des Satzes: alteri stipulari dari nemo potest. 10

7 Vgl. Wesenberg, Vertrag 10 f; Bayer, Vertrag 7 ff; Ankum, Verträge 557.

8 Vgl. Müller, Entwicklungen 16; Bayer, Vertrag 10 f; Wesenberg, Vertrag 11.

9 Vgl. Wesenberg, Verträge, 11.

10 Vgl. Hallebeek, Ius Qaesitum Tertio in Medieval Roman Law, in Schrage (Hrsg), Ius quaesitum tertio (2008) 61 (63).

(12)

Der Rechtssatz bezieht sich nicht auf den Dritten, sondern auf die Berechtigung des Promissars, die Leistung an den Dritten fordern und einklagen zu können, 11 somit auf den unechten Vertrag zugunsten Dritter. 12

Im Formularprozess war das stipulari dari unwirksam, was bei näherer Betrachtung der Formulare deutlich wird.

Wurde eine Leistung dem Promissar selbst versprochen, etwa der Eigentum an einem Grundstück oder eine bestimmte Summe Geld, dann haftete der Promittent auf Grund der condictio certae pecuniae oder der condictio certae rei. Der Richter hat den Promittenten verurteilt, die Summe des versprochenen Geldes oder den Wert des Grundstücks in Geld zu bezahlen.

Wurde eine Leistung alteri dari, also einem Dritten und nicht dem Promissar versprochen, konnte die Geldsumme oder der Wert des Objekts nicht eingefordert werden, weil die Leistung dem Dritten nicht geschuldet wurde. Selbst wenn der Promissar ein finanzielles Interesse an der Übertragung der Leistung an den Dritten hatte, durften die Richter das Interesse nicht in Geld bewerten, weil dies die Klagsformel nicht vorsah. 13

1.4. Actio certi: die condictio

Stipulationen konnten, je nach versprochenem Inhalt, mit der condictio oder der actio ex stipulatu durchgesetzt werden. Handelte es sich beim Leistungsinhalt um ein certum, also eine bestimmte Summe Geld oder eine bestimmte Sache, stand dem Gläubiger die condictio auf den bestimmten Leistungsinhalt zu. Der römische Richter konnte immer nur auf Geld verurteilen.

11 Vgl. Schermaier, Schatten des Gemeinen Rechts? Moderne Einschränkungen beim Vertrag zugunsten Dritter, in Saar/Roth/Hattenhauer (Hrsg), Recht als Erbe und Aufgabe (2005) 395 (395 f).

12 Vgl. Kaser, Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode (1986) 197.

13 Vgl. Hallebeek, Ius 63.

(13)

War der Inhalt der Stipulation ein incertum, also eine unbestimmte Leistung, etwa der Bau eines Hauses, konnte der Gläubiger die Leistung mit der acto ex stipulatu durchsetzen. Diese actio incerti ex stipulatu ist auf quidquid….dare facere oportet (was auch immer der Beklagte zu leisten verpflichtet ist) gerichtet. Dadurch wurde der Beklagte in das Interesse des Klägers verurteilt, dem Richter war hier der Zuspruch des Interesse erlaubt. 14

Der Wirkungsbereich der Regel alteri stipulari dari nemo potest beschränkte sich auf Stipulationen die ein certum dari zum Gegenstand hatten und im Legisaktionen-verfahren oder im Formularprozess geltend gemacht wurden.

Diese Stipulationen certum dari , wo eine bestimmte Leistung an einen Dritten erbracht werden musste, waren unmöglich, weil diese nur mit einer actio certi, wie der condictio, geklagt werden konnten. Die Klage setzte voraus, dass die Leistung dem klagenden Promissar geschuldet wurde, nicht dem Dritten. 15

1.5. Actio incerti ex stipulatu

Gemäß Diokletian 16 erwarb der Promissar kein Recht, weil er es nicht wollte.

Der Dritte war am Rechtserwerb von Rechts wegen gehindert, 17 denn die vertragsschließenden Parteien erwerben nur das Recht, welches in ihrem Interesse liegt, weil die Verträge ein sehr persönliches Geschäft sind, welches Dritte aus- schließt. 18

Ulpian 19 nennt das fehlende Eigeninteresse des Promissars an der Leistung als Grund für die Unwirksamkeit der Stipulation. Für Diokletian war der typische Wille maßgeblich, welcher gegeben war, wenn das Eigeninteresse des Promissars an der Drittleistung vorhanden war. Ulpian und Diokletian stimmten diesbezüglich überein.

14 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einfürhung in das römische Recht4 (2007) 114; Kaser; Rechts- quellen 198.

15 Vgl. Kaser, Rechtsquellen 198.

16 Vgl. C 5, 12, 26 und D. 44,7,11.

17 Vgl. Bayer, Vertrag 11.

18 Vgl. Hallebeek, Ius 66.

19 Vgl. D 45, 1, 38, 17 und D 45, 1, 38, 22.

(14)

Der Promissar konnte bei bestehendem Eigeninteresse einen allfälligen Schaden auf Grund der Drittleistung durch die actio incerti ex stipulatu geltend machen. 20

Die Stipulationen zugunsten Dritter auf incertum, welche die actio incerti ex stipulatu begründeten, scheiterten überdies nicht am Formularprozess. Diese actio war auf ein Interesse gerichtet und der Beklagte wurde auf das Interesse des Klägers verurteilt.

Diese Interessenhaftung und ihr klassischer Ursprung spiegelten sich in vielen Entscheidungen wieder. Die actio incerti wurde anerkannt, wenn der Promissar ein Haftungsinteresse hatte. Dies war dann der Fall, wenn der Promissar vom Promittent den Ersatz des Schadens forderte, für welchen er selbst dem Dritten haftete.

Das Eigeninteresse des Promissars lag etwa vor, wenn ein Vormund seinem Contutor die Verwaltung des Mündelvermögens überließ und eine einklagbare Sicherheitsleistung nach Beendigung der Vormundschaft versprochen wurde. Nach dieser Entscheidung 21 des Ulpian stand dem Promissar gegen den Contutor eine actio ex stipulatu zu, da er gegenüber dem Mündel haftbar blieb. Demjenigen, der dem Titius promittiert hat, dass Maevius an ihn ein Grundstück übereignen werde und sich auch von Maevius versprechen hat lassen, dass dieser das Grundstück an Titius übereignet, wird nach Ulpian eine actio incerti ex stipulatu für die zweite Stipulation, in der die Leistung dem Dritten versprochen wird, zuerkannt, weil der Kläger dem Dritten aus der ersten Stipulation haftete.

Ein Haftungsinteresse des Promissars bestand weiters, 22 wenn er dem durch die Stipulation begünstigten Dritten die Leistung versprochen hatte und bei Nichterfüllung durch den Promittenten etwa eine vereinbarte Vertragsstrafe geschuldet oder ein verpfändetes Grundstück verwertet wird.

20 Vgl. Bayer, Vertrag 11.

21 Vgl. D. 45, 1, 38, 20-22 (Ulp. 49 ad Sab).

22 Vgl. Ulp.D.45,1,38,23.

(15)

Der Promissar erhielt aus allen unechten Verträgen zugunsten Dritter einen Anspruch gegen den Schuldner auf sein Interesse, welches mittels der incertum- Formel durchsetzbar war. Also wenn die Leistung mittelbar dem Versprechens- empfänger zufließt, ihm aus der Nichtleistung ein Schaden droht oder er dem Dritten zu dieser Leistung oder zur Schadloshaltung verpflichtet war.

Die jüngere Entscheidung des Diokletian C. 8,38,3,1, wird oft als Beleg für die Regel alteri stipulari nemo potest zitiert, der Anwendungsfall jedoch nur nebenbei erwähnt. Zwischen Isidorus und seinem Schwiegersohn wurde ein pactum vereinbart, wonach, wenn die Tochter des Isidorus stirbt, die eine Hälfte der dos dem Ehemann verbleibt, während die andere Hälfte dem Enkel des Isidorus und für den Fall dessen Vorversterbens an einen Julianius herauszugeben sei. Über diese zweite Hälfte der dos wurde eine Stipulation abgeschlossen. Isidorus verlangt, nachdem der erstgenannte Enkel verstorben war, vom Schwiegersohn die Herausgabe der Hälfte der dos an den Julianus.

Die dos profecticia fällt nach dem Tod an den Vater der Frau zurück. Isidorus kann sie mit der actio rei uxoriae herausverlangen oder daneben die Klage aus der Stipulation erheben.

Nach dem Gutachten erhält Isidorus die actio incerti ex stipulatu. Er kann sein eigenes Interesse an der Drittleistung durchsetzen, wenn der Schwiegersohn die Stipulation nicht erfüllt. Die Interessensberechnung entspricht der quidquid-Formel.

Das Interesse könnte ein Haftungsinteresse sein, wenn Isidorus dem Julian in dieser Höhe etwas schuldig war oder ein Eigeninteresse des Isidorus, wenn Julian sein Prokurator war.

Diokletian schränkt schließlich die Regel alteri stipulari nemo potest durch den Einschub nisi sua intersit und vel restitui in C.8,38,3 pr. ein. Dadurch befreit Diokletian die Regel, welche für certum dari Stipulationen geschaffen wurde, von dieser Beschränkung. Nun sind alle Stipulationen auf Leistung aller Art, also auch alteri certum möglich und der Versprechensempfänger kann sein eigenes Interesse an der

Leistung einklagen. Diese Vereinheitlichung wurde bereits von Papinian in

(16)

D. 45,1,118,2 gezeigt. Auf den Kognitionsprozess, der nicht mehr an die genauen Klagsformeln gebunden war, wurden bereits die certum dari Stipulationen erstreckt. 23

Der unechte Vertrag zugunsten Dritter war entgegen Wesenberg 24 klassisch, soweit aus ihm eine actio incerti entspringt, die auf das Interesse gerichtet ist. 25

Die actio certi hingegen setzte voraus, dass die Leistung dem klagenden Promissar geschuldet wurde. 26

1.6. Funktionelle Drittberechtigung

Der Dritte konnte nicht unmittelbar aus einem Vertrag zwischen Promissar und Promittent berechtigt werden. Eine Ausnahme bestand aber bei der funktionellen Drittberechtigung, wonach einem Dritten auf Grund seines Statuts ein Rechtserwerb zugerechnet wurde.

Der nicht vermögensfähige Gewaltunterworfene erwarb ein Recht für den Gewalthaber. Der Sohn erwarb für den paterfamilias und der Sklave für den Herrn.

Durch den Rechtssatz alteri stipulari nemo potest war nur der Rechtserwerb untersagt, der von einer freien Person vermittelt wurde.

Eine Ausnahme bestand für den Prokurator oder Tutor, wenn dieser einen Besitzerwerb und den dadurch herbeigeführten Eigentumsübergang getätigt hat.

Wurde durch die adjektizische Haftung der Unternehmer aus Geschäften, die sein Angestellter oder Prokurator getätigt hat, verpflichtet, haftete auch er mit der actio institoria für diese Verbindlichkeiten. Die Leistung konnte aus Billigkeitsgründen von dem Unternehmer im Wege eines Durchgriffs gefordert werden. 27

23 Vgl. Bayer, Vertrag 11 ff; Kaser, Rechtsquellen 198 ff.

24 Sieht die Begründung des fehlenden Interesses des Versprechensempfängers als interpoliert an, denn im klassischen römischen Recht war das Interesse Voraussetzung für jede Klage. Vgl.

Wesenberg, Vertrag 11.

25 Vgl. Kaser, Rechtsquellen 198 f.

26 Vgl. Bayer, Vertrag 13; Kaser, Rechtsquellen 198.

27 Vgl. Bayer, Vertrag 16 ff; Müller, Entwicklung 19 ff.

(17)

1.7. Nachklassisches Recht

Im nachklassischen Recht wurden weitere Ausnahmen für den Dritten geschaffen, der niemals gegen den Versprechenden klagen durfte.

Der wichtigste Fall betrifft C. 8,54,3. Es handelt sich um Schenkung mit der Auflage, den Schenkungsgegenstand nach einer gewissen Zeit an einen anderen weiterzugeben. Kaiser Diokletian und Maximian stellten zwar fest, dass der Dritte nicht klagen könne, billigten ihm aber eine actio utilis gegen den Beschenkten auf Erfüllung der Auflage zu. In Fortführung dieser Entscheidung wurde demnach eine actio utilis in den Fällen anerkannt, wo sich der Promittent dem Promissar verpflichtet hatte, einen Gegenstand zu einem späteren Zeitpunkt an einen Dritten weiterzugeben. 28

Im justinianischen Recht hat die Regel alteri stipulari nemo potest weiterhin Geltung. Justinian übernimmt diese Regel in seine Institutionen und wiederholt die Ulpian-Texte.

Justinian gewährte dem begünstigten Dritten in mehreren Entscheidungen eine actio utilis. Bei diesen Entscheidungen handelte es sich um Rückgabestipulationen zwischen dem Vater, der für seine Tochter die dos bestellte, und seinem Schwiegersohn für den Fall dass die Tochter verstarb. Ebenso konnte die Rückgabe der dos an den gewaltunterworfenen Deszendenten stipuliert werden. 29

Die Regel alteri stipulari dari nemo potest hatte aber an Bedeutung verloren und Justinian strich das dari aus dem Gesetz. Im justinianischen Kontext gilt das prozessuale Problem des Formularpozesses, dass die Richter das Interesse nicht beurteilen durften, als überwunden. 30

Durch die Streichung des dari, erhält die Regel einen anderen Inhalt. Denn dadurch wurde die Regel auch auf Leistung eines incertum erweitert. Justinian ging

28 Vgl. Ankum, Verträge 558; ebenso Bayer, Vertrag 24 f.

29 Vgl. Bayer, Vertrag 24 f.

30 Vgl. Hallebeek, Ius 63.

(18)

also in eine entgegengesetzte Richtung und rechtfertigte die Unmöglichkeit der Stipulationen mit dem mangelnden Interesse des Promissars an der Drittleistung.

Dies trifft aber nicht einmal auf die stipulatio certi im klassischen Recht zu, der die Klagbarkeit auf Grund der strengen Bindung im Formularprozess an die Formeln und nicht wegen mangelnden Interesses untersagt wurde.

Nur auf die stipulatio certi bezieht sich der weitere Text der Digestenstelle, wonach die Leistung an den Dritten eingeklagt werden kann, wenn eine Vertragsstrafe vereinbart wurde. 31

Denn wie schon erwähnt war der Grund für die Unwirksamkeit der Stipulation zugunsten Dritter das fehlende Interesse der Partei. Es gibt keinen Text, der die Unwirksamkeit aus anderen Gründen als unmöglich ablehnt. Dadurch war es möglich das Interesse durch eine Vertragsstrafe zu begründen. 32

Die Regel alteri stipulari nemo potest konnte nach Ulpian 33 durch die Verpflichtung des Promittenten bei Nichterfüllung eine Vertragsstrafe zu zahlen umgangen werden.

Der Promissar hatte die Möglichkeit, die Erfüllung der Leistung, die wegen der Unwirksamkeit der Stipulation nicht geschuldete war, vom Promittenten faktisch zu erzwingen. 34

Dass incerti Stipulationen bei Ulpian schon anerkannt waren zeigt er in D. 45,1,38, 20-23. Die Klage des Promissars auf sein Interesse an der Leistung an

den Dritten wird in allen Fällen zugelassen und der § 17 entschärft. 35

31 Vgl. Kaser, Rechtsquellen 214.

32 Vgl. Hallebeek, Ius 65.

33 Vgl. D. 45,1,38,17(Ulp. 49 ad Sab.).

34 Vgl. Bayer, Vertrag 21 f.

35 Vgl. Kaser, Rechtsquellen 214.

(19)

1.8. Zusammenfassung wichtigster Ausnahmen von der Grundregel

1.8.1. Der Promissar hatte ein Interesse und eine Klage

Der Promissar benötigte ein finanzielles Interesse an der Leistung an den Dritten damit er diese einklagen konnte. Im klassischen römischen Recht wird dies aus der condemnatio pecuniaria 36 gewonnen und galt auch im justinianischen Recht fort.

1.8.2. Eine Vertragsstrafe wurde vereinbart. Der Promissar hatte eine Klage

Durch die Vereinbarung zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei Nichterfüllung wurde jede Stipulation wirksam. Das Interesse des Promissar wurde mit der Vertragsstrafe begründet und konnte problemlos eingeklagt werden. Der Dritte hatte jedoch keine Klage zur Verfügung. 37

1.8.3. Spezielle Fälle in denen der Dritte eine Klage hatte

Wurde ein Unternehmer aus Geschäften, die sein Angestellter oder Prokurator getätigt hat, verpflichtet, haftete auch er mit der actio institoria für diese Verbindlichkeiten. Ebenso wenn sich der Promittent dem Promissar verpflichtet einen Gegenstand nach einer gewissen Zeit an einen Dritten herauszugeben. Ihm wurde eine actio utilis eingeräumt. 38

36 Vgl. Ulp. D. 40,7,9,2.

37 Vgl. Hallebeek, Ius 67 ff.

38 Vgl. Bayer, Vertrag 17 f.

(20)

2. Glossatoren und Kommentatoren 2.1. Einleitung

Die Spätantike war von verschiedenen Entwicklungen im Westen und Osten des römischen Reichs geprägt. Das römische Recht hatte im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren. Italien wurde von Justinian wiedererobert, wo Justinian durch Edikt das corpus iuris civilis wieder eingeführt hat. Die Digesten waren jedoch bald in Vergessenheit geraten. Die Novellen, Institutionen und der Codex blieben bekannt.

Im elften Jahrhundert wurden die Digesten in Italien wiederentdeckt. An der Universität in Bologna wird die Glossatorenschule gegründet, welche sich mit der Auslegung des corpus iuris civilis und vor allem mit den Digesten befasste. Ihr Name stammte von ihrer Arbeitstechnik. Sie schrieben Glossen, also Erläuterungen und Bemerkungen, zwischen den Zeilen oder am Rand von juristischen Werken. Die Glossen wurden von Accursius zur Glossa ordinaria zusammengefasst.

Am Ende des dreizehnten Jahrhunderts waren die Kommentatoren bestrebt, das römische Recht an die Praxis anzupassen, indem sie ausführliche Kommentare zum corpus iuris civilis verfassten. 39

Für die mittelalterlichen Juristen wurde das römische Recht zum Naturrecht kraft Tradition und Autorität. 40

2.2. Die Regel alteri stipulari nemo potest bei den Glossatoren und Kommentatoren

Die Glossatoren und Kommentatoren hielten grundsätzlich an der Regel alteri stipulari nemo potest fest. Die Vertragspartner selbst erwarben ein ius directum aus

39 Vgl. Dulckheit/Scharz/Waldstein, Rechtsgeschichte9 318 ff.

40 Vgl. Bayer, Vertrag 30; Müller, Entwicklung 29.

(21)

dem Vertrag. Der Dritte konnte sein Klagerecht erlangen, indem ihm der Vertragspartner seine actio zedierte, so der bedeutende Satz des Irenius. 41

Die Glossatoren waren aber bemüht den Grundsatz alteri stipulari nemo potest einzuschränken, was viele Ausnahmen vom Grundsatz zur Folge hatte. 42

Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht ein Streit zwischen Martinus und den anderen Glossatoren. Nach der Lehre von Martinus steht dem Dritten aus jedem Vertrag zugunsten Dritter einen actio gegen den Schuldner zu. Denn dem Dritten wurde die actio nur verweigert, wenn es sich um eine actio directa handelte. Eine actio utilis sei aber überall möglich. Diese Lehre beruht auf der aequitas. 43 Martinus sah den Grund für die generelle Gewährung der actio utilis darin, dass der Grundsatz alteri stipulari nemo potest nur den Erwerb der actio directa verwehrte, nicht aber den Erwerb der actio utilis. 44

Die anderen Glossatoren folgten dieser Lehre nicht, denn dem Dritten steht bis auf die genannten Ausnahmefälle, in welchen eine actio utilis gewährt wird, keine Klage zu.

Accursius verfasste sechzehn Ausnahmen vom Grundsatz alteri stipulari nemo potest in der Glosse zu Inst. 3,19,4. 45 Dabei handelt es sich um eine Ausdehnung der allgemeinen klassischen und nachklassischen Ausnahmen. 46 Erstmals wurde somit ein Katalog mit den meisten Ausnahmen von der Regel systematisch zusammengestellt. 47

Accursius und Azo gewährten dem Dritten bei Rückgabestipulationen der dos immer eine actio mit der Begründung, dass es sich um eine actio utilis handelt. Dem

41 Vgl. Müller, Entwicklung 30 f.

42Vgl. Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte4 (1985) 40; Müller, Entwicklungen

43 40.

Vgl. Ankum, Verträge 559.

44 Vgl. Müller, Entwicklung 45.

45 Vgl. Ankum, Verträge 559 f.

46 Vgl. Lange, Alteri stipulari nemo potest bei Legisten und Kanonisten, in Kaser/Kunkel/Bader/

Thieme/Feine/Heckel/Nottarp (Hrsg), Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 73 Heft 1 (1956) 279 (281).

47 Vgl. Müller, Entwicklung 32.

(22)

Dritten stand eine actio utilis auch in den Fällen, in welchen der corpus iuris eine actio verwehrte, zu. 48

2.3. Das Stipulationsrecht zugunsten Dritter einer persona publica

Der Notar, der Richter und andere Magistratsbeamte wurden als öffentliche Personen bezeichnet, denen das Recht zuerkannt wurde im Rahmen ihrer Eigenschaft als persona publica zugunsten Dritter zu stipulieren. 49 Dieses Recht wurde von der eingeschränkten Möglichkeit der Stipulation zugunsten Dritter durch den servus publicus 50 auf den Notar übertragen. Die Begründung dafür liegt darin, dass der Notar Rechtsgeschäfte, die seinen Bereich umfassen, nicht verweigern durfte. Nun waren der notarielle Abschluss von Verträgen über Schenkungen zugunsten Dritter und Versorgungsverträge zugunsten Angehöriger der Familie möglich. 51 Der Notar wurde natürlich nicht mit einem Sklaven gleichgestellt aber sowohl der servus publicus als auch der Notar baten öffentliche Dienste an. 52

Den anderen personae publicae wurde ein Stipulationsrecht zugunsten Dritter durch verschiedene Novellenstellen zuerkannt.

Der Notar wurde als öffentlicher Beamter angesehen. Die Bedeutung und die allgemeinen Verbreitung der Notariatsurkunde zog das Stipulationsrecht des Notares nach sich. Der Privaturkunde fehlte oft die Beweiskraft. Vielfach galt eine Ausfertigung einer Urkunde des Notars, wegen der Fälschungsgefahr einer Privaturkunde, als geboten. 53

Dem Dritten wurde eine actio utilis sine cessione zugestanden, dem Notar eine actio directa. Der Begünstigte erwarb das Klagerecht auch ohne Zustimmungsakt zu der Stipulation. 54 Er hatte natürlich die Möglichkeit einen nichtgewünschten

48 Vgl. Hallebeek, Ius 79 ff; Ankum, Verträge 560; Lange, Alteri 281 f.

49 Vgl. Lange, Alteri 283 ff.

50 Vgl. D.46,6,2-4, pr.; D.27,8,1,15.

51 Vgl. Bayer, Vertrag 34.

52 Vgl. Hallebeek, Ius 83 f.

53 Vgl. Lange, Alteri 286 ff.

54 Vgl. Hallebeek, Ius 88.

(23)

Rechtserwerb von sich zu weisen. Das Stipulationsrecht des Notars ermöglichte, entgegen dem modernen Vertrag zugunsten Dritter, eine Stipulation betreffend einen noch unbestimmten Personenkreis. Außerdem konnten auch Sachenrechte stipuliert werden. 55

2.4. Gewährung einer actio utilis für den Geschäftsherrn

Die Glossatoren und Kommentatoren waren bestrebt für bestimmte Fälle dem Dritten eine actio utilis einzugestehen und den Vertreter von seiner Verpflichtung freizustellen. Die Rechtfertigung dafür sahen sie im Prinzip der Subsidiarität des römischen Rechts. So wurde dem Geschäftsherrn eine actio utilis aus den Verträgen mit dem procurator etwa für den Fall der Insolvenz des procurators gewährt.

Dies veranlasste Baldus und Bartolus dem Dritten immer eine actio utilis zu gewähren wenn der Vertreter nicht in der Lage war seine actio directa abzutreten.

Dies war vor allem bei dem Rechtserwerb von höchstpersönlichen Rechten der Fall.

Der Vertreter wurde hier als Bote behandelt, damit entstand kein Widerspruch zum römischen Recht. Um einem Rechtsmissbrauch entgegenzuwirken wurden strenge Anforderungen für den Erwerb der actio utilis gestellt.

So wurde etwa dem Reeder eine actio utilis unter der Voraussetzung gewährt, dass der magister navis nicht erreicht werden konnte und Gefahr in Verzug war. Es war vor allem auch durch Bartolus und Baldus die Tedenz, dem dominus in vielen Fällen eine actio utilis zu gewähren, erkennbar. Bartolus sprach dem dominus schon vor der Abtretung der actio durch den procurator das Recht zu, den Vertragspartner des procurators von der Schuld zu befreien.

Dadurch waren die Glossatoren und Kommentatoren bestrebt, den procurator von seiner Verpflichtung, hinsichtlich der Inanspruchnahme durch den Vertragspartner, zu befreien. Der procurator, der magister navis und der institor wurde von seiner Verpflichtung mit der Beendigung des Amtes befreit. Nach Paulus de

55 Vgl. Lange, Alteri 295 f.

(24)

Castro wurde durch Vertragsschluss nur der dominus verpflichtet, der Vertreter haftete nicht. 56

2.5. Verba obligativa und verba executiva

Die Kommentatoren und Glossatoren bemühten sich einer formalen Unterscheidung zwischen verba obligativa und verba executiva. Durch dieses Schema war eine Stipulation nur dann gültig, wenn die verba obligativa auf den Stipulanten 57 und die verba executiva auf den Dritten gerichtet war. 58 Als ungültig galt die Stipulation wenn die verba obligativa auf den Dritten gerichtet waren. 59

Dieses Schema sollte den Grundsatz alteri stipulari nemo potest auf den Anwendungsbereich hin analysieren und einschränken. Bei den verba obligativa wurde mit dem Versprechen auch eine Verpflichtung begründet. Die verba executiva normierten an wen die Leistung gehen soll. 60

Diese Unterscheidung konnte sich nicht allgemein durchsetzen. Zumeist wurde diese Möglichkeit der Stipulation auf bestimmte Personen, etwa den procurator, eingegrenzt oder die Wirkung beschränkt, indem dem Stipulanten eine Klage zugesprochen wurde, welcher diese an den Dritten zedieren konnte. 61

2.6. Ausblick auf das oberitalienische Statutarrecht

Die meisten oberitalienischen Städte verwerteten im Hochmittelalter die Resultate der Glossatoren und Kommentatoren in ihren Statuten. Die Besonderheit und der Unterschied zu den Glossatoren und Kommentatoren war jedoch, dass in fast allen Statuen eine grundsätzliche Anerkennung der unmittelbaren Drittberechtigung vonstatten ging, wenn der Wille der Vertragsparteien darauf abzielte. Das Statut von

56 Vgl. Müller, Entwicklung 33 ff.

57 Vgl. Gareis, Die Verträge zugunsten Dritter. Historisch und dogmatisch dargestellt (1873) 54.

58 Vgl. Lange, Alteri 305.

59 Vgl. Gareis, Verträge 54.

60 Vgl. Müller, Entwicklung 37 f.

61 Vgl. Lange, Alteri 305.

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Florenz wies darauf hin, dass jedes Recht ohne Zession von einem Dritten erworben werden konnte. Dies galt auch dann, wenn der Dritte beim Vertragsschluss noch keine Kenntnis davon hatte.

Die Statutarrechte verfügten über keine Norm, die Aufschluss geben konnte, ob dem Dritten eine actio directa oder eine actio utilis gewährt wurde. Somit entschied sich die überwiegende Mehrheit für eine actio utilis. Ein Einfluss der Lehre von Martinus wurde vermutet, war jedoch nur im Statut von Pisa feststellbar.

Das oberitalienische Statutarrecht war im Verhältnis zum Corpus Iuris das speziellere Gesetz und ging somit vor. Wo das Statutarrecht Lücken aufzeigte, wurden diese durch das römische Recht geschlossen. 62

2.7. Bekräftigung des Versprechens durch Eid

Nach Accursius, Bartolus und Iason de Mayno bestand zwischen dem Promittenten und dem Promissar eine obligatio naturalis, wenn der Versprechensempfänger nicht über ein finanzielles Interesse verfügte. Ohne finanzielles Interesse an der Stipulation konnte es sich nicht um eine obligatio civilis handeln. 63

Die obligatio naturalis war nicht einklagbar. Wurde das Versprechen jedoch durch einen Eid bekräftigt, wurde die obligatio naturalis zu einer obligatio civilis und somit durchsetzbar. 64

Diese Lehre vom Eide war von dem Einfluss der Kanonisten geprägt. Die kanonischen Quellen wurden in dieser Hinsicht oft von den Kommentatoren und Glossatoren zitiert. 65 Durch die Eidleistung wurde somit ein unwirksamer Rechtsakt zu einem gültigen Rechtsakt. 66

62 Vgl. Müller, Entwicklung 55 ff.

63 Vgl. Ankum, Verträge 560.

64 Vgl. Hallebeek, Ius 102 f.

65 Vgl. Ankum, Verträge 561.

66 Vgl. Lange, Alteri 297.

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Diese heilende Wirkung konnte aber nicht als generell zulässig angesehen werden. So sprachen Bartolus und Jason de Maynus diese heilende Wirkung durch Eid nur Verträgen zu, die nicht schon wegen eines Gesetzesverstoßes nichtig waren, sondern lediglich nicht von der Rechtsordnung gebilligt wurden, wie die Drittstipulation.

Anzumerken ist hierbei, dass im Corpus Iuris, wie schon erörtert wurde, die Drittstipulation als verboten galt und diese Differenzierung einen Gesetzesverstoß nach sich zog. Bartolus und Jason de Maynus hielten an ihrem Ergebnis fest, 67 denn aus der Drittstipulation erwachse eine Naturalobligation. 68 Den Glossatoren und Kommentatoren wurde oftmals nachgesagt, dass sie Umgehungsmöglichkeiten durch dialektische Kunstbegriffe geschaffen hatten. 69 Für Paulus de Castro war ein Versprechen hingegen durch Eid gültig, wenn die Erfüllung der Drittstipulation ohne Eidbruch möglich war. Die Bekräftigung des Versprechens durch Eid stellt somit eine weitere Ausnahme vom Grundsatz alteri stipulari nemo potest dar. 70

2.8. Die donatio sub modo

Ein weiterer Fortschritt kam dem Dritten bei der Schenkung mit Auflage zugute.

Die donatio sub modo wird durch Bartolus, Baldus und Covarruvias als ein Exempel für eine datio ob rem oder ob causam bezeichnet. Wurde die Weitergabe einer datio vereinbart, damit der Promittent eine Leistung an den Dritten erbringt, erwarb der Dritte das Recht den Promittenten mit der actio praescriptis verbis auf Erfüllung zu klagen. Die meisten Juristen hielten einen Beitritt des Begünstigten in den Vertrag nicht für erforderlich, die Schenkung musste jedoch von dem Dritten angenommen werden. Wurde die Schenkung von dem Begünstigten akzeptiert, war ein Widerruf der Schenkung nicht mehr möglich, denn nach dem Rechtsantritt des Dritten handelt es sich um ein ius irrevocabile. 71

67 Vgl. Müller, Entwicklung 70 f.

68 Vgl. Lange, Alteri 302.

69 Vgl. Gareis, Verträge 56 f; Lange, Alteri 282 f; Müller, Entwicklung 71.

70 Vgl. Müller, Entwicklung 71.

71 Vgl. Ankum, Verträge 561 f.

(27)

2.9. Exkurs in das kanonische Recht

Wie schon erwähnt stammte die Bekräftigung des Versprechens durch einen Eid aus dem kanonischen Recht. Durch die subsidiäre Geltung des römischen Rechts fand die Regel alteri stipulari nemo potest auch im kanonischen Recht Geltung. Die Eidleistung wurde als weitere Ausnahme von der Regel durch den Größenschluss a minore ad maius betrachtet, denn wenn die Stipulation zugunsten Dritter durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe gültig sei, dann müsse sie jedenfalls durch eine Eidleistung gültig sein. Durch die Eidleistung sollte ein nichtiger Vertrag zu einem wirksamen Vertrag zugunsten Dritter werden. 72

Es gab drei verschiedene Gesinnungen der mittelalterlichen Kanonisten. Für eine Gruppe der Kanonisten entstand die Verbindlichkeit des Versprechenden gegenüber dem Dritten nur in den vom römischen Recht gebilligten Ausnahmefällen, für eine andere Gruppe war der Versprechende dem Versprechensempfänger und dem Dritten gegenüber gebunden, wenn er einen Eid geleistet hat. Die dritte Gruppe, darunter Huguccio, vertraten die Meinung, dass die Verträge zugunsten Dritter gegenüber dem Versprechensempfänger und dem Dritten ohne Eidleistung verbindlich seien. Huguccio vertrat die Meinung, dass bei Nichtleistung in Folge eines gegenseitigen Vertrages ein Rücktrittsrecht gebührt, ebenso traten er und weitere Kanonisten für die kanonische Lehre pacta sunt servanda ein. Die dritte Gruppe war der Ansicht, dass der Dritte um sein Forderungsrecht zu erhalten nicht vorher den Vertrag anerkennen musste, denn der Dritte erhielt durch den Vertrag selbst ein ius irrevocabile. 73

72 Vgl. Müller, Entwicklung 68 ff.

73 Vgl. Ankum, Verträge 563 f.

(28)

3. Usus Modernus Pandectarum und Naturrecht 3.1. Einleitung

Die Regel alteri stipulari nemo potest hatte nach der Rezeption auch im gemeinen Recht des 15. und 16. Jahrhundert weiterhin Geltung. 74

Schließlich erfolgte aber eine Wandlung, welche die Abkehr vom Prinzip zur Folge hatte. Der römisch-rechtliche Typenzwang für Verträge wurde durch das Konsensprinzip abgelöst. Das spanische Gesetz von König Alfonso XI. aus dem Jahre 1348 erklärte die Stipulation zugunsten Dritter für wirksam. Durch das neue Konsensmodell wurde die römische Regel ex pacto nudo non oritur actio außer Kraft gesetzt. Manche Autoren sehen darin die Abkehr von der Regel alteri stipulari nemo potest. 75

Die Epoche des Usus Modernus Pandectarum nahm am Beginn des 17.

Jahrhunderts seinen Anfang und wirkte im 18. Jahrhundert fort. Die Anpassung des römischen Rechts an die Rechtspraxis war das Ziel und die Aufgabe dieser Epoche.

Das Naturrecht ist eine immer wiederkehrende Erscheinung. Gelehrt wurde das Naturrecht, welches als auf der Natur oder aber auf göttlicher Anordnung beruhendes überpositives Recht bezeichnet wird, bereits in der griechischen Antike. Den Höhepunkt erlebte das Naturrecht parallel zum Usus Modernus Pandectarum ebenfalls im 17. und 18. Jahrhundert. Das Naturrecht wird auch als Vernunftrecht bezeichnet und nimmt Bezug auf den Freiheitsgedanken. Es handelt sich um ein weltliches Recht, welches für alle Völker und alle Zeiten Geltung hat und dem Wohl der Bürger dient. 76

74 Vgl. Bayer, Vertrag 30.

75 Vgl. Müller, Entwicklung 98; Bayer, Vertrag 35 f.

76 Vgl. Meder, Rechtsgeschichte3 232 ff; Kocher, Privatrechtsentwicklung2 45 ff.

(29)

3.2. Hugo Grotius

Das Naturrecht wird oft mit dem Erscheinungsjahr des berühmten Werkes von Hugo Grotius „De jure belli ac pacis“ von 1625 gleichgesetzt. Hugo Grotius gilt als der Vorläufer der modernen Theorie über die Verträge zugunsten Dritter. 77 Grotius gelang der Durchbruch zur Anerkennung der vertraglichen Drittbegünstigung. 78 In seinem bekannten Werk „De jure belli ac pacis“ legte Grotius dar, dass alleine durch Parteieneinigung eine vertragliche und klagbare Verbindlichkeit entsteht und eine Drittbegünstigung durch Akzeptation des Dritten zulässig ist. 79 Dadurch entfernte sich die neue, auf die natürliche Vernunft gestützte Vertragsordnung vom Corpus Iuris und dessen Kontraktsystem. Der Konsens der Parteien stellte nun den natürlichen Geltungsgrund für eine vertragliche Verbindlichkeit dar. Die Folge war die Verabschiedung des der ratio naturalis widersprechenden Grundsatzes alteri stipulari nemo potest.

Der Dritte konnte somit durch eine vertragliche Vereinbarung begünstigt werden. Grotius stellte Überlegungen an, unter welchen Voraussetzungen der Promissar und der begünstigte Dritte die Leistung vom Promittenten fordern konnten.

Daraus bildeten sich drei Fallgruppen. 80 Hugo Grotius gelang die Unterscheidung zwischen direkter Stellvertretung und Vertrag zugunsten Dritter.81

3.2.1. Annahme eines Versprechens im eigenen Namen für einen Anderen

Wurde das Versprechen im eigenen Namen für einen Anderen angenommen, erwarb der Annehmende das Forderungsrecht, das an den Dritten geleistet wurde. Es kam zu einer obligatorischen Verpflichtung zwischen dem Promissar und dem Promittenten. Keine Bedeutung wurde mehr dem Interesse des Promissars beigemessen. Er konnte ohne jegliche Beschränkung das Versprechen annehmen.

77 Vgl. Wesenberg, Verträge 114.

78 Vgl. Bayer, Vertrag 37.

79 Vgl. Parapatits, Vertrag 9 f.

80 Vgl. Bayer, Vertrag 37 f.

81 Vgl. Müller, Entwicklung 128.

(30)

Der Dritte erwarb jedoch nur ein unmittelbares Recht gegen den Promittenten, wenn er seine Zustimmung zum Vertrag erteilte. Für den Dritten war sein Konsens die Voraussetzung für den Rechtserwerb. Solange der Dritte seine Zustimmung nicht kundgetan hatte, trat ein Schwebezustand ein. Der Promissar konnte von dem Vertrag zurücktreten, dem Promittenten blieb es jedoch verwehrt sein Versprechen zu widerrufen, weil er an sein Wort gebunden war. Der Promissar konnte demnach, wenn die Zustimmung des Dritten fehlte, einseitig den Promittenten von seiner Verpflichtung befreien. Diese Konstruktion stellt eine beachtliche Annäherung an das Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter dar.

Gareis sah in dem Dritten nach der Lehre von Grotius einen Rechtsparasit, der über kein eigenes Recht verfügt, sondern nur als Leistungsempfänger bezeichnet werden kann. Die Annahmeerklärung des Dritten nach Grotius wäre aber ohne Sinn, hätte er dem Dritten nicht ein Recht zugedacht. Außerdem würde die Lehre von Grotius über die Widerruflichkeit im Schwebezustand die Bedeutung verlieren.

Wesenberg sah die Lehre von Grotius als verfehlt für den Vertrag zugunsten Dritter. Da der Dritte seine Zustimmung und sein Einverständniszum Vertrag kundtun musste, erwarb der Dritte das Recht, laut Wesenberg, aus seinem eigenen Rechtsgeschäft. Es handelte sich demnach um einen Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht. Wesenberg hatte hierbei jedoch übersehen, dass der Versprechensempfänger im eigenen Namen handelte. Die Vertretung ohne Vertretungsmacht bedarf jedoch der Annahme eines Versprechens im fremden Namen. 82

Nach Bayer führte die Zustimmung des Dritten zum Vertrag nicht dazu, dass dieser selbst forderungsberechtigt war. Die Zustimmung des Dritten sah Bayer als Voraussetzung an, damit der Promissar vom Promittenten die Leistung überhaupt fordern konnte. 83

82 Vgl. Müller, Entwicklung 128 f.

83 Vgl. Bayer, Vertrag 39.

(31)

3.2.2. Annahme eines Versprechens im fremden Namen

Wurde das Versprechen im fremden Namen angenommen, benötigte der Annehmende einen diesbezüglichen Auftrag. Abweichend vom römischen Recht war nicht mehr entscheidend, ob der Annehmende ein extraneus oder ein Gewaltunterworfener war. Die Vertragsbeziehung erstreckte sich durch den Annehmenden unmittelbar auf den begünstigten Dritten, also den Auftraggeber. Der Auftrag und der damit einhergehende Konsens des Dritten genügten nach Grotius, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwarb. Grotius kam damit der Rechtsfigur der direkten Stellvertretung sehr nahe. 84

3.2.3. Vertretung ohne Vertretungsmacht

Fehlte ein Auftrag des Vertretenen und hatte der Promittent dennoch ein Versprechen an den Dritten gerichtet und der Promissar das Versprechen angenommen, trat ein Schwebezustand ein. Weder der Promittent noch der Promissar konnte vom Vertrag zurücktreten, da der Dritte noch keinen Gebrauch von seinem Gestaltungsrecht machte. Der Dritte konnte jedoch den vom vollmachtslosen Vertreter geschlossenen Vertrag genehmigen. Dadurch erwirkte er einen unmittelbaren Forderungserwerb. 85

3.2.4. Bedeutung der juristischen Leistung von Grotius

Der Verdienst von Hugo Grotius war es, dass der unechte Vertrag zugunsten Dritter ohne Vorbehalte anerkannt wurde. Nunmehr war es aber auch möglich, dass der Dritte ein unmittelbares Forderungsrecht, vorausgesetzt er stimmte dem Vertrag zu und der Vertragsinhalt ermöglichte dies, erwarb. Grotius hatte auf das besondere Eigeninteresse des Promissars verzichtet, womit er sich von der Regel alteri stipulari nemo potest entfernte. Grotius arbeitete erstmals die begriffliche Unterscheidung zwischen dem Vertrag zugunsten Dritter und der direkten Stellvertretung heraus.

84 Vgl. Müller, Entwicklung 130 f.

85 Vgl. Müller, Entwicklung 131 f.

(32)

Seine Untersuchungen hatten Einfluss auf die gesamte Naturrechtsperiode und wurden vom Usus Modernus Pandectarum übernommen. Teile seiner damals neuen und fortschrittlichen Gedankengänge leben heute noch in gültigen Gesetzen fort. Die nach Grotius nachfolgenden naturrechtlichen Juristen waren voll und ganz damit beschäftigt die Lehre von Grotius auf ihre Richtigkeit und Stichhaltigkeit zu überprüfen.86

3.3. Die Lehre von Grotius nach Pufendorf, Wolff und Thomasius

Die Naturrechtslehre hatte die unechten Verträge zugunsten Dritter grundsätzlich anerkannt und an den Beschränkungen von Grotius festgehalten aber die Dogmatik der Verträge zugunsten Dritter weiterentwickelt.

Pufendorf hielt an der Lehre von Grotius fest. Durch vertragliche Vereinbarung konnte ein Dritter ein Recht erwerben. Pufendorf differenzierte aber, ob durch die Vereinbarung zwischen Promissar und Promittent der Dritte ein unwiderrufliches ius perfectum oder ein widerrufliches ius imperfectum erwarb. Der Inhalt des Vertrags war entscheidend. Pufendorf näherte sich weiter der Unterscheidung zwischen echten und unechten Verträgen zugunsten Dritter an.

Christian Wolff beschäftigte sich mit der Definition des mandatum. Nach Wolff hatte der Beauftragte die Pflicht im fremden Namen zu handeln und dabei seine Befugnisse nicht zu überschreiten. Wurden diese beiden Voraussetzungen eingehalten, dann sollte die Handlung des Beauftragten so angesehen werden, als wäre es eine Handlung vom Auftraggeber selbst. Wenn dies der Fall war, dann musste der Auftraggeber gegenüber dem Vertragspartner seines Beauftragten auch unmittelbar verpflichtet und berechtigt sein. Wolff arbeitete an der Begründung des unmittelbaren Eintritts der Rechtsfolgen in der Person des begünstigten Dritten.

Wolff unterschied wie Grotius den Vertrag zugunsten Dritter von der Stellvertretung.

Der Dritte erwarb durch die Versprechensannahme des Promissars ein bedingtes Recht, welches der Promittent zu achten hatte. Der Promittent konnte deshalb sein Versprechen nicht widerrufen. Der Promissar hingegen war in der Lage sein

86 Vgl. Bayer, Vertrag 38 ff; Müller, Entwicklung 128 ff; Parapatits, Vertrag 9 f.

(33)

Versprechen zurückzunehmen, solange er dem begünstigten Dritten noch nichts vom Vertrag mittgeteilt hatte.

Zwei Lösungen entwickelte Wolff für die Vertretung ohne Vertretungsmacht. War der Promittent damit einverstanden, dass der Promissar das Versprechen im fremden Namen annahm, war er an sein Versprechen gebunden. War der Promittent damit nicht einverstanden, konnte er sein Versprechen widerrufen. Wolff ging somit nicht von der Lehre Grotius ab, aber er schuf zwei Alternativen bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht. Der Verdienst von Wolff war somit die begriffliche Determinierung des Vertrags zugunsten Dritter und der Stellvertretung.

Thomasius hielt als einziger Naturrechtler im Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht noch weitgehend am römischen Recht fest. Eine vertragliche Drittberechtigung erforderte diesbezüglich ein Eigeninteresse des Promissars an der Leistung um wirksam zu sein. 87

3.4. Usus Modernus Pandectarum

Die Lehre vom neuen Vertragsbild und vom Versprechen nach Grotius hatte sich im Usus Modernus Pandectarum durchgesetzt. Die Vertreter des Usus Modernus zeichnete ihr praxisorientiertes Denken aus. Die Lehre von Grotius fand damit Eingang in die Praxis und in die Entscheidungen der Gerichte. Der Usus Modernus Pandectarum war eine Epoche, die sich vom römischen Recht loslöste und dies durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht ersetzte. Über die Existenz, den Ursprung oder die Entwicklung des Gewohnheitsrechts wurden keine großartigen Überlegungen angestrengt, eher genügte den Vertretern des Usus Modernus Pandectarum, dass die niederländische Schule diese Geisteshaltung vertrat. 88

87 Vgl. Müller, Entwicklung 132 ff.

88 Vgl. Müller, Entwicklung 112 ff.

(34)

3.5. Die Loslösung von der Regel alteri stipulari nemo potest

Ein Rechtsgutachten der Fakultät Rostock von 1597 stellte die Behauptung auf, dass es möglich sei, eine Schuldurkunde zugunsten eines späteren Inhabers auszustellen. Dies bedeutete nicht nur eine Einschränkung der Grundregel, sondern dass die alteri stipulari nemo potest vollständig aufgehoben sei. Diese Rechtentwicklung hatten vor allem die holländischen Rechtspraktiker bestimmt, die die vertragliche Drittbegünstigung anerkannten. Sie hatten die große Bedeutung der Drittbegünstigung für den Handelsverkehr erkannt.

Vinnius, der persönlich den Grundsatz noch aufrecht erhalten hatte, stellte in seinem ersten Institutionen-Kommentar fest, dass sich das Naturrecht in Holland durchgesetzt hatte. Mevius berichtete von einer Entscheidung aus dem Jahre 1656, wo auch die gewohnheitsrechtliche Verdrängung des Grundsatzes festgestellt wurde.

Die Rechtspraktiker Cothmann, Mevius, Wissenbach und Papa behandelten Sachverhalte wie die Schenkung unter Auflage oder die Notarstipulation zugunsten eines abwesenden Dritten, in denen die Anerkennung der Drittbegünstigung unter Beibehaltung der alteri stipulari nemo potest nicht in Frage gestellt wurde. Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung der vertraglichen Drittbegünstigung bedeutete somit, dass die nunmehrigen Durchbrechungen der Regel nicht mehr nur als Ausnahme gesehen wurden. Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung bildete einen Ansatzpunkt um die Regel vollständig aufzuheben. Das römische Recht wurde kritisch durch die ratio iuris naturalis hinterfragt. Die alteri stipulari nemo potest, welche als Behinderung für den Rechtsverkehr empfunden wurde, hielt dieser kritischen Betrachtung nicht stand.

Für die Rechtspraktiker war die Derogation der Grundregel nur möglich, wenn sie auf eine entgegenstehende consuetudo als zulässiges Mittel zur Nichtanwendung des römischen Rechts zurückgreifen konnten. Der Usus Modernus Pandectarum schaffte es, das Gewohnheitsrecht dogmatisch abzusichern. Für die Frühaufklärung stand schon außer Frage, dass sich die überlieferten Rechtssätze vor der naturalis ratio rechtfertigen mussten und sich nicht allein auf den Corpus Iuris stützen konnten.

Dies führte zur endgültigen Abkehr vom Grundsatz alteri stipulari nemo potest.

(35)

Leyser bemerkte, dass die meisten Juristen nicht der Subtilität der Römer sondern der Einfachheit des Naturrechts folgten. Voraussetzung für eine Drittleistung durfte vor allem nicht das Eigeninteresse des Promissars sein. Einen abweichenden Standpunkt vertraten Böhmer, Hahn und Harpprecht. Nach Böhmer bedurfte eine vertragliche Drittbegünstigung um Wirksamkeit zu entfalten ein Eigeninteresse des Promissars. Hahn und Harpprecht bestritten die Derogation der Grundregel durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht. In einem Gutachten von 1694 sprach sich Harpprecht für die Fortgeltung der alteri stipulari nemo potest aus.

Die Gebrüder Becmann behaupteten in einem Concilium von 1777, dass nach der Lehre der damaligen Rechtsgelehrten eine Anerkennung der vertraglichen Drittbegünstigung eines abwesenden Dritten nicht bezweifelt werden kann. Höpfner und Weber schrieben noch kurz vor Beginn der Historischen Rechtsschule, dass die Drittbegünstigung lediglich nach dem Naturrecht beurteilt wird und ohne Einschränkungen anerkannt sei. 89

89 Vgl. Bayer, Vertrag 43 ff.

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