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6. Die Entstehung und Entwicklung des ABGB und der Drittbegünstigung bis 1916

6.3. Der Vertrag zugunsten Dritter im ABGB 1811

Wie bereits erwähnt, fand der Vertrag zugunsten Dritter im ABGB von 1811 keine Anerkennung und somit erfolgte auch keine Regelung. Zwei Vorschriften des ABGB 1811 wurden jedoch als Anhaltspunkte verwendet, um die Unzulässigkeit bzw.

die Zulässigkeit, je nach Standpunkt, der Verträge zugunsten Dritter zu bejahen. 135

Der § 881 ABGB von 1811 lautete wie folgt:

„Außer den von den Gesetzen bestimmten Fällen kann zwar niemand für einen Anderen ein Versprechen machen, oder annehmen. Hat aber jemand seine Verwendung bei einem Dritte versprochen, oder gar für den Erfolg gestanden; so muß er die eingegangene Verbindlichkeit nach Maß seines Versprechens erfüllen.“ 136

132 Vgl. Kocher, Privatrechtsentwicklung2 62.

133 Vgl. Meder, Rechtsgeschichte3 265.

134 Vgl. Wesenberg/Wesener, Privatrechtsgeschichte4 165.

135 Vgl. Parapatits, Vertrag 21.

136 Vgl. Michel, Handbuch des allgemeinen Privatrechts für das Kaisertum Österreich Band II (1856) 322.

Die von Gesetztes wegen bestimmten Ausnahmefälle hatten sich nicht auf den Vertrag zugunsten Dritter bezogen. Demnach war der Vertrag zugunsten Dritter nach österreichischem Recht ausnahmslos ungültig. 137 Die Ausnahmen, vor allem § 1017 und § 1019 ABGB 1811, stellten Fälle der Stellvertretung dar. 138

Der § 1019 ABGB 1811 lautete wie folgt:

„Wenn der Machthaber den Auftrag, einem Dritten einen Vortheil zuzuwenden, erhalten und angenommen hat; so erlangt der Dritte, sobald er von dem Machtgeber oder Machthaber davon benachrichtigt worden ist, das Recht, gegen den Einen oder den Anderen Klage zu führen.“ 139

Dieser Paragraph stellte nach Unger auf keinen Fall eine Ausnahme von § 881 ABGB 1811 dar, 140 denn nach Unger erwarb der Dritte sofort und unmittelbar das Recht aus dem Vertrag zugunsten Dritter. 141 Die Literatur war sich völlig uneinig wie dieser Paragraph auszulegen sei. Manche legten § 1019 ABGB dahingehend aus, dass der Dritte unmittelbar berechtigt wurde, wenn eine Verständigung über die Begünstigung erfolgte. Andere, darunter Ehrenzweig und Krainz, sahen ein generelles Verbot der Verträge zugunsten Dritter in § 881 ABGB, außer der Dritte nahm nach der Verständigung durch die Vertragsparteien die Begünstigung an.142

Ehrenzweig sah das Grundproblem bei der Auslegung des § 1019 ABGB schon in der Redaktionsgeschichte. Da Ofner und Steinbach verschiedener Ansichten waren, konnten deren Absichten nicht deutlich in das ABGB gelangen. Die Erläuterungen von Ofner in den Protokollen waren mangelhaft und überzeugten nicht. 143

Bis zur III. Teilnovelle herrschte ein heftiger Meinungsstreit bezüglich des Vertrags zugunsten Dritter. Dieser Streit zog sich über mehr als ein ganzes

137 Vgl. Unger, Verträge 97.

138 Vgl. Gareis, Verträge 179.

139 Vgl. Stubenrauch, Commentar zum allgemeinen österreichischen bürgerlichen Gesetzbuche (1865) (195).

140 Vgl. Unger, Verträge 99 f.

141 Vgl. Parapatits, Vertrag 26.

142 Vgl. Bayer, Vertrag 97 f.

143 Vgl. Ehrenzweig, Die sogenannten zweigliedrigen Verträge insbesondere die Verträge zugunsten Dritter nach gemeinen österreichischen Rechte (1895) 77 f.

Jahrhundert. Somit verwundert es nicht, dass das Rechtsinstitut in diesem Jahrhundert in verschiedene Richtungen fortentwickelt wurde und die Auslegung höchst umstritten war.

In diesem Jahrhundert blieb das naturrechtliche ABGB nicht ohne Einfluss des Usus Modernus Pandectarum, der Historischen Rechtsschule und anderer Strömungen. Ein starker Einfluss war von der deutschen Literatur zu verspüren, die den Vertrag zugunsten Dritter befürwortete. 144

6.3.1. Der unechte Vertrag zugunsten Dritter nach § 881 ABGB 1811

Der unechte Vertrag zugunsten Dritter schien grundsätzlich anerkannt zu sein.

Die ersten Kommentare zum ABGB 1811 erwähnten die unechten Verträge zugunsten Dritter in Verbindung mit § 881 ABGB 1811. Eine andere Meinung vertrat die Ansicht, dass die Verfasser überhaupt nicht an die Verträge zugunsten Dritter bei der Erstellung des Gesetzestextes dachten.

Für einen Anderen durfte kein Versprechen angenommen werden. Bestand aber ein Interesse an der Leistung seitens des Versprechensempfängers, war der Vertrag zugunsten Dritter gültig und der Versprechensempfänger verfügte über ein Klagerecht. Im ABGB von 1811 wurde somit am Erfordernis des Eigeninteresses des Promissars, wie schon im römischen Recht, festgehalten. 145

6.3.2. Der echte Vertrag zugunsten Dritter nach § 1091 ABGB 1811

In die Richtung des echten Vertrags zugunsten Dritter versteht sich der § 1091 ABGB 1811. Lag ein Auftragsverhältnis vor, woraus der Versprechende sich verpflichtete dem Dritten einen Vorteil zuzuwenden und der Dritte von dem Versprechenden oder Versprechensempfänger über die Begünstigung benachrichtigt wurde, konnte der Dritte gegen Beide vorgehen. Es wurde die Auffassung vertreten,

144 Vgl. Parapatits, Vertrag 22 f.

145 Vgl. Parapatits, Vertrag 23 f.

dass der angenommene Auftrag, der dem Dritten kundgemacht wurde, eine Verpflichtung des Versprechensempfängers gegenüber dem Dritten beinhaltete. Diese Verpflichtung stellt sich in Form einer Offerte dar. Dabei war nicht ausschlaggebend, dass der Versprechende schon im Namen des Versprechensempfängers gehandelt hatte. Wurde die Offerte vom begünstigten Dritten angenommen, musste der Versprechensempfänger die Leistung erbringen.

Die Redakteure des ABGB nahmen aber an, dass der Versprechende durch die Annahme des Auftrags durch den Dritten, diesen auch eine Offerte machte. Dieses Klagerecht des Begünstigten gegen den Versprechenden war bei der Vorarbeit zum Gesetzesentwurf umstritten.

Bei der Auslegung des § 1019 ABGB 1811 blieben auch bei dem Teil der Lehre, die für die Zulässigkeit des Vertrags zugunsten Dritter im ABGB war, Ungereimtheiten zurück. Diese Auftragskonstruktion konnte schlussendlich nicht mit dem Vertrag zugunsten Dritter verglichen werden, denn dort stand dem Dritten nur ein Anspruch gegen den Versprechenden zu und nicht wie hier ein Forderungsrecht gegen den Versprechenden und den Versprechensempfänger. Der § 1019 ABGB 1811 blieb somit ein Gesetz mit einem merkwürdigen Inhalt. 146

Das Klagerecht des begünstigten Dritten gegenüber den Promissar wurde als Fehlgriff der Gesetzgebung empfunden, welcher durch die III. Teilnovelle des ABGB bereinigt wurde. 147

146 Vgl. Parapatits, Vertrag 24 ff.

147 Vgl. Wesenberg, Verträge 121.