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Archiv "Patientenforum: „Aufklärung und Einwilligung“ Gutes Einfühlungsvermögen ist notwendig" (20.05.1994)

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THEMEN DER ZEIT

Der Patient in der Klinik sei kör- perlich krank, was oft zu seelischer Not führe. Er rücke dann von seinen Ängsten ab und damit von sich selbst.

Wenn er aber nicht „bei sich selbst"

ist, fehlt ihm sein Selbstwertgefühl, und wenn man sich nicht „wert"

fühlt, fehlt eine entscheidende psy- chologische Vorbedingung für die wirklich vollständig informierte Zu- stimmung, sagte Michael Homeyer, seit 1985 Patient an der MHH. Sei- ner Ansicht nach kann man sich schlecht Dinge vorstellen, die man gar nicht kennt. Es werde eine Ver- trauensbeziehung zwischen Arzt und Patient benötigt. Der Arzt müsse ler- nen, sich in der Arzt-Patient-Bezie- hung als Mensch zu zeigen, seine Ge- fühle zu zeigen, auch seine Ängste.

Homeyer leidet an einer Muko- viszidose; 1988 wurde bei ihm eine Herz-Lungentransplantation vorge- nommen. Seither werden jährlich Katheteruntersuchungen mit Herzbi- opsie wiederholt, und er fragt sich je- desmal: „Ist das wirklich für mich nö- tig, oder dient es ausschließlich oder jedenfalls hauptsächlich der For- schung?" Das eigene Halbwissen, so Homeyer, reiche aus, um Zweifel zu wecken, jedoch nicht für sicheres Wissen.

Als Patient war es wichtig für ihn, bei medizinischen Eingriffen

„hart im Nehmen" zu sein aus dem Gefühl heraus, wenn er schon im ge- sunden Leben nichts leiste, dann wolle er wenigstens ein „guter Pa- tient" sein. Er lebte damals vorwie- gend über den Kopf, den Körper und die Gefühle unterdrückte er. Erst

TAGUNGSBERICHTE

nach der Transplantation habe er be- gonnen, Geist, Körper und Seele zu- sammenzubringen, eigene Gefühle und Ängste zuzulassen. Wenn Ärzte unter der täglichen Belastung und unter Zeitdruck ihr Herz verschlie- ßen, was geschieht dann mit diesen Ärzten? Viele würden sagen, das stelle für sie kein Problem dar, womit sie eigentlich meinten, sie hätten sich an sich selbst gewöhnt. Genau so ha- be er sich als Patient „an sich ge- wöhnt", indem er seine eigenen Ge- fühle nicht wahrnahm. Auch der Arzt müsse seinen Gefühlen mehr Raum lassen, damit er wirklich ein Bündnis mit dem Patienten eingehen könne.

Autonomie des Patienten

Der Arzt sei heute nicht mehr die alleinige Entscheidungsinstanz, der Patient sei ebenso beteiligt. Da- her spiele die Autonomie des Patien- ten in den heutigen medizin-ethi- schen Diskussionen eine große Rolle, wobei „Aufklärung" und „informed consent" Schlüsselbegriffe sind, so Prof. Dr. Dietrich Ritschl, Ökonomi- sches Institut der Universität Heidel- berg. Versuche am Menschen seien nur dann zulässig, wenn der Betroffe- ne informiert sei und freiwillig zu- stimme. Diese beiden Aspekte seien zusammengefaßt im „informed con- sent".

Eine vollständige Information habe allerdings nicht einmal der Arzt. Darüber hinaus gebe es Patien- ten, die entweder nicht wissen wollen

oder nicht wissen können, zum Bei- spiel Kinder. Das ändere jedoch nichts an der Bedeutung des Kon- zepts des „informed consent". Es stelle sich freilich die Frage, bis wo- hin die Autonomie geht und wo sie möglicherweise ihre Grenzen hat.

Ritschl brachte das Beispiel eines 22jährigen Patienten mit Leukämie vor, der eine Behandlung ablehnte, weil er sterben wollte, um seine Mut- ter zu bestrafen. Muß hier die Auto- nomie des Patienten, die zu seinem Tod führen wird, respektiert wer- den? Lange Zeit habe die medizini- sche Ethik ihre Forderungen nur an die Ärzte gerichtet. Nach heutigem Verständnis habe der Patient aber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Patientenethik sei daher nicht nur Ethik gegenüber dem Pa- tienten, sondern auch Ethik der Pa- tienten in ihrem Verhalten.

Wie das Beispiel von Homeyer zeige, könne eine partnerschaftliche Beziehung, in der dem Patienten ein Mitspracherecht bei Behandlungs- entscheidungen zugestanden wird, Gespräch und Aufklärung in sehr po- sitiver Weise beeinflussen und zu ei- ner echten Selbstbestimmung und Autonomie des Patienten beitragen, betonte Ritschl. Richtig aufzuklären sei eine große Kunst, die eine tragfä- hige Beziehung zwischen Arzt und Patienten voraussetze. Um diese auf- zubauen, fehle den Ärzten oft die Zeit, außerdem hätten sie in der me- dizinischen Ausbildung meistens nicht gelernt, wie man die nötige Sensibilität für die Aufklärung ent- wickelt. Allerdings könnten Proble- me nicht nur beim Arzt, sondern auch beim Patienten auftreten.

Manchmal höre er mehr, weniger oder anderes, als gesagt wird. Die Schwierigkeit liege dann bei der Wahrnehmung und Gewichtung der Aufklärungsinhalte durch den Pa- tienten. Das „Andershören" könne beispielsweise mit Ängsten zu tun ha- ben oder dem schlechten Befinden des Kranken.

Aufklärung sei meist keine ein- malige Handlung, sondern ein konti- nuierlicher Prozeß. Das gelte beson- ders für die Aufklärung von Tumor- kranken, so Ritschl weiter. Man dür- fe sie nicht sofort mit allen Informa- tionen überschütten, sondern sollte

Patientenforum „Aufklärung und Einwilligung"

Gutes Einfühlungsvermögen ist notwendig

Um Gespräche mit dem Patienten, statt über den Patienten, zu führen, veran- staltete die Akademie für Ethik in der Medizin zusammen mit der Medizini- schen Hochschule Hannover (MHH) ein Patientenforum mit dem Titel „Aufklä- rung und Einwilligung". Bei dieser Tagung, über die der folgende Artikel be- richtet, schilderten Ärzte und Patienten ihre Erfahrungen mit Aufklärungsge- sprächen über mögliche Therapien und deren Folgen.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 20, 20. Mai 1994 (37) A-1437

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THEMEN D ZEIT TAGUNGSBERICHTE

behutsam Schritt für Schritt vorge- hen. Der Patient, der zum ersten Mal mit der Diagnose „Krebs" konfron- tiert werde, höre in der Regel kaum etwas von dem, was ihm der Arzt sonst noch sagt. Er müsse sich zu- nächst einmal mit der einschneiden- den Tatsache dieser Erkrankung aus- einandersetzen. Eine wesentliche Rolle spiele dabei, daß das, was der Arzt dem Patienten als eine Diagno- se mitteile, die Krebserkrankung, die nun behandelt werden müsse, von vielen Patienten als Prognose ver- standen werde, nämlich als die Mit- teilung: „Du wirst sterben". Es sei deshalb wichtig, daß der Arzt im Ge- spräch die Reaktion des Patienten abfängt und ihn nach und nach infor- miert über bestehende Therapiemög- lichkeiten und über zu erwartende Folgen, daß er jedoch auch heraus- findet, wo der Patient zusätzliche Ängste hat, die entweder nicht im medizinischen Bereich liegen oder unbegründet sind. Entscheidend sei, daß der Arzt den Patienten ernst nimmt.

Die Diskussion zeigte, daß viele Patienten schlechte Erfahrungen ge- macht haben bei den Aufklärungsge- sprächen, was dann zu einer schlech- ten Arzt-Patient-Beziehung führte und den weiteren Verlauf der Thera- pie, manchmal sogar der Krankheit, ungünstig beeinflußte. Selbst wenn solche Erfahrungen bereits Jahre zu- rücklagen, waren die dabei erlittenen Verletzungen häufig nicht überwun- den und behinderten immer noch die Krankheitsbewältigung. Berichte über gute Erfahrungen zeigten, daß es hilfreich ist, wenn der Arzt ein gu- tes Einfühlungsvermögen hat. Ent- scheidend bei jedem Schritt der Auf- klärung ist die Wahrhaftigkeit des Arztes. Gemeint ist damit nicht die

„Wahrheit" über die Krankheit.

Zwar sollen die Informationen, die der Arzt dem Patienten gibt, so zu- treffend wie möglich sein, doch auch der Arzt weiß nicht immer, was ei- gentlich „wahr" ist, vor allem, wenn sich die Information auf die Progno- se bezieht.

Anschrift der Verfasserin:

Elisabeth Pflanz Moorkamp 60 29223 Celle

In den Jahren 1980 bis 1989 war die Luft in der DDR aufgrund der vollständigen Umstellung der Ener- gieversorgung auf Braunkohle nach der Ölkrise stark mit Schwefeldioxid belastet. Wie Dr. Kurt Schwinkowski am Beispiel der Stadt Erfurt erklärte, waren die S0 2-Konzentrationen in dieser ungünstigen Talkessellage mit Jahresmittelwerten von 200 bis 400 Mikrogramm per Kubikmeter vier- mal so hoch wie im Ruhrgebiet.

Schwinkowski war ehemals auch für die nichtstaatlichen Umweltgruppen der DDR tätig und ist heute Leiter des Referates Anlagenbezogene Luftreinhaltung im Thüringer Um- weltministerium. Heute gebe es in Thüringen wie in allen neuen Bun- desländern zwar noch eine relativ ho- he Schadstoffbelastung der Luft.

Durch Betriebsstillegungen, Produk- tionsrückgänge, vor allem aber durch Brennstoffumstellungen und Sanie- rungsmaßnahmen von Altanlagen sei jedoch ein deutlich verringertes Emissionsvolumen zu verzeichnen.

Strahlenexposition durch Uranbergbau Die großflächige Umweltkonta- mination durch den Uranbergbau und die Hinterlassenschaften des Erzbergbaus in Sachsen und Thürin- gen stellten aufgrund ihres Umfangs aber eine völlig neue Situation für den Strahlenschutz in Deutschland dar. Ein erster Versuch, die gesund- heitsrelevanten Umweltgefahren durch die Wirkung von Radionukli- den in Ostthüringen zu bewerten, wird in der Studie „Gesundheitsrisi- ken durch Strahlenexposition in den Südbezirken der ehemaligen DDR"

gemacht. Ein Ergebnis dieser sehr ausführlichen Untersuchung, der un- ter anderem eine große Anzahl von Gesundheitsdaten aus der ehemali- gen DDR zugrundeliegt: Zwischen der Radon-Exposition und dem Er- krankungsrisiko für Krebsleiden ins- gesamt sowie für Lungenkrebs wurde kein Zusammenhang gefunden.

In einem ersten Meßprogramm in Thüringen zur Erfassung und Be- wertung der Dioxinbelastung erga- ben sich keine nennenswerten Auf- fälligkeiten. Die Werte der Bodenun- tersuchungen lagen jeweils unter den Empfehlungswerten und größtenteils unterhalb der Durchschnittswerte für die Bundesrepublik Deutschland.

Bisher wurden in Thüringen darüber hinaus 5 928 Altlastverdachtsflächen, einschließlich Standorten von Rü- stungsaltlasten, erfaßt. Bei den teil- weise problematischen Rüstungsalt- lasten handele es sich im wesentli- chen um Mineralöle, Lösungsmittel, Kampfmittelreste, aber auch um eine breite Palette von umwelt- und ge- sundheitsrelevanten Schadstoffen.

Die Erstbewertung des bislang vor- handenen Datenmaterials erfordere in den meisten Fällen eine genauere Nachermittlung, um den tatsächli- chen Gefährdungsgrad und den dar- aus folgenden Handlungsbedarf ab- leiten zu können, so Schwinkowski.

Den großen Einfluß von Um- weltschäden auf die menschliche Ge- sundheit betonte in Weimar auch Dr.

Wolfgang Hühn, Direktor des Medi- zinal-, Lebensmittel- und Veterinär- Untersuchungsamtes Erfurt. Er be- zweifelte aber, daß es in der Diagno- stik möglich sei, von Krankheitssym- ptomen auf konkrete kranheitsauslö- sende Schadstoffe in der Umwelt zu- rückzuschließen. Martin Wiehl

Gesundheitsrisiken durch Umweltbelastungen

Vertreter nichtstaatlicher Umweltgruppen in der damaligen DDR forderten zur Zeit der Wende eine schonungslose Aufdeckung von Umweltbelastungen mit- samt der bis dahin geheimgehaltenen Daten. Über den derzeitigen Erkennt- nisstand zu Umweltschäden und Gesundheitsrisiken in Thüringen gab eine Kongreßveranstaltung auf der „ärztewoche thüringen" in Weimar Aufschluß.

A-1438 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 20, 20. Mai 1994

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