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Archiv "Politiker und Experten vor dem „Studentenberg“ — ratlos" (21.04.1977)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Politiker

und Experten vor dem

„Studentenberg"

— ratlos

In Kürze sollen Jahr für Jahr mehr als 11000 junge Men- schen mit dem Medi- zinstudium beginnen.

Die Experten wissen nicht exakt, nach welchen Kriterien sie für das Studium ausge- wählt werden sollen und was sie später mit ihrem Studium

anfangen können.

Innerhalb von vier Jahren ist das Studienplatzangebot der Zentral- stelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für das Fach Medizin von etwa 6600 auf rund 8000 angestiegen. Diese Entwicklung geht weiter. Und das sind nur die „offiziellen" Zulassungen über die ZVS!

Tatsächlich dürften derzeit mindestens 9000, wenn nicht 10 000 mit dem Medizinstudium beginnen. Denn immer häufiger sehen sich abgewiesene Bewerber oder deren Eltern — „erfolgreich" — nach Auswegen um.

Etwa über die Verwaltungsgerichte. Allein in den letzten Wochen kamen per Gerichtsbeschluß 12 Bewerber in München, 71 Bewerber in Köln, 47 Bewerber in Berlin und 39 Bewerber in Erlangen zu einem Studienplatz „außer der Reihe". Die Begründung war jedesmal, die Kapazitäten seien nicht ausgelastet. Doch die Universitäten klagen bereits über eine Überlastung, die auf Kosten der Qualität von Forschung und Lehre gehe. Wie soll das erst werden, wenn — wegen der heranrollenden Studentenlawine (siehe Grafik auf Seite 1051) — die Hochschulen voll die ihnen von Bildungspolitikern zugemutete und von der Westdeutschen Rektorenkonferenz auch im Prinzip akzeptierte „Überlastquote" übernehmen müssen?

Eins dürfte, auf die Medizin bezogen, heute schon klar sein: die

„neue" Approbationsordnung von 1970 läßt sich angesichts dieser Realitäten einfach nicht wie geplant realisieren. Denn die mit ihr angestrebte Ausbildung in kleinen Gruppen, am Krankenbett war — wie einer der Väter der Ausbildungsordnung unlängst sagte — auf ein Volumen von rund 3000 Studienanfängern ausgelegt. Doch selbst der Wissenschaftsrat, der früher eher zum Tiefstapeln neigen mußte, gibt heute zu, daß wir mittlerweile an die 9000 Studienanfänger im Fach Medizin haben — dank jener „Gerichtsmediziner" und dank einer exakt nicht faßbaren Zahl von „Quereinsteigern", also Studen- ten, die erst in späteren Semestern ins Medizinstudium umsteigen.

Die Politiker haben sich aus der vor wenigen Jahren noch favorisier- ten Bildungspolitik weitgehend zurückgezogen. Hier gibt es heute

Heft 16 vom 21. April 1977 1049

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

Zulassung zum Medizinstudium

keine Lorbeeren mehr zu ernten. Die Universitäten, die vom Staat und dessen verantwortlichen Bildungs- politikern höchst unverantwortlich im Stich gelassen werden, wursteln sich notgedrungen alleine durch.

Die Öffentlichkeit mag das Wort Hochschulpolitik kaum noch hören;

in der Presse laufen Bildungsmel- dungen nur noch auf den hinteren Seiten. Die Hilflosigkeit der „Exper- ten" und des Staates angesichts des Studentenbergs — der schon aus den 80er Jahren herübergrüßt — ist evi- dent. Kennzeichnend dafür sind die ministeriellen Bemühungen um „ge- rechte" Zulassungsbedingungen, die im Hochschulrahmengesetz vor- gesehen sind und kürzlich noch vom Bundesverfassungsgericht ener- gisch angemahnt wurden.

Die Karlsruher Richter hatten über eine ganze Serie von Verfassungs- beschwerden zum Numerus clausus zu entscheiden. In dem die Studien- zulassung betreffenden Teil des Ur- teils vom 8. Februar 1977 forderte das Bundesverfassungsgericht:

Auswahlregelungen für zulas- sungsbeschränkte Studiengänge müssen jedem Zulassungsberech- tigten eine Chance lassen. Dieser Grundsatz stellt in Numerus-clau- sus-Fächern mit hohem Bewerber- überhang die Aufgabe, den Realisie- rungsgrad der Chance durch objek- tiv sachgerechte und individuell zu- mutbare Kriterien zu bestimmen, den prinzipiellen Ausschluß ganzer Gruppen geeigneter Bewerber durch starre Grenzziehungen zu ver- meiden sowie für angemessene Aus- weichmöglichkeiten Sorge zu tra- gen.

O Die gegenwärtige Vergabe freier Studienplätze nach Durchschnitts- noten und Wartezeit ist in Numerus- clausus-Fächern mit hohem Bewer- berüberhang beschleunigt durch ein anderes Auswahlverfahren zu erset- zen. Der Verschärfung der Zulas- sungssituation ist bevorzugt durch kapazitätsverbessernde Maßnah- men zu begegnen.

Zuvor hatte das Gericht die Entwick- lung des Zulassungswesens seit

dem ersten Numerus-clausus-Urteil im Jahre 1972 dargestellt und die bisher entwickelten Grundsätze zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Auswahlregelungen bestätigt.

Unter Berücksichtigung der zwi- schenzeitlichen Verschärfung der Zulassungssituation (Wartezeiten in Medizin bis zu fünf Jahren und Durchschnittsnoten bis zu 1,6!) führt nach Auffassung der Verfassungs- richter die Anwendung dieser Grundsätze dann zu dem Ergebnis, daß in den „harten Numerus-clau- sus-Fächern" mit hohem Bewerber- überhang beschleunigt ein verbes- sertes Auswahlverfahren einzufüh- ren ist.

Dies kann unter Verfassungsge- sichtspunkten in Gestalt eines be- sonderen Auswahlverfahrens (unter zusätzlicher Anwendung von Tests und Bewertung von Praktika), aber auch durch ein „leistungsgesteuer- tes Losverfahren" (als Übergangs- maßnahme) geschehen. Auch eine Kombination mehrerer Auswahlkri- terien kommt in Betracht. Da diese Verfahren aber, abgesehen von den Rahmenvorschriften im Hochschul- rahmengesetz, noch nicht konkreti- siert sind, läßt sich ihre Verfas- sungsmäßigkeit gegenwärtig nicht abschließend beurteilen, stellt das Gericht fest. Für die endgültige Be- urteilung könne es „zudem bedeut- sam sein, inwieweit die Härte der Auswahl durch Erhöhung der Zulas- sungszahlen abgemildert wird".

In diesem Zusammenhang betonen die Richter erneut die Pflicht der Hochschulen zur erschöpfenden Ka- pazitätsausnutzung. Wörtlich . „Die- se Pflicht gewinnt noch an Dring- lichkeit angesichts der Gefahr, daß in absehbarer Zeit ein Teil der Stu- dienbewerber überhaupt keinen Studienplatz mehr findet, daß ein Ausweichen auf nicht akademische Ausbildungsalternativen die in die- sem Sektor ohnehin bestehende an- gespannte Lage zu Lasten anderer Jugendlicher verschärft, daß Ange- hörige der geburtenstarken Jahr- gänge zunehmend das Gefühl ge- winnen, eigentlich überflüssig zu sein, und daß auf diese Weise der im Grundgesetz postulierten Freiheit-

lichkeit, die wesentlich von den Möglichkeiten beruflicher Existenz- sicherung und Entfaltung bestimmt wird, Schaden droht." Der in erster Linie verantwortliche Gesetzgeber dürfe sich daher nicht mit bloßen Korrekturen des Auswahlverfahrens begnügen. Auch außergewöhnliche Maßnahmen kämen in Betracht bis hin zu einem befristeten „Notzu- schlag auf Zeit", der als Hilfe für die geburtenstarken Jahrgänge dem Geist der Verfassung nach Meinung der Richter durchaus adäquat ist.

Ausbildungsprobleme — Thema des kommenden Deutschen Ärztetages

Nun, der „Notzuschlag auf Zeit" ist beschlossene Sache. Er setzt noch in diesem Jahr ein; gedacht ist an einen Kapazitätszuschlag von rund 15 Prozent. Ebenfalls noch in die- sem Jahr soll auch das Zulassungs- verfahren noch geändert werden. Im

Bundeswissenschaftsministerium wird an einem neuen System gear- beitet. Über diese Überlegungen ist im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT be- reits in Heft 48/1976 berichtet wor- den. Auch Einwände gegen solche Vorhaben kamen zur Sprache durch das Vorstandsmitglied der Bundes- ärztekammer Dr. med. Jörg Hoppe, der zu diesem Thema auch vor dem kommenden Deutschen Ärztetag im Mai referieren wird.

Doch noch bevor die neuen Zulas- sungsregelungen da sind — schon heute zweifelt niemand daran, daß es das „gerechte" Verfahren einfach nicht geben kann. Möglicherweise werden nicht einmal die für den Arztberuf wirklich geeignetsten Be- werber ausgewählt werden. Es feh- len anerkannte Kriterien, nach denen getestet werden soll. Der Wis- senschaftsrat, der sich in seinen jüngsten Empfehlungen zu Aufga-

ben, Organisation und Ausbau der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten des längeren auch mit der Studienzulassung be- faßte, kommt daher zu dem Ergeb- nis, während einer Übergangszeit die verschiedensten Verfahren ne- beneinander zu erproben. Nach sei-

1050 Heft 16 vom 21. April 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Veränderungen der Altersjahrgänge im Hochschulalter

(Basis: Zahl der Lebendgeborenen)

(Index:1970=100) 150 140 130 — 120 110 100 90

1 191,0 1. 1_ 1. 1 1 191.0 1 1 I 1 19.5 1 LL L 1919. 1 _ 1

1975 70

I: 1

1960 1965 1995

Allein aus der demografischen Entwicklung folgt für die Zeit bis (fast) zum Jahre 1990 ein starkes Ansteigen der Studentenzahlen — vorausgesetzt, der Anteil der studierwilligen Abiturienten ändert sich nicht nennenswert. Erst nach 1990 ist mit einem Rückgang der Altersjahrgänge im Hochschulalter auf den heute gegebenen Stand zu rechnen. Die drohende, aber vorüberrollende Studentenlawine ließ unse- re Bildungspolitiker auf kurzfristige und behelfsweise Lösungen sinnen. Der Ge- danke der „Überlastquote" wurde geboren: Die Hochschulen sollen für eine be- grenzte Zeit ihre Kapazitäten nicht nur voll ausnutzen sondern überziehen, für die Medizin bedeutet das: über 11 000 Studienanfänger. Quelle: OECD

Die Information:

Bericht und Meinung

nen Vorstellungen sollte zum Bei- spiel ein bestimmter Anteil der - Be- werber weiterhin nur aufgrund der Abiturleistungen (gegebenenfalls unter besonderer Gewichtung ein- zelner Fächer), ein weiterer Anteil zusätzlich zu den Abiturleistungen auf Grund von Tests und der verbl&i- bende Anteil zusätzlich zu den Ab- iturleistungen auf Grund eines Inter- views mit einem vorhergegangenen Praktikum oder ohne ein solches zu- gelassen werden. (Welche neuen Aufgaben tun sich hier für die Ge- richte auf!) Der Wissenschaftsrat hofft immerhin, während dieser Übergangsphase eine erträgliche längerfristige Lösung finden zu können.

Niemand traut sich heute, den Ärztebedarf zu schätzen Nicht minder unverbindlich äußern sich die Gutachter des Wissen- schaftsrates zu der Bedarfsfrage.

Sie erkennen zwar an, daß Bedarfs- prognosen nötig sind, prognostizie- ren selbst jedoch nicht, sondern weisen auf die mittlerweile schon längst überholte McKinsey-Studie aus dem Jahr 1973 hin. Um so ver- wunderlicher ist es, daß sich der Wissenschaftsrat dennoch auf eine fixe Zahl von Medizinstudienplätzen festlegt: Er hält die derzeitige Kapa- zität im Grunde für ausreichend; sie bietet nach seiner Auffassung Raum für etwa 10 000 Studienanfänger im Fach Medizin.

Würde auf diese 10 000 dann noch die „Überlastquote" von 15 Prozent aufgeschlagen, so läßt sich leicht ausrechnen, daß die von McKinsey seinerzeit für optimal gehaltenen Studienanfängerzahlen um fast das Doppelte übertroffen werden! Die von McKinsey für das Jahr 2000 an- gesetzte Arztdichte von 1:350 dürfte mithin bereits in wenigen Jahren er- reicht und Ende dieses Jahrhun- derts weit übertroffen sein. Ange- sichts dessen ist es erstaunlich, daß der Wissenschaftsrat, nachdem er seine Ratlosigkeit hinsichtlich der Bedarfsberechnung offenbart hat, zu der Conclusio kommt: „Aus der gegenwärtig möglichen Abschät-

zung des Ärztebedarfs kann weder gefolgert werden, daß die künftige Nachfrage nach ärztlichen Leistun- gen nicht wird abgedeckt werden können, noch zeichnet sich eine un- vertretbare ‚Überproduktion' von Ärzten ab. Die Bundesrepublik wird auch in Zukunft in der Ärztedichte in der Spitzengruppe der internationa- len Skala liegen."

11 500 Studienanfänger gleich 11 500 Approbationen?

Wie läßt sich eine solche Aussage eigentlich vertreten? In Kürze wer- den wir an die 11 000 Studienanfän- ger in Medizin haben. Während McKinsey noch mit einer Abbrecher- quote von 15 Prozent rechnete, sieht die Situation heute völlig anders aus. Die Bundesärztekammer rech- net damit, daß heute alle freiwerden- den Studienplätze sofort durch neue Studenten aus anderen Studiengän- gen besetzt werden, mithin stati- stisch gesehen keine nennenswer- ten Verluste durch Abbrecher ent- stehen. Es ist also damit zu rechnen, folgert die Bundesärztekammer, daß auf 11 500 Studienanfänger auch 11 500 Approbationen pro Jahr fol- gen werden. McKinsey hielt 1974

noch eine Zahl von 5865 Studienan fänger (= 7500 minus Ausländer minus Abbrecher) zur „Sicherung einer optimalen ärztlichen Versor- gung" für ausreichend!

Damit stellt sich die Frage nach den Berufschancen all der vielen Abitu- rienten, die heute in die Medizin drängen. Die ersten Engpässe zeich- nen sich schon heute in den Kran- kenhäusern ab. Im Zeichen der Ko- steneindämmung neigen die Kran- kenhäuser dazu, Betten und Stellen abzubauen. Auch die Zahl der länge- re Zeit nicht besetzbaren Kassen- arztsitze nimmt ab. Von einer Män- gelverwaltung, von der noch die in der letzten Legislaturperiode neu eingeführte Bedarfsplanung aus- ging, kann heute ernsthaft nicht mehr geredet werden. Wie wird es erst in fünf oder zehn Jahren ausse- hen? Hofft man leichtfertig auf eine Selbstregulierung des Marktes? Für Ärzte, die doch für einen ganz be- stimmten Beruf und für keinen an- deren sonst ausgebildet sind, wirkt der Trost von Bildungspolitikern und Bildungsfachidioten wie Hohn, wenn sie (wie zum Beispiel der Di- rektor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, Prof.

Dr. Hellmut Becker) erklären: Jedem

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 21. April 1977

1051

(4)

Die Information:

Bericht und Meinung

Zulassung zum Medizinstudium

jungen Menschen müsse klarge- macht werden, daß er aus seiner Bil- dungsqualifikation heraus keinen Anspruch auf einen bestimmten Be- ruf ableiten dürfe. Nach Becker ha- ben zwar alle das Recht auf Arbeit, nicht aber auf eine bestimmte Arbeit. . . NJ

Chancenlos

Überlange Wartezeiten. . . können namentlich von Be- werbern aus sozial schwäche- ren Kreisen nicht durchgehal- ten werden und verlieren für diese ihre chancenausglei- chende Funktion. . .soweit die chancenausgleichende Funktion der Wartezeit ent- fällt, verwandelt sich zugleich die zunächst nur chancener- höhend gedachte Auswahl nach Durchschnittsnoten aus einer bloßen sofortigen Zulas- sung zu einer endgültigen chancenausschließenden Se- lektionsentscheidung. Für eine _ solche definitive Ent- scheidung über die Verteilung von Lebenschancen sind aber überhohe Durchschnittsnoten schon deshalb ungeeignet, weil ihr Prognosewert für Stu- dien- und Berufserfolg unge- sichert ist und weil sie wegen der Subjektivität der Notenge- bung und der Gleichbehand- lung ganz verschiedenartiger

Hochschulzugangsberechti- gungen nicht vergleichbar sind. Davon abgesehen stün- den sie als Zulassungsvoraus- setzungen außer Verhältnis zu den Erfordernissen des ange- strebten Berufs. Zahlreichen geeigneten Bewerbern – selbst solchen mit guten No- ten oder besonderen fachspe- zifischen Begabungen – las- sen sie nicht einmal die Chance, ihre Zulassungsaus- sichten durch eigenes stu- dien- und berufsbezogenes Zutun zu verbessern.

(Bundesverfassungsgericht am 8. Februar 1977)

DER KOMMENTAR

Reizwort

„Ambulanzen"

Der Landschaftsverband Westfalen- Lippe will, wie er der Presse mitge- teilt hat, in den nächsten Monaten

in seinen acht großen Fachkranken- häusern für Psychiatrie Ambulanzen einrichten Dies ist möglich gewor- den, wie es in der Pressemitteilung ganz richtig heißt, seit das Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassen- arztrechtes mit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1977 die rechtlichen Grundlagen dazu geschaffen hat.

Aber der Landschaftsverband sollte etwas vorsichtiger mit dem Wort

„Ambulanz" umgehen, und er sollte vor allem nicht den Eindruck zu er- wecken versuchen, als würde die Einrichtung solcher Ambulanzen

„Kostenersparnis und bessere Ver- sorgung für Patienten" erbringen – so lautet wörtlich die Überschrift der Pressemeldung. Im Text wird der Leiter der Gesundheitsabteilung des Landschaftsverbandes, Prof. Dr.

Kurt Gedicke, zur Kostenfrage zi- tiert: „Viele Patienten können ambu- lant genauso gut behandelt werden, ohne daß so hohe Kosten wie bei der stationären Aufnahme entstehen.

Auch dieser Schritt wird auf Dauer zur Kostendämpfung im Gesund- heitswesen beitragen" – richtig;

aber doch nicht durch die bloße Ein- richtung von institutionalisierten Ambulanzen, sondern eben durch die Vermeidung der stationären Auf- nahme – also auch bei Behandlung durch niedergelassene oder er- mächtigte Ärzte, wenn es beim ein- zelnen psychisch Kranken oder Be- hinderten überhaupt möglich ist.

Das hat mit dem neuen Gesetz nichts zu tun.

Daß hier das Reizwort „Ambulanz"

in willkürlich – oder bewußt? – un- genauer Weise verwendet wird, zeigt sich in der Mitteilung, der Land- schaftsverband habe auf diesem Ge- biet bereits „gute Erfahrungen" ge- macht, und zwar im Westfälischen Landeskrankenhaus in der Haard bei Marl. Hier hätte seit 1968 vier- bis fünftausend Kindern und Jugendli-

chen die stationäre Aufnahme er- spart werden können, seit der Leiter des Krankenhauses, Prof. Dr. Egon Machetanz, von der Kassenärztli- chen Vereinigung Westfalen-Lippe

„ermächtigt wurde, eine Ambulanz zu betreiben".

Richtig wäre es natürlich gewesen zu sagen: „zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung ermächtigt wurde", und zwar: als Person (dies ist inzwischen auch im Landeskran- kenhaus Paderborn für mehrere Ärzte geschehen). Was jetzt geplant wird, ist die Ausnutzung der neuen rechtlichen Möglichkeiten zur Er- mächtigung psychiatrischer Kran- kenhäuser oder Fachabteilungen als Institut. Und ob dabei „Kostener- sparnis und bessere Versorgung für Patienten" herauskommen, das ist noch lange nicht bewiesen. Denn nicht nur liegen einige Landeskran- kenhäuser weitab von Siedlungsge- bieten, sondern es fehlt ja auch ih- nen an Psychiatern. Der Land- schaftsverband teilt es in der glei- chen Presseverlautbarung selbst mit: 65 Planstellen für Ärzte sind bei ihm gar nicht besetzt. gb

ZITAT

Dukatenesel

für sozialpolitische Finanzsorgen

„Es ist einfach unzulässig, so zu tun, als wäre die Kranken- versicherung der Dukatenesel für sozialpolitische Finanzsor- gen schlechthin. Es darf nicht dahin kommen, daß die er- folgreich begonnenen Refor- men im Gesundheitswesen nun durch die Finanzlawine der Rentenversicherung ein- fach weggespült werden.

Dazu ist unser bewährtes Ge- sundheitswesen ein viel zu komplexer Organismus."

Dr. med. dent. Hanna Neumei- ster, MdB, in: Deutschland- Union-Dienst Nr. 16/1977.

1052 Heft 16 vom 21. April 1977 DEUTSCHES ARZIEBLATT

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