Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 33–34|
18. August 2014 A 1387D
ass Vertreter gesetzlicher Krankenversicherer lieber auf Kontrolle als auf ein gutes Vertrauens- verhältnis zwischen Patienten und Ärzten setzen, über- rascht nicht. Die Vehemenz, mit der Dr. med. Christoph Straub als Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK auf eine von der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung dokumentierte Einschätzung der Versicherten zum Vorhaben ver- pflichtender Terminservicestellen („Patienten loben ih- re Ärzte“ in diesem Heft) reagierte, spricht Bände: Die Ärzte sollten ihre Skepsis gegen die vom Bund geplante verpflichtende Terminvergabe für Fachärzte aufgeben, kommentierte Straub bereits wenige Stunden nach Ver- öffentlichung der Umfrage in populistischer Attitüde.Dabei hat, wer der Darstellung der Ärzte gefolgt ist, feststellen können, dass hier alles andere als prinzipien- gefälliger Widerstand das Motiv der Kritik war. Schon die Fakten lassen das gar nicht zu: Vier von fünf Versi- cherten kannten das im Koalitionsvertrag fixierte Vor- haben, Servicestellen zur Facharzttermin-Vermittlung einzuführen, gar nicht. Sie mussten erst darüber infor- miert werden. Nach Aufklärung fanden dann zwei Drit- tel der Befragten den Plan „gut“. Aber drei von fünf Versicherten glaubten nicht an den Erfolg des Plans.
Sind die Patienten pragmatischer als ihre Versicherer?
Der Ärzteschaft diesbezüglich falsche Skepsis zu unterstellen, erinnert an die Diskussion um die Einfüh- rung der Praxisgebühr. Diese sollte die Lage in den Arztpraxen entspannen, die Frequenzen der Arztbesu- che herunterfahren. Funktioniert hat es nicht. Die Ärzte hatten genau davor gewarnt, mussten die bürokrati- schen Unbilden bis zur Abschaffung der Maßnahme dann trotzdem tragen. Dass die ärztliche Selbstverwal- tung jetzt vor dem nächsten bürokratischen Vorhaben der Regierung eine fundierte Analyse vornehmen und daraus die notwendigen Schritte ableiten will, ist nach- vollziehbar – und schafft Handlungsoptionen, die auf Bedarfe rekrutieren statt nach der Bürgerversicherung zu schreien. Das aber ist von den gesetzlichen Kran- kenkassen nicht gewollt.
Dinge beim Namen zu nennen – etwa, dass eine ver- pflichtende Facharztterminierung zwangsläufig die freie Arztwahl aushebelt, aber mehr als 70 Prozent der Patienten gerade das für wichtig hält – passt manchem Kassenvertreter in seinem Kampf gegen die privatver- sichernde Konkurrenz genauso wenig ins Konzept wie der Hinweis, dass angesichts begrenzter Ressourcen ei- ne offene Diskussion zu führen ist, ob und wie Regle- mentierungen zu setzen sind. Das wird zurzeit von den Ärzten, nicht von den Kassen thematisiert.
Und um etwaiger restlicher Skepsis über eine einsei- tige Darstellung den Raum zu nehmen: Die Ärzteschaft hat mit der Umfrage auch herausgestellt, dass die War- tezeiten für bestimmte Facharzttermine durchaus stei- gen. Allerdings wird auch offen angesprochen, dass Ur- sachenbekämpfungen – sprich Maßnahmen gegen den Ärztemangel – anstehen, statt sich auf Symptome zu stürzen und darauf zu beschränken, durch Zwangster- minierungen wachsende Mängel zu verwalten.
Dass innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung er- folgreich Wege beschritten werden, absehbare Mangel- situationen strukturiert anzugehen, ist augenfällig (un- ter anderem „Gegen den Ärztemangel“ in diesem Heft).
Statt an Symptomen herumzudoktern, sollten mehr Krankenkassen so vielversprechende Initiativen tat- kräftig unterstützen.
WARTEZEITEN
Die Ursachen bekämpfen
Egbert Maibach-Nagel
Egbert Maibach-Nagel Chefredakteur