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Archiv "Boni für Chefärzte: Bedenkliche Anreize" (17.02.2012)

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A 298 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 7

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17. Februar 2012

BONI FÜR CHEFÄRZTE

Bedenkliche Anreize

Immer mehr Chefarztverträge enthalten Zielvereinbarungen. Dabei werden vorrangig finanzielle Ziele festgelegt.

D

ie Frage, wie er es geschafft habe, den Berliner Kranken- hauskonzern Vivantes wieder in die schwarzen Zahlen zu führen, beant- wortete Geschäftsführer Joachim Bovelet jüngst im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt sinnge- mäß so: Er habe den Chefärzten üp- pige Bonuszahlungen in Aussicht gestellt, wenn die Leistungsdaten in ihren Abteilungen steigen (DÄ, Heft 37/2011). Diese Form der Anreiz- setzung ist sicherlich legitim, so - lange die Leistungszuwächse durch ein verbessertes Zuweisermanage- ment oder auch Marketingaktivitä- ten erreicht werden. Bedenklich

wird es, wenn sich die Ärztinnen und Ärzte gedrängt fühlen, mehr Leistungen zu erbringen, als medi- zinisch notwendig sind, höher be- wertete Leistungen abzurechnen, als sie tatsächlich erbracht haben, oder sogar nichtlukrative Behand- lungen ganz zu unterlassen.

Die Bundesärztekammer sieht die Bindung möglicher Boni an die Einhaltung von ökonomischen Zielen im Rahmen von Chefarzt- verträgen denn auch äußerst kri- tisch: „Die ärztliche Arbeit darf nicht vorrangig von wirtschaftli- chen Kriterien geleitet werden“, betont Bundesärztekammerpräsi- dent Dr. med. Frank Ulrich Mont- gomery. Dies berge Risiken für die Patientenversorgung. Eine Koppe- lung ärztlich-medizinischer Ge- sichtspunkte und ökonomischer Erwägungen widerspreche dem ärztlichen Berufsethos und werde daher strikt abgelehnt.

Nach einer aktuellen Erhebung der Personalberatung Kienbaum er-

halten immer mehr Chefärzte Bo- nuszahlungen für das Erreichen de- finierter Ziele. So hat sich von 1995 bis heute die Verbreitung solcher Bonusvereinbarungen von fünf auf inzwischen 45 Prozent der Neuver- träge erhöht. Die Boni werden in der Regel ausgeschüttet, wenn quantitative Zielgrößen – Fallzah- len, Belegung, Case Mix Index – erreicht werden und das Kosten- und Erlösbudget eingehalten wird.

„Angesichts der politisch gesetz- ten Rahmenbedingungen können sich die Krankenhäuser den harten ökonomischen Realitäten doch gar nicht entziehen“, zeigt Kienbaum-

Berater Thomas Thurm Verständnis dafür, dass in den zielbasierten Steuerungssystemen der Kranken- häuser ökonomischen Aspekten oft ein besonderer Stellenwert beige- messen wird. Das Management be- nötige Führungssysteme, mit denen die Aktivitäten von Beschäftigten in den Schlüsselfunktionen wirksam gesteuert werden könnten, und dabei

„kommt Chefärzten eben eine he- rausragende Bedeutung zu, weil sie das operative Klinikgeschehen in entscheidender Weise gestalten und beeinflussen“. Die im Markt teilwei- se herrschende Überbetonung wirt- schaftlicher Kenngrößen sei darauf zurückzuführen, dass mit den Ziel- vereinbarungen häufig Verhaltens - änderungen herbeigeführt werden sollten – „diese sind bei den Ärzten im Bereich des Klinikmanagements meist dringender erforderlich als hin- sichtlich der Qualität der medizini- schen Leistungserbringung“. Natür- lich dürften medizinisch-qualitative Aspekte sowie die Anforderungen an

eine zeitgemäße Mitarbeiterführung und (im universitären Bereich) an die Leistungen in Forschung und Lehre nicht zu kurz kommen.

Nach Überzeugung von Dr. med.

Peter Windeck, Geschäftsführer der Personalberatung Rochus Mum- mert Healthcare, ist eben dies – das Zukurzkommen anderer Aspekte – in vielen Krankenhäusern der Fall:

„In den Zielvereinbarungen der Krankenhäuser müsste beispiels- weise die medizinische Qualität der Leistungserbringung eine viel grö- ßere Rolle spielen.“ Denn wenn die Qualität nicht stimme, werde es richtig teuer: „Schlechte Behand- lungen erzeugen Nebenwirkungen, Langlieger, weniger Patienten und letztlich weniger Umsatz.“ In der Industrie spielten finanzielle As- pekte heute auch gar nicht mehr die große Rolle. Windeck: „Die Lern- kurve in anderen Branchen war die, dass die immateriellen Ziele per- spektivisch genauso wichtig sind wie die finanziellen.“ So sei es für die Zukunftssicherung der Klinik existenziell, die Weiterentwicklung des medizinischen Leistungsportfo- lios in der Zielvereinbarung zu ver- ankern, also etwa die Etablierung neuer Behandlungsmethoden. Auch die Sicherung der ärztlichen Weiter- bildung, eine hohe Mitarbeiterzu- friedenheit oder die Förderung zu- künftiger ärztlicher Führungskräfte sollten in Zeiten des Ärztemangels besonders wichtige Faktoren für die Krankenhäuser sein.

In einer gemeinsamen Stellung- nahme haben die Bundesärzte - kammer, der Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands und der Marburger Bund bereits 2002 die in Chefarzt-Vertragsmustern der Deutschen Krankenhausgesell- schaft vorgesehenen Empfehlun- gen für variable Vergütungsbe- standteile im Sinne von erfolgsab- hängigen Bonuszahlungen abge- lehnt. Die drei Organisationen empfehlen den Ärzten „dringend“, sich vor der Unterzeichnung eines Chefarztvertrages kompetenten und individuellen rechtlichen Rat durch einen im ärztlichen Berufs- und Vertragsrecht versierten Juristen

einzuholen.

Jens Flintrop

In den Zielvereinbarungen müsste die medizinische Qualität eine viel größere Rolle spielen.

Peter Windeck, Personalberater

P O L I T I K

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