DEUTSCHES • • ZTEBLATT
Ärztliche Mitteilungen
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung Redaktion:
liaedenkampstraße 5
Postfach 41 02 47, 5000 Köln 41 Telefon: (02 21) 40 04-1
Fernschreiber: 8 882 308 daeb d Verlag und Anzeigenabteilung:
Dieselstraße 2, Postfach 40 04 40 5000 Köln 40 (Lövenich) Telefon: (0 22 34) 70 11-1 Fernschreiber: 8 89 168 daev d
Vierter Datenschutzbericht
Beanstandungen und Mängelrügen
Der vierte Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Daten- schutz hat, wie bereits in den vorangegangenen Jahren, auch einige Beanstandungen in dem Bereich der Krankenkassen und des Gesundheitswesens aufge- zeigt. In dem Bericht unterbreitet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Professor Hans- Peter Bull, zugleich Vorschlä- ge, um die Mängel abzustellen.
Der Datenschutz in der Bundesrepublik Deutschland sei „so löche- rig wie Schweizer Käse", meinen viele Betroffene und Sachverstän- dige. Die Reform des Datenschutzrechts sei überfällig. Sie müsse darauf abzielen, insbesondere persönliche Daten und personenbe- zogene medizinische Kenntnisse noch mehr abzuschotten. Der Datenschutz dürfe andererseits niemals ein Vehikel sein, die Erfül- lung gesetzlicher Aufgaben von Polizei, Verfassungsschutz und Nachrichtendienst zu verhindern.
Die andere, wenn auch nicht unversöhnliche (Gegen-)Meinung: Der soziale Bereich müsse noch mehr durchleuchtet werden. Eine Reform des Datenschutzrechtes müsse darauf abzielen, die Samm- lung nicht anonymisierter personenbezogener Daten in der medizi- nischen Forschung zu ermöglichen. Selbstverständlich solle einem Mißbrauch der Daten vorgebeugt werden. Die Weitergabe solcher Daten durch Ärzte an Wissenschaftler, die ihrerseits der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, dürfe nicht länger als Verstoß gegen zwingende Gesetzesvorschriften oder „Standesregeln" (was immer damit gemeint sein mag) gewertet werden.
Zweifellos ist an jedem der Argumente „etwas dran". „Überspitzter"
Datenschutz behindert die medizinische Forschung und führt auch zu einer Rechtsunsicherheit bei der Weitergabe medizinischer Daten zu Forschungszwecken. Andererseits darf der wie auch immer begründete Forscherdrang nicht dazu führen, daß die zentrale Erfas- sung, komplette Registrierung und Computerisierung auch intimster personenbezogener Daten, Krankheitsarten oder Krankheitsfälle unter dem Vorwand, der hehren Wissenschaft dienen zu wollen, dem Mißbrauch Tür und Tor öffnet. Zu oft sind in der Vergangenheit Pannen ans Tageslicht gekommen — eben Verstöße gegen zwin- gende Vorschriften und Verordnungen, die auch nicht mit „mensch- lichem Versagen" oder der Störanfälligkeit von EDV- und noch so ausgeklügelten Verschlüsselungssystemen entschuldigt werden können.
Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 9 vom 5. März 1982 21
Die Information:
Bericht und Meinung ZITAT
Krebsregister - ein· heikles Projekt!
,,Die Meldung von Patientenda- ten mft Personenbezug an das Krebsregister bedarf grund-
·sätzllch der Einwilligung des Betroffenen (bzw. der Entbin- dung von der ärztlichen Schwefgepflicht). Nur in weni- gen Ausnahmefällen kann die . Meldung auch ohne Einwilli- . gung des Patienten erfolgen,
und zwar wenn sie für die Zwecke des Krebsregisters nachweisbar not~endig ist und dem . Patienten dadurch, daß ihm die Art seiner Erkrankung bekannt wird, gesundheitliche Nachteile entstehen können.
Soweit weder ein solcher Aus- nahmefall noch eine Einwilli- gung vorliegt, unterbleiben Meldungen an das Register.
Der zulässige Umfang der Ein- -willigung ist im Gesetz festzu-
1 egen.II. .. ,,. • · , .
.
..
,',Der· Ge:setzgeber -sollte den
sich . verschärfenden Konflikt zum Anlaß nehmen, bei jeder einzelnen Repräsentativstati-
Der vierte Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Da- tenschutz, Prof. jur. Hans-Peter Bull, Bann, enthält wiederum eine ganze Liste von Beanstandungen gegen zwingende Rechtsvor- schriften (insbesondere nach dem Bundesdatenschutzgesetz). Be- mängelt werden zum Beispiel Er- hebungsbögen von Krankenkas- sen, die bei der Krankenhauspfle- ge auszufüllen sind. Die Kassen- kontrolleure wollen damit über- prüfen, ob die Krankenpflege ge- mäߧ 184 Abs. 1 RVO im Einzelfall notwendig war oder ob es sich um einen von den Krankenkassen nicht zu vergütenden ,.Pflegefall"
handelte.
..,. Datenschützer Bull moniert daran, daß Einzelfragen zur Thera- pie den Eindruck erwecken müß- ten, als ob die Maßnahmen des Arztes gleichzeitig überwacht wer- den sollten (etwa Häufigkeit der
stik zu· prüfen, in welchem Um- fang ein Eindringen in das Pri- .vatleben wirklich unumgäng- lich ist und ob es nicht wenig- stens ohne Drohung mit Zwangsmaßnahmen erfolgen · kahn. Die Freiheit des Bürgers, über die Offenlegung seiner Privatsphäre selbst zu entschei- den, sollte· auf keinen Fall mehr als nötig eingeschränkt wer- den. Die Qualität der Ergebnis- se einer Statistik braucht nicht unbedingt zu leiden, wenn die
Aus~unft fre~gestellt wird.
.
'IIm westlichen Ausl?nd ·jeden-• falls wird eine sanktionsbe- währte Auskunftspflicht bei Re- präsentativstatistiken überwie- gend für entbehrlich gehalten.
lh der Tat spricht viel dafür, daß der Anteil richtiger Antworten steigt, 'wenh . die Betrafferien ohne Zwang antworte.n und über die· Bedeutung der ein- zelnen Statistik aufgeklärt wurden."
Aus: Vierter Tätigkeitsbericht
des · Bundesbeauftragten für
den Datenschutz,-Bundestags- Drucksache 911243,. Seite 49
Visiten. Dosierung von Medika- menten). ·
Dagegen sei es nicht zu beanstan- den, wenn vertrauensärztliche Dienststellen Arztberichte spei- chern. Arztberichte im Original oder in Fotokopie aufzubewahren sei dem Vertrauensärztlichen Dienst datenschutzrechtlich nicht zu verwehren. Diese Unterlagen gehörten zu dem ,.Vorgang", über den ein Vertrauensarzt nicht zu- letzt auch aus Haftungsgründen noch nach Jahren Rechenschaft ablegen müsse.
Das vom Bundesgesundheitsmini- sterium seit geraumer Zeit offen- bar mit Nachdruck betriebene Pro- jekt zur gesetzlichen Einführung von Krebsregistern beurteilt Pro- fessor Bull dagegen überaus kri- tisch. Ohne Sinn und Nutzen von Krebsregistern beurteilen zu wol- len, zeigt Bull die Gefahr auf, daß Krebsregister nur ein erster Schritt
Datenschutz
zur Errichtung einer Vielzahl an- derer Epidemiologie-Register sein könnten.
ln der Tat sind solche Sorgen und Warnungen berechtigt, wurden doch erst vor geraumer Zeit im Gesetzentwurf eines neuen ,.Che- mikaliengesetzes" (allerdings dann gescheiterte) Vorstöße un- ternommen, nicht nur Krebser- krankungen, sondern verschiede- ne andere Krankheiten über Da- tenbanken zu registrieren.
..,. An die medizinische For- schung appelliert der Daten- schutzbericht, sich stärker als bis- her um die Anonymisierung perso- nenbezogener Daten zu bemühen und die Aggregationsmethoden weiterzuentwickeln.
..,. ln der Tat könnten methodelo- gische Überlegungen in dieser Richtung wesentlich dazu beitra- gen, Probleme, die sich durch die ärztliche Schweigepflicht und den Datenschutz ergeben können, erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Kautelen für den Datenaustausch Es müßte selbstverständlich sein (was der Datenschutzbericht be- sonders hervorhebt), daß eine Meldung von Patientendaten mit Personenbezogenheil an ein Krebsregister bis auf wenige Aus- nahmen grundsätzlich der Einwil- ligung des Betroffenen bezie- hungsweise der Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht bedürfen. Dies gilt entsprechend für die Übermittlung derartiger Da- ten durch ein Krebsregister an an- dere Forschungseinrichtungen.
Im übrigen erinnert Professor Bull an eine oftmals auch bei Politikern in Vergessenheit geratene Not- wendigkeit: Datenbanken unter- einander zu verknüpfen, ist unzu- lässig! Patientenbezogene Daten bei einem Krebsregister aufzube- wahren, sollte strikt befristet wer- den. Patientendaten sind außer- dem zu löschen, wenn sie nicht mehr benötigt werden.
Dr. Harald Clade 22 Heft 9 vom 5. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe AlB