GESCHICHTE DER MEDIZIN
MARGINALIEN
Londoner
Kinderkrankenhaus 1872
Im Jahre 1872 erschien bei Grant & Company in London ein großer Bildband von Gu- stave Dorä und Blanchard Jer- rold über London mit 180 Holzstichen, davon 54 Vollbil- der mit Legende und 126 Vi- gnetten. Der Folioband er- schien in 12 Einzelliefe- rungen.
Das war kein Souvenirge- schenk, kein Sammelwerk ge- fälliger Ansichten. Das war ei-
„Im Kinderkrankenhaus”, aus:
Gustave Dorä, Das graphische Werk, ausgewählt von Gabriele Forberg, mit einem Nachwort von Günter Metkenk, Manfred Pawlak Verlags-Gesellschaft mbH, Herr- sching, o. J., 2. Band, Seite 808.
ne zeitgenössische Reportage in Bildern, eine Reportage des Großstadtlebens mit Bildern vom Fischfang, von armen Leuten unter einer Brücke, von Leierkastenmännern, Seiltänzern, Handwerkern, von Opiumrauchern, von Wirtshausstreit und Nacht- asyl. Die Szene „Im Kinder- krankenhaus" (im Original 10,8 x 9,7 cm) gehört zu den freundlichen Bildern dieser Serie, auch wenn der
Tod hier gegenwärtig ist.
Spektrum der Woche Aufsätze Notizen
les sind nur die mehr ins Auge sprin- genden Probleme, die gelöst werden müßten.
Eine ernsthafte Diskussion der staat- lichen Regelungen der neuartigen Fortpflanzungstechnologien ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gerechtfertigt. Für einen Arbeitsent- wurf für ein „Einheitliches Embryo- Übertragungs-Gesetz" wäre es aber nicht zu früh. Ich möchte gerne fünf Orientierungspunkte andeuten, die ein wichtiger Bestandteil eines sol- chen Modell-Gesetzes sein würden:
Fünf Orientierungspunkte
1. Ein gesetzliches Verbot der klini- schen Anwendung der menschli- chen I.V.B. ist unangemessen. So ein Gesetz würde sicherlich ein fun- damentales Interesse der unfrucht- baren Frau beeinträchtigen — näm- lich ihr Recht auf Kinder. Es könnte außerdem durch eine unangemesse- ne Beschränkung der Forschungs- freiheit gegen die vorrangigen Rech- te der klinischen Forschung auf Ver- besserung verstoßen und schließlich wäre ein solches Gesetz außeror- dentlich schwierig durchsetzbar.
2. Der Spender einer menschlichen Eizelle sollte in keiner Weise ein ge- setzliches Anrecht auf ein Kind ha- ben, das aus dieser Eizelle entsteht, und das Kind sollte ebenfalls kein gesetzliches Anrecht auf den Spen- der haben. Das Interesse an der Inte- grität der Familie, der das Kind zuge- hört, ist der vorrangige Grund für diese Regel.
3. Die Eispende sollte so geregelt sein, daß möglichst wenig Anreiz vom Markt ausgeht. Da mit der Ei- spende Beschwerden und Risiken verbunden sind, sollten Frauen eher davon abgehalten werden, sich un- nötigen Operationen zu unterzie- hen. Statt dessen sollte jede An- strengung gemacht werden, Eizellen von den Frauen zu erhalten, die sich aus anderen Gründen operativen Eingriffen unterziehen müssen. Die Spenderbereitschaft dieser Gruppe von Frauen sollte ebenso gefördert werden wie die der weiblichen Ver- wandten von unfruchtbaren Frauen.
4. Die Eltern eines Kindes, das von einer „Ersatzmutter" geboren wird, sind deren genetische Eltern. Die Er- satzmutter sollte in keiner Weise rechtliche Ansprüche gegenüber dem Kind haben, noch sollte das Kind solche Ansprüche gegenüber der Ersatzmutter haben. Der Name der Ersatzmutter sollte weder auf dem Geburtsschein noch auf irgend- einem anderen Dokument erschei- nen. Die Interessen des Kindes ver- langen nach bestmöglicher Vertrau- lichkeit.
5. Ersatzmutterschaften sollten so geregelt sein, daß die Interessen des heranwachsenden Föten optimal ga- rantiert sind. Der Staat sollte ver- nünftige Richtlinien darüber erlas- sen, welche Personen als Gebär- Mütter zugelassen sein sollen. Ge- eignete Frauen könnten eine Lizenz bekommen. Es könnte sich als rich- tig erweisen, die Ausübung der Er- satzmutterschaft auf solche Frauen zu beschränken, die keine weiteren Kinderwünsche haben, aber bisher nicht mehr als zwei Schwanger- schaften hatten. Aus einer großen Anzahl gesundheitlicher Gründe (z.
B. Zigarettenrauchen) könnten Frau- en von dieser Tätigkeit ausgeschlos- sen werden.
Es könnte auch festgelegt werden, daß eine Ersatzmutter, die aus Lau- nenhaftigkeit ihr Kind abtreiben ließ, definitiv von weiteren Ersatzschwan- gerschaften ausgeschlossen sein soll (und vielleicht auch auf andere Weise mit Sanktionen belegt werden soll). Solche Richtlinien könnten aber auch z. B. das Recht der geneti- schen Eltern auf Abtreibung auf die Fälle beschränken, in denen fötale Erkrankungen diagnostiziert wor- den sind.
Dies sind freilich nur einige der de- taillierten Vorschriften, die notwen- dig sein würden, um die Anwendung dieser Technologie zu regeln (38).
Ein Sonderdruck mit Literaturangaben kann bei Dr. med. Bc. phil. Helmut Pie- chowiak, Zentralkrankenhaus Gauting der LVA Oberbayern, Unterbrunnerstra- ße, 8035 Gauting, angefordert werden.
In-vitro-Befruchtung
692 Heft 14 vom 2. April