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Archiv "Zugang zu Medikamenten: Alles für alle „für lau“?" (25.04.2003)

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T H E M E N D E R Z E I T

A

A1102 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1725. April 2003

E

s ist eine unendliche Geschichte:

Einwohner von Entwicklungslän- dern können sich Medikamente zur Behandlung von HIV/Aids, Tuber- kulose und Malaria aus Kostengrün- den nicht leisten, und die „bösen und imperialistischen“ USA blockieren je- den kostengünstigen Zugang dazu.

Das jedenfalls ist – zugegebenerma- ßen verkürzt – die Realität aus Sicht vieler Entwicklungsländer, Hilfsorga- nisationen und scheinbar auch von Mitgliedern der Redaktion des Deut- schen Ärzteblattes (siehe „Medika- mentenstreit – Tödliche Nebenwir- kung, DÄ, Heft 10/2003).

Tatsächlich sind die in Genf im Rahmen der Welt- handelsorganisation (WTO) geführten Verhandlungen zwi- schen einer Zahl von Entwick- lungsländern und einer US- geführten Gruppe von Indu- striestaaten über die verein- fachte Vergabe von Zwangs- lizenzen an Pharmapatenten bislang ergebnislos geblie- ben. Hintergrund dieser Ver-

handlungen ist Artikel 31 des so ge- nannten TRIPS-Abkommens der WTO.

Diese Vorschrift ermöglicht bereits die Zwangslizenzierung von Patent- rechten durch Staaten. Sie unterwirft derartige Maßnahmen jedoch einer Vielzahl von Bedingungen, unter an- derem der Zahlung einer angemes- senen Entschädigung an den Rechts- inhaber und einem Exportverbot. Das TRIPS-Abkommen haben Industrie- und Entwicklungsländer beim Ab- schluss der GATT-Uruguay-Runde zusammen mit anderen Abkommen unterzeichnet. Im Gegenzug zur Billi- gung starken Patentschutzes machte man den Entwicklungsländern erheb- liche Zugeständnisse im Textil- und Agrarsektor. Nun den Patentschutz zu lockern, indem man Zwangslizenz- bedingungen aufweichte, hieße, die Zugeständnisse der Industriestaaten zu entwerten.

Doch das Prinzip pacta sunt servan- da ist nur ein kaltes, juristisch-handels- politisches Argument, dem leicht Un- menschlichkeit attestiert werden könn- te, hätte es nicht einen Hintergrund:

Rechtssicherheit. Nun mag man fra- gen, was denn das für eine Abwägung ist, den Zugang HIV-Infizierter zu kostengünstigen Medikamenten an Rechtssicherheitsinteressen des Welt- handels scheitern zu lassen.

Doch jeder Arzt wird die gewalti- gen Forschungs- und Entwicklungsko- sten ermessen können, die Pharmafir- men gerade in kritischen Sektoren aufwenden. Das ihnen als Belohnung

für diese Anstrengungen verliehene Patentrecht soll den Firmen die Amor- tisation dieser Kosten ermöglichen.

Werden Pharmazeutika gerade in den kritischen – und daher interessante- sten – Bereichen durch Zwangslizen- zen billiger und frei verfügbar, ist die Rentabilität nicht mehr sichergestellt, und die Forschung geht zurück. Schon seit langem macht die Hilfsorganisa- tion „Ärzte ohne Grenzen“ auf man- gelnde Forschung bei Erkrankungen wie Tuberkulose und Malaria auf- merksam. Ginge die Forschung hier oder bei HIV/Aids erheblich zurück, wäre das für die Infizierten und Kran- ken in Industrie- und Entwicklungs- ländern tödlich.

Man kann nun darauf verweisen, dass nur etwa ein Prozent des weltwei- ten Pharmaumsatzes auf Afrika ent- fällt. Doch für die Rentabilität der Aids-Forschung ist der auf Kopf-

schmerztabletten entfallende Umsatz in den USA ohne Bedeutung. Es kommt einzig auf den Umsatz in den kritischen Sektoren an, und dort sind die Entwicklungs- und Schwellenlän- der Afrikas, Asiens und Südamerikas wesentlich. Der bei weitem größte Teil der HIV-Infizierten lebt eben nicht in den USA und der Europäischen Union.

Außerdem ist die Bereitschaft der Nachfragenden, für lebenswichtige Medikamente auch bei Armut not- wendige Preise zu zahlen, nicht zu un- terschätzen. Um ihnen bei der Finan- zierung zu helfen, sind auch die Ent- wicklungsstaaten selbst gefragt. Sie könnten einen nicht unbe- deutenden Teil der Kosten auch über Umschichtungen in ihren Budgets finanzieren.

Sollte ein Entwicklungsstaat etwa Medikamente zum Son- dertarif erhalten, um weiter in großem Umfang Waffen- käufe tätigen zu können?

Doch auch die Industrie- staaten entziehen sich ihrer Verantwortung nicht. So hat US-Präsident George W. Bush am 29.

Januar in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress bekannt gegeben, dass die USA in den näch- sten fünf Jahren insgesamt 15 Mil- liarden US-Dollar für den Kampf ge- gen HIV/Aids investieren wollen. Als Fazit darf demnach gelten, dass letzt- lich alle staatlichen Akteure zum Handeln verpflichtet sind. Eine Teil- enteignung der Pharmafirmen, wie sie eine Ausweitung der Zwangslizenz- option implizierte, ist nicht der ein- zige Weg. Angesichts der Wichtigkeit der Entwicklungsländer für die Ren- tabilität der Forschung bei Erkran- kungen wie HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria ist es wahrscheinlich, dass man den dortigen Infizierten einen Bärendienst erwiese.

Christian von Kraack-Blumenthal Institut für Öffentliches Recht Universität Bonn

Zugang zu Medikamenten

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