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Archiv "HIV/Aids in Deutschland: Keine Entwarnung" (18.08.2000)

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rotz der bisherigen Erfolge bei der Prävention von HIV und Aids darf das Thema nicht in den Hinter- grund treten. Darüber sind sich die Ber- liner, die Deutsche und die Hannöver- sche Aids-Hilfe sowie das Berliner Au- guste-Viktoria-Krankenhaus einig. Ge- meinsam veranstalteten sie vom 11. bis zum 13. August den zweiten bundes- weiten Kongress „HIV im Dialog“ in Berlin. Einer der Schwerpunkte war die internationale Zusammenarbeit, be- sonders mit den östlichen Nachbarn.

Denn gerade dort steigt die Rate der HIV-Neuinfektionen in den letzten Jahren deutlich an.

Die jährlichen Repräsentativ- erhebungen „Aids im öffentli- chen Bewusstsein“ der Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln, las- sen erkennen, dass sich die deutsche Bevölke- rung seit 1994 immer we- niger über die Erkran- kung und Präventions- möglichkeiten informiert.

Obwohl sich bei uns die epidemiologische Situati- on vergleichsweise gün- stig darstelle, dürfe es kei- ne Entwarnung geben, er- klärte Bundesgesundheits- ministerin Andrea Fischer in ihrem Grußwort zum Kon- gress.

Doch die Haushaltsmittel für die Aids-Aufklärung werden nach An- gaben der Bundeszentrale stetig gekürzt: von 50 Millionen DM im Jahr 1987 auf 31 Millionen DM 1990 und jeweils 18 Millionen DM in den Jahren 1999 und 2000. Die Direktorin der BZgA, Dr. med. Elisabeth Pott, be- fürchtet, dass durch die geringere Auf- klärungsdichte, die der deutliche Mittel-

rückgang mit sich bringt, „Entwar- nungs- und Vergessenseffekte“ auftre- ten. Die Notwendigkeit der Prävention dürfe nicht unterschätzt werden. Auch die Deutsche Aids-Hilfe forderte die Bundesregierung auf, mehr Geld zur Verfügung zu stellen.

Noch ist die Bereitschaft in der Be- völkerung, sich vor der An-

steckung mit dem

HI-Virus zu schützen, groß. Dies be- stätigen die Ergebnisse der BZgA- Studie von 1999. Doch das tatsäch- liche Schutzverhalten, das sich im Ver- lauf der Aids-Aufklärungskampagne zunächst kontinuierlich ausgebreitet hatte, stagniert seit 1996. So stieg der Anteil der 17- bis 44-jährigen Alleinle- benden, die Kondome verwenden, von 58 Prozent 1988 auf 73 Prozent 1996, blieb aber seither weitgehend kon- stant. Unter den Befragten mit meh- reren Sexualpartnern pro Jahr ist sogar ein Abwärtstrend feststell- bar. Während sich 1996 84 Pro- zent mit Kondomen vor einer Infektion schützten, taten dies 1998 nur 76 beziehungsweise

1999 78 Prozent.

Die Zahl der HIV-Neuin- fektionen bleibt konstant be- ziehungsweise steigt leicht.

Die Gründe dafür sieht Dr.

med. Osamah Hamouda vom Robert Koch-Insti- tut, Berlin, einerseits in

einer tatsächlichen Zunahme der Infektionsrate und andererseits in einer besseren Erfassung. „Die Daten stammen aus den Meldun- gen der positiven HIV-Tests, die nicht gleichbedeutend mit den neuen In- fektionen sind“, erklärt der Epide- miologe. Diese würden den realen Zahlen aber am ehesten entspre- chen. Nach Berechnungen für das erste Halbjahr 2000 liegt die jährliche Neu- infektionsrate in Deutschland bei etwa P O L I T I K

A

A2140 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 33½½½½18. August 2000

HIV/Aids in Deutschland

Keine Entwarnung

HIV und Aids sind in Deutschland keineswegs auf dem Rückzug, dennoch werden die finanziellen Mittel für Prävention und Forschung gekürzt.

52 Prozent aller bisher an Aids Erkrankten stam- men aus den Großstädten Frankfurt a. M., Mün- chen, Berlin (West), Köln, Düsseldorf und Ham- burg. Nur zwei Prozent der Erkrankten kommen aus den neuen Bundesländern.

Gemeldete Aids-Fälle

kumulierte Inzidenz pro Million Einwohner 0 bis 50

50 bis 100 100 bis 500 500 bis 1000 1000 bis 1600

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2000. Derzeit leben rund 37 000 HIV- Infizierte in Deutschland, davon sind etwa 29 000 Männer und 8 000 Frauen.

Bei ungefähr 5 000 Personen ist die Er- krankung bereits zum Vollbild Aids fortgeschritten. Etwa 500 Menschen erkranken jährlich an Aids, 600 ster- ben daran. Die Zahl der HIV-infizier- ten Kinder liegt unter 400, da durch Präventionsmaßnahmen eine Mutter- Kind-Übertragung in vielen Fällen ver- hindert werden kann.

„Nach wie vor erfolgt die über- wiegende Zahl der Neuinfektionen über homosexuelle Kontakte“, erläu- tert Hamouda. Die Rate beträgt im er- sten Halbjahr 2000 etwa 50 Prozent;

die Infektionsrate über heterosexuelle

Kontakte liegt bei 17 Prozent. Der An- teil der i.v-Drogenkonsumenten unter den HIV-Neudiagnosen ist etwas ge- sunken (14 Prozent 1999, 12 Prozent 2000).

Dafür hat in den letzten Jahren der Anteil an Personen aus HIV-Endemie- gebieten an den Neuinfektionen zuge- nommen und liegt derzeit bei 20 Pro- zent. „Migranten sind für die Präventi- on häufig schwer zugänglich“, berichtet Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, Präsident der Deutschen Aids-Gesell- schaft e.V. Im Juli/August startet die Deutsche Aids-Gesellschaft, unterstützt vom Land Nordrhein-Westfalen, ein Projekt im Ruhrgebiet, bei dem sich ausländische Sozialarbeiter gemeinsam mit Psychologen direkt an diese Ziel- gruppe wenden. „Da sexuelle Tabus bei diesen Personen stärker ausgeprägt sind“, so Brockmeyer, „müssen wir nach neuen Wegen in der Aids-Hilfe su- chen.“ Dr. med. Eva A. Richter

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 33½½½½18. August 2000 AA2141

Das neue Motiv der Aids-Präventionskampagne

„mach’s mit“ der BZgA anlässlich der Olympi- schen Spiele Sydney 2000 wirbt für gesundheits- bewusstes Verhalten.

KOMMENTAR

V

ielleicht ist es schon zu spät, der Arztberuf ist in den ökonomi- schen Treibsand geraten. Die kriminelle Energie des „rationellen Verhaltens“, hinter dem eigenen Vor- teil herzujagen und dann den Erfolg des Verhaltens und Agierens am fi- nanziellen Resultat zu messen, hat nun auch ihn erfasst. Ist das das Ende des „Kulturberufes Arzt“?

Möglicherweise gibt es inzwischen nur zu viele Ärzte; das allein kann es aber nicht sein. Nicht mehr der Beruf bestimmt den ärztlichen Alltag. Er wird übersteuert von sozialen und öko- nomischen Zielen, die ihn unmittelbar in Anspruch nehmen. Mittelbar gehör- ten die sozialen und ökonomischen Verhältnisse einer Gesellschaft schon immer zu den Bedingungen, unter de- nen die Ärzte ihrem Beruf nachgingen.

Nirgends ist zu lesen, dass sie sich aussonderten wie andere Stände. Stets waren sie mittendrin, meistens selbst- verständlicher als die Durchschnitts- bürger, eben von Berufs wegen. Es war nicht notwendig, ihnen das vorzu- schreiben, es war ihre „Kultur“. Aus- nahmen gab es immer und wird es im- mer geben. Aber waren Staaten, Für- sten, politische Führer besser, verläss- licher, selbstloser? Niemand ist je auf die Idee verfallen, bei diesen die Vor- bilder für die Ärzte zu suchen.

Auch die Gesetzgeber für ärztliche Standesordnungen vom frühen Mit- telalter bis heute, von Ostasien über die ägyptische, indische, arabische und abendländische Heilkunst bis zur Gesetzgebung von 1883 gingen von einem grundsätzlich intakten „Kul- turberuf Arzt“ aus. Die Bundesärzte- ordnung beschreibt den Arztberuf als freien, dienenden Beruf.

Heute ist alle Welt zu fein zum Die- nen. Die Hybris der Menschen und der

„Tanz um das goldene Kalb“ haben den Begriff diskriminiert. Alle wollen in erster Linie verdienen. Für einen

„Kulturberuf Arzt“ ist kein Reservat, dessen Inhalt in erster Linie Dienst am anderen ist. Dienen hat nichts mit Un- terwürfigkeit zu tun: Dienen schließt Verlässlichkeit und zielgerichtetes Handeln ein; im Arztberuf sogar not- falls koste es, was es wolle. Da liegt das Urvertrauen zum Beruf, und aus der Hoffnung, dass davon genug erhalten ist, bringen die Umfragen dem Arzt- beruf immer wieder gute Noten.

Will die Gesundheits- und Sozial- politik einen Arztberuf schützen und stützen, so wie ihn die Bürger sich wünschen, muss sie ihn zuallererst aus dem Teufelskreis der ökonomischen Gängelei befreien. Werden den Ärz- ten wieder jene Handlungsräume zu- gebilligt, in denen sich auch im Ein- zelfall engagiertes Dienen entfalten kann, eröffnen diese auch die Chan- ce, Dienst und Verdienst in Einklang miteinander zu halten.

Doch von Achtung und Vertrauen in solche Selbstregulierungskräfte ist die herrschende Politikerklasse weit entfernt. Auf Egoismen zu setzen, si- gnalisiert der Zeitgeist. Die Ärzte selbst stützen ihn, wenn sie ihr Vertrauen zu- einander immer weniger pflegen und das Bewusstsein, einem „Kulturberuf“

anzugehören, zunehmend verlieren.

Das wird den Weg zurück erschweren und die Vorherrschaft fremder ge- sellschaftlicher Triebkräfte über den Arztberuf festigen.

Es ist nicht der richtige Weg für die Ärzte, sich in immer kleinere Inter- essengemeinschaften zusammenzu- schließen und dem Zeitgeist entspre- chend kleine ökonomische Nischen zu suchen. Die Ärzteschaft muss aus der Tradition ihres Berufes heraus dem Zeitgeist Paroli bieten, sich über alle Tätigkeitsbereiche zusammenschlie- ßen und ihr berufliches Selbstbewusst- sein, nicht ein Beruf zu sein wie jeder andere, wiederfinden.

Prof. Dr. med. Ernst-Eberhard Weinhold

Kulturberuf Arzt

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