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Archiv "Gesundheitsökonomie: Entscheidungshilfen für die Medizin" (24.04.1980)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Heft 17 vom 24. April 1980

Gesundheitsökonomie:

Entscheidungshilfen für die Medizin

Auch im deutschsprachigen Raum gewinnt die Gesundheits- ökonomie und beratende Sozial- wissenschaft immer mehr an Boden. Der rasante medizinisch- technische Fortschritt und die zunehmende Aufzehrung ökono- mischer Ressourcen haben das gesellschaftliche Problembe- wußtsein für die ökonomische Dimension der Medizin ge- schärft. Welchen Beitrag die ökonomische Wissenschaft als Entscheidungshilfe und beraten- de Hilfswissenschaft der Medizin sowie der Sozial- und Gesund- heitspolitik leisten kann, ver- deutlichte der Innsbrucker Fi- nanzwissenschaftler Prof. Dr.

rer. pol. Clemens-August An- dreae anläßlich des XXVIII. In- ternationalen Fortbildungskon- gresses der Bundesärztekammer in Davos. Kosten-Nutzen-Analy- sen sind als Verfahren zur Effi- zienzmessung und Kontrollrech- nung auch in der Medizin nicht mehr wegzudenken.

Die Ausgaben für das Gesund- heitswesen in der Bundesrepublik Deutschland stiegen im Zeitraum von 1965 bis 1978 von 31 Milliar- den DM auf 127 Milliarden DM, was einem Anstieg des Anteils der Gesundheitsausgaben am Brutto- sozialprodukt von 6,8 auf 9,9 Pro- zent bedeutet. Die Zuwachsraten

lagen in den vergangenen Jahren jährlich zwischen 3,7 und 19,8 Prozent. Seit etwa 1976 liegen sie nur noch zwischen 5 und 6 Pro- zent — mit deutlich sinkender Ten- denz. Die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversiche- rung, also des größten Sektors der institutionellen Aufwendungen im Gesundheitswesen, lagen 1979 bei rund 75 Milliarden DM (darunter für die Krankenhauspflege allein 21 Milliarden DM). Mit 30,7 Pro- zent beanspruchen die Ausgaben für die Krankenhauspflege den weitaus größten Anteil, gefolgt von den Aufwendungen für Medi- kamente mit 19,7 Prozent, den Aufwendungen für ärztliche Be- handlung mit 18,7 und denen für die zahnärztliche Behandlung mit 15,1 Prozent (alles bezogen auf 1978). Diese Zahlen nannte Prof.

Dr. Clemens-August Andreae, Di- rektor des Finanzwissenschaftli- chen Instituts der Universität Inns- bruck, beim XXVIII. Internationa- len Fortbildungskongreß der Bun- desärztekammer in Davos.

Ausgaben

im Gesundheitswesen wachsen sprunghaft

Ein Vergleich des Zuwachses der einzelnen Leistungsarten im Zeit- ablauf zeigt, daß die Ausgaben für die zahnärztliche Behandlung in- nerhalb der letzten 12 Jahre dop- pelt so schnell wuchsen wie die

für die ärztliche Behandlung. Der Zuwachs der Ausgaben für die Krankenpflege und für Medika- mente lag ebenfalls weit über dem Durchschnitt der Krankenkassen- ausgaben. Professor Andreae be- tonte, daß es ein ganz natürlicher volkswirtschaftlicher Vorgang sei, wenn die Ausgaben für das Ge- sundheitswesen zeitweise über den Zuwachsraten des Bruttoso- zialprodukts lägen.

Der rasante medizinische und me- dizinisch-technische Fortschritt, die Verteuerung der menschlichen Arbeitsleistung, die Arbeitszeitver- kürzungen und das schier uferlos ausgebaute Sozialleistungssystem seien die wichtigsten Ursachen für diesen auch international zu beob- achtenden Trend. Es sei für die Politiker oftmals bequem gewe- sen, die politische Diskussion mit Schlagwörtern (etwa „Kostenex- plosion", „Ärzteschwemme" und

„Anspruchsinflation") zu verne- beln. Doch ließe sich damit allen- falls kurzfristig überdecken, daß es vor allem an ökonomischen Einsichten in die Wirkungszusam- menhänge des Gesundheitswe- sens ebenso mangle wie an über- zeugenden, auch über das Ende einer Legislaturperiode tragbaren Reformansätzen aus einem Guß.

Das Schlagwort „Kostenexplo- sion" sei insoweit auch polemisch und irreführend, als der damit ein- hergehende Nutzen für die Lei- stungsempfänger (Patient) und die Volkswirtschaft außer acht ge- lassen werde. Zudem bewirkten gesellschaftliche Veränderungen der Konsum- und Produktionspro- zesse, Umweltbelastungen und persönliches Fehlverhalten eine immer stärkere Beeinträchtigung der Gesundheit.

1127

(2)

Anteil am Bruttosozialprodukt in Millionen DM*) 815 450

Industrie

657 410

218 540 ,,••

724 000

34 440

118 .■••••

58 560 Landwirtschaft

1960 65 70 75 78

*) nach Dr. med. Karl Jeute, Düsseldorf

Dienstleistungen 7- 469 410

339 030

278 380,

.Z •

-

23 070 30 780 33080

19690 Aufsätze • Notizen

Gesundheitsökonomie: Entscheidungshilfen für die Medizin

Erhöhte Ausgaben für die Gesund- heit beziehungsweise Krankheit sind nach Professor Andreae da- her lediglich Ausdruck der gestei- gerten Gesundheitsbeeinträchti- gung durch Produktions- und Konsumprozesse, aber zum Teil auch Auswirkung des geltenden Krankenversicherungssystems (Fi- nanzierung, Form der Leistungs- gewährung, Selbstbeteiligung, Kostenerstattung u. a.). Um die ständig knapper werdenden finan- ziellen Mittel möglichst sparsam und rationell für die Gesundheits- sicherung der Bevölkerung einzu- setzen und die Beitragssteigerun- gen in Grenzen zu halten, empfahl der Innsbrucker Wissenschaftler, die Gesundheitsökonomie als Ent- scheidungshilfe und beratende Hilfswissenschaft der Medizin so- wie der Sozial- und Gesundheits-

politik einzusetzen. Zumindest könnten mit deren Hilfe Zielkon- flikte bei der Mittelverwendung zahlen- und wertmäßig verdeut- licht werden. Auch Reformmaß- nahmen könnten im voraus auf ih- re volks- und betriebswirtschaftli- chen Auswirkungen hin durch- leuchtet werden.

Analysen notwendig

Auch in Zukunft sei es fast unmög- lich, verfassungsrechtlich ein Grundrecht auf Gesundheit zu ga- rantieren. Andreae empfahl viel- mehr, dieses Postulat als „glei- ches Recht auf Behandlung" aus- zudeuten; dies bedeute, jeder Bür- ger müsse den gleichen Zugang zum Gesundheitswesen und dem Leistungsspektrum haben. Als ge- sellschaftspolitischen Mittelweg

zwischen verabsolutierendem un- ternehmerisch gesteuertem Ge- sundheitswesen und total trans- ferwirtschaftlichem, verstaatlich- tem System empfahl der Innsbruk- ker Wirtschaftswissenschaftler, behutsam finanzielle Steuerungs- mechanismen einzubauen, die re- gulierend wirken, ohne zugleich großen Schaden anzurichten. De- taillierte empirische Analysen über die viel umstrittene Selbstbeteili- gung oder Nicht-Selbstbeteiligung der Patienten wären vonnöten, um dieses brisante Thema aus einer akademischen oder gar ideolo- gisch verstrickten Diskussion auf eine ideologiefreie Basis zurück- zuführen. Nur wenn Kosten- und Nutzen von gesundheitspoliti- schen und -erzieherischen Maß- nahmen umfassend bewertet wer- den, besteht auch für die Politik die Chance, daß auch unpopuläre Maßnahmen auf einen möglichst breiten Konsens in der Bevölke- rung treffen.

Andreae verwies auf empirische Untersuchungen über den Kran- kenstand und die Wirkung ökono- mischer Anreizsysteme bei einer arbeitnehmergetragenen Produk- tionsgenossenschaft in Matrei/Ti- rol. Dort zeigte sich, daß sehr wohl viele Akteure des Gesundheitswe- sens auf preisliche Anreize reagie- ren und sich einer sparsamen Mit- telverwendung bewußt werden.

Aufbauend auf einer verbesserten Ätiologie von Krankheiten, die nur interdisziplinär erarbeitet werden kann, sollen, so schlußfolgert der Innsbrucker Nationalökonom, fi- nanzielle Anreizsysteme geschaf- fen werden (etwa Prämien, Selbst- beteiligung, Wahltarife, verstärkte Anwendung des Verursacherprin- zips, Verbote und Gebote), um sy- stematisch die überhandnehmen- den Krankheitsursachen auszu- schalten.

Da es in dem schwierigen Feld der Gesundheitsökonomie und der Medizin keine Patentrezepte gebe, sollten Modelle erprobt und alter- native Steuerungskonzepte ent- wickelt werden. H. Clade

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