• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Naturlatexallergie Die verdrängte Berufskrankheit: Berufskrankheit nicht verdrängt" (19.11.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Naturlatexallergie Die verdrängte Berufskrankheit: Berufskrankheit nicht verdrängt" (19.11.1999)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A-2988

M E D I Z I N

(56) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 Die Autoren haben in ihrer le-

senswerten Arbeit durchaus interes- sante Ergebnisse publiziert. Mit dem Untertitel „die verdrängte Berufs- krankheit“ jedoch bin ich nicht ein- verstanden. Wer verdrängt denn die Berufskrankheit Naturlatexallergie?

Die Berufsgenossenschaften? Bei den Unfallversicherungsträgern gilt die Prävention von Berufskrankheiten als oberstes Gebot. Und natürlich wird und wurde von seiten der Berufsge- nossenschaften schon sehr viel zum Verständnis der Berufskrankheit Na- turlatexallergie getan. Es wurden For- schungsaufträge zur Klärung der Ur- sache der Naturlatexallergie verge- ben. So machte zum Beispiel Herr Prof. Baur vom Berufsgenossen- schaftlichen Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin in dieser Zeitschrift (1) schon 1996 Vorschläge zur Reduk- tion des Allergierisikos durch Natur- gummiprodukte. Im November 1996 haben die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrts- pflege (BGW) und die Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) (heute Unfallkasse) ein Merkblatt zum The- ma „Allergiegefahr durch Latexein- malhandschuhe“ unter Mitarbeit von Kolleginnen und Kollegen der Erlan- ger Universitäts-Hautklinik herausge- bracht. Weiter wurde Naturgummila- tex als haut- und atmungssensibilisie- rend in der MAK-(Maximale-Arbeits- platz-Konzentration-) und BAT-(Bio- logische-Arbeitsstoff-Toleranz-)Werte- liste aufgenommen (2). Im November 1997 wurde die TRGS (Technische Re- gel Gefahrenstoffe) 540 veröffentlicht (3). Diese Regel sagt etwas über Schutzmaßnahmen beim Umgang mit sensibilisierenden Stoffen aus. Zu den sensibilisierenden Stoffen gehört auch Naturgummilatex, das heißt es dürfen zum Beispiel keine gepuderten Latexhandschuhe mehr verwendet werden. Sie ist bindend, nicht nur für den niedergelassenen Dermatologen,

natürlich auch für alle Krankenhäuser und Kliniken. Die Unfallversiche- rungsträger haben sehr wohl das Pro- blem der Berufskrankheit Naturlatex- allergie erkannt. Einen Hinweis auf die vielfachen Bemühungen der Un- fallversicherungsträger hielt ich für angezeigt.

Wer verdrängt also die Berufs- krankheit Naturlatexallergie, die Der- matologen etwa? Dem muß ich als niedergelassener Dermatologe wider- sprechen. Der Betriebsarzt sieht als erster die Krankenschwester, das Pfle- gepersonal, den Krankenhausarzt mit ihrer Latexallergie. Er sollte dann den Patienten zum Dermatologen über- weisen, damit er ihn testen kann. Der Dermatologe sollte die Berufsgenos- senschaft im Rahmen des Hautarzt- verfahrens informieren. Er kann aber

auf dem Hautarztbericht einen Ver- merk machen, daß der Versicherte keine Meldung an den Arbeitgeber wünscht. Der Betriebsarzt muß sich mit der Verwaltung herumschlagen.

Er muß dafür sorgen, daß puderfreie Latexhandschuhe und eventuell sogar latexfreie Handschuhe dem Versi- cherten vom Arbeitgeber zur Verfü- gung gestellt werden. Ein Hinweis auf die TRGS 540 durch den Betriebsarzt an die Verwaltung ist meist wirkungs- voll.

Besteht aber der begründete Ver- dacht auf eine Berufskrankheit Haut 5101 Berufskrankheitenverordnung, dann ist der Arzt verpflichtet, eine BK-Anzeige zu machen. Mit der Ein- führung des Sozialgesetzbuch VII am 1. Januar 1997 ist eine wesentlich größere Rechtssicherheit eingetreten,

gerade was die Meldepflicht angeht.

Erst kürzlich hat Dr. jur. Michael Schindera auf der 4. Tagung der Ar- beitsgemeinschaft für Berufsdermato- logie und Umwelt (ABD), März 1999 in Aachen, „Zum Einverständnis des Patienten zur Abgabe einer Berufs- krankheitenanzeige oder eines Haut- arztberichtes“ klar Stellung genom- men (4).

Durch jahrelange und stetige Un- terweisung von seiten des Berufsver- bandes der deutschen Dermatologen und der ABD kennen die Dermatolo- gen zwischenzeitlich die Problematik des „Meldens“ einer Berufskrankheit.

Verdrängen tun die niedergelassenen Dermatologen die Berufskrankheit Naturlatexallergie schon lange nicht mehr. Vielmehr beziehen sie für ihre Patienten klar Stellung gegenüber der Berufsgenossenschaft und eventuell auch gegenüber dem Arbeitgeber.

Wenn die Berufsgenossenschaf- ten die Berufskrankheit nicht ver- drängt und die Dermatologen sie nicht verdrängen, bleiben nur noch die Patienten beziehungsweise die Versicherten übrig, die die Berufs- krankheit verdrängen. Es ist richtig, daß es gelegentlich Schwierigkeiten macht, Patienten zu überzeugen, daß es für sie vorteilhafter ist, wenn die Berufsgenossenschaft (der Unfallver- sicherungsträger) von der Naturlatex- allergie erfährt. Dies gilt ganz beson- ders für Auszubildende. Hier besteht häufig die Angst, nach der Prüfung eventuell nicht übernommen zu wer- den. Man kann die Auszubildenden beruhigen, denn gerade im Hautarzt- verfahren muß der Arbeitgeber nicht zwingend von der Erkrankung erfah- ren (4). Man sollte es aber der Berufs- genossenschaft kundtun, denn wenn diese nichts von der Erkrankung er- fährt, kann sie auch nicht helfen. Im allgemeinen sind die Angehörigen der Pflegeberufe sehr wohl einverstan- den, daß die Berufsgenossenschaften ihnen mit allen geeigneten Mitteln helfen, damit sie ihren erlernten Beruf weiter ausführen können. Tatsächlich können auch die allermeisten an DISKUSSION

Naturlatexallergie

Die verdrängte Berufskrankheit

Zu dem Beitrag von Dr. med. Franziska Ruëff Pia Schöpf

Priv.-Doz. Dr. med. Rudolf Huber Dr. med. Susanne Lang

Dr. med. Winfried Kapfhammer Prof. Dr. med. Bernhard Przybilla in Heft 18/1999

Berufskrankheit

nicht verdrängt

(2)

ihrem Arbeitsplatz bleiben. Man muß nur frühzeitig Präventionsmaßnah- men einleiten. Ich hätte mir für Ihren Artikel einen anderen Untertitel ge- wünscht, nicht die verdrängte Berufs- krankheit, sondern: Naturlatexaller- gie – und wie steht es mit der Präven- tion?

Literatur

1. Baur X et al.: Reduktion des Allergierisikos durch Naturgummi-Produkte. Dt Ärztebl 1996; 93: A-1043–1045 [Heft 16].

2. Korn M et al.: Einstufung von Naturgummi- latex als haut- und atmungssensibilisierend in der MAK- und BAT-Werte-Liste 1996.

Dtsch Med Wschr 1997; 122: 1523–1526 [Heft 49].

3. TRGS 540 – Sensibilisierende Stoffe. Um- welt- und Berufsdermatologisches Bulletin.

Asche AG, 1998; 75.

4. Schindera K M: Das Einverständnis des Pa- tienten zur Abgabe einer Berufskrankhei- tenanzeige oder eines Hautarztberichtes.

Vortrag: 4. ABD-Tagung März 1999 Aa- chen (Publikation vorgesehen).

Dr. med. Ingo Schindera Hautarzt/Allergologie Rathausstraße 6 66333 Völklingen

Der Satz „Das Vorliegen einer Naturlatexallergie oder -sensibilisie- rung ist hier (das heißt im Gesund- heitswesen) grundsätzlich als Berufs- krankheit anzusehen . . .“ verlangt un- bedingt eine Richtigstellung.

Eine stumme Sensibilisierung ohne Symptome ist keine Krankheit und somit auch keine Berufskrank- heit. Wenn ausschließlich Symptome im Sinne einer Kontakturtikaria nach dem Tragen von Latexhand- schuhen auftreten, liegt nur dann ei- ne Berufskrankheit (Hauterkran- kung gemäß BK 5101 der Berufs- krankheitenverordnung) vor, wenn diese schwer und/oder wiederholt rückfällig war und zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit geführt hat.

Eine Krankenschwester mit aus- schließlicher Latex-Kontakturtikaria kann jedoch meist am Arbeitsplatz bleiben, wenn sie mit latexfreien Handschuhen ausgestattet wird. In einem solchen Fall wäre es falsch, ei- ne BK-Verdachtsmeldung zu erstat- ten, der ein meist langwieriges, für

die Berufsgenossenschaften teures und für den Versicherten zeitauf- wendiges BK-Verfahren folgen wür- de. Hier hat der Dermatologe (gege- benenfalls nach Überweisung durch den Hausarzt mit dem kleinen blau- en Überweisungsvordruck der Un- fallversicherungsträger, der auch zur Durchgangsarzt-Überweisung ver- wendet wird) einen Hautarztbericht an die zuständige Berufsgenossen- schaft mit Angabe der erforderli- chen prophylaktischen Maßnahmen zur Verhinderung einer Berufs- krankheit zu erstatten. Da das er- klärte Ziel des Hautarztberichtes ist, die Versicherten am Arbeitsplatz zu halten, widersprechen diese seiner Erstattung nur selten. Die Angaben des Hautarztberichtes stehen den Berufsgenossenschaften auch zur statistischen Auswertung zur Verfü- gung, was zu genaueren Daten über die Häufigkeit der Latexallergie führen könnte.

Leider ist dieses sogenannte Hautarztverfahren in der Ärzteschaft und offensichtlich auch den Autoren des Beitrages nicht ausreichend be- kannt.

Dr. med. Klaus Jäger Hautarzt/Allergologie/

Umweltmedizin Schwanenweg 10 76744 Wörth

Den Autoren ist zu ihrer wichti- gen Untersuchung zur Prävalenz von Latexsensibilisierungen in einer gro- ßen Klinik zu gratulieren. Wichtig wä- re allerdings, neben den medizini- schen Implikationen von Latexsensi- bilisierungen im Gesundheitswesen auch die rechtlichen Rahmenbedin- gungen ausreichend zu berücksichti- gen, zumal der Titel dies impliziert.

Hinsichtlich der Rechtslage haben sich in der letzten Zeit wesentliche Neue- rungen ergeben, aus denen sich nun- mehr eindeutig eine Verpflichtung zum Handeln für alle Ärzte ableitet.

Mit dem Inkrafttreten der Techni- schen Regel Gefahrstoffe 540 (sensibi- lisierende Stoffe) im Dezember 1997

hat sich die einschlägige Rechtslage konkretisiert. In der TRGS 540 ist un- ter anderem Naturgummilatex als Ge- fahrstoff identifiziert worden; wörtlich heißt es in der TRGS 540: „Gepuderte Latexhandschuhe sind durch puder- freie allergenarme Handschuhe oder andere geeignete Handschuhe zu erset- zen“ (7). Hieraus resultiert für Arbeit- geber (das heißt auch Praxisinhaber), daß sie dafür Sorge zu tragen haben, daß am Arbeitsplatz eingesetzte Latex- handschuhe proteinarm sind (Protein- Richtwert < 10 µg Latexprotein pro Gramm Handschuh [1]). Hier sind auch die Vorgaben der Gefahrstoffver- ordnung (GefStoffV), des Chemikali- engesetzes (ChemG), des Medizinpro- duktegesetzes (MPG) sowie EG-Richt- linien (zum Beispiel Persönliche Schutzausrüstungen – Benutzerverord- nung [PSA-BV]) einschlägig. Es ist ins- besondere darauf hinzuweisen, daß die TRGS 540 auch bei medizinischen Schutzhandschuhen (die ja unter das MPG fallen) volle Gültigkeit besitzt.

Die entsprechenden Normen der Gefahrstoffverordnung (§ 17) werden durch das MPG nicht ausgeschlossen.

Nach allem, was heute über die In- duktion von Latexsensibilisierungen bekannt ist, könnte die Mißachtung dieser Vorgaben durch den Arbeitge- ber, gerade bei beschäftigten Atopi- kern, in die Nähe der fahrlässigen Kör- perverletzung gerückt werden. Es bleibt der noch jungen TRGS 540 un- ter diesem Gesichtspunkt zu wün- schen, daß sie rascher praktische Be- deutung im Berufsleben erlangen wird als die TRGS 613 in der Bauindustrie (die seit 1992 die Verwendung chro- matarmer Zemente nahelegt). Anders als Verantwortliche zum Beispiel in der Bauindustrie werden sich ärztliche Ar- beitgeber in diesem Zusammenhang kaum mit Unkenntnis der medizini- schen Risiken exkulpieren können.

Nach kürzlich publizierten Un- tersuchungen werden Latex-Sanie- rungsmaßnahmen in deutschen Kran- kenhäusern trotz der einschlägigen rechtlichen Vorgaben nur schleppend umgesetzt (2, 6). In einer Umfrage an- läßlich des letzten Kongresses der Deutschen Dermatologischen Gesell- schaft in Hamburg gaben 59 Prozent der befragten 40 Kollegen an, daß ih- nen die TRGS 540 nicht bekannt sei;

nur 38,7 Prozent der Praxen waren A-2989

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 (57) DISKUSSION

Nicht grundsätzlich Berufskrankheit

Verpflichtung

zum Handeln

(3)

A-2990

M E D I Z I N

(58) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 entsprechend den Vorgaben dieser

TRGS saniert (4). Um so wichtiger ist, daß das Deutsche Ärzteblatt mit die- ser Veröffentlichung die Thematik aufgegriffen hat.

Die Dimension der Problematik wird allerdings allen Beteiligten erst deutlich werden, wenn einschlägige Verdachtsfälle auch gemeldet werden.

Hier ist es erforderlich, darauf hinzu- weisen, daß – im Gegensatz zur An- sicht der Autoren – bei Vorliegen des begründeten Verdachts auf eine Be- rufskrankheit eine „Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit“ gemäß § 202 SGB VII verpflichtend durch den Arzt erstattet werden muß. Angesichts der auch von den Autoren beschriebe- nen Risiken schwerwiegender Latexal- lergien ist ein anderes Vorgehen töricht. Hier ist einschränkend festzu- stellen, daß der begründete Verdacht genaugenommen voraussetzt, daß der Unterlassungszwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit bereits vor- liegt. In der Mehrzahl der Fälle einer Latex-Kontakturtikaria wird dies nicht zutreffen; in diesen Fällen müssen die Betroffenen zum Hautarzt überwiesen werden, der dann einen Hautarztbe- richt vorschlagen wird (3). Die Erstat- tung des Hautarztberichts ist allerdings – anders als die „Ärztliche Anzeige“ – zustimmungspflichtig durch den Versi- cherten (§ 201 SGB VII).

Daß die Autoren die „Ärztliche Anzeige“ als einzige Option zur Mel- dung von Latexallergien an die zustän- digen Unfallversicherungsträger ange- ben, ist unzureichend. Es erklärt sich vermutlich daraus, daß ihnen der Un- terschied zwischen berufsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten nicht hinreichend geläufig ist. Letzte- res wird an Behauptungen wie der fol- genden deutlich: „Das Vorliegen einer Naturlatexallergie oder -sensibilisie- rung ist hier grundsätzlich als Berufs- krankheit anzusehen . . .“ (Zitat).

Die Latexallergie ist zwar in der Regel berufsbedingt, wird aber glück- licherweise nur in einem kleinen Teil der Fälle die Kriterien einer Berufs- krankheit (in Frage kommen die Be- rufskrankheitennummern BK 5101 und BK 4301 [5]) erfüllen. Im medizi- nischen – wie im juristischen – Sinne sind klinisch stumme Sensibilisierun- gen ohnehin keine Krankheiten, son- dern lediglich auffällige Befunde.

Literatur bei den Verfassern.

Dr. S. M. John

Prof. Dr. Dr. H. J. Schwanitz

Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie e.V.

Universität Osnabrück Sedanstraße 115 49069 Osnabrück

DISKUSSION

Die Verfasser gaben in dem Ar- tikel an, daß den Betroffenen die Erstattung auf das Vorliegen einer Berufserkrankung „angeboten“ wur- de, die mehrheitlich von den Be- troffenen abgelehnt wurde. Diese Auffassung steht im klaren Wider- spruch zu den gesetzlichen Bestim- mungen:

Nach Paragraph 5, Abs. 1 BeKV ist jeder Arzt verpflichtet, bei be- gründetem Verdacht auf das Vorlie- gen einer Berufskrankheit unverzüg- lich eine Berufskrankheitenanzeige beim zuständigen Träger der Unfall- versicherung zu erstatten. Ein Ein- verständnis des Versicherten (das heißt Mitarbeiters) ist nicht erfor- derlich (entsprechend Paragraph 202

SGB VII). Es muß aber eine Unter- richtung des Versicherten über die erstattete Berufskrankheitenanzei- gen erfolgen.

Dr. med. Heinz Beckers Arbeitsmedizinisches Zentrum Deutz AG

Postfach 80 05 09 51057 Köln

In der oben zitierten Literatur von F. Ruëff et al. wird behauptet:

„Ein standardisierter kommerzieller Testextrakt, der die Anforderungen von Sicherheit und hoher Sensiti- vität sowie Spezifität gleichermaßen erfüllt, ist bislang noch nicht verfüg- bar.“ Diesen Sachverhalt kann ich

Im Widerspruch zu

gesetzlichen Bestimmungen

Zugelassener Pricktest

dahingehend korrigieren, daß seit Anfang 1998 ein vom Paul-Ehrlich- Institut zugelassener Pricktest auf dem Markt existiert. Der Hersteller ist die Firma Stallergenes, vertrieben wird der Test in Deutschland durch die Firma Allmed mit Sitz in Rhein- berg. Eine Rückfrage bei der Auto- rin des Artikels hat ergeben, daß die klinische Studie vor der Marktein- führung des Tests bereits abgeschlos- sen war.

Dr. Gerhard Höltz Paul-Ehrlich-Institut Paul-Ehrlich-Straße 51–59 63225 Langen

Dr. Schindera kann sich unserer Auffassung, daß es sich bei der Na- turlatexallergie um eine verdrängte Berufskrankheit handelt, nicht an- schließen. Zwar war bereits Anfang der neunziger Jahre bekannt, daß Handschuhpuder als Träger der Na- turlatexallergene fungiert und daher ein wesentlicher Risikofaktor für die Naturlatexallergie darstellt (1). Die Aufnahme dieser Erkenntnis in die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS 540) hat in Deutschland aller- dings bis 1997 gedauert (5). Die TRGS 540 untersagt den Gebrauch gepuderter Naturlatexhandschuhe;

sie wurde jedoch bislang vor allem dort umgesetzt, wo es von einer Na- turlatexallergie Betroffene oder hart- näckige Betriebsärzte durchgesetzt haben. Nach Auskunft der GPI Kran- kenhausforschung mbH in Frankfurt am Main betrug noch 1998 der Markt- anteil gepuderter Naturlatexhand- schuhe bei OP-Handschuhen etwa 73 Prozent und bei Untersuchungshand- schuhen etwa 50 Prozent. Dies belegt, daß die TRGS 540 noch längst nicht überall beachtet wird.

Was das Verhalten der von einer Naturlatexallergie Betroffenen anbe- langt, so haben wir bei unserer Unter- suchung wiederholt erlebt, daß nur gegen Zusicherung der ärztlichen Schweigepflicht Bereitschaft bestand, sich einer Testung zu unterziehen. Die Abwendung einer von Betroffenen nicht erwünschten Berufskrankhei-

Schlußwort

(4)

tenanzeige ist am sichersten dadurch zu bewerkstelligen, daß eine ärztliche Untersuchung und Diagnosestellung vermieden werden. Dieses Vorgehen ist für eine entschiedene Durchset- zung von Maßnahmen der sekun- dären Prävention sicher nicht hilf- reich. Die Angst vor Nachteilen am Arbeitsplatz infolge einer bekannten Naturlatexallergie ist in der Tat be- rechtigt, auch hier kennen wir eine Reihe durch „Mobbing“ geschädigter Patienten.

Bei der Verdrängung der Berufs- krankheit Naturlatexallergie wesentli- che Mitwirkende hat Dr. Schindera übrigens nicht erwähnt: Manche Ar- beitgeber, Mitarbeiter von Betroffe- nen und Verwaltungen haben sich hier unrühmlich ausgezeichnet. Nicht von einer Naturlatexallergie betroffene Mitarbeiter sehen es oft als Zumutung an, mit ungepuderten Naturlatexhand- schuhen arbeiten zu müssen – was bei minderwertigen Handschuhen mit schlechtem Anzieh- und Tragekomfort auch durchaus nachvollziehbar ist. Es ist offensichtlich leichter, einen natur- latexallergischen Mitarbeiter loszu- werden, als für die Bereitstellung brauchbarer ungepuderter Naturlatex- handschuhe Sorge zu tragen und den Umgang damit zu fördern. Brauchbare ungepuderte Naturlatexhandschuhe sind derzeit noch teurer als gepuderte, und dies ist manchen Beschaffungsstel- len offensichtlich Motiv genug, auch weiterhin gepuderte Naturlatexhand- schuhe zu bestellen.

Zum Beitrag von Klaus Jäger und dem zweiten Teil von Prof. Dr. Schwa- nitz und Dr. John: Während in der Al- lergologie grundsätzlich gilt, daß bei einer IgE-vermittelten Sensibilisie- rung ohne bislang manifest geworde- ne allergische klinische Symptomatik keine therapeutische Konsequenz zu ziehen ist, sind die Empfehlungen bei nachgewiesener Naturlatexsensibili- sierung hier abweichend (2, 4). Zum einen ist durchaus vorstellbar, daß die Naturlatexallergie bislang nur des- halb nicht manifest wurde, weil der bisherige Allergenkontakt nicht die individuelle Schwellendosis für die Auslösung einer Reaktion erreicht hat. Zum anderen kann fortgesetzter Allergenkontakt über einen Booster- Effekt zu einer Änderung der Reakti- onslage führen. Daher wird auch ge-

gen Naturlatex Sensibilisierten nach Beratung ein Allergiepaß ausgehän- digt, der die Sensibilisierung bestätigt und aus dem Empfehlungen zu Ka- renzmaßnahmen hervorgehen.

Weiter besteht die Einschrän- kung im Berufsleben, die eine gegen Naturlatex allergische oder sensibili- sierte Person hat, nicht erst dann, wenn der Allergenkontakt zu Krank- heitssymptomen und gegebenenfalls zu Arbeitsunfähigkeit führt. Vielmehr ist es bei allergischer Reaktionslage oberstes Ziel, das Eintreten klinischer Symptome unbedingt zu vermeiden.

Die Behinderung, die sich für den Be- troffenen ergibt, ist die Erfordernis ei- ner konsequenten Allergenkarenz.

Aufgrund der weiten Verbreitung von Naturlatex im medizinischen Bereich wie auch im sonstigen Berufsleben (und auch in der allgemeinen Um- welt) sind die Einschränkungen bei konsequenter Allergenkarenz erheb- lich. Um das Wiederaufleben der Symptome oder eine Verschlechte- rung der Reaktionslage zu verhin- dern, muß der Betroffene den Kon- takt zu Naturlatexallergenen aufge- ben, das heißt die damit verbundene auslösende Tätigkeit. Würde der Ver- dacht auf eine Berufskrankheit erst dann angezeigt werden, wenn der Versicherte nicht mehr in seinem Be- ruf weiterarbeiten kann, wäre der Einsatz vorbeugender Maßnahmen kaum anwendbar. Da die Naturlatex- allergie nahezu immer beruflich er- worben ist und aufgrund der Ausprä- gung des klinischen Bildes und der Persistenz ein schweres Krankheits- bild vorliegt, besteht unzweifelhaft ei- ne Berufskrankheit, daher ist eine BK-Anzeige nötig.

Dr. Beckers, Dr. John und Prof.

Dr. Schwanitz haben uns an die An- zeigepflicht von Ärzten bei Berufs- krankheiten erinnert. Hat der Arzt den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit und unterläßt die BK-Anzeige, so stellt dies gemäß der Formulierung der Meldepflicht eine Verletzung seiner Berufspflichten dar, die nach ärztlichem Berufsrecht ge- ahndet werden kann. Die Erstattung einer BK-Anzeige gegen den Wider- spruch des Patienten stellt eine Ver- letzung der ärztlichen Schweigepflicht dar, ist aber straffrei, da der Arzt da- mit einer gesetzlichen Vorschrift

nachkommt. Hoffentlich ist der Arzt damit auch gegen Schadensersatzfor- derungen seitens des Patienten abge- sichert, der durch die ungewünschte BK-Anzeige Nachteile erlitten hat!

Der Vertrauensverlust bleibt in jedem Fall bestehen. Obwohl die Formulie- rung der Meldepflicht nicht explizit ein Widerspruchsrecht des Betroffe- nen enthält, darf man nicht davon aus- gehen, daß der Wille des Betroffenen völlig unbeachtlich ist: „(. . .) Aus- kunftsverpflichtungen des behandeln- den Arztes zur Auskunft über Be- handlung und Zustand des Verletzten stellen trotz des Wortlauts der Vor- schriften nur die Folge der unterstell- ten Einverständniserklärung des Pati- enten dar (. . .). Gegen den erklärten Willen des Patienten darf der Arzt den vorgenannten Anzeige- und Mit- teilungspflichten nicht nachkom- men!“ (3). Ist der Arzt bei der Be- handlung eines Patienten mit Berufs- krankheit zur Auffassung gelangt, daß durch seine Diagnose wie auch Bera- tungstätigkeit der Betroffene einer- seits in die Lage versetzt ist, Schaden selbst abzuwenden, und gibt es auf der anderen Seite gute Gründe dafür an- zunehmen, daß durch die Meldung dem Betroffenen Nachteile und nicht Schutz zuteil werden, so ist die Beach- tung der Schweigepflicht des Arztes zumindest ethisch geboten.

Literatur

1. Baur X, Jäger D: Airborne antigens from latex gloves. Lancet 1990; 335: 912.

2. Baur X, Allmers H, Raulf-Heimsoth M et al.: Naturlatex-Allergie. Empfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe. Allergo- logie 1996; 19: 248–251.

3. Krieger G: Meldepflicht nach § 5 Abs. 1 BeKV und ärztliche Schweigepflicht. Dt Derm 1987; 35: 775–776.

4. Przybilla B, Ruëff F, Baur X et al.: Zur ge- sundheitlichen Gefährdung durch die Al- lergie vom Soforttyp gegenüber Naturlatex.

Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Allergie- und Immunitätsforschung. Al- lergo J 1996; 5: 185–192.

5. Technische Regel für Gefahrstoffe 540 (TRGS): Bundesarbeitsblatt 1997; 58–63.

Dr. med. Franziska Ruëff Professor Dr. med.

Bernhard Przybilla

Klinik und Poliklinik für Dermatolo- gie und Allergologie

Klinikum Innenstadt der

Ludwig-Maximilians-Universität Frauenlobstraße 9–11

80337 München

A-2991

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 (59) DISKUSSION

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ist der Arzt bei der Be- handlung eines Patienten mit Berufs- krankheit zur Auffassung gelangt, daß durch seine Diagnose wie auch Bera- tungstätigkeit der Betroffene einer- seits in

Die Ergebnisse sind in Überein- stimmung mit früheren Untersuchun- gen dahingehend, daß der fehlende Nachweis spezifischer IgE-Antikör- per gegen Naturlatex im Serum das Vorliegen

Medizinstudenten, die sich während ihres Klinik- praktikums mit dem AIDS- Erreger HIV infiziert haben, leiden unter einer Berufs- krankheit und haben damit Anspruch auf Leistungen

Wir glauben auch, daß ihm die zahlreichen wissenschaftli- chen Untersuchungen über die Effektivität medizini- scher Rehabilitationsmaß- nahmen bisher nicht bekannt sind, die

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähri- ges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die

Die Aussage, daß eine HIV-Infektion ohne Krankheitssym- ptomatik einer — auch auf Lebenszeit angelegten — Verbeamtung nicht ent- gegensteht, hat nichts mit einer etwa- igen

Eine Krankheit, die nicht in dieser Liste steht, kann dann wie eine Berufskrankheit entschädigt werden, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Anerkennungsverfahrens neue

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit „Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege