V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1913. Mai 2005 AA1401
Betäubungsmittel
Allgemeinmediziner verstieß gegen anerkannte Regeln.
Auch wenn ein Arzt bereits zu einer Freiheitsstrafe verur- teilt worden ist, kann ein Be- rufsgericht für Heilberufe zusätzliche Maßnahmen ver- hängen. Solch eine zusätz- liche Ahndung ist zulässig, wenn das berufsrechtliche Unrecht erheblich über das strafrechtlich relevante hin- ausgeht.
Im entschiedenen Fall be- trieb ein Arzt bis Januar 2004 eine Praxis für Allge- meinmedizin, in der er vor al- lem betäubungsmittelabhän- gige Patienten behandelte.
Dabei verstieß er gegen die anerkannten Regeln der ärzt- lichen Kunst sowie die in § 5 der Betäubungsmittelverord- nung normierten Regeln der Substitutionstherapie.
Er führte Untersuchungen zu Beginn der Substitutions- therapie nicht durch und un-
terließ es insbesondere, durch Urinuntersuchungen das Aus- maß der Opiatabhängigkeit bei Patienten festzustellen.
Auch verzichtete er während der Behandlungen auf Urin- kontrollen und unterließ es, die Einnahme der verschrie- benen Betäubungsmittel zu überwachen und den Bei- gebrauch anderer auszuschlie- ßen. Weiterhin verschrieb er Patienten bereits beim Erst- besuch die Betäubungsmit- tel als „take home“-Dosis, oh- ne sich von ihrer Zuverläs- sigkeit hinsichtlich der Ein- nahme zu überzeugen. Er traf zudem keine Vorkeh- rungen gegen Missbrauch und Mehrfachbehandlung und unternahm keine Verlaufs- kontrollen.
Nach Auffassung des zu- ständigen Gerichts hat er durch dieses Verhalten leicht- fertig den Tod zweier Patien- ten verursacht und in wei- teren Fällen die Gesundheit von drogensüchtigen Patien- ten fahrlässig verletzt. Daher wurde er zu einer Freiheits- strafe verurteilt. Die zusätzli-
che Ahndung durch das Be- rufsgericht erfolgte in Form einer Geldbuße von 3 000 Eu- ro. (Berufsgericht für die Heilberufe bei dem Oberlan- desgericht München, Urteil vom 22. September 2004, Az.:
BG-Ä 11/04) Be
Ablösung der Netzhaut
Ärztin verletzte ihre Aufklärungspflicht.
Im entschiedenen Fall ging es um die ordnungsgemäße Auf- klärung eines Patienten. Der Kläger hatte Lichtblitze in seinem linken Auge bemerkt und begab sich deswegen zum augenärztlichen Bereit- schaftsdienst, den die beklag- te Ärztin wahrnahm. Dabei ergab sich kein auffälliger Befund.
Einige Tage später trat beim Kläger eine massive Ablösung der Netzhaut auf.
Trotz zweier Operationen
bleibt seine Sehfähigkeit be- einträchtigt.
Der Betroffene behaupte- te vor Gericht, die Untersu- chung durch die Ärztin sei fehlerhaft gewesen. Sie habe ihn nicht ausreichend dar- auf hingewiesen, dass er als- bald zu einer Kontrolluntersu- chung gehen solle.
Der Bundesgerichtshof hat ihm Recht gegeben. Die be- klagte Ärztin hätte demnach den Patienten auf die Gefahr einer Netzhautablösung hin- weisen müssen, die infol- ge der Glaskörperabhebung drohte, und zu einer baldigen Kontrolle des Augenhinter- grunds veranlassen müssen.
Diese Verletzung ihrer Pflicht zur therapeutischen Aufklä- rung, die als grober Be- handlungsfehler zu werten ist, führt regelmäßig zu ei- ner Umkehr der objektiven Beweislast, zumindest dann, wenn der Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetre- tenen Schaden zu verursa- chen. (Bundesgerichtshof, Ur- teil vom 16. November 2004, Az.: VI ZR 328/03 ) Be Rechtsreport