• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Aufklärungspflicht des Anästhesisten" (12.03.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Aufklärungspflicht des Anästhesisten" (12.03.1982)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Anästhesie, gleich welcher Art und Methode, greift in die körperli- che Integrität des Patienten ein. Sie erfüllt nach den von der Rechtspre- chung zum Schutze des Selbstbe- stimmungsrechtes entwickelten Grundsätzen — wie jeder Heileingriff

— den Tatbestand eines Körperver- letzungsdelikts. Zur Rechtfertigung des Betäubungsverfahrens bedarf es deshalb der Einwilligung des Pa- tienten, die nur wirksam ist, wenn dieser weiß, um was es bei diesem Eingriff geht („informed consent") (15) 1 ). Dieses Wissen hat der Arzt ihm zu vermitteln („Selbstbestim- mungsaufklärung"). Eine Aufklä- rung ist nur dort nicht erforderlich, wo dem Patienten die für seine Ent- scheidung bedeutsamen Fakten be- reits bekannt sind.

Grundsätze

der ärztlichen Aufklärungspflicht Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt, soweit der Patient die für ihn wesentlichen Umstände nicht schon kennt, seine Aufklärung über die Art, Bedeutung, die notwendigen und möglichen nachteiligen Folgen so- wie über die Risiken des Eingriffs voraus. Gefordert wird von der Rechtsprechung eine Aufklärung in großen Zügen, nicht die detaillierte Vermittlung medizinischen Fachwis- sens.

Diese Begrenzung gilt für die Fak- ten, die der Arzt dem Patienten von sich aus vermitteln muß, also für die

„Spontanaufklärung" (18). Aller- dings können sich schwierige Ein- zelfragen und Abgrenzungsproble-

me bei der Aufklärung über die Risi- ken ergeben. Der Ausgangspunkt ist freilich insofern günstig, als die Rechtsprechung zwischen den all- gemeinen und den spezifischen oder auch „typischen" Eingriffsrisi- ken unterscheidet (18). An die Auf- klärung über die allgemeinen Risi- ken stellt sie keine großen Anforde- rungen; sie geht davon aus, daß der Patient diese Risiken kennt. Das all- gemeine Narkoserisiko darf nach der Rechtsprechung des Bundesge- richtshofs — zu Recht — geradezu als ein klassisches Beispiel für die Gruppe der allgemein bekannten Eingriffsgefahren gelten 2).

Auf die Frage, ob und inwieweit über die spezifischen Eingriffsrisiken auf- zuklären ist, gibt die Rechtspre- chung keine klare und präzise Ant- wort. Sie stellt dem Arzt keine For- mel zur Verfügung, aus der sich ex ante eine klare Abgrenzung der auf- klärungsbedürftigen Risiken ermit- teln ließe. Eine solche Formel kann es wohl auch nicht geben, weil die Umstände des Einzelfalles über In- halt und Umfang der notwendigen Aufklärung entscheiden.

Um wenigstens die wichtigsten Grundsätze zu skizzieren, nach de- nen sich die Intensität der Aufklä- rung bemißt, läßt sich sagen: Je not- wendiger und dringender ein Ein- griff ist, desto geringer bemißt die Rechtsprechung die Anforderungen an die Aufklärung, und umgekehrt werden diese Anforderungen um so strenger, je schwerer das Risiko wiegt und je häufiger es auftritt.

Über „typische" Risiken, die sich be- grifflich freilich bisher der näheren

Die Risikoaufklärung erweist sich auch für den Anästhesi- sten als problematisch. Da der Anästhesist während des Ein- griffes für die Aufrechterhal- tung der Vitalfunktionen ver- antwortlich' ist, erstreckt sich seine Aufklärungspflicht über das Risiko des Betäubungs- verfahrens hinaus auf das allgemeine Operationsrisiko.

Abgrenzung entziehen, soll der Arzt aber auch aufklären müssen, wenn sie selten oder sogar extrem selten sind (1, 18).

In der Entscheidung, ob über ein bestimmtes Risiko aufzuklären ist, sieht die Rechtsprechung die Beur- teilung einer Rechtsfrage. Sie bindet damit den Arzt — ungeachtet seiner persönlichen Auffassung — an die dazu von der Judikatur entwickelten Grundsätze und die daraus im Ein- zelfall herzuleitenden — ex ante frei- lich oft nicht vorherbestimmbaren — Anforderungen. Die Ärzte vertreten demgegenüber die Auffassung, die Bestimmung von Inhalt und Umfang der Aufklärung lasse sich von der ärztlichen Behandlung nicht tren- nen, sie müßte ihrem Ermessen überlassen bleiben, um eine Stö- rung des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt sowie psychische Aufklärungsschäden zu vermeiden (3, 13).

Eine Lösung dieses grundlegenden Meinungsstreites, der die Beziehun- gen zwischen Ärzten und Rechtspre- chung schwerwiegend belastet und zu einer tiefgreifenden Verunsiche- rung in der ärztlichen Berufsaus- übung geführt hat, ist wohl nur da- durch möglich, daß die einzelnen Fachgebiete für ihre Standardein- griffe — ähnlich wie dies bei den Kunstregeln hinsichtlich der Sorg- faltspflichten seit jeher geschieht — Aufklärungsstandards entwickeln, die aufzeigen, welche Informationen

1) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

2) Vgl. BGH, NJW 1976, 365

Die Aufklärungspflicht des Anästhesisten

Hans Wolfgang Opderbecke und Walther Weißauer

Aus dem Institut für Anästhesiologie des Städtischen Klinikums Nürnberg

(Vorstand: Privatdozent Dr. med. Hans Wolfgang Opderbecke)

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 10 vom 12. März 1982 53

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Aufklärungspflicht

nach der allgemeinen Erfahrung der Fachkollegen der verständige Pa- tient für seine Entscheidung benö- tigt.

Das System

der Stufenaufklärung

Werden diese Standards im System der Stufenaufklärung (20) in einem Merkblatt zusammengefaßt, so kann damit dem Patienten eine schriftli- che Basisinformation vermittelt wer- den, die ihn befähigt, im Aufklä- rungsgespräch, das zur Aufklärung über die individuellen Umstände der Erkrankung, ihre Behandlungsmög- lichkeiten und Erfolgsaussichten unerläßlich ist, gezielte Fragen zu stellen oder auf weitere Fragen be- wußt zu verzichten.

Die allgemeinen und spezifischen Risiken, die für die Entscheidung des Patienten nach ärztlicher Erfah- rung von Bedeutung sind, werden im Merkblatt aufgeführt und mit dem Hinweis verbunden, daß es weitere seltene und seltenste Risiken gibt, nach denen der Patient fragen solle, wenn sie ihn interessieren. In der mit dem Merkblatt verbundenen Doku- mentation (Aufklärungsbestätigung und Einwilligungserklärung) bestä- tigt der Patient, daß er im Aufklä- rungsgespräch alle ihn interessie- renden Fragen stellen konnte, oder er vermerkt, welche Fragen er noch beantwortet sehen will.

Die Aufklärung

über das Betäubungsverfahren Art und Bedeutung des Betäubungs- verfahrens erschließen sich dem Verständnis des Patienten verhält- nismäßig leicht. Anders als manche operativen Eingriffe ist die Anästhe- sie nicht mit notwendigen nachteili- gen Folgen wie Organverlusten oder schwerwiegenden Funktions- beeinträchtigungen verbunden. Bei schmerzhaften Eingriffen erwartet der Patient heute als selbstverständ- lich, daß sie in angemessener Anäs- thesie durchgeführt werden. Seine Einwilligung in den operativen oder diagnostischen Eingriff impliziert

deshalb im Regelfall auch die (still- schweigende) Einwilligung in ein Betäubungsverfahren. Es gibt frei- lich eine ganze Reihe von Eingriffen, bei denen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden darf, daß der Patient mit einem Betäubungsver- fahren rechnet, so insbesondere im

Bereich der invasiven Diagno- stik (14).

Zum anderen kann aber auch frag- lich sein, ob er sich zutreffende Vor- stellungen über die Art des Betäu- bungsverfahrens macht. Zahlreiche Eingriffe können wahlweise in Allge- mein- oder Regionalanästhesie durchgeführt werden. Erwartet der Patient eine Regionalanästhesie, so impliziert seine Einwilligung in den Eingriff nicht zugleich seine still- schweigende Einwilligung in eine Narkose (7, 17). Das gleiche gilt auch umgekehrt; manche Patienten wollen vom Operationserlebnis ver- schont werden oder haben Vorbe- halte vor allem gegen die rücken- marksnahen Methoden der Regio- nalanästhesie.

Die Einwilligung in die Anästhesie

Es empfiehlt sich, um folgenschwe- re Irrtümer über die Art des Betäu- bungsverfahrens auszuschließen, die ausdrückliche Einwilligung des Patienten in die Anästhesie einzuho- len und ihm dabei zu sagen, welche Methode vorgesehen ist. Diese Ein- willigung ist an keine Form gebun- den. Sie kann schriftlich, mündlich, aber auch stillschweigend erteilt werden. Da der Arzt aber für die Auf- klärung die Beweislast trägt, emp- fiehlt sich eine schriftliche Doku- mentation (12).

Die Aufklärung

über allgemeine und spezifische Anästhesierisiken

Die Komplikationsrate auf Grund all- gemeiner Anästhesierisiken liegt so niedrig, daß sie in der Regel keinen speziellen Hinweis an den Patienten erforderlich macht. Jeder verständi- ge Patient weiß, daß es kein Anäs-

thesieverfahren gibt, welches ganz risikofrei wäre. Besteht der Patient jedoch darauf, auch entfernt liegen- de Komplikationsmöglichkeiten zu erfahren, so ist er wahrheitsgemäß zu unterrichten.

Die Abgrenzung der allgemeinen Narkoserisiken erweist sich im ein- zelnen jedoch als unsicher und schwierig. So hat der Bundesge- richtshof bei einem Schaden nach einer Periduralanästhesie die Auf- fassung vertreten, es handle sich da- bei um eine Anästhesiemethode mit spezifischen Risiken (17, 18).

Hinsichtlich der allgemein bekann- ten Risiken stellt die Rechtspre- chung zwar — wie erwähnt — keine großen Anforderungen. Nicht immer kann allerdings das allgemeine An- ästhesierisiko als dem Patienten in seinem Stellenwert bekannt und da- mit als nicht aufklärungsbedürftig bezeichnet werden. Bei Vor- und Be- gleiterkrankungen ist es möglich, daß das allgemeine Anästhesierisiko das des speziellen Eingriffs weit übersteigt.

Sind spezifische Anästhesierisiken erkennbar, etwa wegen bestimmter pathologischer Organbefunde, so hat der Anästhesist den Patienten in Abhängigkeit von der Notwendigkeit und Dringlichkeit des Eingriffes im Aufklärungsgespräch auf diese Risi- kofaktoren hinzuweisen, es sei denn, dieser lehnt jede ins einzelne gehende Aufklärung mit dem Hin- weis auf das Vertrauen, das er dem Anästhesisten entgegenbringt, aus- drücklich ab (2).

Bei den allgemeinen wie bei den spezifischen Anästhesierisiken hängt es von der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Operation ab, wie weit der Patient über Art und Bedeu- tung dieser Risiken aufgeklärt wer- den muß. Handelt es sich um einen Eingriff, der zwingend und akut er- forderlich ist, um das Leben des Pa- tienten zu erhalten, so braucht auch der Anästhesist „... mit der Einwilli- gung nicht viele Umstände zu ma- chen" 3). Solche Umstände würden

3) BGH, zit. n. 15.

54 Heft 10 vom 12. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(3)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Aufklärungspflicht

den Patienten psychisch nur unnö- tig belasten, da eine echte Entschei- dungsalternative nicht gegeben ist.

Anders steht es mit vielen Eingriffen, die aufgeschoben werden können oder die quoad vitam nicht zwin- gend erforderlich sind.

Aufklärung über

das allgemeine Operationsrisiko Insbesondere bei schwerwiegenden Organbefunden, schlechtem Allge- meinzustand oder hohem Alter läßt sich das allgemeine Anästhesierisi- ko vom allgemeinen Operationsrisi- ko nicht trennen (8).

Die Belastungen durch das Betäu- bungsverfahren und durch den spe- ziellen Eingriff wirken gleichzeitig auf den Organismus ein; ihre Wir- kungen kombinieren sich, und sie können sich potenzieren.

Diese Kombination der Belastungen ist für den Anästhesisten um so be- deutsamer, als er nicht nur für das Betäubungsverfahren und seine Ri- siken im engeren Sinne zuständig und verantwortlich ist, sondern auch für die Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen während des operativen Eingriffs und zum Teil darüber hin- aus auch in der unmittelbaren post- operativen Phase (9, 16, 22).

Komplikationen, insbesondere tödli- che Zwischenfälle, sind aber nun einmal in letzter Konsequenz meist identisch mit einer Störung von Vi- talfunktionen. Das heißt, viele Kom- plikationen berühren auch dann den Verantwortungsbereich des Anäs- thesisten, wenn es sich primär nicht um eine anästhesiebedingte, son- dern um eine operative Komplika- tion handelt.

In der Regel ist es zunächst der Ope- rateur, der dieses allgemeine Opera- tionsrisiko, das auch das allgemeine Risiko des dazugehörigen Betäu- bungsverfahrens beinhaltet, auf Grund seiner Voruntersuchungen zu beurteilen und gegen die Dringlich- keit des geplanten Eingriffes abzu- wägen hat. Der Operateur ist es auch, der auf Grund dieser Erwä-

gungen die Operationsindikation stellt und nach einem Aufklärungs- gespräch mit dem Patienten den Zeitpunkt für den Eingriff festlegt.

Oft erhält der Anästhesist erst dann, das heißt nachträglich, Gelegenheit, den Patienten zu untersuchen, die Befunde einzusehen, eventuell aus seiner Sicht erforderlich erscheinen- de diagnostische oder therapeuti- sche Maßnahmen nachzuholen.

Hat der Anästhesist auf Grund seiner Beurteilung des Einzelfalles Beden- ken gegen die Operationsindikation oder den Zeitpunkt der Operation, so wird er, bevor er mit dem Patien- ten die Situation bespricht, den Ope- rateur bitten, seine Indikationsstel- lung zu überprüfen oder den Opera- tionstermin zu verschieben.

Bei einem Meinungsdissens behält der Operateur das letzte Wort. Er hat das Recht, in begründeten Fällen auch gegen die Auffassung des An- ästhesisten an seiner Operationsin- dikation festzuhalten oder auf dem festgesetzten Operationstermin zu beharren.

Der Anästhesist muß dies akzeptie- ren und darf darauf vertrauen, daß der Operateur diese Abwägung mit der gebotenen Sorgfalt vorgenom- men hat, es sei denn, der Operateur geht bei seinen Entscheidungen er- kennbar von völlig sachfremden Er- wägungen aus (9, 16, 22).

Der Operateur hat selbstverständ- lich eine Entscheidung, die er im Rahmen dieser skizzierten „Kompe- tenz—Kompetenz" gegen die Auffas- sung des Anästhesisten trifft, im Fal- le einer hierdurch bedingten Kom- plikation zu vertreten.

Der Anästhesist. der auch unter die- sen Umständen seine Mitarbeit nicht verweigern kann, ist gerade im Hin- blick auf die Gefährdung der vitalen Funktionen ungeachtet seiner Be- denken gegen den Eingriff verpflich- tet, das Beste für den Patienten zu tun.

Der durch diese Aufgabenteilung vorgegebene Verantwortungsbe-

reich des Anästhesisten veranlaßt ihn in zunehmendem Maße, durch eine gründliche Anamnese und aus- führliche präoperative Befunderhe- bung eine möglichst exakte Progno- se des allgemeinen Operationsrisi- kos zu erreichen, die im Grunde ge nommen über die Erfassung der all- gemeinen und spezifischen anästhe- siologischen Risiken weit hinaus- geht (4, 5, 6, 10, 11, 21).

Die gemeinsame Aufklärungspflicht

von Operateur und Anästhesist Die sich aus der Arbeitsteilung und der Kooperation zwischen Opera- teur und Anästhesist ergebenden Konsequenzen für die ärztliche Auf- klärungspflicht sind bisher in der Rechtsprechung noch kaum erörtert worden.

Da sich wie erwähnt — allgemeines Operations- und allgemeines Anäs- thesierisiko kaum voneinander ab- grenzen lassen, kann auch bei der Information des Patienten über die operativen Risikofaktoren die Auf- klärungspflicht des Operateurs nicht strikt von der des Anästhesisten ab- gegrenzt werden.

Für den Operateur stehen die spezi- fischen Operationsrisiken und die zu erwartenden operationstechnischen Schwierigkeiten des Eingriffs, die er gegen die Erfolgschancen der Ope- ration abzuwägen hat, im Vorder- grund, für den Anästhesisten dage- gen die Belastung der vitalen Funk- tionen während der Operation und in der unmittelbar darauf folgenden postoperativen Phase.

Eine Betonung der vorgegebenen unterschiedlichen Gesichtspunkte im Gespräch mit dem Patienten ist die nahezu zwangsläufige Folge:

Der Operateur wird, das Behand- lungsziel ins Auge fassend, bei sei- ner Patientenaufklärung mehr auf die speziellen operativen Risiken ab- stellen, der Anästhesist dagegen auf die Gesamtbelastung durch die Ope- ration und die Gefährdung der vita- len Funktionen in der postoperati- ven Phase.

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 10 vom 12. März 1982 57

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Aufklärungspflicht

Die sich aus dieser unterschiedli- chen Betrachtungsweise ergeben- de unterschiedliche Risikoeinschät- zung durch Operateur und Anästhe- sist kann dazu führen, daß der Ope- rateur dem Patienten gegenüber den Eingriff etwa als weitgehend ge- fahrlos darstellt, der Anästhesist hin- gegen auf Grund seiner Anamnese- und Befunderhebung die Operation insgesamt als risikoreicher ansieht.

Zieht der Operateur in einem sol- chen Falle den Anästhesisten, wie dies nicht selten der Fall ist, erst zu, wenn dem Patienten gegenüber die Würfel bereits gefallen sind, so kommt der Anästhesist im Hinblick auf seine Aufklärungspflicht dem Patienten und dem Operateur ge- genüber in eine schwierige Lage.

Diese Schwierigkeiten gewinnen an Bedeutungangesichts der Tatsache, daß neben zahlreichen anhängigen Zivilverfahren nun auch vereinzelt strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Operateur und Anästhesist wegen angeblicher Aufklärungs- mängel eingeleitet worden sind.

Die Kooperation bei der Aufklärung

Die Lösung dieses Problems inter- disziplinärer Zusammenarbeit erfor- dert zum einen ein klares Grundkon- zept für die Aufgabenteilung zwi- schen Operateur und Anästhesist bei der Aufklärung über das allge- meine Operationsrisiko und zum an- deren eine enge und frühzeitige Kooperation, die es ermöglicht, Un- terschiede in der Bewertung dieses Risikos möglichst schon vor der ln- dikationsstellung, jedenfalls aber vor dem Aufklärungsgespräch aus- zugleichen.

Der Berufsverband Deutscher Anäs- thesisten hat in einer Empfehlung zur ärztlichen Aufklärungspflicht ei- nen Aufklärungs- und Anamnesebo- gen entwickelt, der sich in Kombina- tion mit einer sorgfältigen präopera- tiven Befunderhebung zur Erfas- sung des allgemeinen Operations- und Anästhesierisikos gut eignet (19).

Dieser Aufklärungs- und Ana- mnesebogen informiert den Patien- ten auch darüber, daß Vor- und Be- gleiterkrankungen das operative Ri- siko erhöhen können. Jede einzelne Frage nach solchen Erkrankungen bedeutet somit für den verständigen Patienten, der sie bejahen mUß, ei- nen deutlichen Hinweis auf ein indi- viduelles Risiko.

Der Patient erhält damit Gelegen- heit, im Aufklärungsgespräch, das die schriftliche Aufklärung durch den Aufklärungs- und Anamnesebo- gen vorbereiten und nicht ersetzen soll, gezielte weiterführende Fragen zu stellen, falls nicht der Anästhesist von sich aus näher auf diese indivi- duellen Risikofaktoren eingeht.

Mit dieser pragmatischen Lösung ist ein wesentlicher Schritt in Richtung auf eine Arbeitsteilung und Zusam- menarbeit zwischen Anästhesist und Operateur bei der Eingriffsaufklä- rung getan.

Das Ziel muß sein, die vom Anästhe- sisten erhobene Anamnese und sei- ne präoperativen Befunde sowie die Schlußfolgerungen, die sich daraus für die Bewertung des allgemeinen Operationsrisikos ergeben, dem Operateur so rechtzeitig zugänglich zu machen, daß sie ihm bei seiner abschließenden Prüfung der Ein- griffsindikation zur Verfügung stehen.

Dies würde freilich voraussetzen, daß der Anästhesist, bereits früher als dies heute üblich ist, Gelegenheit erhält, sich ein Urteil über das allge- meine Operations- und Anästhesieri- siko zu verschaffen und in Problem- oder Zweifelsfällen mit dem Opera- teur hierüber in einen Meinungsaus- tausch zu treten, bevor dieser sich dem Patienten gegenüber hinsicht- lich der Indikationsstellung und des Operationstermines festgelegt hat.

W,i.rd auf di.ese Weise ein Meinungs- dissens vermieden, so tritt die Frage in den Hintergrund, ob der Patient über die allgemeinen Operationsrisi- ken vom Operateur und Anästhesi- sten gemeinsam oder getrennt auf- geklärt werden sollte.

Die Aufklärung über spezifische operative beziehungsweise anästhe- siologische Risiken kann ohnehin nur von dem hierfür zuständigen Fachvertreter erfolgen.

Auf weite Sicht bietet sich eine Ver- bindung des inzwischen weit ver- breiteten anästhesiologischen Auf- klärungs- und Anamnesebogens mit den Merkblättern für Standardein- griffe an, die wie dieser auf dem Konzept der Stufenaufklärung be- ruhen (23):

..,.. sie erleichtert die interdisziplinä- re Kooperation bei der Patientenauf- klärung und

..,.. verkürzt durch mögliche Zusam- menfassungen bei den allgemeinen Aufklärungshinweisen und bei ihrer Dokumentation den Text,

ohne die Verantwortungsbereiche von Operateur und Anästhesist für die fachspezifischen Risiken und ih- re Aufklärung zu verwischen.

Literatur

Kuhlendahl, H.: Die ärztliche Aufklärungs- pflicht oder der kalte Krieg zwischen Juristen und Ärzten. Dtsch. Ärzteblatt 75 (1978) 1984-2007- Peter, K.; Unertl, K.; Henrich, G.;

Mai, N.; Brunner, F.: Das Anästhesierisiko, An-

ästh. lntensivmed. 21 (1980) 24Q-248- Weiß-

auer, W.: Die Aufklärungspflicht des Anästhe- sisten, Anaesthesist 15 (1966) 10Q-108- Weiß- auer, W.: Das Konzept des Aufklärungs- und Anamnesebogens aus rechtlicher Sicht, An- ästh. lnform. 19 (1978) 245-246 -. Weißauer, W.: Ärztliche Aufklärungspflicht, rechtliche f>roblematik und Lösungsvorschläge, Bayer.

Arzteblatt 35 (1980) 455-464

Anschriften der Verfasser:

Privatdozent Dr. med.

Hans Wolfgang Opderbecke Institut für Anästhesiologie des Städtischen Klinikums Nürnberg Flurstraße 17

8500 Nü rnberg 90 Ministerialdirigent

Dr. med. Dr. h. c. Walther Weißauer Eckerstraße 34

8050 Freising 58 Heft 10 vom 12. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe NB

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

• Diese Prozedur kann man als Generator für fix-freie Terme zu vorgegebenen polymorphen Typen verwenden. (Djinn,

• Ich gebe einen Typ vor, etwa g :: (α → Bool) → [α] → [α]. • Ich erhalte ein

Eine enge Zusammenarbeit ist nach meiner Überzeugung essentiell für unser Fachgebiet und sollte unser ge- meinsames Ziel auch für dieses Jahr sein.. Ich wünsche Ihnen und

Wären diese Veränderungen auch ohne Ortswechsel eingetreten oder liegen die Ursachen primär in der Veränderung des Arbeitsklimas in einer Provinzstadt gegenüber einer Metropole.

Auch am Ende des Jahres 2013 ist es mir als Gesamtschriftleiter der A&I wieder ein ganz besonders herzliches Anliegen, Ihnen allen, den Leserinnen und Lesern, den Autoren,

Auch am Ende des Jahres 2012 ist es mir als Gesamtschriftleiter der A&I wieder ein ganz besonders herzliches Anliegen, Ihnen allen, den Leserinnen und Lesern, den Autoren,

Sollte dies nicht der prämedizierende, sondern ein dem Patienten noch unbekannter Arzt sein, muss dieser sich adäquat vor- stellen und dem Patienten die Gewissheit vermitteln, dass

Patienten, die noch nicht mit Opioiden behandelt wurden und plötzlich unter star- ken Schmerzen leiden, können bei einer nichtmalig- nen Grunderkrankung zunächst mit einem