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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 44, 31. Oktober 1997 (1) s gibt Momente, da wird es
selbst auf sehr großen Ver- anstaltungen sehr plötzlich sehr still. So, als Rudolf Dreßler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, bei ei- nem Symposium der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung in Kö- nigswinter eine – wie er selbst sagte – „heikle Frage“ stellte. „Ist alles das“, fragte der Sozialdemokrat,
„was heute in bestimmten Krank- heitsfällen von Ärzten gemacht wird, auch wirklich notwendig?“
Dreßler wäre kein Politiker, hätte er nicht die Antwort bereits bei der Hand: „Vieles von dem, was in den Praxen gemacht wird, ist überflüssig!“ Aus dem Munde des streitbaren Sozialpolitikers mag das (Dreßler: „Eine Feststellung, kein Vorwurf“) niemanden überraschen.
Doch seine Ursachenforschung und sein Lösungsansatz ließen aufhor- chen. Anders komme der Arzt wirt- schaftlich nicht mehr über die Run- den – trotz des neuen EBM. Ein Sy- stem, das den Arzt zu unsinnigem Verhalten zwinge, müsse geändert werden. „Wo guter Wille und die Bereitschaft der Selbstverwaltung,
aus richtigen Erkenntnissen auch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, dem berufspolitischen Ha- rakiri ziemlich nahekommen, da hat der Kaiser sein Recht verloren“, meinte der SPD-Politiker.
Abermals möchte er, fuhr Ru- dolf Dreßler fort, ein solches Vor- haben (eine Reform des EBM, Anm. d. Red.) der Selbstverwal- tung nicht zumuten. Aus purem Eigennutz, wie der Sozialdemo- krat hinzufügte. Denn was könnte die Politik davon haben, wenn
„hernach die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung zerstört ist und dort Radikalinskis an die Stel- le der Einsichtigen treten?“
Die SPD, so hörten die stau- nenden Standesvertreter in Kö- nigswinter, möchte die Selbstver- waltung also vor der Wut der eige- nen Basis bewahren und einen neuen EBM dann lieber gleich
selbst machen. Eine „Offerte“, die der KBV-Vorsitzende, Dr. med.
Winfried Schorre, postwendend als „doch ein wenig übertrieben fürsorglich“ dankend ablehnte.
Während also Rudolf Dreßler die Reform des EBM lieber in den Händen der Politik sehen würde, denkt der Bundesrat derzeit bei der GOÄ ans Gegenteil: an eine stärkere Beteiligung der Selbstver- waltung bis hin zu einer „Vertrags- GOÄ“ (siehe Deutsches Ärzte- blatt, Heft 40/1997, Seite eins).
Bei aller Ironie der Ereignis- se sollte man jedoch Dreßlers Standpunkt nicht einfach beiseite schieben. Er hat der Kassenärzte- schaft aufgezeigt, wo dringender Handlungsbedarf besteht. Der neue EBM – in Kooperation von Ärzten und Krankenkassen – muß es jetzt wirklich wohl oder übel
richten. Josef Maus
E
ie bekannteste Deklarati- on des Weltärztebundes dürfte die von Helsinki sein. Sie betrifft Empfehlungen für Ärzte, die in der biomedizinischen Forschung am Menschen tätig sind, wurde 1964 beschlossen und seitdem mehrfach geändert. Auf der kommenden Generalver- sammlung des Weltärztebundes (World Medical Association – WMA) wird über eine erneute Novellierung beraten.
Diese nächste Generalver- sammlung, es ist die 49., findet vom 10. bis 14. November dieses Jahres in Hamburg statt. Der Weltärzte- bund begeht damit zugleich sein 50. Bestehen. Die Ausrichtung in Deutschland darf als Anerkennung der aktiven Mitarbeit der deut- schen Ärzteschaft – gerade auch bei der Formulierung ethischer Fragen – gewertet werden.
Die Generalversammlung in Hamburg hat sich einige weitere aktuelle (und brisante!) Themen vorgenommen, etwa: Klonen und menschliche Würde, Abgabe von Heroin an Opiatabhängige, Rechte von Kindern als Patienten, Rechte des ungeborenen Kindes, aber auch Folter und andere Formen unmenschlicher Behandlung. Auf der Tagesordnung steht zudem die Beratung über eine Deklaration zu Atomwaffen.
Der Weltärztebund beschäf- tigt sich vornehmlich mit brennen- den ethischen Fragen und Fragen der Menschenrechte und versucht
hier den ethischen (Minimal-) Konsens zu definieren, dem sich die Ärzte weltweit verpflichtet fühlen. Der dürfte auch bei der Aufnahme neuer Mitglieder, die sich auf den Boden der Be- schlußfassungen des Weltärzte- bundes stellen müssen, eine Rolle spielen. So liegt ein Antrag auf Mitgliedschaft der chinesischen Medizinervereinigung vor.
Die Eröffnung der 49. Gene- ralversammlung steht Ärzten of- fen, desgleichen eine wissenschaft- liche Tagung zu Strategien gegen Drogenmißbrauch am 11. und 12.
November. Norbert Jachertz