MEDIZIN
systems kommt es sehr häufig auch zu einer Beteiligung der Nebennie- ren, was sich als Morbus Addison äu- ßert, der mit Kortison behandelt wer- den muß, um lebensbedrohliche Kri- senzustände zu verhindern. Priv.- Doz. Dr. Klingmüller wies aufgrund eigener neuerer Untersuchungen nach, daß bei der Adrenoleukody- strophie nicht nur die Hormone der Nebennierenrinde, sondern auch die Gonadenfunktion bei nahezu allen Patienten gestört ist. Dies läßt die Krankheitsbezeichnung Adreno-Te- stikulo-Leukodystrophie als gerecht- fertigt erscheinen. Priv.-Doz. Dr.
Zierz wies in seinem Referat auf die differentialdiagnostischen Probleme hin, die sich insbesondere in der Er- wachsenenneurologie bei solchen Pa- tientinnen ergeben, die als heterozy- gote Überträgerinnen das kranke Gen weitervererben können und selbst in sehr viel größerer Häufigkeit erkranken können, als bis vor kurzem noch angenommen wurde. Die Mög- lichkeiten einer frühzeitigen und dif- ferenzierten Diagnose mittels der Kernspintomographie (MRT) wur- den von Prof. Valk und seiner Mitar- beiterin Dr. van der Knaap, Amster- dam, in didaktisch faszinierender Weise dargestellt.
Während die endokrinen Stö- rungen bei der ALD durch eine ad- äquate Substitution gut zu beherr- schen sind, ist die Behandlung der neurologischen Störungen problema- tisch. Großen Raum nahm daher die Therapie der Adrenoleukodystro- phie mit „Lorenzos Öl" ein. Diese diätetische Therapie, die unter ande- rem auf der Gabe von Glycerin-Tri- oleat und Glycerin-Trierukat (Hauptbestandteil des Rapsöls) be- ruht, führt zu einer Normalisierung der bei der Adrenoleukodystrophie pathologisch erhöhten sehr langketti- gen Fettsäuren im Serum. Ob diese eindrückliche Besserung der klinisch- chemischen Laborparameter auch langfristig zu einem klinischen Effekt führt, ist bisher noch nicht gesichert.
Dr. Zierz und seine Mitarbeiter wie- sen auf Nebenwirkungen in Form ei- nes Abfalls der Thrombozyten hin.
Andere potentielle, aber offenbar ex- trem seltene Nebenwirkungen der Erukasäure sind Veränderungen des Herzmuskels, auf die insbesondere
KONGRESSBERICHT / FÜR SIE REFERIERT
Dr. Poulos, Australien, hinwies. Des- halb sollte die Therapie mit Lorenzos Öl nur bestimmten Zentren mit der entsprechenden Erfahrung vorbehal- ten bleiben.
Von Dr. W. Krivit, Minneapolis, und anderen Autoren wurden die Therapieergebnisse mit der Kno- chenmarkstransplantation, mit der die gesunden Gene transferiert wer- den, vorgestellt. Dabei wurde deut- lich, wie wichtig eine frühzeitige Dia- gnose und immunologische HLA-Ty- pisierung ist, damit bei einer Ver- schlechterung des klinischen Zustan- des eine Knochenmarkstransplanta- tion möglichst schnell vorgenommen werden kann, die nur bei frühzeitiger Behandlung überzeugende Erfolge versprechen kann. Weltweit wurde bisher bei 21 Patienten mit ALD eine Knochenmarkstransplantation durchgeführt. Bei einem Teil der Pa- tienten zeigte sich kernspintomogra- phisch eine Stabilisierung der Er- krankung. Die Ergebnisse der ent- scheidenden neuropsychologischen Untersuchungen stehen allerdings noch aus. Vier Patienten starben.
Sowohl unter den Wissenschaft- lern als auch unter den ebenfalls an- wesenden Vertretern von Patienten- organisationen (A. Wrede, Bonn, Cathy und Guy Alba, ELA Frank- reich) bestand daher die Überein- stimmung, daß die Therapie der er- sten Wahl die Diät ist. Erst bei einem Therapieversagen und zunehmender Verschlechterung des Zustandes des Patienten kann bei einem kleinen Teil der Patienten die risikoreiche Knochenmarkstransplantation erwo- gen werden.
Wegen der großen Resonanz auf das Symposion wird am 23. 10. 1993 in Bonn eine nächste Tagung für Ärzte und Patienten stattfinden.
Priv.-Doz. Dr. Stephan Zierz Neurologische Universitätsklinik Bonn
Priv.-Doz. Dr. Dietrich Klingmüller Institut für Klinische Biochemie, Endokrinologie der Universität Bonn Dipl.-Psych. Axel Wrede
Informationsnetzwerk Leukodystro- phie e. V. Bonn
Ticlopidin zur Prävention des Schlaganfalls
Ticlopidin hemmt die primäre und sekundäre Aggregationsfähig- keit der Thrombozyten und verhin- dert somit ihre Anheftung an die ar- teriosklerotischen Plaques der Ge- fäßwand. In der Canadian American Ticlopidine Study (CATS) wurden 1053 Patienten, welche einen throm- boembolischen Schlaganfall erlitten hatten, mit Ticlopidin (2 x 250 mg) oder Plazebo therapiert. Nach einem durchschnittlichen Beobachtungs- zeitraum von zwei (maximal drei Jah- ren) zeigte sich eine signifikante Risi- koreduktion des Schlaganfalls von 33 Prozent bei Ticlopidin gegenüber Plazebo. Die Wirksamkeit des Ticlo- pidins gegenüber der Standardthera- pie mit Azetylsalizylsäure (2 x 650 mg) bei Patienten mit TIA, RIND oder „minor stroke" wurde an 3069 Patienten in der Ticlopidin Aspirin Stroke Study Group (TASS) unter- sucht. Die Ticlopidingruppe zeigte signifikant bessere Ergebnisse bezüg- lich Schlaganfällen oder Tod (12 Pro- zent), tödlichen oder nicht-tödlichen Schlaganfällen (21 Prozent). Als we- sentliche Nebenwirkung einer Ticlo- pidintherapie kann eine Neutropenie in den ersten drei Monaten auftre- ten, welche nach Absetzen der Medi- kation reversibel ist. Aufgrund oben genannter Vorteile sowie der Tatsa- che, daß Ticlopidin auch bei Frauen wirksam ist, kommt der Autor zu dem Ergebnis, daß Ticlopidin als ein erfolgreiches Medikament in der Prophylaxe des Schlaganfalls zu wer- ten ist, wobei in den ersten drei Mo- naten 14tägige Blutbildkontrollen zur Erkennung einer eventuellen Neutropenie erforderlich sind. sch
Ernst, E.: Ticlopidin zur Prävention des Schlaganfalls. Perfusion 12, 368-369 (1992).
Prof. Dr. med. E. Ernst, Klinik für Physi- kalische Medizin und Rehabilitation, AKH, Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien.
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 30, 30. Juli 1993 (45) A1-2077