DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Konzertierte Aktion
dustrie nicht einigten, dann müsse wohl der Gesetzgeber ran. Nun, der Gesetzgeber will heute offensichtlich nicht so recht. In der Konzertierten Ak- tion wurde das Thema Pharma- preise auffällig blande behan- delt, und das einzig Handfeste, was herauskam und in der ge-
meinsamen Erklärung festge- halten ist, war die Forderung nach einer Preisvergleichsliste.
Die aber ist ohnehin schon be- schlossene Sache und in Arbeit
— wenn auch nicht im Bundesar- beitsministerium.
Die gemeinsame Erklärung der Konzertierten Aktion ist erst nach dreistündigen Geburtswe- hen zustande gekommen. Kas- senärzte und Kassen hatten zwar vorher versucht, ein ge- meinsames Papier zustandezu- bringen; dazu war es aber bei dem Zeitdruck, unter denen die Beratungen zum Schluß stan- den, nicht mehr gekommen. Der Bundesarbeitsminister hatte deshalb vorsorglich ein eigenes Papier vorbereitet, das nach mühsamen Verhandlungen die Zustimmung der Beteiligten fand (siehe Seiten 3559/3560).
Daß in der Diskussion über den vom Bundesarbeitsministerium ursprünglich vorgelegten Ent- wurf für die Kassenärzte ent- scheidende Akzentverschiebun- gen, ja Verbesserungen durch- gesetzt werden konnten, lag mit an den unmißverständlichen Aussagen des Ersten Vorsitzen- den der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, Dr. med. Hans Wolf Muschallik. Er lehnte er- neut eine Revision der laufen- den Honorarverträge strikt ab — unterstützt übrigens auch von Kassenseite. Willi Heitzer, Vor- standsvorsitzender des Bundes- verbandes der Ortskrankenkas- sen: „Ein Eingriff in die laufen- den Verträge entspricht nicht unseren Vorstellungen einer verläßlichen Partnerschaft."
Entscheidend dürfte schließlich Muschalliks Hinweis auf die sich
deutlich abflachende Ausgaben- entwicklung im ambulanten Sektor gewesen sein. Nach den bisher vorliegenden Abrech- nungsergebnissen der Kassen- ärztlichen Vereinigungen wird der Ausgabenzuwachs bei den Ersatzkassen im 3. Quartal 1984 nur noch bei drei bis allenfalls vier Prozent liegen. Ein Eingrei- fen in die laufenden Verträge wäre also schon deshalb nicht gerechtfertigt.
Meldungen
von der „Beitragsfront"
Eine Reihe gesetzlicher Kran- kenkassen beabsichtigt, die Beitragssätze zu erhöhen — un- geachtet der Tatsache, daß die
Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar 1985 erneut (von 3900 DM auf 4050 DM Brutto- monatsverdienst) angehoben wird. Mindestens 105 Kranken- kassen sollen bereits bei den Aufsichtsbehörden Beitrags- satzanhebungen angemeldet haben.
Von den 155 Innungskranken- kassen wollen 33 zu Beginn oder im Laufe des nächsten Jahres ihre Beiträge erhöhen.
Davon würden rund ein Drittel der Pflichtmitglieder betroffen.
Bei den Betriebskrankenkas- sen sollen etwa 10 Prozent (et- wa 80 Kassen) betroffen sein.
Die Sätze sollen bis zu einem Prozentpunkt angehoben wer- den. Derzeit beträgt der durch- schnittliche Beitragssatz 11,45 Prozent.
Zum Auftakt der „Konzertier- ten Aktion im Gesundheitswe- sen" blieben die Sprecher der
Krankenkassenspitzenverbän- de bei ihrer bereits im Sommer dieses Jahres geäußerten Ver- mutung, daß per Jahresende 1984 ein Gesamtdefizit in der Krankenversicherung in Höhe von etwa vier Milliarden DM entstünde. EB
Muschallik hat aber auch keinen Zweifel daran gelassen, daß die Kassenärztlichen Vereinigun- gen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung weiterhin auf die Kassen- und Vertragsärz- te in Richtung kostenbewußten Verhaltens einwirken werden.
Allerdings lehnte er Kosten- dämpfung als „Solonummer"
der Kassenärzte entschieden ab. Dr. Muschallik: „Wir müssen uns gemeinsam darum bemü- hen, Versicherte und Ärzte zu Verbündeten in der Kosten- dämpfung zu machen. Dieses Vorhaben kann aber nicht gelin- gen, wenn man den Kassenarzt allein an den Pranger stellt mit dem Hinweis, er habe den Schlüssel zu 70 Prozent der Aus- gaben der Krankenkassen. Ich habe vollstes Verständnis für die starke Verbitterung, die entspre- chende Vorwürfe und Forderun- gen beispielsweise nach Ver- tragsrevision unter den Kassen- ärzten ausgelöst haben. Sie sind es leid, zum alleinigen Prügel- knaben der Kostendämpfung gemacht zu werden."
Die gemeinsame Erklärung ent- hält folglich auch, was den am- bulanten Sektor angeht, nicht allein Appelle an die Kassenärz- te. Auch die Kassen werden, wenn auch noch vorsichtig for- muliert, dazu angehalten, ihre Versicherten zu Kostenbewußt- sein anzuhalten. In diesem Zu- sammenhang kam in der Kon- zertierten Aktion die von Kas- senärzten immer wieder geäu- ßerte Klage zur Sprache, ört- liche Krankenkassen torpedier- ten Kostendämpfungsbemühen des Kassenarztes, indem sie auf eigene Faust Patienten etwa Heil- und Hilfsmittel bewilligten (dazu auch die Dokumentation in Heft 47: „Wie Kassen Kosten machen und dabei kostenbe- wußte Ärzte desavouieren").
Sowohl Muschallik wie auch ver- schiedene Krankenkassenver- treter haben in der Konzertieren Aktion das gemeinsam von den Spitzenverbänden der Kranken- 3558 (18) Heft 48 vom 28. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A