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Archiv "Schmerztherapie: Umdenken erforderlich" (14.03.2003)

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ei der Schmerztherapie könnten viele überflüssige Untersuchungen und „Patientenkarrieren“ vermie- den werden. Erhebliche Kosten sind über eine spezifische Therapie akuter Schmer- zen einzusparen: Eine effektive Behand- lung zum richtigen Zeitpunkt verhindert eine Chronifizierung, die sowohl andere Medikamente als auch eine multimodale Therapie erfordert. Dies gilt auch für Kinder, die Schmerzen schneller „ler- nen“, aber auch schneller wieder verges- sen, wenn sie optimal therapiert werden.

Wie Dr. Gerhard Müller-Schwefe (Göppingen), der Präsident des Schmerz- therapeutischen Kolloquiums – Deut- sche Schmerzgesellschaft, bei einer Ta- gung in Wiesbaden darlegte, leiden nach einer aktuellen Umfrage fast ein Viertel (23,5 Prozent) der Bundesbür- ger zwischen 14 und 60 Jahren an chronischen Schmerzen – wobei Kopf- schmerzen explizit ausgeschlossen wur- den. Für eine qualifizierte Versorgung wären circa 4 000 Schmerztherapeu- ten notwendig. Der Ist-Stand liegt bei etwa 280, hinzu kommen rund 50 Teil- zeit-Therapeuten. Müller-Schwefe ist davon überzeugt, dass es sich auszahlen würde, die Grundzüge der Schmerzthe- rapie in die Ausbildung einzubinden:

„Aber an dieses politisch heiße Eisen wagt sich keine Regierung so schnell wieder. So werden wohl weiterhin aku- te und chronische Schmerzen mit den- selben Medikamenten behandelt wer- den, und die Fiktion wird bestehen blei- ben, wonach chronischer Schmerz kura- tiv zu behandeln ist.“

Am Beispiel der weit verbreiteten Rückenschmerzen machte Dr. Wolf- gang Bartel, der Präsident der Gesamt- deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (Halberstadt), auf die falsche Sitzpositionen in den Schulen, aber auch Ausbildungsdefizite bei der Dia-

gnostik aufmerksam: 60 Prozent der Kernspintomographien und der größte Teil an einfachen bildgebenden Verfah- ren seien nicht nötig, denn in 60 bis 80 Prozent der Fälle ist der Rücken- schmerz durch die körperliche Untersu- chung zu diagnostizieren – und über- wiegend auf funktionelle Störungen (60 bis 70 Prozent) zurückzuführen. Nur zehn Prozent seien degenerativ und zwei Prozent durch einen Prolaps be- dingt. Bei der Therapie sollte aufgrund von psychosozialen Faktoren, Vermei- dungs- und Angstverhalten von Anfang an die Eigenverantwortung des Patien- ten mit eingefordert werden.

Nach Mitteilung von Dr. Thomas Nolte (Wiesbaden) wird beim chronifi- zierten Schmerz häufig die Vorstellung der Heilung aufrechterhalten, obwohl die Behandlung hier eher palliativen Charakter aufweist. Meist bleibt der Pa- tient lebenslang ein Risiko-Patient, der auf erneute Schmerzstimuli „überrea- giert“. Hier sei eine medikamentöse Prophylaxe vor größeren Eingriffen,

andererseits eine effektive, rasche Be- handlung akuter Schmerzen notwendig, betonte Müller-Schwefe.

In Zukunft werden wahrscheinlich Männer und Frauen mit unterschiedli- chen Schmerzmedikamenten behandelt werden. Denn die klinischen Neuro- pharmakologen um Prof. Walter Ziegl- gänsberger (München) haben heraus- gefunden, dass das Schmerzgedächtnis auch einem körpereigenen Extinktions- system unterliegt, das unterschiedlich wirkende Komponenten umfasst. Ne- ben den Endorphinen spielen Endo- cannabinoide und das Monoaminoxida- se-System eine Rolle. Die therapeutisch eingesetzte Substanz Flupirtin (Kata- dolon®) dämpft die Aktivität der Neu- ronen. Diese Dämpfungssysteme sind of- fensichtlich einerseits stark geschlechts- spezifisch, andererseits – bei Störungen in der Schmerzverarbeitung – mögli- cherweise ursächlich für verstärkte Schmerzempfindung wie beispielsweise bei der Fibromyalgie.

Wahrscheinlich fördert das körperei- gene Extinktionssystem die Selbsthei- lungskräfte darüber, dass es unangeneh-

me Schmerzempfindungen in tiefere Schichten des Gedächtnisses verschiebt, spekulierte Zieglgänsberger. Völlig kon- traproduktiv, weil verstärkend, stufte er deshalb eine Rehabilitation ein, bei der der Patient mit „schmerzverzerrtem“

Gesicht seine Übungen absolvieren müs- se. „Erst den Schmerz nehmen, dann Be- wegungstherapie – alles andere ist ein aversiver Stimulus.“ Dr. Renate Leinmüller P O L I T I K

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A678 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1114. März 2003

Schmerztherapie

Umdenken erforderlich

Der Einsatz von bildgebenden Verfahren ist bei Rücken- schmerzen in vielen Fällen durch eine exakte klinische Untersuchung zu vermeiden.

Medizinreport

„Schmerzprävention“ beginnt bereits im Kindesalter, denn Rückenschmerzen entstehen bereits in den Schulen durch falsche Sitzpositionen. Foto: BilderBox

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