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Aids und ObdachlosigkeitNew York und Berlin - ein MetropolenvergleichvonCarmen Stürzei

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Academic year: 2022

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ISSN-0935-8137

P94-203

Aids und Obdachlosigkeit

New York und Berlin - ein Metropolenvergleich von

Carmen Stürzei

Berlin, Mai 1994

Publications series of the research group

"Health Risks and Preventive Policy"

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung D-10785 Berlin, Reichpietschufer 50

Tel.: 030/25491-577

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vierenden sozialen Begleiterscheinungen verbunden. Für immer mehr Betroffene ist die ver­

bleibende Lebenszeit mit sozialen Notlagen und auch Obdachlosigkeit belastet, und diese Tendenz nimmt zu, seit Aids begonnen hat, vermehrt in die unteren sozialen Schichten vorzu­

dringen. In dem vorliegenden Papier wird die quantitative und qualitative Dimensionierung dieses Problems am Beispiel zweier Metropolen, New York und Berlin, untersucht.

Zunächst wird die epidemiologische Situation dargestellt und dabei der Zusammenhang von Aids und Obdachlosigkeit analysiert. Dabei wird sowohl der Frage nachgegangen, welchen Einfluß Wohnungslosigkeit auf das Risiko einer HIV-Infektion hat wie auch umgekehrt die Frage danach aufgeworfen, in welcher Weise soziale Notlagen durch eine HIV-Infektion ver­

stärkt werden. Anschließend wird untersucht, mit welchen Hilfemaßnahmen seitens der Ge- sundheits- und Sozialpolitik auf die Problematik "Aids und Obdachlosigkeit" reagiert wird.

Vorgestellt werden zunächst eine Reihe interessanter und lehrreicher US-amerikanischer Wohn- und Interventionsprogramme, die anschließend mit hiesigen Programmen verglichen werden.

Die Analyse belegt den engen Zusammenhang von gesundheitlichen und sozialen Risiken und die negativen Auswirkungen der Trennung von gesundheitlicher und sozialer Versorgung. Sie kann jedoch auch erste Schritte zur Überwindung dieser kontraproduktiven Trennung aufzei­

gen. Darüber hinaus zeigt sie hemmende soziale Faktoren für die Senkung des Risikos einer HIV-Infektion auf und belegt die Notwendigkeit von zielgruppenspezifischen Präventionsan­

sätzen für obdachlose Aids-Kranke.

Diese Untersuchung entstand im Kontext mit der Studie "Versorgungsverläufe von Aids-Pati- enten. Prozessuale und dynamische Aspekte der Versorgungsnutzung". Bearbeitung: Doris Schaeffer und Martin Moers; gefördert durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie; Projektträger: Bundesgesundheitsamt; Förderkennzeichen: V-034-92

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1 NEW YORK 2

1.1 Epidemiologischer Überblick 2

1.2 Aids und Obdachlosigkeit 3

1.3 Wohnangebote für Aids-Kranke 6

1.3.1 Scattered Site Housing Program 7

1.3.2 Bailey House 9

2 BERLIN 12

2.1 Epidemiologischer Überblick 12

2.2 Soziale Situation 12

2.3 Aids und Armut 13

2.4 Aids und Obdachlosigkeit in Berlin im Spiegel der

Beratungsstellen 14

2.4.1 Wohnsituation von Schwulen 17

2.4.2 Wohnsituation von Drogenabhängigen 18

2.4.3 Wohnsituation von Frauen 19

3 WOHNANGEBOTE FÜR MENSCHEN MIT HIV UND AIDS 20

3.1 Der Bedarf an Wohnangeboten für Menschen mit

HTV und Aids 20

3.2 Unterschiedliche Konzepte 21

3.3 Drogengebrauch als Ausschlußkriterium 23

3.4 ziK als Modell eigenständigen Wohnens für Menschen

mit HIV und Aids 24

3.4.1 Konzept 25

3.4.2 Erfahrungen 26

4 ZUSAMMENFASSUNG 28

LITERATUR 30

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nungen der Krankheit unübersehbar geworden. Zwar konnte durch medizinische Fortschritte die Lebenserwartung Aids-Kranker verlängert werden. Es ist jedoch zu erkennen, daß für immer mehr Betroffene die verbleibende Lebenszeit mit sozialen Problemen einhergeht. Da­

bei stellt vor allem der Bereich Wohnen für viele Menschen mit HIV und Aids ein zentrales Problem dar.

Eine Studie der "National Commission on Aids" vom Juli 1992 kommt zu dem Ergebnis, daß bis zur Hälfte aller Menschen mit Aids in den USA obdachlos oder unmittelbar von Obdach­

losigkeit bedroht sind. Umgekehrt sind rund 15% der Obdachlosen HTV-infiziert. Weiterhin befinden sich 30% aller Menschen mit HTV-Krankheitssymptomen in Krankenhäusern, da keine geeigneten außerklinischen Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese Zahlen zeigen, daß Obdachlosigkeit im Zusammenhang mit der HTV/Aids-Epidemie in den USA ein erschreckendes Ausmaß angenommen hat. Da in den USA viele Entwicklungen bereits zum Alltag gehören, die in der BRD erst mit einigen Jahren Verzögerungen zu spüren sind, stellt sich die Frage ob und inwieweit Obdachlosigkeit bei Menschen mit HTV und Aids auch in der Bundesrepublik ein Problem ist (oder werden wird) und wie seitens der Gesundheits- und So­

zialpolitik darauf reagiert wird.

In der Bundesrepublik und den USA konzentrieren sich viele soziale Probleme auf die Metro­

polen, also auf New York und Berlin. Sie sind im jeweiligen Land am stärksten von der HTV/Aids-Epidemie betroffen, da jeweils ca. 20% der an Aids erkrankten Menschen dort le­

ben. Gleichwohl ist die Obdachlosigkeit in New York ungleich größer. Dort wird die Zahl der obdachlosen Menschen mit HTV und Aids auf 30.000 geschätzt (Gay Men's Health Crisis 1993, S. 3). In der Bundesrepublik liegen bislang noch keine Zahlen über obdachlose Men­

schen mit HTV und Aids vor. Es ist jedoch zu erkennen, daß das Problem auch hier existiert.

Beispielsweise haben sich seit Gründung des Berliner Wohnprojekts "zuhause im Kiez" im Jahre 1989 über 500 Menschen mit HTV und Aids an das Projekt gewandt. Dies zeigt, daß auch in Berlin für relativ viele infizierte bzw. erkrankte Menschen Wohnraummangel ein Problem darstellt.

Im vorliegenden Bericht werden zunächst Ursachen von Obdachlosigkeit sowie Hilfe- und Unterstützungsangebote für von Obdachlosigkeit betroffene Menschen mit HTV und Aids in

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New York dargestellt.1 Dabei werden auch Modelle zur Unterbringung obdachloser Aids- Kranker vorgestellt. Im zweiten Teil wird die Situation in Berlin beleuchtet und auf die spe­

zielle Wohnsituation der Hauptbetroffenen eingegangen. Im dritten Teil werden Konzepte und bisherige Erfahrungen von bundesdeutschen Wohnprojekten dargestellt. Dabei wird die Arbeit von ziK, dem größten Wohnprojekt für diese Zielgruppe, ausführlicher geschildert.

Zum Schluß werden einige Vergleichsüberlegungen zur Situation in New York und Berlin angestellt.

1 NEW YORK

1.1 Epidemiologischer Überblick

Die Stadt New York mit ihren über acht Millionen Einwohnern ist in den letzten Jahren zum Zentrum vieler sozialer Mißstände geworden (Häußermann/Siebel 1993). Hier treffen ungelö­

ste Probleme wie die HTV/Aids-Epidemie, Obdachlosigkeit, Drogengebrauch und die wieder auftretende Tuberkuloseepidemie geballt aufeinander. Hinzu kommt die immer größere Ver­

armung der Bevölkerung. Bereits jeder achte New Yorker,- etwa eine Million Menschen - ist auf Sozialhilfe angewiesen (Mayor's Office on Homelessness and SRO Housing 1992, S. 2).

Auch die Dimension der HTV/Aids-Epidemie nimmt in New York, wie in keiner anderen Stadt der USA, gewaltige Ausmaße an. So übersteigt die Zahl der an Aids erkrankten Men­

schen in New York die Summe der Aids-Fälle in den Städten Los Angeles, San Francisco und Miami.1 2 Mit bislang über 40.000 Aids-Fällen (18% der Gesamtzahl), stellt die Stadt New York das Zentrum der HTV/Aids-Epidemie in den USA dar. Die Zahl der HIV-infizierten Einwohner schätzt die New Yorker Gesundheitsbehörde auf zusätzlich 200.000 - 400.000.

Aids ist in New York die häufigste Todesursache für Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren. Dabei stellt Drogenabhängigkeit ein immer brisanter werdendes Problem dar. Etwa 60% der an Aids erkrankten Menschen gehören in den USA der Gruppe der Schwulen und 22% der der Drogenabhängigen an. In New York dagegen liegt der Anteil der Drogenabhängigen bei 40% und ist damit fast doppelt so hoch wie im nationalen Durch­

1 Die Ausführungen basieren auf einem Aufenthalt in New York im Juli/August 1992, bei dem ich mir durch zahlreiche Gespräche und Besuche in Aids-Wohnprojekten und anderen sozialen Einrichtungen einen Einblick in die Versorgungsangebote verschaffen konnte.

2 Die Statistiken zur HTV/Aids-Epidemie weisen jeweils die Gesamtzahl aller bisher an Aids-erkrankten Menschen aus. Dies täuscht darüber hinweg, daß von den 40.000 Aids-Fällen in New York bereits 70%

verstorben sind. Epidemiologische Angaben beziehen sich im folgenden auf die Veröffentlichungen der Centers for Disease Controlg (Stand: Juli 1992) und New York City Department of Health (Stand: Juli 1992).

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schnitt. Von den 200.000 Drogenabhängigen der Stadt sind bereits über die Hälfte HIV-infi- ziert. Viele von ihnen gehören den sozial benachteiligten Minoritäten an. Ihr Anteil unter den Aids-Fällen beträgt im Staat New York fast 63%, obwohl sie nur 25% der Gesamtbevölke­

rung repräsentieren. Auch bei den Aids erkrankten Frauen und Kindern gehören über 80%

den ethnischen Minderheiten an.

Die Tuberkulose steht mit HTV und Aids in engem Zusammenhang und entwickelt sich zu­

nehmend zur Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Die sozialen Mißstände des Landes und die schlechte medizinische Basisversorgung für große Teile der Bevölkerung begünstigen den seit 1990 zu verzeichnenden Anstieg der Tuberkuloseerkrankungen. Mit 25.000 Fällen wurde gegenüber 1989 eine 9%ige Steigerung festgestellt. In der Stadt New York liegen die Zahlen der mit Tuberkulose Infizierten 4-5 mal höher als im nationalen Durchschnitt. Besonders häu­

fig kommt sie in Gegenden vor, die von Armut, Drogengebrauch und schlechter Wohnqualität gekennzeichnet sind. So ist z.B. die Tuberkuloserate in Harlem, einem einkommensschwa­

chen Stadtteil Manhattans, höher als in den ärmsten Ländern der Welt (Newsweek 1992, S.

53). Der enge Zusammenhang zwischen Tuberkulose- und HTV/Aids-Epidemie wird in New York besonders deutlich: ca. 25% - 40% aller an Tuberkulose Erkrankten sind hier HTV-posi- tiv (Journal of Community Health 1992, S. 187). Darüber hinaus bilden Gefängnisse und Ob­

dachlosenunterkünfte einen "idealen Nährboden" für die Ausbreitung dieser Krankheit.

1.2 Aids und Obdachlosigkeit

Obdachlosigkeit stellt ein weiteres zentrales und nicht mehr zu übersehendes Problem der Stadt New York dar. Die 70.000 - 90.000 obdachlosen Menschen (National Coalition for the Homeless 1990, S. 74) prägen das Stadtbild. Meist sind es ungelöste soziale, wirtschaftliche und wohnungspolitische Probleme, die zum Anstieg der Obdachlosigkeit führen (Marcuse 1993). Zunehmend häufig wird auch eine HTV-Infektion bzw. Aids-Erkrankung zum Wegbe­

reiter für Obdachlosigkeit:

"Infection with HIV ist becoming a primary cause o f homelessness in New York City.

Persistent and recurring illness and episodic hospitalizations result in the loss o f jobs and housing and leave HIV-infected persons without the resources to fight their way back into the housing market." (Arno 1991, S. 180)

Eine häufige Ursache, die diese Entwicklung beschleunigt, ist der Verlust von Arbeitsplatz und Einkommen. Da der Einkommensverlust durch mangelnde soziale Absicherung oft nicht abgefangen werden kann, wird es für viele Menschen schwierig, ihren Miet- und anderen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Gleichzeitig sind Sozialhilfe und andere staatliche

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Leistungen schwierig zu erhalten und haben umfangreiche Auflagen, die viele von der An­

tragstellung abhalten. Außerdem kann die Antragsprüfung drei Monate bis zu eineinhalb Jah­

ren in Anspruch nehmen - eine Zeitspanne die zahlreiche Betroffene nicht überbrücken kön­

nen. Und selbst wenn ein Aids-Erkrankter staatliche Hilfe erhält, ist der Betrag meist nicht ausreichend, um die tatsächlichen Lebenshaltungskosten in New York zu decken (Fröner 1988, S. 198).

Insgesamt trifft die HTV/Aids-Epidemie zunehmend die sozial Schwachen, die schon vor Ausbruch der Krankheit in Armut und instabilen Wohnverhältnissen lebten. Drogengebrauch, Diskriminierung und der allgemeine Mangel an bezahlbarem Wohnraum verschärfen die Si­

tuation. Zusätzlich werden mit Fortschreiten der Krankheit medizinische Behandlungen und zeitweilige Krankenhausaufenthalte notwendig, deren Kosten viele Erkrankte in die Armut treibt (vgl. Moers/Schaeffer 1993). Da in den USA kein ausreichendes staatliches Kranken­

versicherungssystem existiert, sind viele Menschen gar nicht oder unterversichert. Häufig ist eine Krankenversicherung an ein bestehendes Arbeitsverhältnis geknüpft, das aber mit dem Fortschreiten der Krankheit aufgegeben werden muß.3 Vor allem der reglementierte Zugang zum staatlichen Hilfesystem ist für das Ansteigen der Obdachlosigkeit unter Menschen mit HIV und Aids verantwortlich. Da staatliche Unterstützungen an eine offizielle Aids-Diagnose geknüpft sind, werden somit "nur" HTV-Infizierte von Hilfeleistungen ausgeschlossen.

Obdachlosigkeit ist jedoch oft nicht nur das Resultat von HTV und Aids. Umgekehrt weisen Obdachlose auch ein erhöhtes HTV-Infektionsrisiko auf. Empirische Studien belegen, daß selbst bei Obdachlosen, die keine homosexuellen Kontakte haben und nicht drogenabhängig sind, die HTV-Infektionsrate bei 3% liegt. Diese Rate ist weitaus höher als bei vergleichbaren Gruppen, die nicht obdachlos sind (Zolopa u.a. 1991). Während im nationalen Durchschnitt die HTV-Infektionrate bei Obdachlosen auf 15% geschätzt wird, geht man in New York von 20%-30% aus (National Commission on Aids, o.J. und National Coalition for the Homeless 1990, S. 74). Erschreckend hoch ist die Infektionsrate bei obdachlosen Jugendlichen : So stellte eine Studie des New York State Department of Health fest, daß 10% der Bewohner ei­

ner Obdachloseneinrichtung für Jugendliche (Covenant House) HTV-infiziert sind (Arno

3 In den USA gibt es keine Krankenversicherungspflicht. Rund 15% der Bevölkerung sind nicht versichert und weitere 15% unterversichert, da ihre Versicherungsverträge nur bestimmte, vertraglich geregelte Risiken versichern. Seit 1965 existieren Medicaid und Medicare um die Gesundheitsversorgung für arme und alte Menschen sicherzustellen. Um jedoch einen Leistungsanspruch für Medicaid zu haben, müssen eng gefaßte Einkommens- und Vermögensgrenzen erfüllt werden. 1991 erhielten über 31 Millionen Amerikaner Medicaid. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einer Zunahme von 3,3 Millionen Menschen - ein Grund hierfür ist auch die rasante Verarmung der unteren Mittelschicht (Kleine- Brockhoff 1993).

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1991, S. 179). Der häufig verbreitete Drogengebrauch und die bislang nicht auf die Ziel­

gruppe der Obdachlosen ausgerichteten Aids-Präventionsmaßnahmen begünstigen die HIV- Infektionsrate in dieser Gruppe.

Obdachlose Menschen mit HIV und Aids gehören in New York vor allem zur Gruppe der Drogenabhängigen. Für die schätzungsweise 200.000 Drogenabhängigen stehen etwa 50.000 Plätze im Drogenhilfesystem (Entzugskliniken, Drogentherapien, Methadonprogramme etc.) zur Verfügung. Es ist schwer vorstellbar, daß die bestehenden Hilfsangebote hoffnungslos überlastet sind und viele der Drogenabhängigen nicht erreichen. Das hat nicht allein Kapazi­

tätsgründe. Viele werden durch das traditionelle Drogenhilfeangebot nicht (mehr) erreicht, weil sie die Inanspruchnahmevoraussetzung, speziell den Clean-Anspruch, nicht erfüllen.

Insgesamt wird die Zahl der obdachlosen Menschen mit HIV und Aids in New York auf 30.000 geschätzt, wobei die Tendenz steigend ist (Gay Men's Health Crisis 1993, S. 3). Bis­

lang hat die Stadt nur sehr unzureichend auf dieses Problem reagiert. Entscheidend für die In­

anspruchnahme von staatlicher Unterstützung ist das jeweilige Krankheitsstadium. Mit der Diagnose wird Art und Umfang der staatlichen Unterstützungen geregelt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Hilfsangebote in der letzten Phase der Krankheit. Demzufolge ist der Zu­

gang zu Wohnprojekten erst mit einer offiziellen Aids-Diagnose möglich, also erst dann, wenn die Krankheit bereits sehr weit fortgeschritten ist. Die Zugangsvoraussetzungen sind je­

doch sehr umstritten. Die medizinische und wissenschaftliche Fachöffentlichkeit macht im­

mer wieder darauf aufmerksam, daß auch Menschen mit HIV-Krankheitssymptomen genauso krank sein können wie Aids-Kranke und daher Hilfsangebote benötigen, die ihnen jedoch ver­

schlossen sind. Hierzu der Kommentar eines Obdachlosen HTV-Infizierten:

"I’m HIV-positiv, my T-cell count is below 500, which isn't bad, you know. When it starts get­

ting real low, it starts getting real dangerous. I got it through drug-addiction...and finally caught up with me. I've been very sick, you know... I hate sitting here, but I'm not sick enough for that the Department o f Aids Services will do something for me. They don't do nothing

'cause my T-cell count ist too high..." (Gregory, 40Jahre)^

Viele HIV-Infizierte, die ohne Aids-Diagnose keinen Zugang zu den Unterstützungsangebo­

ten haben, sterben, ohne jemals eine offizielle Aids-Diagnose "erreicht" zu haben. Die Stadt hält weiterhin an den von einer Diagnose abhängigen Zugangskriterien fest und schließt somit die Mehrheit der Betroffenen von Wohnangeboten aus. Dadurch sind sie gezwungen, in Ob­

dachloseneinrichtungen oder auf der Straße zu leben. Somit kommen auf jede offizielle Aids- Diagnose im Verhältnis zehn andere Menschen mit HTV-Krankheitssymptomen, die durch

4 Eigenes Interview am 12.8.1992, 6th Avenue, New York.

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dieses System von Leistungen ausgeschlossen werden (Stein 1988, S. 2). Diese Praxis wird von Selbsthilfegruppen scharf kritisiert. Eine Mitarbeiterin einer Obdachlosenorganisation faßt die Zynik dieses Verfahrens so zusammen:

"This will be a cost-effective program for the city, because people die a lot faster." (Woddard 1990)

Eine längere Lebenserwartung für Menschen mit HTV und Aids hängt nicht nur von medizini­

schen Behandlungen, sondern auch von den allgemeinen Lebensumständen ab. Die Massen­

unterkünfte für Obdachlose, in denen zum Teil bis zu 1.000 Personen in einer Halle unterge­

bracht werden, sind ein Nährboden für eine Vielzahl verschiedener infektiöser Krankheiten.

Für Menschen, deren Immunsystem bereits geschwächt ist, kann diese Unterbringung ge­

sundheitsgefährdend sein.

"For those HIV-infected persons already homeless, progression to serious illness and death will likely be hastened by life on the streets or in City barrack shelters, where infectious disease is rampant and violence toward HIV-infected persons is common." (Arno 1991, S.

180)

Die Zustände in den Obdachlosenunterkünften sind neben katastrophalen hygienischen Be­

dingungen von Gewalt und Kriminalität gekennzeichnet. Obwohl die Selbsthilfegruppen ge­

gen diese Unterbringung der Stadt vor Gericht klagen, ist es immer noch gängige Praxis, HIV-Infizierte in den Massenunterkünften unterzubringen. Die geplante verbesserte Gesund­

heitsfürsorge für kranke und hilfsbedürftige Menschen in Obdachloseneinrichtungen (Comprehensive Care Program) wurde bis heute nicht verwirklicht.

1.3 Wohnangebote für Aids-Kranke

Um alle städtischen Hilfe- und Unterstützungsangebote für Aids-Kranke zentral zu koordinie­

ren, wurde im Januar 1986 in New York die Division of Aids Services (DAS) eingerichtet.5 Die Aufgaben dieser Stelle bestehen in der Betreuung und Unterstützung der Klienten bei rechtlichen, finanziellen und sozialen Problemen sowie in der Versorgung der Klienten mit Wohnraum. Der Anteil der DAS-Klienten, die Hilfe und Unterstützung in Wohnungsfragen benötigen, steigt ständig. Während 1986 etwa 9% der DAS-Klienten Wohnprobleme hatten, benötigten im Juni 1991 mehr als 34% Unterstützung (The City of New York 1991, S. 12f.).

5 In Ausnahmefällen können auch Menschen mit einer symptomatischen HIV-Infektion die Leistungen der DAS in Anspruch nehmen. Dabei müssen jedoch bestimmte Krankheitsymptome vorliegen und zusätzlich die Notwendigkeit einer Hauspflege nachgewiesen werden.

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Gemessen an der Gesamtzahl der Hilfesuchenden sind die Hilfe- und Unterstützungsmöglich­

keiten in Wohnungsfragen der DAS allerdings sehr gering. In 80% der Fälle werden die ob­

dachlosen Menschen in unangemessenen "Single Room Occupancy Hotels (SRO)", sog. Bil­

ligpensionen, untergebracht, die durchschnittlich $ 1000 pro Zimmer im Monat kosten (Partnership for the Homeless, 1989, S. 13). Die Zimmer befinden sich oft in einem schlech­

ten Allgemeinzustand, bieten keine Kochgelegenheit und gelten als Drogenumschlagplätze.

Eine pflegerische Versorgung ist in diesem Umfeld kaum möglich. Daneben gibt es zielge­

richtete Wohnangebote für Aids-Kranke, von denen zwei Modelle nachfolgend dargestellt werden.

1.3.1 Scattered Site Housing Program

Eines von ihnen ist das "Scattered Site Housing Program". "Scattered" bedeutet "verstreut"

und gemeint ist, daß einzelne Wohnungen über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Diese Art der Unterbringung richtet sich vor allem an Alleinstehende und Familien, die ihren Alltag noch weitgehend selbstständig gestalten können. Die Programmrealisierung sieht so aus, daß die Division of Aids Services Verträge mit Selbsthilfegruppen schließt, die dann die Woh­

nungssuche und die psycho-soziale Betreuung der Klienten übernehmen. Inzwischen gibt es 17 Verträge, über die insgesamt 620 Wohnungen verwaltet werden.

Potentielle Klienten bzw. Bewohner müssen sich an die Division of Aids Services wenden und werden von dort an die jeweiligen Selbsthilfegruppen weitervermittelt. Wer in das Pro­

gramm aufgenommen wird, entscheidet die Selbsthilfegruppe. Das Aufnahmeverfahren bein­

haltet zugleich eine ausführliche Bestandsaufnahme des sozialen, beruflichen, medizinischen und psycho-sozialen Hintergrunds. Die Bewohner werden durch sogenannte "case-manager"

betreut, deren Aufgabe darin besteht, die Bewohner bei sozialen, rechtlichen und medizini­

schen Problemen zu beraten und Hilfestellung anzubieten. Darüber hinaus sind sie in die Strukturen, Angebote und Freizeitaktivitäten der jeweiligen Aids-Service-Organisation einge­

bunden. Die Bewohner bezahlen keine Miete sondern "Programmkosten", die 30% ihres Ein­

kommens entsprechen. Finanziert werden die Programme von der Division of Aids Services.

Housing Works stellt ein Beispiel für ein Projekt im Rahmen des Scattered Site Housing Pro­

gram dar. Es wurde im April 1991 eröffnet mit dem Ziel, Wohnungen und verschiedene so­

ziale Angebote für obdachlose Menschen mit HIV und Aids anzubieten und durch Öffent­

lichkeitsarbeit auf die Situation dieser Menschen aufmerksam zu machen. Dabei sollen be­

sonders diejenigen mit Wohnraum versorgt werden, die durch Zugangsbeschränkungen ande­

rer Projekte benachteiligt sind. Dies betrifft vor allem Drogenabhängige und psychisch

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Kranke sowie Menschen, die HTV-infiziert sind, aber noch nicht Aids-krank sind. Seit dem zweijährigen Bestehen der Organisation konnten 339 Männer, Frauen und Kinder mit Wohn­

raum versorgt werden. Gleichzeitig war Housing Works Ansprechpartner für über 1.500 Per­

sonen, zu denen im Durchschnitt 15 neue Klienten pro Woche hinzukommen. Während des Aufnahmeprozesses, der über 3-4 Monate dauern kann, müssen notwendige Dokumente (medizinische Dokumentation, finanzielle Absicherung etc.) beigebracht werden. Sobald die Unterlagen vollständig sind, werden die Klienten an entsprechende Wohnprogramme von Housing Works oder an andere Aids-Service-Organisationen weitergeleitet.

70% der Klienten von Housing Works sind drogengabhängig und über 50% von ihnen psy­

chisch krank. Den Bewohnern wird zumeist ein "case-manager" zugeteilt, der regelmäßige Gespräche und Besuche durchführt, deren Intensität sich nach den individuellen Bedürfnissen der Klienten richtet.6 Außerdem bietet Housing Works für die Bewohner unterstützende Hil­

fen an. So wurde z.B. ein Trainings- und Arbeitsplatzprogramm eingerichtet, weil viele Kli­

enten, nachdem die Wohnsituation geklärt ist und sich ihre psycho-soziale Situation stabili­

siert hat, eine Beschäftigung aufnehmen möchten. An dem Trainings- und Arbeitsplatzpro­

gramm nehmen derzeit 26 Klienten teil. Sie betätigen sich als Schreibkräfte und Bürohilfen, im Bereich Wohnungsinstandhaltung oder an der Rezeption von Housing Works. Eine wei­

tere Beschäftigungsmöglichkeit wurde durch Eröffnung eines Second-Hand-Ladens im Sep­

tember 1992 geschaffen. Für die Teilnehmer des Programms werden regelmäßige Treffen or­

ganisiert, die dem Erfahrungsaustausch und der Fortbildung dienen. Darüber hinaus sieht das Programm vor, daß sie ein Trainingsseminar an der "Hunter School of Social Work" besu­

chen. Ein Absolvent dieses Programms, der erst im Oktober 1991 in eine Wohnung von Housing Works einzog, konnte bereits im Juli 1992 hauptamtlich als Buchführungsassistent eingestellt werden, und insgesamt konnten durch dieses Programm mittlerweile drei ehema­

lige Klienten als Mitarbeiter eingestellt werden.

Zum Konzept von Housing Works gehört darüber hinaus, mit drogenabhängigen Klienten nach dem Harm-Reduction-Modell (Schadensbegrenzung) zu arbeiten. Oberstes Ziel ist nicht die Abstinenz, sondern die Gesunderhaltung der Drogenabhängigen. Housing Works ver­

6 Da nur Menschen mit einer Aids-Diagnose Zugang zum offiziellen "Scattered Site Program" haben, entwickelte Housing Works ein paralleles Angebot für Menschen mit einer symptomatischen HTV- Infektion, welches ausschließlich durch private Mittel finanziert wird. In den 36 angemieteten Wohnungen wohnen derzeit 52 Menschen, die durch die Mitarbeiter von Housing Works psycho-sozial betreut werden. Die Zusammensetzung der Bewohner stellt sich wie folgt dar: 12 Männer (23%), 18 Frauen (35%) und 22 Kinder (42%). Der hohe Frauenanteil erklärt sich daraus, daß viele frauenspe­

zifische Krankheiten bisher nicht in dem Kriterienkatalog für eine Aids-Diagnose enthalten waren.

Infolgedessen wurde der Zugang zu den Hilfeangeboten besonders für Frauen erschwert.

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sucht, durch Gruppenangebote und intensive Betreuung auftretenden Opiatgebrauch zu redu­

zieren und Nebenkonsum, der häufig am Beginn einer Substitution auftritt, in Grenzen zu halten. Es wird darauf hingearbeitet, die Klienten zu einem risikoärmeren und eingeschränk­

terem Drogengebrauch zu bewegen, ohne sofort bei auftretenden Problemen mit Ausschluß aus dem Wohnprojekt zu reagieren. Durch diese Vorgehensweise konnten die Zugangshürden zu den traditionellen Drogenhilfsprogrammen verringert und durchschnittlich 12 Klienten pro Monat in Drogenhilfsprogramme weitervermittelt werden. Außerdem führt Housing Works ein Nadelaustauschprogramm in der Lower East Side durch.

Über all dies hinaus werden Selbsthilfegruppen initiiert und Freizeitaktivitäten angeboten. In naher Zukunft ist die Errichtung einer Aids-Tagesklinik und der Aufbau eines Wohnprojektes für 36 Menschen, die mehr Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung der täglichen Auf­

gaben benötigen, geplant.

Housing Works stellt eines der größten Wohnprojekte für Menschen mit HIV und Aids in New York dar. Durch seinen innovativen Ansatz und seine vielseitigen Aktivitäten und Wohnangebote ist das Projekt zu einem wichtigen Bestandteil des Hilfesystems für obdach­

lose Menschen mit HIV und Aids in New York geworden.

1.3.2 Bailey House

Bailey House ist ein Wohnprojekt für 44 alleinstehende Männer und Frauen mit Aids. Es steht unter der Trägerschaft des Aids-Resource-Centers (ARC), einer gemeinnützigen "Non-Profit- Organization", die als eine der ersten Organisationen auf die wachsende Zahl obdachloser Aids-Kranker in New York aufmerksam machte. ARC wurde 1983 mit dem Ziel gegründet, Wohnangebote für obdachlose Menschen mit Aids zu entwickeln und andere Organisationen bei der Konzeptionierung entsprechender Wohnangebote zu beraten.

Bailey House wurde im Dezember 1986 in den Räumen des ehemaligen "River Hotel" eröff­

net. Es liegt an der Christopher Street im Greenwich Village, einem schwulen Wohnviertel.

Jeder Bewohner verfügt über ein eigenes Zimmer mit Telefon, Fersehapparat, Kühlschrank und eigenem Badezimmer. Auf jeder Etage befindet sich ein kleiner Gemeinschaftsraum. Auf der sechsten Etage gibt es eine Küche, in der zentral täglich drei Mahlzeiten für die Bewohner zubereitet werden. Gleichzeitig befindet sich hier auch ein großer Aufenthaltsraum mit einem Dachgarten, der einen herrlichen Blick über den Hudson River ermöglicht.

(13)

Bailey House bietet obdachlosen Aids-Kranken neben Unterkunft bei Bedarf auch psycho-so­

ziale und medizinische Betreuung sowie Seelsorge. Für die Bewohner, die mit Fortschreiten der Krankheit ihren Alltag nicht mehr selbst gestalten können oder auf pflegerische Versor­

gung angewiesen sind, werden externe Pflegedienste mobilisiert. Auch mit den umliegenden Krankenhäusern wird zusammengearbeitet. Die Dauer des Aufenthaltes schwankt bislang von elf Tagen bis hin zu mehr als drei Jahren. Seit der Eröffnung von Bailey House konnten über 270 Menschen mit Wohnraum versorgt werden.

Neben 33 Vollzeit- und 7 Teilzeitbeschäftigten sowie ehrenamtlichen Mitarbeitern gehören 10 Aushilfskräfte zum Personal. Weiterhin sind ein Hausmeister, Handwerker, Küchenhilfen etc. beschäftigt. Der hohe Personalschlüssel ist notwendig, da das Haus 24 Stunden geöffnet und der Empfang durchgehend besetzt ist. Auch im Bailey House wird jedem Bewohner ein Case-Manager zugeteilt, der Hilfe bei rechtlichen, sozialen und psychischen Problemen an­

bietet. Angehörige und Freunde werden nach Möglichkeit in die Arbeit einbezogen. Eine Pflegekraft ist für die gesundheitliche Betreuung zuständig, fungiert als Ansprechpartner bei medizinischen Fragen und Bindeglied zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten.

Alle Bewohner werden über die Divison of Aids Services vermittelt, wobei Bailey House die Möglichkeit offen steht, unter mehreren Bewerbern auszuwählen. Bei Drogen- oder Alko­

holabhängigkeit muß der Bewohner an einem entsprechenden Programm teilnehmen. Für Unterkunft und Verpflegung bezahlen die Bewohner $ 364. Meist lebten sie zuvor in Billig­

pensionen, auf der Straße, oder sie waren in Krankenhäusern untergebracht und konnten auf­

grund mangelnden Wohnraums nicht entlassen werden.

Die soziale Zusammensetzung stellt sich folgendermaßen dar: 18% der Bewohner gehören der Gruppe der Schwulen an, 62% der der Drogenabhängigen und 20% wurden über hetero­

sexuelle Kontakte infiziert. Der ethnische Hintergrund der Bewohner - 64% sind Schwarze, 16% Hispanic und 20% Weiße - entspricht dem der Obdachlosen. 19% der Bewohner sind Frauen. Viele Bewohner weisen eine Vielzahl von gravierenden sozialen und psychischen Problemen auf. Da Aids zunehmend in die unteren sozialen Schichten und Randgruppen vor­

dringt, wird erwartet, daß Klienten mit komplexen Problemen zukünftig einen größer wer­

denden Teil der Bewohner von Bailey House darstellen.

Die Scattered Site Housing Programme und Bailey House, so beispielhaft sie sind, kommen jedoch nur einem Tropfen auf den heißen Stein gleich. Für die schätzungsweise 30.000 ob­

dachlosen Menschen mit HIV und Aids stehen insgesamt nur 1.300 zielgerichtete Angebote zur Verfügung (Navarro 1991). Die Zahl der obdachlosen Menschen, die diese Angebote

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dringend benötigen, wird sich in Zukunft deutlich erhöhen. Dies hat nicht allein epidemiolo­

gische Gründe: Mit dem am 1.1.1993 in Kraft getretenen Aids-Klassifizierungssystem wur­

den verschiedene HIV-Krankheitssymptome neu aufgenommen. So erfreulich das einerseits ist, weil der Zugang zu Hilfen dadurch erleichtert wird, muß andererseits befürchtet werden, daß sich die Situation dadurch gleichzeitig zuspitzt. Dem neuen Klassifizierungssystem zu­

folge sind jetzt mehr Menschen anspruchsberechtigt, und es ist anzunehmen, daß das ohnehin überlastete Hilfesystem diesem "Ansturm" nicht gerecht werden kann. Da die bestehenden zielgerichteten Wohnangebote bereits jetzt völlig überlastet sind, wird der Weg vieler, die zur

"Division of Aids Services" finden, mit einer Unterbringung in den "Single Room Occupancy Hotels" enden.

(15)

2 BERLIN

2.1 Epidemiologischer Überblick

In der Bundesrepublik traten 1983/84 die ersten Fälle von an Aids erkrankten Menschen auf.

Seitdem ist die Zahl der Aids-Kranken auf 10.000 Fälle angestiegen. Bereits über die Hälfte dieser Menschen ist an der Immunschwächekrankheit gestorben. Zusätzlich sind 55.000 - 65.000 Menschen in der Bundesrepublik mit dem HTV-Virus infiziert.7 Die Verteilung nach Infektionsursachen zeigt, daß die Mehrzahl der Aids-Kranken nach wie vor zur Gruppe der homo- oder bisexuellen Männer gehört, deren Anteil bei 70% liegt. Der Anteil der Drogenab­

hängigen beträgt 13,7% (9,4% männliche und 4,3% weibliche Drogenabhängige). Bei 5% der Aids-Kranken werden heterosexuelle Kontakte als Infektionsrisiko angegeben, 4% sind Hä- mophile. Nach wie vor sind über 90% aller Menschen mit Aids Männer. Doch der Anteil der Frauen ist in den letzten Jahren von 6,1% (1987) auf 8,8% (1992) angestiegen. Bei mehr als der Hälfte der an Aids erkrankten Frauen wird als Infektionsursache Drogengebrauch angege­

ben. Über 20% aller Bundesbürger mit Aids und vermutlich auch 20% aller HTV-Infizierten leben in Berlin - einer Stadt auf die sich bereits heute viele soziale Probleme konzentrieren.

Mehr als andere Städte in der Bundesrepublik wird Berlin sich in den nächsten Jahren mit der Krankheit und ihren sozialen Folgen auseinandersetzen müssen.

2.2 Soziale Situation

In Berlin leben 8.000 bis 10.000 Drogenabhängige, wobei die HTV-Infektionsrate bei dieser Gruppe bei etwa 30% liegt. Die hohe Infektionsrate und die zunehmende gesundheitliche Verelendung der Drogenabhängigen stellt die bisherige Drogenpolitik vor neue Herausforde­

rungen. Sie ist seit über zwei Jahrzehnten auf die Durchsetzung absoluter Drogenabstinenz durch Verbot ausgerichtet. Den Ausstiegswilligen steht das Drogenhilfesystem mit Beratung und Therapievermittlung zur Verfügung, das als Voraussetzung für jede Form von Hilfe die Abstinenzbereitschaft verlangt. Viele Drogenabhängige können damit nicht (mehr) erreicht werden. Seit Mitte der 80er Jahre ist eine Umorientierung in der Drogenarbeit zu beobachten.

Die Drogenarbeit wurde in den letzten Jahren um sogenannte "suchtbegleitende",

"niedrigschwellige" oder "risikomindemde" Angebote erweitert. Im Rahmen dieser

"akzeptierenden Drogenarbeit" ist vor allem die Substitution zu erwähnen, bei der Heroinab­

hängige mit der Ersatzdroge Methadon (in der Bundesrepublik mit L-Polamidon) behandelt

7 Nachfolgende Angaben zur HIV/Aids-Epidemie beziehen sich auf die Statistik des Aids-Zentrums im Bundesgesundheitsamt. Stand 11/92.

(16)

werden. Dadurch wurden seit November 1987 in Berlin fast 700 Personen substituiert (Clearingstelle für Substitution der Ärztekammer Berlin 1992, S. 2).

Das Netz der Drogenhilfeeinrichtungen ist in Berlin vielseitig ausgebaut. Beratungsstellen, ambulante und stationäre Therapieeinrichtungen sowie Übergangseinrichtungen arbeiten mit verschiedenen Zielgruppen und Arbeitsschwerpunkten. Das Verhältnis zwischen traditioneller und akzeptierender Drogenarbeit ist jedoch von Spannungen gekennzeichnet.

Über die Zahl der Obdach- bzw. Wohnungslosen gibt es in Deutschland keine genauen Zah­

len.8 Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Nichtseßhaftenhilfe überschreitet die Zahl der Menschen, die in Notbehelfen oder auf der Straße leben, bald die Millionen­

grenze. In Berlin suchen etwa 100.000 Menschen eine Wohnung. Während die Senatsver­

waltung für Soziales die Zahl der Obdachlosen mit 11.000 angibt, überschreiten die Schät­

zungen der Hilfeorganisationen die Zahl 20.000, wobei etwa 5.000 - 6.000 Menschen direkt auf der Straße leben. Die Stadt ist nach dem Bundessozialhilfegesetz verpflichtet, Obdachlose unterzubringen. Die häufigste Unterbringung erfolgt in Obdachlosenheimen oder in kommer­

ziell betriebenen Pensionen, die über das Sozialamt vermittelt werden.

Grundsätzlich sind im Zusammenhang mit den Problemfeldem Aids und Obdachlosigkeit zwei Entwicklungstendenzen festzustellen. Einerseits weisen Untersuchungen auf eine er­

höhte HTV-Infektionsrate unter Obdachlosen hin. Andererseits ist zu erkennen, daß Menschen mit HIV und Aids häufig mit sozialen Notlagen, insbesondere Wohnproblemen, konfrontiert sind (Schaeffer/Moers/Rosenbrock 1992; Rosenbrock 1992; Heide 1993).

8 Unter dem Begriff "Obdachlose" werden im allgemeinen Menschen gezählt, die keine eigene Wohnung haben und über die Sozialämter in Obdachlosenheimen, Pensionen und Einrichtungen freier Träger untergebracht sind. Hierzu zählen auch Menschen die direkt auf der Straße leben. Die Bezeichnung

"Wohnungslose" ist ein erweiterter Begriff, der auch diejenigen einschließt, die bei Freunden und Bekannten ohne eigenen Mietvertrag oder auch in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben.

(17)

2.3 Aids und Armut

Immer klarer beginnt sich abzuzeichnen, daß gesundheitliche Unterversorgung und Zugehö­

rigkeit zu einer unteren sozialen Schicht oder Randgruppe auch in den Industrieländern zu ei­

nem Co-Faktor für Aids wird (vgl. Heide 1993). Allerdings sind Obdachlose bislang kaum explizit zur Zielgruppe von Aufklärungsbemühungen bzw. Präventionsbotschaften erhoben worden. Das ist umso schwerwiegender, als Obdachlose gleichzeitig aufgrund ihrer besonde­

ren Lebenssituation durch TV-Spots, Meldungen in Zeitungen und Zeitschriften, in denen über HTV-Infektionsrisiken informiert wird, kaum erreicht werden. Diese Entwicklung bestä­

tigt auch eine Untersuchung bei 163 Obdachlosen in Berlin.9 Ihr zufolge fühlen sich 63%

"sehr gut" bis "gut" über HIV und Aids informiert, während jedoch 74% fälschlicherweise für möglich ansehen, sich durch enges Zusammenleben (z.B gemeinsames Benutzen von Ge­

schirr) mit HlV-infizierten Menschen zu gefährden. Diese Aussagen deuten darauf, daß eine hohe Verunsicherung über HIV und Aids unter Obdachlosen besteht. Weiterhin wird in dieser Untersuchung darauf hingewiesen, daß ein Großteil der Obdachlosen kaum über Wissen zur Handhabung von Kondomen verfügt und zudem finanziell nicht in der Lage ist, Kondome zu kaufen. Diese Entwicklung deutet auf einen engen Zusammenhang von Armut und einem er­

höhten HTV-Infektionsrisiko hin.

2.4 Aids und Obdachlosigkeit in Berlin im Spiegel der Beratungsstellen

Mit den Problemen und Schwierigkeiten HlV-infizierten und Aids-erkrankter Menschen sind vor allem soziale Beratungs- und Betreuungseinrichtungen in der Stadt konfrontiert. Bei einer Befragung von Berliner Einrichtungen, deren Zielgruppe HlV-Infizierte, Aids-Kranke, Schwule und Drogenabhängige sind, wurde deutlich, daß das Thema "Wohnen" ein zentrales Thema darstellt (Stürzei 1993). Die Obdach- und Wohnungslosigkeit der Klienten wird z.T.

auf 90% geschätzt, wobei vor allem Drogenabhängige, die sich in einem physisch und psy­

chisch sehr schlechten Zustand befinden, massiv betroffen sind. Eine Befragung von ambu­

lanten Aids-Spezialpflegediensten und Wohnprojekten bestätigt diese enge Verbindung zwi­

schen HTV-Infektion und Obdachlosigkeit. Für eine große Zahl von Klienten ist eine HIV-In- fektion bzw. Aids-Erkrankung, neben finanziellen und psychosozialen Schwierigkeiten, auch mit Problemen im Bereich Wohnen verbunden, wie folgende Tabelle zeigt:

9 In einer Fragebogenerhebung wurden 163 Besucher von drei Berliner Einrichtungen für obdachlose Men­

schen über deren Wissensstand zu HTV und Aids befragt. Die Fragen bezogen sich auf HTV-Infektions- übertragungsmöglichkeiten, Kondombezugsquellen und Kondomakzeptanz, Gesundheitszustand und Ängste vor einer möglichen HTV-Infektion (Hemme u.a. 1992).

(18)

Übersicht 5: Was waren die häufigsten Anlässe für die Probleme Ihrer Klienten?

(Mehrfachnennungen)

fehlender Wohnraum in Zusammenhang mit ehe­

maliger bzw. akuter i.v. Drogenabhängigkeit 19

Wohnung vorhanden, aber nicht für Pflege geeignet 13 fehlende Unterstützung durch soziales Umfeld

(soziale Isolation) 11

Wohnraumverlust wegen familiärer oder partner­

schaftlicher Probleme (Trennung) 11

fehlender Wohnraum nach Haftentlassung 11

Wohnraumverlust wegen finanzieller Probleme 10

Insgesamt N = 30

Tabelle: ISG 1990, S. 12

Fehlender Wohnraum tritt am häufigsten im Zusammenhang mit ehemaliger bzw. akuter Drogenabhängigkeit auf. Dies spiegelt sich auch in der relativ häufigen Nennung einer feh­

lenden Wohnung nach einer Haftentlassung wider, denn meist handelt es sich auch hier um Drogenabhängige. Häufig sind es ganze Bündel von Problemen, die zu einem Wohnungsver­

lust führen.

a) Wohnungsnot

Immer größere Bevölkerungsschichten haben auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt kaum eine Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Der systematische Abbau der öf­

fentlichen Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau hat zur Folge, daß immer mehr Men­

schen aus dem Wohnungsmarkt gedrängt werden - eine Entwicklung, die nicht ohne Auswir­

(19)

kung auf soziale Einrichtungen ist, deren Aufgabe in der Wohnraumbeschaffung liegt, wie Hard u.a. beschreiben:

"Ihre Maßnahmen haben somit die Funktion, daß bestimmte 'Problemgruppen' nicht als nor­

male Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt erscheinen (müssen), sondern als Personengrup­

pen mit speziellem Betreuungsbedarf, der besondere Wohnangebote für sie nötig macht."

(Hard u.a. 1992, S. 44).

Zu diesen sogenannten "Problemgruppen" zählen auch Menschen mit HIV und Aids. Bedingt durch den unbeständigen Krankheitsverlauf können sie den harten "Kampf um eine Woh­

nung" nicht aufnehmen. Mittlerweile ist es nicht selten, daß die Suche einer Wohnung viele Monate dauert, was häufig die Lebenserwartung Aids-Kranker übersteigt.

Aufgrund der Wohnungsnot leben viele Aids-Kranke in sogenannten "unsicheren Untermiets­

verhältnissen", d.h. sie haben keine eigenen Mietverträge und wohnen bei Freunden und Be­

kannten. Mit dem Ausbruch der Krankheit und dem immer häufiger werdenden Kranken­

hausaufenthalten können die mit instabilen Wohnverhältnissen einhergehenden psychischen und physischen Belastungen kaum aufgefangen werden. Hinzu kommt, daß im Verlauf der Krankheit oft die Lage und Ausstattung der bisherigen Wohnung unzureichend wird. Viele Altbauwohnungen werden mit Ofenheizung beheizt, haben kein Badezimmer und eine Toi­

lette außerhalb der Wohnung. Auch eine Wohnung im 4. Stock ohne Aufzug ist für Menschen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium nicht mehr zumutbar.

"Als ich so krank war, merkte ich, daß meine Wohnung - wenn es keinen Fahrstuhl gibt - auf keinen Fall höher als im ersten Stock liegen darf. Da war ich schon vom Anziehen total fertig.

Treppen hätte ich gar nicht mehr geschafft." (Jahn oJ., S. 17)

Dieses Zitat illustriert, daß sich mit dem Fortschreiten der Krankheit die Anforderungen an die Wohnverhältnisse verändern. Ein erforderlicher Umzug in eine der Krankheitssituation angepaßte Wohnung wird durch die Wohnungsnot erschwert, wenn nicht gar unmöglich und läßt einen Großteil von Aids-Kranken zu potentiellen Klienten für Wohnprojekte werden.

b) Finanzielle Probleme

Bei Ausbruch der Krankheit sind viele Erkrankte nicht mehr in der Lage, ihren Beruf aus­

zuüben und können ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten. Die meisten an Aids erkankten Menschen sind zwischen 30 und 39 Jahre und haben aufgrund ihres Alters und der wenigen Berufsjahre kaum Rentenansprüche. Der damit verbundene Einkommensverlust trifft sie zumeist unvorbereitet und ist der Beginn finanzieller Schwierigkeiten. Oft werden Miet­

verpflichtungen unbezahlbar, da das Sozialamt die Miete nur bis zu einer bestimmten Höhe

(20)

übernimmt. Auch andere Ansprüche können nicht beglichen werden und meist bahnen sich so schleichend oder abrupt finanzielle Notlagen an (Heide 1993).

c) Diskriminierung

Durch das Auftreten der HTV/Aids-Epidemie wurde die Bevölkerungsmehrheit mit bislang gesellschaftlich tabuisierten Themen, wie Krankheit, Tod und (Homo-)Sexualität konfrontiert.

Kaum eine andere Krankheit hat zwischenzeitlich für soviel Aufregung in der Presse, bei Po­

litikern und in der Bevölkerung gesorgt wie Aids. Gezielte Aids-Aufklärungskampagnen sollten über die tatsächlichen Übertragungswege aufklären und Ängste und Verunsicherungen in der Bevölkerung abbauen. Doch nach wie vor ist die Angst, sich mit dem HTV-Virus infi­

zieren zu können beträchtlich, und auch Unsicherheiten im Umgang mit HTV-Infizierten bzw.

Aids-Erkrankten beherrschen nach einem Jahrzehnt Erfahung mit HIV und Aids noch den Alltag (Hornung et.al. 1992). Dadurch ist die Lebenssituation dieser Menschen vielfach von Stigmatisierung, Ausgrenzung und Isolation gekennzeichnet. Verlust von sozialen Beziehun­

gen und Lebenszusammenhängen, zuweilen sogar des Partners, sind häufige Folgen. Tren­

nung, familiäre Probleme oder eskalierende Konflikte lassen oft auch das bisherige Wohnver­

hältnis nicht unangetastet. Den geringen Grad gesellschaftlicher Toleranz gegenüber Rand­

gruppen veranschaulicht allein die Tatsache, daß Wohnprojekte für Menschen mit HTV und Aids meist unter Tamnamen Wohnraum anmieten müssen (Stöver u.a. 1990, S. 9).

2.4.1 Wohnsituation von Schwulen

Großstädte, besonders Berlin, sind ein Anziehungspunkt für viele Schwule, da hier eine breite schwule Subkultur existiert. Außerdem existiert ein vielfältiges Angebot an Beratung, Be­

treuung und Pflege: Beratungsstellen in Gesundheitsämtern, Aids-Spezialpflegedienste, Schwerpunktkrankenhäuser und zahlreiche Angebote von Selbsthilfegruppen sind in Berlin Bestandteil der Aids-Infrastruktur.

Obwohl der Anteil Schwulen unter den Aids-Kranken 70% beträgt, stellen sie beispielsweise bei dem Wohnprojekt ziK nur etwa 30% der Wohnungsbewerber dar. Dies könnte vermuten lassen, daß Schwule weniger mit Wohnproblemen konfrontiert sind. Wahrscheinlich aber wurden auftretende Wohnprobleme von ihnen bislang auf andere Art und Weise gelöst. Auf­

grund ihres Lebensstils haben viele Schwule ein relativ gut funktionierendes soziales Umfeld und können darauf in Krisensituationen zurückgreifen (Moers 1991; Rosenbrock 1992). Bei auftretenden Wohnproblemen können sie häufig bei Freunden und Bekannten Unterkommen.

Mit dem Ausbruch der Krankheit und auftretender Pflegebedürftigkeit sind diese Wohnver­

(21)

hältnisse jedoch für beide Seiten oft nicht mehr tragbar. Auf die sozialen Folgen der Krank­

heit macht eine Mitarbeiterin des Krankenhauses Prenzlauer Berg aufmerksam:

"Dieser soziale Abstieg, geht bei den Drogengebrauchern wesentlich schneller als bei den Schwulen. Der kommt bei vielen Schwulen auch. Die verlieren ihre Arbeitsstelle wegen lan­

ger Krankschrift oder wenn einer die Diagnose spitzgekriegt hat etc.. Aber das dauert durch das gesicherte soziale Netz viel länger als bei Drogengebrauchern."

Der soziale Abstieg findet also auch bei Schwulen statt, bei ihnen allerdings in "gebremster Form". Hinzu kommt, daß viele Schwule aufgrund des Kaufes einer Wohnung, oder weil sie sich selbstständig gemacht haben, hoch verschuldet sind. Der mit der Krankheit verbundene Einkommensverlust läßt die Abzahlung dieser Schulden oft zum Problem werden.

2.4.2 Wohnsituation von Drogenabhängigen

Ein Zusammenhang zwischen Aids und Obdachlosigkeit besteht - so wurde bereits gesagt - vor allem in Verbindung mit Drogengebrauch. Viele Drogenabhängige leben schon vor dem Ausbruch der Krankheit in instabilen Wohnverhältnissen, sind obdachlos, leben in wechseln­

den, kurzfristig verfügbaren Unterkünften bei Bekannten aus der Szene oder bei Freiern. Das bestätigt auch eine Umfrage zur gesundheitlichen Situation von Drogenabhängigen, bei der auch die Wohnssituation erfragt wurde.10 Nur 16% der Befragten verfügten über eine eigene Wohnung, während 31% wohnungslos bzw. über die Hälfte der Befragten (52%) obdachlos waren. Einen weiteren Beleg für die Wohnungsnot liefert eine Untersuchung der Drogentoten Berlin von 1991. Unter den 240 Drogentoten wurden 53 in öffentlichen Toiletten, 15 in Bil­

ligpensionen und 67 in Parks gefunden - Todesorte, die über die Wohnsituation der Betroffe­

nen relativ sichere Vermutungen zulassen (Thomes 1993, S. 31). Ein Mitarbeiter der Aids-Be- ratungsstelle Kreuzberg bringt die verzweifelte Lage der Drogenabhängigen zum Ausdruck.

"Viele gehen über den Winter in den Knast. Das machen unsere Junkies zum Teil, um zumin­

dest ein Dach über dem Kopf zu haben."

Durch die Kriminalisierung des Drogengebrauchs gehört eine Inhaftierung wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) schon fast zur "Normalität". Die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe aber bedeutet ein erhöhtes HTV-Infektionrisiko, da Prävention in erster Linie von der Vefügbarkeit von sterilem Spritzbesteck und Kondomen abhängt. In den Justiz-

10 Umfrage der Senatsverwaltung für Gesundheit (1991) zur gesundheitlichen Situation von Drogenabhän­

gigen in Berlin. Es wurden 13 Drogen- und Aids-Hilfen befragt, die insgesamt 2.414 Klienten betreuten, wobei 30% der Klienten den Einrichtungen als HTV-positiv bekannt sind.

(22)

Vollzugsanstalten sind diese allerdings nicht zugänglich, da die Einrichtungen sich selbst als sexual- und drogenfreien Raum definieren.

Eine Haftentlassung ist häufig gleichbedeutend mit einer Entlassung in die Obdachlosigkeit, da nur die wenigsten der ehemaligen Häftlinge auf ein funktionierendes soziales Umfeld zu­

rückgreifen können. Für die meisten endet die "Standardversorgung" in einer Billigpension, in die sie durch das zuständige Sozialamt vermittelt werden, obschon die privaten, kommerziell betriebenen Pensionen für ihre miserablen, unhygienischen Zustände bekannt sind. Ein Aids- Kranker schildert sie in einem Brief an das Wohnprojekt ziK:

"Mir wurde... ein Einzelzimmer zugewiesen, das völlig dreckig war. Ich mußte, wenn ich zu diesem Zimmer wollte, durch zwei bewohnte Mehrbettzimmer, was immer zum Murren der Bewohner führte. Ich traute mich in der Nacht nicht einmal auf die gemeinsam zu benutzende Toilette, die auch nicht gerade sauber war. Von Hygiene möchte ich gar nicht erst anfangen.

Eine Badewanne oder Dusche gibt es nicht, ein Waschbecken mit kalt Wasser war vorhan­

den."

Zwar haben Aids-Kranke Anspruch auf ein Einzelzimmer, meist aber kann dieser nicht reali­

siert werden. Damit sind sie Bedingungen ausgesetzt, unter denen eine eventuell notwendige pflegerische Versorgung nur bedingt möglich ist und von vielen Pflegediensten schlichtweg abgelehnt wird (Schaeffer/Moers 1994).

Auch eine Entzugsbegleitung oder Substitutionsbehandlung ist unter derartigen Lebensum­

ständen nur schwer durchführbar. In der Regel wird eine Substitutionsbehandlung an die Be­

dingung geknüpft, daß ein geeignetes soziales Umfeld vorhanden ist. Bei einer Unterbringung in Billigpensionen oder häufig wechselnden Unterkünften bei Freiem oder anderen Konsu­

menten halten die meisten Ärzte es für aussichtslos, eine verantwortungsvolle Behandlung durchführen zu können (Stöver u.a. 1990, S. 158).

2.4.3 Wohnsituation von Frauen

Der Anteil der Frauen unter den Aids-Kranken liegt in der Bundesrepublik bei 8,8%. Bei über der Hälfte der Frauen ist Drogengebrauch der häufigste Übertragungsweg. Die Situation die­

ser Frauen wird durch die Arbeit von OLGA, einem Treffpunkt für drogenabhängige Frauen, deutlich. Bis zu 90% der Klienten von OLGA sind obdachlos. Nur die wenigsten von ihnen besitzen eine eigene Wohnung. Viele leben bei Freunden, andere auf der Straße, auf Toiletten oder in Hauseingängen und einige wenige auch hin und wieder in Pensionen. Diese stellen nur für einen kleinen Teil der Frauen eine Unterbringungsmöglichkeit dar, denn die Ulegali­

(23)

sierung des Drogengebrauchs zwingt die betroffenen Frauen in den "Untergrund". Viele Übernachtungsangebote, bei denen die Anonymität nicht gewahrt ist, nehmen sie nicht an.

Bis zu 80% der drogenabhängigen Frauen finanzieren zumindest zeitweise ihren Drogenbe­

darf durch Prostitution und verhalten sich dabei nicht immer "safe", denn besonders bei auf­

tretenden Entzugserscheinungen, wenn also dringend Geld gebraucht wird, sind sie von Frei­

em erpreßbar und bestehen nicht auf der Benutzung eines Kondoms. Dadurch erhöht sich das Risiko einer HTV-Infektion sowie anderer Infektions- und Geschlechtskrankheiten, so daß diese Frauen in erhöhtem Maß Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt sind. Verstärkt werden die Gesundheitsrisiken durch den allgemein schlechten körperlichen Zustand, der die generelle Infektanfälligkeit und im Falle einer HIV-Infektion die Möglichkeit einer Aids- Erkrankung erhöht.11

3 WOHNANGEBOTE FÜR MENSCHEN MIT HIV UND AIDS 3.1 Der Bedarf an Wohnangeboten für Menschen mit HIV und Aids

In den letzten Jahren wurde von vielen in der ambulanten Pflege und Betreuung von HTV-Po- sitiven Tätigen die Notwendigkeit der Errichtung von Wohnprojekten für diese Zielgruppe erkannt. Nicht nur bei akuter Obdachlosigkeit, Haftentlassung, finanziellen und partner­

schaftlichen Problemen sind Wohnangebote erforderlich. Auch bei Ausbruch der Krankheit ist häufig die bisher vorhandene Wohnmöglichkeit für die Durchführung einer häuslichen Pflege ungeeignet. Eine nicht behindertengerechte Wohnung, Spannungen der Bewohner un­

tereinander oder ein nicht vorhandenes soziales Umfeld, das für die häusliche Pflege unab­

dingbar ist, können Wohn-Pflegeangebote notwendig werden lassen. In Berlin ist der Bedarf an entsprechenden Wohnangeboten groß. Diese Entwicklung weist auf Lücken im Versor­

gungssystem für Menschen mit HIV und Aids hin. Einen steigenden Bedarf für entsprechende Wohnangebote zeigt die Statistik des Wohnprojektes ziK. Die Zahl der Wohnungsbewerbun­

gen ist gegenüber dem Vorjahr um 69,5% gestiegen, und zwar von 189 auf 272. Ein Mitar­

beiter eines Aids-Spezialpflegedienstes schätzt, daß etwa 10% der HTV-Infizierten im Verlauf ihrer Krankheit obdachlos werden (Raupach 1992). Die Hilfe- und Unterstützungsmöglich­

keiten, die den von Wohnungsnot betroffenen Klienten angeboten werden können, werden

11 Auch Gewaltanwendung durch Freier gehört auf dem Drogenstrich zum Alltag der Frauen, die i.d.R.

nicht angezeigt wird. Bei Sexualdelikten besteht generell die Tendenz, dem Opfer mit Skepsis gegenüberzustehen. Diese Problematik verschärft sich, wenn eine drogenabhängige Prostituerte Opfer einer (sexuellen) Gewallttat wird. Weiterhin werden drogenabhängige Frauen wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz von der Anzeigenerstattung bei Vergewaltigungen abgehalten (SPI 1990, S.

llf.).

(24)

gleichzeitig immer geringer. Der Zugang zu den Unterbringungsmöglichkeiten ist in der Re­

gel mit langen Wartezeiten verbunden und somit in Krisensituationen nicht möglich. Die Chancen, die Klienten in diesen Einrichtungen unterzubringen, werden als sehr gering einge­

stuft. Eine dauerhafte und angemessene Versorgung mit Wohnraum ist in den wenigsten Fäl­

len spontan möglich. Übereinstimmend wurde neben dem Bedarf an langfristigen vor allem auch der dringende Bedarf an kurzfristigen, unbürokratischen Übemachtungseinrichtungen hervorgehoben. Selbst für aidskranke Menschen, die auf der Straße leben, stehen keine Ange­

bote zur Verfügung.

3.2 Unterschiedliche Konzepte

In der Bundesrepublik wurden Ende der 80er Jahre aus der Aids- und Drogenarbeit zahlreiche Wohnangebote für Menschen mit HIV und Aids geplant und eingerichtet. Die Spannbreite der Wohnprojekte reicht dabei von Angeboten für Erkrankte, die noch weitgehend selbstständig ihren Alltag gestalten können, bis hin zu Wohnangeboten für Erkrankte, die hohen Bedarf an pflegerischer und psychosozialer Unterstützung haben. Alle Angebote verfolgen das Ziel, die materielle, körperliche und psychische Situation der Bewohner zu verbessern. Die Angebote unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Wohnform. So gehören z. B. Wohngemeinschaf­

ten, therapeutische Wohngemeinschaften für Drogenabhängige, betreutes Einzelwohnen, be­

sondere Pflegeeinrichtungen und stationäre, teilstationäre oder ambulante Hospizangebote zur Palette der Wohnprojekte für Menschen mit HIV und Aids. Die Wohnprojekte beruhen auf jeweils unterschiedlichen Konzeptionen und unterscheiden sich desweiteren nach Zugangs­

kriterien, Ansprüchen an das Verhalten der Bewohner (v.a. in Bezug auf Drogengebrauch), Betreuungsangeboten und rechtlichen Grundlagen. Zusammenfassend werden im folgenden die Erfahrungen mit diesen Wohnprojekten dargestellt.12

Konzept, Wohnform und Nutzungs- bzw. Zugangsmodalitäten der Wohnprojekte sind weit­

gehend von den Zielen und Interessen des jeweiligen Trägers abhängig. Die gewählte Ver­

tragsform zeigt, welche Gewichtung zwischen Wohnraumversorgung und Betreuung ange­

strebt wird. Steht die Betreuung im Vordergrund, wird das Wohnverhältnis eher in einem Nutzungsvertrag geregelt, der ggf. leicht auflösbar ist. Andere Träger stellen die Wohnraum­

versorgung in den Vordergrund und bieten Betreuungsangebote auf freiwilliger Basis an.

Diese Vertragsform wurde von einigen Wohnprojekten als notwendig erachtet, da die Kop­

12 Die Ausführungen beziehen sich auf folgende Untersuchungen: Auswertung des Bun- desmodellprogramms: Ausbau ambulanter Hilfen für Aids-Erkrankte in Rahmen von Sozialstationen (ISG, 1990) und: Stöver/Schuller (1990): Wohnprojekte für i.v. Drogengebraucherinnen mit HIV und Aids.

(25)

pelung von Betreuungs- und Nutzungsverträgen in der Praxis zu Rollenkonflikten führte, so z.B. wenn Betreuer in die Vermieterrolle treten müssen, um Mietrückstände einzufordem. Da Klienten sich in akuten Notlagen befinden, unterzeichnen sie zunächst kritiklos Verträge, um überhaupt Wohnraum zu bekommen. Unterzeichnete vertragliche Vereinbarungen, so auch Betreuungsleistungen, führen später dann jedoch oft zu Konflikten.

Das Spektrum der Betreuungsleistungen gliedert sich in soziale, psychische und pflegerische Maßnahmen. Die Beratung und Betreuung bei sozialen Problemen zielt darauf, gemeinsam mit dem Bewohner eine stabile materielle Lebensgrundlage zu schaffen. Sie umfaßt Hilfe bei der Beantragung von rechtlichen Ansprüchen (Sozialhilfeberatung, Klärung von Rentenan­

sprüchen etc.), Schuldner- und Rechtsberatung, Unterstützung beim Umgang mit Ämtern und Wiederherstellung familiärer und partnerschaftlicher Bezüge. Bei der psychischen Betreuung geht es darum, Bewältigungsstrategien der Erkrankung zu unterstützen bzw. zu initiieren.

Themen wie Einsamkeit, Verlust gewohnter Lebensbezüge, Sexualität, Suizidgefährdung bis hin zu einer Auseinandersetzung mit Krankheit, körperlicher Schwächung und Tod spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit besteht darin, Kontakte zu Angehörigen und alten Freunden zu fördern. Benötigt der Klient Pflege, werden entspre­

chende Dienste mobilisiert. Meist wird mit Aids-Spezialpflegediensten zusammengearbeitet.

Noch vor einigen Jahren wurde die Vermittlung von HIV-Positiven in Betroffenenwohngrup- pen oder Wohngemeinschaften präferiert. Aufgrund der nicht nur positiven Erfahrungen wird seit einiger Zeit die Wohnform des (betreuten) Einzelwohnens bevorzugt. Die Ansprüche der Träger an das gemeinsame Wohnen (gemeinschaftliche Lebensgestaltung, solidarisches Mit­

einander etc.) klaffen mit der Realität weit auseinander. Anlaß für den Einzug in eine WG bildet in den meisten Fällen eine akute Krisensituation, Wohnungsverlust aufgrund der Er­

krankung, Obdachlosigkeit, Entlassung aus Haft oder Krankenhaus. Infolgedessen hat die Wohngemeinschaft oft den Charakter einer Zwangs- und Notgemeinschaft, in der das Zu­

sammenleben meist konfliktreich verläuft. Daraus wurde die Lehre gezogen, daß die Konzep­

tion von betreuten Wohnangeboten für HTV-Infizierte und Aids-Kranke v.a. ausreichende Möglichkeiten zur individuellen Lebensführung berücksichtigen muß. Das Wohnprojekt ziK spricht sich aus der bisherigen Projekterfahrung für die Wohnform des Einzelwohnens aus, weil

"...die Mehrheit der Betroffenen allein oder als Paar zusammenwohnen (will). Viele wollen nicht täglich mit der Krankheit konfrontiert sein oder miterleben, wie sich der Gesundheitszu­

stand von Mitbewohnerinnen verschlechtert, bis hin zu deren Tod; die emotionale Belastung ist extrem hoch." (Portscht 1991, S. 5).

(26)

Tatsächlich wird eine Wohngemeinschaft häufig als Not- oder Übergangsmöglichkeit angese­

hen mit dem Ziel, in einer eigenen Wohnung selbstständig zu leben.

Eine eigene Wohnung zu bewohnen, stellt für viele jedoch eine Überforderung dar, da sie die dafür nötige Selbständigkeit und Verantwortung nie erlernt haben. Jahrelange Heimaufent­

halte, gefolgt von einer Unterbringung in Haftanstalten, sind für eine nicht unbeträchtliche Zahl von Menschen mit HIV und Aids prägende Erfahrungen. Diese Menschen benötigen bei der Bewältigung des Alltags zusätzliche Hilfestellung, die ihnen in einer betreuten Wohnge­

meinschaft angeboten werden können. Die Form des Wohnangebotes ist stark von der Selbst­

hilfekompetenz des Einzelnen abhängig. Die Bedürfnisse und Fähigkeiten der zukünftigen Bewohner müssen bei der Wahl des Wohnangebotes berücksichtigt werden, um schon im Vorfeld absehbare Probleme, wie Vereinsamung oder mangelnde Fähigkeit, sich selbst zu versorgen, vermeiden zu können.

Auch eine andere Erfahrung führte zur Ausdifferenzierung des Angebots an Wohnprojekten.

Das Zusammenleben von HIV-positiven Drogenabhängigen und Homosexuellen ist meist von erheblichen Spannungen und Konflikten begleitet, weil die Lebenshintergründe und -stile zu unterschiedlich sind. Eine HTV-Infektion als gemeinsames Problemfeld reicht nicht aus, diese Unterschiede abzubauen und solidarische sowie unterstützende Verhaltensweisen zu fördern.

Daher sprechen sich einige Projekte nunmehr für eine Trennung der Betroffenengruppe aus (ISG 1990, S. 15) und haben begonnen, Wohnprojekte zu konzipieren, die stärker auf die un­

terschiedlichen lebensweltlichen Bedingungen der Erkrankten ausgerichtet sind.

3 3 Drogengebrauch als Auschlußkriterium

Wohnprojekte für Menschen mit HIV und Aids haben meist spezifische Aufnahme- bzw.

Ausschlußkriterien. Insbesondere Drogenabhängigkeit stellt ein wesentliches Ausschlußkrite­

rium dar, denn Drogenabhängige haben - so die Erfahrung der Projekte - meist große Pro­

bleme, sich an Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen, verstoßen häufig gegen Hausordnungen, z.B. durch den Gebrauch von Drogen in der WG, und können sich aufgrund ihrer Abhängig­

keit auch faktisch nur eingeschränkt am Leben in der Gemeinschaft beteiligen. Obschon Pro­

jekte anfänglich bereit waren, Drogenabhängige aufzunehmen, sind sie im Verlauf ihrer prak­

tischen Arbeit dazu übergegangen, weiteren aktuell drogengebrauchenden Klienten die Inan­

spruchnahme des Wohnangebotes zu verwehren (ISG 1990, S. 14). Dieser Sachverhalt weist auf ein markantes Mißverhältnis hin. Zum einen besteht ein hoher Bedarf an Wohnprojekten für drogenabhängige Menschen mit HIV und Aids, auf der anderen Seite schließt der Clean- Anspruch sie von den vorhandenen Angeboten aus. Strikte Abstinenzorientierung - die auch

(27)

eine Substitutionsbehandlung ausschließt - sowie eine Orientierung auf grundlegende Ver­

haltens- oder Persönlichkeitsveränderung und berufliche Rehabilitation bedeutet für z.T.

schwer erkrankte Menschen mit einer begrenzten Lebenserwartung zudem eine Überforde­

rung (Stöver u.a. 1990, S. 10). Die Mehrzahl der infizierten oder erkrankten Drogenabhängi­

gen will die mit einer Entziehung einhergehenden Strapazen vermeiden, weil die verbleibende Lebenszeit bei einer unsichereren Prognose diesen Aufwand als nicht mehr lohnenswert er­

scheinen läßt (Hermann 1993). Soll die Mehrzahl Bedürftiger - nämlich infizierte und er­

krankte Drogenabhängige - zukünftig nicht von vornherein ausgegrent werden, ist es notwen­

dig, nach anderen Lösungen zu suchen. Einige Wohnprojekte versuchen, dieser Realität durch weitergefaßte Auflagen Rechnung zu tragen, z.B. indem sie Rückfälle von Opiat- und Ko­

kaingebrauch, die in der Anfangszeit einer Substitution häufig anzutreffen sind, in Grenzen akzeptieren und allmählich reduzieren. Wohnprojekte, die einen flexibleren Umgang mit Drogengebrauch akzeptieren, haben allerdings mit größeren Schwierigkeiten und Konflikten der Bewohner untereinander, Ärger mit der Nachbarschaft etc. zu kämpfen (Stöver u.a. 1990, S. 156).

3.4 ziK als Modell eigenständigen Wohnens für Menschen mit HIV und Aids

Zuhause im Kiez gGmbH (ziK) ist ein Wohnprojekt für Menschen mit HIV und Aids, dessen Konzept darin besteht, Wohnraum für diese Personengruppe zu beschaffen, zu vermitteln und bei Bedarf Betreuung und Pflege anzubieten. Seit Gründung des Projektes im Jahre 1989 wurden 229 Menschen, darunter 28 Kinder, dauerhaft mit Wohnraum versorgt. Von 130 ver­

mittelten Wohnungen sind 53 Wohnungen im Bestand der ziK, in denen 123 Menschen leben.

Darüber hinaus wurden 106 Personen Wohnraum (77 Wohnungen) vermittelt, bei denen die Bewerber einen eigenen Mietvertrag erhalten. Inzwischen ist ziK das größte Wohnprojekt in der Bundesrepublik für diese Zielgruppe. Die Lebens- und Wohnsituationen der Klienten werden aus Briefen an das Wohnprojekt deutlich:

"Seit August 90 "wohne " ich mehr oder weniger bei "Bekannten " oder auf der Straße."

"Hiermit bewerbe ich mich um eine Wohnung, weil ich nach meinem Krankenhausaufenthalt in eine Pension ziehen mußte und das ja wohl nichts auf Dauer ist und sein kann."

"Mein Name ist..., bin seit 15 Jahren heroinabhängig, und weiß seit sechs Wochen, daß mein Testergebnis positiv ist. Wie die meisten Junkies von der Straße habe auch ich ein Wohnungs­

problem nach meiner Haft. Am...werde ich nach 5jähriger Haftzeit endlich entlassen und weiß nicht wohin."

"Nun zu meiner jetzigen Wohnsituation: Ich wohne zusammen mit meinen beiden Kindern in einer 1-Zimmer-Wohnung ohne Warmwasser und Ofenheizung. Die ganze Wohnung ist wie

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