• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Fehlermanagement: Mit einem Bein im Gerichtssaal" (29.09.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Fehlermanagement: Mit einem Bein im Gerichtssaal" (29.09.2006)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006 A2529

T H E M E N D E R Z E I T

Durchführung solcher Studien bisher keine ausreichenden Ressourcen zur Verfügung. Zu überlegen wäre es, die Krankenkassen systematisch mitein- zubeziehen. Als Beispiel sei auf das Modellprojekt Akupunktur hinge- wiesen, in dem simultan randomi- sierte und pragmatische, kontrollier- te Studien sowie prospektive Beob- achtungsstudien und gesundheits- ökonomische Analysen durchgeführt wurden zur umfassenden Klärung der Wertigkeit von Akupunktur bei der Behandlung chronischer Schmer- zen und anderer Indikationen (12–

16). Es erscheint sogar angemessen, die Erstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung an die Einwil- ligung zur Teilnahme an Studien der Versorgungsforschung zu knüpfen.

Schließlich wird die medizinische Versorgung des Patienten solidarisch finanziert beziehungsweise mitfi- nanziert, und somit sollten auch Er- gebnisse der Behandlung als Erfah- rung und zugunsten zukünftiger Pati- enten eingebracht werden.

Auch das Medizinstudium sollte bezüglich der Fragestellung, welche Studientypen als Grundlage für me- dizinische Versorgung relevant sind, ergänzt werden. Bei der Ausbildung zukünftiger Ärzte sollten systemati- sche Kenntnisse und mehr Sensibi- lität bezüglich der Stärken und Ein- schränkungen der randomisierten kontrollierten Studien und Versor- gungsstudien vermittelt werden.

Schon vor längerem wurde davor ge- warnt, „evidence-based medicine“

ausschließlich oder einseitig an die Ergebnisse randomisierter kontrol- lierter Studien zu knüpfen (17–20).

Randomisierte kontrollierte Stu- dien sind allein keine ausreichende Basis für die Nutzenbewertung von Verfahren und Strategien in der me- dizinischen Routineversorgung – notwendig sind ergänzende Studien der Versorgungsforschung.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2006; 103(39): A 2524–9

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Stefan N. Willich Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Charité – Universitätsmedizin Berlin 10098 Berlin

E-Mail: stefan.willich@charite.de Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit3906

@

Z

u einem gut organisierten und zertifizierten Qualitätsmanage- ment (QM) gehört auch, dass zu jedem aufgetretenen Notfall zeitnah ein detail- liertes Protokoll erstellt wird, das Grund- lage einer Nachbesprechung aller Betei- ligten ist. Diese dient dazu, aufgetretene Mängel festzustellen und zu analysieren.

Auf dieser Grundlage soll ein Plan aufge- stellt werden, wie man diese Mängel in Zukunft vermeiden kann.

In einem konkreten Fall hatte eine äl- tere Patientin mit schwerer ischämi-

scher Kardiomyopathie und im Zustand nach mehreren Herzinfarkten eine plötz- liche Asystolie erlitten und war trotz suf- fizienter Reanimationsmaßnahmen, die innerhalb von zwei Minuten einsetzten und über mehr als 50 Minuten ununter- brochen fortgeführt wurden, verstorben.

Bei der Analyse des Ablaufes stellten sich einige verbesserungswürdige De- tails heraus. Es wurde protokolliert: sub- optimale Funktion des transportablen Absauggerätes; Transportliege, deren Höhe für eine Fortführung der Herz- druckmassage zumindest nicht optimal war; Hindernisse auf dem Transportweg zur Intensivstation. Aber selbst ein opti- maler Versorgungsablauf hätte bei die- sem konkreten Fall nichts am deletären Ausgang geändert.

Ein versierter Jurist hätte jedoch, von Angehörigen beauftragt, zumindest ein teilweises Organisationsverschulden durch nicht ganz optimale Bedingungen bei der Reanimation konstruieren und so die Klinik in beträchtliche Schwierigkei- ten bringen können – vor allem im Sinne einer finanziellen Schadenersatz- forderung.

Am Ende der Nachbesprechung wur- de deshalb diskutiert, inwieweit dieses Protokoll im juristischen Streitfall her-

ausgabepflichtig sei. Von juristischer Seite kam daraufhin der eindeutige Rat, ein solches Protokoll völlig zu anonymi- sieren oder gegebenenfalls auch nur als Protokoll einer Notfallübung zu tarnen.

Dies ist eigentlich eine klare Aussage dahingehend, dass das QM-Protokoll gegen die beteiligten Ärzte verwendet werden könnte.

Wenn es nicht gelingt, an dieser Rechtslage etwas zu ändern, wird nie- mand öffentlich oder auch nur im Mitar- beiterkreis es wagen, Fehler und Unvoll-

kommenheiten, gleich ob selbst oder von dritter Seite verursacht, zu themati- sieren.

Da man bekanntlich aus Fehlern am nachhaltigsten lernt, bleibt so den Ärzten das wichtigste und effektivste Mittel ver- wehrt, die Qualität ihrer medizinischen Arbeit kontinuierlich zu verbessern. Ge- nau das soll aber erreicht werden – und dies funktioniert eben nur auf dem Weg analytischer und konstruktiver Selbstkri- tik, die uns jeden Tag begleitet.

Solange die Ärzte bei diesem Be- mühen ständig mit einem Bein im Ge- richtssaal stehen, wird sich das nicht realisieren lassen.

Gesundheitspolitik und ärztliche Selbstverwaltung sollten sich um eine Lösung dieses Problems bemühen. Vor- stellbar wäre zum Beispiel die Schaf- fung eines ärztlichen Solidarfonds, aus dem heraus Schadenersatzforderun- gen, die ausgehend von solchen Qua- litätssicherungsmaßnahmen entstehen, beglichen werden; denn diese Forde- rungen werden sicherlich nicht ausblei- ben. Einer Kriminalisierung betroffener Ärzte und deren Mitarbeiter muss aber – sofern kein grob fahrlässiges oder un- ethisches Verhalten vorliegt – vorge-

beugt werden. I

KOMMENTAR

Dr. med. Peter Pommer

FEHLERMANAGEMENT

Mit einem Bein im

Gerichtssaal

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Grundlage dafür ist eine vertragliche Vereinba- rung mit dem BMG, dem die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft im Vorwort zu ihrer Therapie- empfehlung „für die

Nun ist in dieser Berechnung des Zentralinstituts für die kas- senärztliche Versorgung, Köln, in keiner Weise diffe- renziert, um welche Erkran- kungen es sich handelt; am-

jetzt zum dritten Mal innerhalb we- niger Monate lesen, dass ein Haus- arzt seine Praxis einfach schließen muss, weil sich auch für umsonst kein Nachfolger fand!. Dank RLV dürfen

[r]

Die Infor- mationen zur Häufigkeit der jeweiligen Krebserkrankung und zur Treffsicherheit der Un- tersuchungsmethoden werden durch ergänzende Tabellen be- ziehungsweise Grafiken

Dabei sind die Rechtsnormen und Konventio- nen, die die USA unterzeichnet haben, eindeutig: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Na- tionen, die UN-Konventionen

Unter Berücksich- tigung der ausschließlichen Kostenträger- schaft in der ersten Amtsperiode des Bei- rats durch die BÄK übernimmt in Abwei- chung von Satz 1 die BPtK die

Behandlungsfehler sind nicht nur Feh- ler, die durch ein aktives Tun des Arztes herbeigeführt werden, sondern sind auch Fehler, die durch Unterlassungen begangen werden,