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Archiv "Kernspintomographie: Indikationen bei ZNS-Erkrankungen" (14.01.1987)

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DE UTSCHES

ÄRZTEBLATT

Kernspintomographie:

Indikationen

bei ZNS-Erkrankungen

Die Diskussion über die medizinische Anwendung der Kernspintomographie wird sehr stark von dem Verhält- nis zwischen Kosten und diagnostischem Nutzen be- stimmt. Als Abschluß einer zweijährigen Untersuchungs- reihe wurde in Göttingen ein Symposium veranstaltet, das die bisherigen Erfahrungen einer großen Neurologi- schen Klinik und der mit ihr zusammenarbeitenden Rönt- genologen zusammenfaßte. In kritischer Würdigung der bisher vorliegenden Kenntnisse wurde ein detaillierter Indikationskatalog erarbeitet und ständig erweitert.

Claus Jacobi, Falko-Alexander Stichnoth,

Günter Knaak, Lothar Neitzel und Klaus Felgenhauer

E

rlaubt die Kernspinto- mographie (KST) die sichere Diagnose thera- pierbarer Erkrankun- gen des Zentralnerven- systems, die mit anderen Verfahren zu stellen unmöglich ist? Unter die- ser Themenstellung beschlossen wir vor etwa zwei Jahren eine systemati- sche Erprobung des Verfahrens.

Neurologische Klinik (Leiter: Prof. Dr.

med. Klaus Felgenhauer) und Abteilung für Neuroradiologie (Leiter: Prof. Dr. med.

Klaus Rittmeyer) der Georg-August-Uni- versität Göttingen

Dabei war für uns die Frage, ob die KST die diagnostische Sicherheit aller anderen zur Zeit verfügbaren Verfahren, insbesondere die der Computertomographie (CT) verbes- sert, nur von sekundärer Bedeu- tung. In diesem Zusammenhang er- schien etwa die Frage ohne Rele- vanz, ob bei einer multiplen Sklero- se im Vergleich zur Computerto- mographie mehr Plaques zu sehen sind, zumal mit Hilfe der heutigen Liquordiagnostik etwa 95 Prozent aller Fälle zu erfassen sind.

Bei der Auswahl der zu untersu- chenden Kranken wurden compu- tertomographisch zu diagnostizie- rende Großhirnprozesse nicht be-

rücksichtigt. Auch Gefäßprozesse wurden ausgeschlossen, weil in der Regel die Diagnose klinisch mit aus- reichender Sicherheit zu stellen ist.

Bei der Indikationsstellung zur Kernspintomographie waren folgen- de Vorzüge des Verfahrens weglei- tend:

11111 Großes Auflösungsvermö- gen (Verdacht auf Glianarben und Tumoren im frühen Sta- dium),

■ Transparenz und fehlende

Randartefakte des Knochens (alle Prozesse im Knochen, im

Dt. Ärztebl. 84, Heft 3, 14. Januar 1987 (27) A-75

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Abbildung 1: Kernspintomogramm ei- Abbildung 2: Kernspintomogramm eines 48jährigen Patienten mit bitemporaler ner siebenjährigen Patientin mit bitem- Hemianopsie. Kraniopharyngeom. (a) koronarer Schnitt, (b) sagittaler Schnitt poralen Gesichtsfelddefekten. Sagitta-

ler Schnitt: Supraselläres Gliom

Liquorraum und im knochen- nahen Hirnparenchym),

Möglichkeit der Schnittfüh- rung in allen drei Dimensionen (räumliche Abgrenzung von Tumor, peritumorösem Odem und normalem Gewebe).

Etwa 150 Kranke wurden unter- sucht: Die Diagnosen wurden nach einheitlichen Kriterien von einer kli- niksinternen Arbeitsgruppe festge- legt. Die Untersuchungen erfolgten durch die Röntgenologen Dr. Küh- nert (Frankfurt) und Dr. Terwey (Oldenburg) mit Kenntnis der klini- schen Fragestellung. Das kostspieli- ge Projekt wurde von der Verwal- tung der Universitätskliniken Göt- tingen und der Firma Siemens, Er- langen, großzügig unterstützt.

Besonders überzeugend ist die diagnostische Zuverlässigkeit des Verfahrens bei retroorbitalen Pro- zessen. Es wurden 13 Kranke mit Visusstörungen untersucht. Der N.

opticus erschien normal bei zwei chronisch-progredienten Opticus- atrophien und bei vier retrobulbären Neuritiden ohne MS-typische Li- quorveränderungen. Bei drei der vier Neuritiden fand sich jedoch eine Entzündung benachbarter Nasenne- benhöhlen, die uns zu einer antibio- tischen Therapie veranlaßte — mit

gutem Erfolg. Bei einem Patienten mit Gesichtsfeldausfällen in Folge einer chronischen basalen Meningi- tis ungeklärter Ätiologie fanden sich signalintensive Infiltrate der basalen Zisternen.

Bei vier Patienten wurde ein Tu- mor entdeckt, der im CT nicht sicher zu sehen war. Dafür zwei Beispiele:

■ siebenjähriges Mädchen mit Visusminderung, bitempo- ralen Skotomen und verlänger- ten optisch-evozierten Poten- tialen: Supraselläres pilozy- tisch-astrozytäres Gliom (Ab- bildung 1).

■ 48jähriger Mann mit bitem- poraler Hemianopsie und Tu- morverdacht im CT: eindeuti- ger Tumor (Abbildung 2), der sich bei der Operation als Kra- niopharyngeom erwies. Die Maße des Tumors wurden bei der Operation voll bestätigt.

Bei zehn Patienten mit Augen- muskelparesen fand sich in acht Fäl- len ein kernspintomographisches Korrelat, vorwiegend sellanahe Tu- moren und Tumoren des Hirnstam- mes.

24 Patienten wurden unter der Verdachtsdiagnose "Tumor der Schädelbasis" untersucht; in 18 Fäl-

len bestätigte sich der klinische Ver- dacht. Bei einem Drittel war das Computertomogramm unauffällig.

In jedem Falle war die räumliche Abgrenzung des Tumors vom nor- malen Gewebe im Kernspintomo- gramm besser als im CT, was beson- ders die Operationsplanung, aber auch die Strahlenapplikation er- leichterte. Besonders bei knochen- destruierenden Prozessen, etwa den.

Clivus-Chordomen, ist eine kombi- nierte Anwendung beider bildge- bender Verfahren von Vorteil (Ab- bildung 3).

Die Überlegenheit der Kern- spintomographie bei der Diagnostik aller Prozesse unterhalb des Mittel- hirns wird besonders bei Läsionen der Brücke, der Medulla oblongata und des Halsmarks deutlich. So sa- hen wir einen Patienten mit einer peripheren Fazialisparese, die sich kernspintomographisch auf eine in- tranukleäre Karzinom-Metastase zu- rückführen ließ (Abbildung 4). Wir untersuchten acht Patienten unter der Verdachtsdiagnose „Ungeklär- ter Halsmarkprozeß" sowie fünf Kranke unter dem Verdacht einer Syringomyelie, der sich viermal be- stätigte.

Besonders beeindruckt hat uns der folgende Verlauf: 66jährige Frau mit stromartig einschießenden Schmerzen in den rechten Arm, be- sonders in den 3. und 4. Finger. 1972

A-76 (28) Dt. Ärztebl. 84, Heft 3, 14. Januar 1987

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Abbildung 3: Clivus-Chordom im Computertomogramm (a) und im Kernspintomo- gramm (b)

Hemilaminektomie HWK 4 unter dem Verdacht eines Discus-Prolaps.

In den folgenden Jahren zunehmend Nackenschmerzen, dann Schulter- Arm-Schmerzen und Gesichts- schmerzen links. 1984 Laminekto- mie HWK 1-7 ohne Einfluß auf die Beschwerden. Kernspintomogramm 1984 (Abbildung 5): Syringomyelie Cl bis C7 und basiläre Impression.

Es wurden 16 Patienten mit ge- sicherten chronischen Enzephalo- myelitiden untersucht. Acht Patien- ten mit einer multiplen Sklerose hat- ten ein unauffälliges Computerto- mogramm, drei von ihnen einen re- gelrechten Liquorbefund. Bei allen fünf liquorpositiven, CT-negativen Fällen fanden sich Entmarkungsher- de , unter anderem auch im Hirn- stamm und im Kleinhirn. Auch bei zwei der drei liquornegativen Fälle waren mehrere Herde nachweisbar.

Die Gruppe der chronischen Meningoenzephalitis (acht Patien- ten) war naturgemäß sehr hetero- gen:

ein Sjögren-Syndrom, ein Beh- cet-Syndrom (normales KST), ein basale Meningitis ungeklärter Ätio- logie im Chiasmabereich, fünf chro- nische Meningoenzephalitiden unge- klärter Ätiologie.

Die Veränderungen beim Sjög- ren-Syndrom glichen der multiplen Sklerose. Drei der fünf Patienten mit einer chronischen Meningoenze-

Abbildung 5: Basiläre Impression, De- generation der Zwischenwirbelscheibe HWK 7 / BWK 1, Syringomyelie von Cl bis C7 (Kernspintomogramm)

Abbildung 6: Chronische Enzephalitis im Kernspintomogramm

Abbildung 4: Zwei Karzinommetasta- sen in der Brücke und im Frontalhirn, die im Computertomogramm nicht nachweisbar waren

phalitis zeigten Veränderungen, die

— anders als bei der MS — auch die graue Substanz einbezogen, wie der folgende Fall zeigt:

III 18jähriger Mann mit organi- scher Wesensänderung, zunehmen- dem Antriebsverlust und Parese des linken Beines. Als Kind schwere Mumps-Enzephalitis. Jetzt leichte Liquorpleozytose und Schranken- störung. Im Kernspintomogramm ausgedehnte Signalveränderungen vorwiegend im frontalen und tempo- ralen Cortex (Abbildung 6).

Nach einem Symposium im Juni 1985 wurde eine Indikationsliste festgelegt, die mit wachsender Er- fahrung modifiziert wird (Tabelle).

Bei einigen Indikationen ist die Kernspintomographie bereits jetzt das Verfahren der ersten Wahl, etwa bei den retrookulären Visusstörun- gen oder den parenchymatösen Pro- zessen unterhalb des Mittelhirns. Ei- nige Indikationen bedürfen weiterer Präzisierung, etwa die chronischen Enzephalomyelitiden. Von großer klinischer Relevanz ist der frühe Nachweis des entzündlichen Tempo- rallappenödems im zweiten Stadium der Herpes simplex-Enzephalitis, in dem möglichst mit der virostatischen

Therapie begonnen werden sollte.

Für den Kranken von größter Be- deutung ist auch der Nachweis einer Mikroläsion in einer relevanten Hirnregion bei ungewöhnlichen ex-

Dt. Ärztebl. 84, Heft 3, 14. Januar 1987 (29) A-77

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Tabelle: Indikationen für die Kernspintomographie

Ungeklärte retroorbitale Visusstörungen und Augenmuskelparesen

Tumoren, besonders Kraniopharyngiome Zysten

Durchwanderungsmeningitiden bei chronischen Nebenhöhlenprozessen

Basale Meningitiden ungeklärter Ätiologie Prozesse im Bereich des Sinus cavernosus

Alle Hirnstamm-Tumoren

Abgrenzung von Ödem und Tumor durch Multiecho-Sequenzen

Fokale Epilepsie, besonders im mittleren Lebensalter

Frühstadium von Tumoren, besonders die Astrozytome Differenzierung von Temporallappen-Zysten und Liquorlakunen

Glianarben

Prozesse in der knöchernen Schädelbasis, besonders im Felsenbein

Akustikus-Neurinome Cholesteatome Clivus-Chondrome

Ungeklärte spinale Prozesse, besonders des Halsmarks

Zervikale Myelopathie Syringomyelie, Stiftgliome Intramedulläre Tumoren

Entzündliche Krankheiten

Liquornegative Multiple Sklerose, besonders die spinale Form und die MS im Frühstadium

Herpes simplex-Enzephalitis im CT-negativen 2. Stadium (Frühdia- gnose)

Atypische chronische Entzündungen (Verteilung der Läsionen in der grauen und weißen Substanz)

Verdacht auf parenchymatöse Mikroläsionen bei ungewöhnlichen ex- trapyramidalen oder kortikalen Syndromen

trapyramidalen oder kortikalen Symptomen, die erfahrungsgemäß oft als psychogen verkannt werden.

So sahen wir einen Patienten mit episodischem Abkippen der Bildebene nach rechts unten, was nur bei Äutofahrten mit hoher Ge- schwindigkeit auftrat (visuelle Para- gnosie). Es fand sich im KST eine kleine Läsion links temporo-parie- tal, die nach einem Jahr nicht ge- wachsen war, vermutlich eine Glia- narbe. Die Zustände waren als psy-- chogene Anfälle fehlgedeutet wor- den.

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Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med.

Klaus Felgenhauer Klinik und Poliklinik für Neurologie

Robert-Koch-Straße 40 3400 Göttingen

A-78 (30) Dt. Ärztebl. 84, Heft 3, 14. Januar 1987

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