Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
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Im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT Heft 4/1975 haben Sie einen Bei- trag unter der Überschrift „Kosten- inflation im Krankenhaus" veröf- fentlicht und dabei diejenigen Fak- toren in acht Punkten zusammen- gefaßt, die nach Ihrer Ansicht im wesentlichen die unbestreitbar be- achtlichen Pflegesatzsteigerungen in der jüngsten Vergangenheit her- vorgerufen haben. Die Darstellung ist indessen einseitig:
Sie berücksichtigt nicht, daß im Jahre 1973 zahlreiche Pflegesätze
— vor allem im kommunalen Raum
— auf Grund der gesetzlichen Re- gelungen gestützt werden mußten, und daß erst 1974 eine volle Ko- stendeckung durch den Pflegesatz eintrat, so daß allein schon aus dem Wegfall der Stützungsmittel zwangsläufig 1974 ein spürbarer Pflegesatzanstieg entstand.
Insbesondere erweckt aber Ihre Darstellung den Eindruck, daß die Pflegesätze und die Selbstkosten der Krankenhäuser im gleichen Umfang gestiegen sind, während es tatsächlich so ist, daß der Ko- stenanstieg wesentlich geringer — als von Ihnen angegeben — ist, daß aber eine politisch gewollte Umschichtung auf der Erlösseite erfolgte, vor der die Krankenhäu- ser und ihre Verbände vergebens warnten; mit anderen Worten: ein Vergleich von Pflegesätzen der dritten Klasse früherer Jahre mit den nunmehr vollpauschalierten Pflegesätzen der allgemeinen Klas- se (in die früher besonders bere- chenbare Nebenkosten nunmehr voll einbezogen sind) ist unkorrekt und läßt eine objektive Betrach- tungsweise vermissen.
Wie wenig zuverlässig Ihre Berech- nungsmethode ist, wird an dem Beispiel des Kreiskrankenhauses
Herford deutlich, bei dem Sie einen Pflegesatzanstieg 1973 bis 1974 von 76,6 Prozent ausweisen: Wenn Sie nämlich den Pflegesatz im un- zulänglichen Altbau, der inzwi- schen abgerissen wurde, mit dem Pflegesatz im modernen Neubau vergleichen, tun Sie so, als vergli- chen Sie ein Moped mit einem Mercedes. In Wirklichkeit belief sich im neuen Kreiskrankenhaus Herford bei Vollpauschalierung der Pflegesatz 1973 auf 119,10 DM, der durchschnittliche Pflegesatz 1974 auf 135,68 DM. Die Steigerung be- trägt somit 13,9 Prozent und nicht 76,6 Prozent.
In Ihren Ausführungen gehen Sie auch auf den Gewinn- und Verlust- ausgleich ein und wagen die Pro- gnose „die Verwaltungsleiter wer- den lernen, Kosten zu ‚machen', die nachträglich auszugleichen sind", und Sie fügen hinzu: „Wer Sparsamkeit für eine Tugend hält, dürfte für einen Direktorensessel im Krankenhaus kaum noch tau- gen." Wenn Ihre — wahrlich diskriminierende — Aussage zu- treffen sollte, müßten Sie doch von Ihrem Standpunkt aus hinzufügen,
• daß zum Arzt nur taugt, wer die Therapie so verlängert, daß die Einnahmen möglichst lange und reichlich fließen,
• daß zum Architekten nur taugt, wer möglichst hohe Baukosten zu verursachen weiß, weil sich Pla- nungs- und Bauleitungsgebühren nach den endgültigen Baukosten richten,
• daß zum Beamten nur taugt, wer es versteht, für sein Ressort die Staatskasse' rücksichtslos zu plün-
dern, usw.
Es ist unerfindlich, welchen Anlaß Sie haben, den Verwaltungsleitern
von Krankenhäusern eine Unred- lichkeit („Kosten machen"), die dem Delikt des Betruges sehr na- he kommt, zu unterstellen; es scheint Ihnen leider nicht bewußt zu sein, daß es gerade der Verwal- tungsleiter ist, der in der Vergan- genheit — und er wird es auch, Ih- rer Prophezeiung zum Trotze, in der Zukunft tun — verzweifelte Be- mühungen unternahm, um das ihm anvertraute Krankenhaus nach streng wirtschaftlichen Grundsät- zen zu führen, ohne damit den Er- folg von Diagnose, Therapie und
Pflege zu gefährden.
Sie bleiben auch den Beweis dafür schuldig, welchen Nutzen der Ver- waltungsleiter aus den künstlich geschaffenen Kosten ziehen soll;
für sich selbst wird er gewiß bei seinem Träger nichts erreichen;
denn ein defizitärer Jahresab- schluß war noch nie ein Ruhmes- blatt für einen Betriebsleiter. Im übrigen müßte er sich bei den von Ihnen unterstellten Kostenmanipu- lationen der Mittäterschaft seines Trägers versichern, der schließlich den Rechnungsabschluß nach au- ßen zu verantworten hat. Sie verun- glimpfen somit nicht allein einen Berufsstand in Bausch und Bogen, ohne gleichzeitig Beweise für Ihre Behauptungen anzuführen; Sie un- terstellen auch den Krankenhaus- trägern die Absicht, Fälschungen in der Kostenrechnung vorzuneh- men oder sie zumindest zu dulden.
Es bleibt auch unerfindlich, wel- chen Zweck Sie mit Ihrer Polemik verfolgen. Der vielfach beobachte- ten Verbesserung des Klimas zwi- schen Krankenkassen und Kran- kenhäusern, ja der vielerorts gera- dezu vertrauensvollen Zusammen- arbeit zwischen den Vertragspart- nern, sind Behauptungen, wie Sie sie aufstellen, gewiß nicht dienlich.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß der Verwaltungsleiter dennoch jetzt wie in Zukunft an einer fairen und korrekten Auseinandersetzung mit seinen Vertragspartnern auf der Grundlage einer sauberen Betriebsabrechnung interessiert bleibt; und nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß der Verwaltungslei-
Kosteninflation im Krankenhaus
Zu dem Beitrag von Rudolf Lehming in Heft 4/1975, Seite 211 ff.
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Heft 35 vom 28. August 1975DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Kosteninflation im Krankenhaus
ter nach wie vor gedenkt, die spar- same Wirtschaftsführung, um die er sich stets mit allen ihm zu Ge- bote stehenden Möglichkeiten be- müht hat, als Leitziel seiner Tätig- keit zu betrachten.
Thomas Berron
Pressereferent der Fachvereinigung der Verwaltungsleiter
deutscher Krankenanstalten 4 Düsseldorf-31
Kittelbachstraße 47
Schlußwort
Sehr geehrter Herr Berron!
Die Möglichkeit, einander mißzu- verstehen, gehört zum Wesen menschlicher Kommunikation. Der erste Teil Ihres offenen Briefes er- innert aber auch an zwei weitere Unvollkommenheiten menschlichen Denkens, an den Informationsman- gel und den Irrtum.
Die Stützungsmittel nach § 19 KHG sind 1974 weder de jure noch de facto weggefallen. Dafür nur einige Beispiele aus zwei Städten: In Saarbrücken betrugen die Stüt- zungsbeträge für die Städtischen Krankenanstalten 1974 noch 7,80 DM, für das Caritas-Krankenhaus 11,95 DM. In Frankfurt wurden die Pflegesätze des Diakonissenkran- kenhauses mit 4,68 DM, des Nord- west-Krankenhauses mit 35,89 DM und der Städtischen Krankenan- stalten sogar mit 92,80 DM ge- stützt. Von einem „Wegfall der Stützungsmittel" kann mithin keine Rede sein. Im übrigen ist auf die
„volle Kostendeckung" unter Punkt 1 und 2, auf die Kürzung von Stüt- zungsbeträgen unter Punkt 8 des Aufsatzes im DEUTSCHEN ÄRZTE-
BLATT hingewiesen.
„Früher besonders berechenbare Nebenkosten" wurden 1974 keines- wegs in die Pflegesätze „voll ein- bezogen". Sie werden nach § 5 BPfIV und dem bayerischen Neben- kosten-Erlaß vom 8. Juli 1974, um nur ein Beispiel zu nennen, weiter- hin gesondert geltend gemacht. In Bayern werden acht besonders teu- re Verfahren, die bislang gesondert
berechnet wurden, auch 1974 und 1975 neben dem Pflegesatz be- rechnet. Die grundsätzliche Inte- gration der Nebenkosten in den Pflegesatz ist unter Punkt 7 meines Beitrages im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT ausdrücklich erwähnt.
Die Krankenhauskosten sind in der Tat geringer gestiegen als die Pfle- gesätze. Für diesen Unterschied habe ich insgesamt acht Grün- de zusammengestellt. Diese acht Faktoren zeigen zugleich die wesentlichen Unterschiede zwi- schen den_ allgemeinen Pfle- gesätzen von 1973 und 1974 auf. Eine Analyse dieser Unter- schiede war im Herbst 1974, als der Aufsatz geschrieben wurde, um so notwendiger, als gerade die er- sten Pflegesätze nach neuem Recht festgesetzt wurden. Ihr un- kommentierter Vergleich mit den Pflegesätzen des Vorjahres hatte der Öffentlichkeit schier den Atem verschlagen. Selbst der Hauptge- schäftsführer der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft hat diese Re- aktion der Öffentlichkeit bemerkt
und in einem Leitartikel des Februar- heftes '75 der Zeitschrift „Das Kran- henkaus" mit zahlreichen Schlag- zeilen aus der Tagespresse belegt.
Der kommentierte Vergleich der allgemeinen Pflegesätze von 1973 und 1974 im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT bemüht sich gerade um die objektive Betrachtungsweise, die der Pressereferent der Verwal- tungsleiter Deutscher Krankenhäu- ser vermißt. „Unkorrekt" ist allen- falls der Vergleich durchschnittli- cher Pflegesätze von Nordrhein- Westfalen bis 1973 mit einem
Durchschnittspflegesatz des Bun- des von 1974, wie er von der Deut- schen Krankenhausgesellschaft im Februar 1975 verbreitet wurde.
Trotz dieser unkorrekten Gegen- überstellung andersartiger Durch- schnittspflegesätze ergeben die Zahlen der Deutschen Kranken- hausgesellschaft doch einen durchschnittlichen Pflegesatzan- stieg von 46 Prozent. Demgegen- über habe ich die Zuwachsraten der Pflegesätze auf mehr als 30, 40 und 50 Prozent geschätzt.
Von einer „Berechnungsmethode"
ist an keiner Stelle der Veröffentli- chung die Rede. Darum kann da- hingestellt bleiben, ob das Beispiel des Kreiskrankenhauses Herford an fehlenden oder Fehlinformatio- nen leidet. Bei allen 14 Beispielen habe ich mich um authentische
In- formationen
bemüht. Sollten meine Bemühungen in diesem oder einem anderen Falle mißlungen sein, was noch zu beweisen wäre, würde das an der Aussage über den be- schleunigten Pflegesatzanstieg auch nicht das geringste ändern.Die Beispiele, die als solche dekla- riert sind, wollten nur ein paar handfeste Zahlen und keinen stati- stischen Beweis für die Höhe des Pflegesatzanstiegs bringen. Die ei- gentlichen Schwierigkeiten der Bei- spiele lagen denn auch bei ver- schiedenen Pflegesätzen in ei- nem Kalenderjahr; denn das Rech- nen mit fiktiven Jahrespflegesätzen dürfte allenfalls in Krankenhaus- Fachzeitschriften angebracht sein.
Außerdem ließ sich der Jahrespfle- gesatz 1974 im Herbst noch gar nicht errechnen.
Der zweite Teil des offenen Briefes verwechselt die System- mit der Personalkritik. Eine solche ist dem Aufsatz aber nicht zu entnehmen, geißelt er doch kein reales Verhal- ten von Verwaltungsleitern in der Vergangenheit. Vielmehr deutet er auf mögliche Reaktionen gegen- über einem verführerischen System in Zukunft hin. Wir werden es noch erleben, daß der nachträglich ein- geschobene „Gewinn- und Verlust- ausgleich" des § 17 Abs. 1 BPfIV mit dem entsprechenden Etatdenken nicht zu einer Kosten- senkung, sondern zu einer Kosten- steigerung führt. Will die verdienst- volle Fachvereinigung der Verwal- tungsleiter diese Voraussage allen Ernstes bezweifeln?
Wer Gelegenheit hatte, eine größe- re Anzahl von Krankenhausverwal- tungsleitern kennenzulernen, der weiß aus eigenerAnschauung,welch unterschiedlicher Couleur, Her- kunft und Bildung, welch unter- schiedlichen Charakters und Tem- peraments die Träger dieses Am-