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Archiv "Anerkennung von Praxisnetzen: Viele zögern, manche zahlen" (20.02.2015)

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A 320 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 8

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20. Februar 2015

ANERKENNUNG VON PRA

XISNETZEN

Viele zögern, manche zahlen

Seit knapp zwei Jahren können Kassenärztliche Vereinigungen Praxisnetze prüfen, akkreditieren und finanziell fördern. Doch weil es für Netze an Geld fehlt, kommen viele Netzprojekte nicht voran.

E

in professionelles Netz: Das ist „MuM – Medizin und Mehr “ mit Sitz im ostwestfälischen Bünde schon lange. Seit rund 20 Jahren kooperieren Ärztinnen und Ärzte aus den drei Gemeinden des Kreises Herford. Derzeit engagie- ren sich 45 niedergelassene Haus- und Fachärzte im Netz. Gemeinsam mit rund 300 nichtärztlichen Mitar- beitern versorgen sie heute mehr als 70 000 Bürger, haben Verträge mit Krankenkassen in der Region, füh- ren eine zentrale Notfallpraxis und vieles mehr.

„Nachdem 2005 unsere Geschäfts- führerin da war, entwickelten sich ganz andere Strukturen“, erzählte Netzvorstand Dr. med. Hans-Jürgen Beckmann bereits im Sommer 2008 dem Deutschen Ärzteblatt. Sein da- maliger Vorstandskollege Peter Ro- sellen ergänzte: „Hobbygeschäfts- führung, das geht bei unserer Grö- ße gar nicht mehr. Wir machen je- des Jahr einen Umsatz im sieben- stelligen Bereich. Das kann kein Arzt mehr nach Feierabend verant- worten.“

Westfalen-Lippe liegt vorn

Seit kurzem hat MuM von der Kas- senärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe die Bestätigung, ein professionelles Netz zu sein.

Die KV hat „Medizin und Mehr“

im April 2014 ein Zertifikat als anerkanntes Praxisnetz ausgestellt.

Neben dem Netz „Gesundheitsregi- on Siegerland“ waren die Netzwer- ker aus dem Kreis Herford damit die zweiten in Westfalen-Lippe, die die qualitativen und strukturellen Rahmenvorgaben der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV) er- füllten, auf der jede KV-Praxisnetz- Richtlinie beruht (siehe Kasten).

„Die Bündener Kollegen haben frühzeitig die Vorteile der Netzar-

beit erkannt und innovative Versor- gungslösungen auf den Weg ge- bracht“, lobte KV-Vorstand Dr.

med. Gerhard Nordmann.

Die Zertifikate für MuM und Ge- sundheitsregion Siegerland waren nur der Anfang. Mittlerweile sind nach Angaben der Agentur deut-

scher Arztnetze acht Netze in West- falen-Lippe akkreditiert. Das ist die Ausnahme. „Neun von 17 KVen ha- ben immer noch keine Vorgaben für die Anerkennung von hochentwi- ckelten Ärztenetzen erlassen“, kriti- sierte der Vorstandsvorsitzende der Netzagentur, Dr. med. Veit Wam- bach, Ende Januar.

Dabei ist die Blaupause seit dem 1. Mai 2013 in Kraft: die Richtlinie, die die KBV in Abstimmung mit dem GKV-Spitzenverband formu- liert hat. „Die Zahl der anerkannten Praxisnetze liegt bei derzeit 16.

Nach Schätzungen der Agentur würden bundesweit aber rund 40 bis 50 Praxisnetze die Vorgaben er- füllen“, rechnete Wambach vor.

Auf die Zahl von acht anerkann- ten Netzen wie in Westfalen-Lippe

kommen fünf andere KVen zusam- men: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Sachsen haben bislang je ein Netz akkreditiert, Schleswig- Holstein vier. Die KV im Norden war Ende 2013 bundesweit die erste, die mit dem Ärztenetz Eutin-Malente einen Zusammenschluss nach den KBV-Richtlinien förderte. Und sie ist die einzige, die ihre anerkannten Praxisnetze mit je 100 000 Euro för- dert. Das Geld kommt aus dem Si- cherstellungsfonds. Das hat seinen Grund, wie Ekkehard Becker, Leiter der Geschäftsstelle Operative Pro- zesse der KV, vor zwei Jahren bei der KBV-Versorgungsmesse erläuterte:

Man überlege, Netze später unter Si- cherstellungsaspekten und zur Über- tragung von Versorgungsaufgaben in den Bedarfsplan aufzunehmen.

Niedersachsen gibt nicht nur

Einen etwas anderen Weg hat die KV Niedersachsen gewählt, wie ihr Vorstandsvorsitzender Mark Bar- jenbruch damals bereits ankündig- te. Sie hat keine Richtlinie erlassen, fördert aber zwei Netze in Anleh- nung an die KBV-Vorgaben. Pro Netz gibt es maximal 50 000 Euro.

Der Fördertopf ist auf eine Million Euro aus dem Sicherstellungsfonds begrenzt. Dafür verlangt die KV Gegenleistungen: Sie lässt sich zu- sichern, dass ein Praxisnetz sie an späteren Versorgungsverträgen be- teiligt, soweit das gesetzlich mög- lich ist, und dass es vertrauensvoll mit ihr zusammenarbeitet. „Lang- fristiges Ziel muss es sein, dass wir zusätzliches Geld von den Kran- kenkassen generieren“, stellte Bar- jenbruch damals klar.

Andere KVen sehen das ähnlich.

So hat Baden-Württemberg das

„Medizinische Qualitätsnetz Ärz- teinitiative Kinzigtal“ (MQNK) Anfang Dezember 2014 zwar als Nutzen für Netze:

Die Agentur deut- scher Arztnetze und Berlin-Chemie ha- ben einen Leitfaden zur Förderung von Praxisnetzen he- rausgegeben. Er enthält auch Hinter- grundinfos und Da- ten zur Entwicklung der Netze.

Bezug: www.berlin- chemie.de.

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20. Februar 2015 A 321 erstes Netz im Land als förderungs-

würdig anerkannt. Der KV-Vor- standsvorsitzende, Dr. med. Nor- bert Metke, betonte aber, damit sei keine finanzielle Förderung ver- bunden, und ergänzte: „Ebenfalls dürfen Förderungen seitens der Krankenkassen nicht zulasten unse- rer Gesamtver gütung gehen.“

Problem: Kein Zusatzhonorar

Dass es Debatten um die KV-Mitfi- nanzierung von Praxisnetzen geben würde, war klar, seit die Rahmen- vorgabe auf den Weg gebracht wur- de. Mit dem GKV-Versorgungs- strukturgesetz wurden KBV und GKV-Spitzenverband verpflichtet, sich über „Kriterien und Qualitäts- anforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Pra- xisnetze“ zu einigen. Für solche Netze könnten dann „auch geson- derte Vergütungsregelungen als Teil der morbiditätsorientierten Gesamt- vergütung vorgesehen werden“, so der neu gefasste § 87 b Sozialge- setzbuch V. „Es gibt kein neues Geld“, fasste KBV-Dezernent Dr.

med. Bernhard Gibis das Problem einmal knapp zusammen.

Schon deswegen wird die Förde- rung von Netzen kritisch beäugt.

Denn das Geld aus der morbiditäts- orientierten Gesamtvergütung reicht nirgends, um alle abgerechneten Leistungen vollständig zu bezahlen.

Die Agentur deutscher Arztnetze hat mehrfach darauf hingewiesen, wel- che Hürden diese Limitierung schafft. Vorstand Wambach findet es zwar richtig, dass der Gesetzgeber die KVen verpflichtet, anerkannte Netze zu fördern, und auch, dass aus der jetzigen Kann-Regelung dem ge- planten Versorgungsstärkungsgesetz zufolge eine Soll-Regelung werden soll. Das Geld hierzu „darf jedoch nicht aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung entnommen wer- den“, stellte er klar. Netze müssten extrabudgetär vergütet werden.

Dass manche KVen die Rahmen- richtlinie noch nicht umgesetzt ha- ben, hat aber auch historische Gründe. Darauf hat Klaus Grepp- meir, Hauptgeschäftsführer des NAV-Virchowbundes, unlängst in einem „Leitfaden zur Förderung von Praxisnetzen“ hingewiesen. „Lange

Zeit begleiteten sich Praxisnetze und KVen mit argwöhnischem Blick“, erinnert er. „Das KV-Sys- tem nahm Praxisnetze als Sammel- becken KV-kritischer Vertragsärzte auf der Suche nach Alternativen zum Kollektivvertrag wahr, die Pra- xisnetze das KV-System und die von ihm verwaltete Gesamtvergü- tung als Gralshüter der Gelder für die ambulante Versorgung.“

Weil jedoch die Anforderungen an die ambulante Versorgung stei- gen, gehen Netze und KVen mittler- weile pragmatischer und wertschät- zender miteinander um. Und weil Not erfinderisch macht: „Die wohn- ortnahe Grundversorgung durch Haus- und Fachärzte muss ange- sichts eines sich abzeichnenden Ärztemangels und anderer Lebens- entwürfe der nachfolgenden Arzt- generation gestärkt werden“, so Greppmeir. Netze können dazu bei- tragen, meinen viele, wenn die At- traktivität der Einzelkämpferpraxis schwindet.

Markus Knöfler, Geschäftsführer des anerkannten Praxisnetzes Her- zogtum Lauenburg, hat diesen As- pekt Ende Januar bei der 21. Netz-

konferenz der Pharmafirma UCB angesprochen. Kooperationen die- nen seiner Meinung nach indirekt der Stabilisierung von unabhängi- gen Praxen: „Netze versuchen, die Freiberuflichkeit zu sichern und junge Ärzte für die Freiberuflich- keit zu gewinnen. Ohne dass je- mand da ist, der versorgt, brauchen wir über die Qualität von Versor- gung nicht mehr zu reden.“

Manche Vorbehalte gegen Pra- xisnetze gründen sich auch darauf, dass sich viele durch Pharmafirmen oder andere Unternehmen unter- stützen lassen. Die Rahmenbedin- gungen für akkreditierungswillige Netze schreiben allerdings eindeu- tig Unabhängigkeit gegenüber Drit- ten vor. „An Geld mangelt es aber allen Netzen“, meinte Dr. med.

Werner Baumgärtner, Vorstands- vorsitzender von Medi Geno Deutschland, bei der Netzkonfe- renz. Schließlich müssten alle Ver- träge vorfinanziert werden. Und auch die elektronische Vernetzung, die für kooperierende Ärzte unab- dingbar sei, koste Geld.

Qualität überzeugt noch nicht

Krankenkassen wie auch Kommu- nen seien aber zögerlich, wenn es darum gehe, Praxisnetzen zusätzli- ches Geld zur Verfügung zu stellen.

„Das ändert sich aber gerade“, ist Baumgärtners Eindruck. Im Raum Heilbronn treibt Medi derzeit ein Projekt zur elektronischen Vernet- zung von Arztpraxen voran, die im Rahmen von Haus- und Facharzt- verträgen kooperieren – mit Unter- stützung der dortigen AOK und der Audi Betriebskrankenkasse.

Wambach wiederum findet be- denklich, dass Beitragserhöhungen bei den Krankenkassen in Zukunft allein von den Versicherten getra- gen werden müssen. Dies zwinge die Kassen in einen immensen Preis- statt Qualitätswettbewerb:

„Für Netze ist das eine sehr un - günstige Entwicklung.“ Dennoch ist er insgesamt zuversichtlich: „Der Weg, den der Gesetzgeber bei der stärkeren Anerkennung und Förde- rung von Praxisnetzen eingeschla- gen hat, ist beschritten und unum-

kehrbar.“

Sabine Rieser Akkreditierungswillige Netze müssen bestimmte Basiskri-

terien erfüllen. Für die verlangten Versorgungsziele sind verschiedene Anerkennungsstufen vorgesehen. Das heißt:

Ein Netz muss aus mindestens 20 und höchstens 100 Praxen bestehen. Beteiligen müssen sich Hausärzte- und mindestens zwei weitere Facharztgruppen.

Das Netz arbeitet seit mindestens drei Jahren im Sinne der Vorgaben.

Es kooperiert verbindlich mit mindestens einem nicht- ärztlichen Leistungserbringer (Beispiel: Krankenpflege- dienst) oder einem stationären Leistungserbringer.

Das Netz hat Standards vereinbart, beispielsweise zur Qualität oder zum Austausch untereinander. Manage- ment ist Pflicht, das heißt: eine Geschäftsstelle, ein Geschäftsführer, ein ärztlicher Leiter zur Umsetzung.

Netze müssen nachweisen, dass sie Versorgungsziele verfolgen, darunter solche der Patientenzentrierung (Bei- spiel: Therapiekoordination), der kooperativen Berufsaus- übung (Beispiel: gemeinsame Fallbesprechungen) und der Effizienz (Beispiel: Wirtschaftlichkeitsverbesserung).

Die KBV-Rahmenvorgabe: www.kbv.de/html/

praxisnetze.php

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Referenzen

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