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Archiv "Präimplantationsdiagnostik: Keine unkritische Ausweitung" (13.02.2004)

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ie Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in Deutschland nach dem Em- bryonenschutzgesetz verboten, und zahlreiche Versuche, dieses Gesetz aufzuweichen, sind bisher gescheitert.

Schließlich haben Kritiker gute Argu- mente, um die PID abzulehnen. Auch die Delegierten des 105. Deutschen Ärztetages hatten sich 2002 in Rostock gegen die Präimplantationsdiagnostik ausgesprochen. Sie kamen zu dem Er- gebnis, dass sie ethisch nicht vertretbar und medizinisch höchst fragwürdig sei.

Aus juristischer Sicht gibt es ebenfalls Bedenken. So vertritt der frühere Bun- desverfassungsrichter Prof. Dr. iur. Dr.

phil. Ernst-Wolfgang Bockenförde die Ansicht, dass die Anerkennung der Würde des Menschen, wie das Grundge- setz sie ausspricht, „nach ihrem norma- tiven Gehalt auch auf die ersten Anfän- ge des Lebens eines jeden Menschen zu erstrecken ist“ (DÄ, Heft 19/2003).

Ganz anderer Auffassung ist dagegen der Hamburger Strafrechtler und Rechtsphilosoph Prof. Dr. jur. Reinhard Merkel. Für den Rechtsphilosophen be- sitzt der Embryo keinen grundrechtli- chen Schutzstatus. Das Bundesverfas- sungsgericht habe im Jahr 1993 zwar be- tont, dass der Embryo Inhaber der Menschenwürde nach Artikel 1 und des Lebensgrundrechts nach Artikel 2 Ab- satz 2 des Grundgesetzes sei, räumte Merkel auf einem Symposium Ende Ja- nuar in Gießen ein. Bloß beratene, also indikationslose, Schwangerschaftsab- brüche seien daher rechtswidrig. Doch dagegen spreche, dass das Gericht eine staatliche Pflicht zur „Sicherstellung“

eines „ausreichenden und flächen- deckenden Angebots sowohl ambulan- ter als auch stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschafts- abbrüchen“ angeordnet habe, und zwar

für alle, also auch für die 97 Prozent bloß „beratener“ Abbrüche. Wenn sol- che Abtreibungen als Tötungen grund- rechtsgeschützter Personen rechtswid- rig seien, dann sei auch ihre „flächen- deckende“ Ermöglichung und Förde- rung rechtswidrig. Der Staat sei also zum Unrecht verpflichtet.

Die Rechtslage zur Abtreibung lasse zwar keinen Schluss auf die Zulässig- keit der PID zu. Sie zeige aber, dass es einen grundrechtlichen Schutzstatus für den Embryo nicht gebe. Merkels Auf- fassung nach ist der Embryo als „hohes Gut“, nicht aber als Rechtsperson zu schützen. Dem hielt Prof. Dr. med. Gerd Richter, Marburg, entgegen, dass in ei- ner von ihm vorgestellten Umfrage (DÄ, Heft 6/2004) eine überwältigende Mehrheit der genetischen Hochrisiko- paare den präimplantativen Embryo als

„mein Kind“ oder „eher mein Kind“

bezeichnet hatte. Die hohe Zustim-

mung zur PID gehe demnach nicht mit einer moralischen Geringschätzung des präimplantativen Embryos einher. Und durchaus nicht alle genetischen Hochri- sikopaare hätten sich für eine Legalisie- rung der PID ausgesprochen.

Der Düsseldorfer Philosoph Prof. Dr.

phil. Birnbacher stimmte Merkel grundsätzlich zu. Wenn man dem Em- bryo von der Zygote an Lebensrecht zu- gestehe, müsse man die Haltung des Vatikans annehmen, um wirklich konse- quent zu sein. „Man kann nicht gleich- zeitig Spätabtreibungen akzeptieren und Präimplantationsdiagnostik ablehnen“, sagte der Philosoph. Er warnte jedoch davor, den Embryo generell für schutz- los zu erklären. Auch der Neonatologe Prof. Dr. med. Volker von Loewenich, Frankfurt am Main, lehnte eine unkriti- sche Ausweitung der PID ab und verwies auf eine Stellungnahme der Deutschen Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Darin fordern die Kin- der- und Jugendärzte „eine qualitätsgesi- cherte individuelle Beratung auf gesetz- licher Grundlage, eine Begrenzung der vorgeburtlichen Diagnostik auf schwer- wiegende Erkrankungen, eine lücken- lose statistische Erfassung, eine langfri- stige Nachuntersuchung und eine kon- trollierte Zertifizierung der Labore“. Bei der Beratung von Eltern sollten im Rah- men einer vorgeburtlichen Diagnostik Kinder- und Jugendärzte im Einzelfall zur Beurteilung der kindlichen Prognose hinzugezogen werden.

Doch wann kann von einer unkriti- schen Ausweitung der Präimplantations- diagnostik gesprochen werden? Birn- bacher und von Loewenich lehnten ein- mütig so genannte Indikationslisten für PID ab. „Mukoviszidose ist beispiels- weise für PID nicht zugänglich“, sagte von Loewenich. Merkel sprach zwar ebenfalls von „frivolen“ Indikationen, bei denen eine Präimplantationsdia- gnostik nicht gerechtfertigt sei. Er hält es hingegen für diskutabel, die Präimplan- tationsdiagnostik zur Geschlechtsaus- wahl in Erwägung zu ziehen. Schließlich hätten seit Jahrtausenden Ehepaare versucht, das Geschlecht ihres Kindes zu beeinflussen. Gisela Klinkhammer T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004 AA401

Präimplantationsdiagnostik

Keine unkritische Ausweitung

In Gießen diskutierten Ärzte, Philosophen und Juristen über den grundrechtlichen Status des Embryos.

Die Stellungnahme zur PID aus pädiatrischer Sicht der Deut- schen Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin ist unter www.aerzteblatt.de/plus0704 abrufbar.

Präimplantationsdiagnostik: Eizellensondie- rung am Erasmus Hospital Brüssel

Foto:laif

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