Trotz der ganz überwiegenden und weiter zunehmenden Verwen- dung von Humaninsulin werden gegenwärtig in Deutschland noch rund 15 000 – zumeist ältere – Diabe- tiker mit Rinderinsulin behandelt.
Aufgrund der derzeitigen Diskus- sion über die Entstehung der Bo- vinen Spongiformen Enzephalopa- thie (BSE, „Rinderwahnsinn“) wen- den sich verunsicherte Diabetiker an ihre behandelnden Ärzte. Wie die Deutsche Diabetes-Gesellschaft jetzt aufgrund eines Briefwechsels mit den Herstellern mitteilt, besteht bei der Therapie mit Rinderinsulin keine Ge- fahr der Übertragung von BSE.
Zur Zeit umfassen rinderinsulin- haltige Präparate 1,9 Prozent des In- sulinmarktes. Von den Rinderinsuli- nen sowie den Kombinationspräpara- ten aus Rinder- und Schweineinsulin entfallen zur Zeit 67 Prozent auf De- pot Insulin Hoechst, 11 Prozent auf Rapitard MC Novo Nordisk, 10,5 Pro- zent auf Komb-Insulin Hoechst, sie- ben Prozent auf Lente MC Novo Nor- disk, vier Prozent auf (Alt-)Insulin Hoechst sowie 0,5 Prozent auf Ultra- lente MC Novo Nordisk.
Risikobeschränkung Im Jahre 1991 erließ die Europäi- sche Kommission eine „Richtlinie zur Minderung des Risikos der Übertra- gung von Erregern spongiformer En- zephalopathien durch Medizinalpro- dukte“, in der gefordert wird, nur Tie- re unter einem Alter von sechs Mona- ten zu verwenden. Am 16. Februar 1994 stellte das Bundesgesundheits- amt in Deutschland zusätzliche Si- cherheitsanforderungen an Arznei- mittel aus Körperbestandteilen von Rind, Schaf oder Ziege zur Vermei- dung des Risikos einer Übertragung von BSE beziehungsweise Scrapie auf.
Die darin vorgeschriebenen
„Abreicherungsverfahren“ (Inakti-
vierungs- und Reinigungsschritte) müssen gewährleisten, daß die BSE- Erreger (Prionen?) selbst dann zuver- lässig entfernt werden, wenn Organ- material eines infizierten Tieres ver- wendet werden sollte. Die Wirksam- keit dieser Verfahrensschritte wird in eigenen Testansätzen durch vorheri- gen Zusatz von Hirnmasse erkrankter Rinder mit nachfolgender Applikati- on an Mäuse nach durchlaufener
„Abreicherung“ geprüft. Nach Anga- ben der Deutschen Diabetes-Gesell-
schaft erlaubt die Betrachtung der Summe aller Maßnahmen die Aussa- ge, daß das Risiko einer BSE-Über- tragung durch Rinderinsulin der Fir- men Hoechst und Novo Nordisk aus- geschlossen werden kann. Denn Rin- derinsulin wird ausschließlich aus dem Pankreas von Rindern aus BSE- freien europäischen Ländern gewon- nen. Die verwendeten Organe stam- men nur von Kälbern unter sechs Mo- naten, die nicht an BSE erkrankt sein können.
Laufende Validierungsstudien belegen, daß experimentell zugesetz- te BSE-Erreger bei der Herstellung entfernt werden („Abreicherung“).
Außerdem ist die Menge des einge- setzten Organmaterials pro Dosis gering; und die Applikation erfolgt in der Regel subcutan oder intramus-
kulär. EB
A-1172 (32) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996
P O L I T I K MEDIZINREPORT
Diabetes-Therapie mit Rinderinsulin
Angst vor Übertragung von BSE ist unbegründet
Die invasive Therapie bei peri- pherer arterieller Verschlußkrankheit dürfte in Zukunft um eine Zwi- schenstufe reicher werden: den Ka- theterbypass. Das Verfahren ist nicht als Alternative zu chirurgischen Ein- griffen gedacht, sondern zum Zeitge- winn als Zwischenlösung bis zu einem größeren Eingriff; es kann aber auch bei Patienten mit OP-Risiko einge- setzt werden. Der Vorteil: Bei Mißer- folg ist den Gefäßchirurgen der Weg nicht „verbaut“, bei Erfolg kann die Bypass-Operation auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Die Erfinder dieser Methode, die Angiologen um Prof. Gottfried Ru- dofsky (Universität Essen), haben die neue Methode bisher bei 28 Patienten getestet und waren in 20 Fällen er- folgreich. In acht Fällen war „kein Durchkommen“, und die Patienten mußten sich der Gefäßchirurgie un- terziehen. In der bisher zweijährigen Nachbeobachtungszeit funktionierten alle 20 Katheterbypässe komplikati- onslos, erläuterte Rudofsky auf An- frage. Als Indikationen sieht Rudofs- ky periphere arterielle Verschlüsse, bei denen keine Revaskularisation
möglich ist – etwa auch bei kalkharten Stenosen. Wenn der Katheter tech- nisch ausgereifter ist, dürfte die „Zwi- schenlösung“ praktisch für alle By- pass-Kandidaten einen Zeitgewinn darstellen: Weder die Angioplastie noch der chirurgische Bypass „halten ewig“ – im Oberschenkel sind nach fünf Jahren die Hälfte der reka- nalisierten Strecken wieder ver- schlossen, nur ein Teil läßt sich wieder eröffnen – für nicht wenige Patienten bleibt dann nur die Amputation.
Zur Technik: Verwendet wird ein Katheter mit gekrümmter Spitze, der aus dem Gefäß heraus, am Verschluß vorbei außerhalb des Gefäßes verlegt und dann wieder ins Gefäß geführt wird. Der in einer Kartusche zu- sammengefaltete Dacron-Bypass wird im neugeschaffenen Kanal entfaltet, ein ebenfalls enthaltenes Drahtge- flecht entfaltet sich durch die Kör- perwärme und hält das Kunststoffge- fäß „in Form“. Die Endoprothese wird mit Ballonkathetern an die gesunden Gefäßteile angeformt. Während des etwa zwei- bis vierstündigen Eingriffs ist eine Gerinnungsblockade, danach eine Gerinnungshemmung nötig. Le