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Archiv "Die Bedeutung des Sports in der Therapie der koronaren Herzerkrankung" (14.12.1978)

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Nach den bisherigen Erfahrungen kann man damit rechnen, daß sich regelmäßiges körperliches Training günstig in der primären Prophylaxe der koronaren Herzerkrankung aus- wirkt. Ein endgültiger Beweis liegt jedoch nicht vor, da es bisher keine prospektive randomisierte Studie darüber gibt. Die vorhandenen Hin- weise reichen jedoch voll aus, um regelmäßiges körperliches Training zu empfehlen, das auch aus folgen- den Gründen:

Unabhängig von der Diskussion um die Bedeutung des Sportes in der primären Prophylaxe der koro- naren Herzerkrankung ist der Ein- fluß eines regelmäßigen körperli- chen Trainings auf das allgemeine Wohlbefinden nicht zu übersehen.

Es gibt beim Gesunden keine Schädigungsmöglichkeiten durch vernünftiges sportliches Training.

Anders ist die Situation bei der An- wendung des Sportes in der Thera- pie und in der sekundären Prophy- laxe von koronarer Herzerkrankung.

Hier müssen in einer ähnlichen Si- tuation Empfehlungen über sportli- ches Training vorsichtiger erfolgen, weil auch negative Auswirkungen möglich sind. Wenn es um die The- rapie von Patienten mit koronarer Herzerkrankung geht, dann sollte unterschieden werden zwischen Pa- tienten mit Angina pectoris und Ko- ronarpatienten — meist nach über- standenem Herzinfarkt — ohne Angi- na pectoris.

Für die erste Gruppe — Patienten mit Angina pectoris — ist der Nachweis der Symptomverbesserung durch körperliches Training in der Regel im Einzelfall zu erbringen. Grundla- ge für die Verbesserung der Angina pectoris ist die Ökonomisierung der Herzarbeit. Körperliches Training wirkt sich ähnlich aus wie die Gabe von Betarezeptorenblockern.

Darstellung 1 zeigt, daß körperliches Training ebenso wie Betablocker die Herzfrequenz während Belastung reduziert. Die Herzfrequenzreduk- tion während Belastung ist für beide therapeutische Maßnahmen prak- tisch identisch. Darstellung 2 zeigt, daß körperliches Training und auch Betarezeptorenblocker die Kontrak- tilität des Herzens während Bela- stung reduzieren. Dieser Befund der reduzierten Kontraktilität während Belastung beim Trainierten ist über- raschend und ebenfalls das Ergeb- nis des reduzierten Sympatikusan- triebes während körperlicher Bela- stung. Beide Effekte, Abnahme der Herzfrequenz und Abnahme der Kontraktilität während Belastung, bedingen einen erniedrigten myo- kardialen Sauerstoffverbrauch wäh- rend Belastung, was von Heiss et al.

nachgewiesen werden konnte. In ähnlicher Weise ist auch der myo- kardiale Sauerstoffverbrauch nach Betarezeptorenblockade reduziert.

Die Senkung des myokardialen Sau- erstoffverbrauchs ist verantwortlich für eine Verbesserung der Koronar- insuffizienz. Reagieren alle Patien-

Körperliches Training führt zu einer Verbesserung der Angi- na pectoris. Der Wirkungsme- chanismus ist vergleichbar dem der ß-Rezeptoren-Blok- kade. Das Ausmaß der Funk- tionsverbesserung ist in der Regel deutlich geringer als nach aortokoronarer Bypass- operation. Eine Prognosever- besserung von Koronarpa- tienten durch körperliches Training ist bislang nicht be- wiesen, jedoch auch nach aortokoronarer Bypass-Ope- ration nur für bestimmte Pa- tienten. Patienten mit geringer Angina pectoris und einer 1- Gefäßerkrankung können zu- nächst trainiert werden. Pa- tienten mit schwerer Angina pectoris und einer Mehrgefäß- erkrankung oder einer Haupt- stammstenose sollten operiert werden.

ten gleich? Die Situation ist ähnlich wie bei Behandlung mit Betarezep- torenblockern. Wenn vor Beginn der Behandlung mit Bewegungsthera- pie oder Betarezeptorenblockern re- lativ hohe Herzfrequenzen in Ruhe und bei Belastung vorliegen, dann können diese erheblich gesenkt werden, und in der Regel kann man einen deutlichen Therapieeffekt er- warten.

Wenn die Herzfrequenzen aber von Haus aus niedrig sind, dann können sie nicht mehr deutlich gesenkt wer- den, weder durch körperliches Trai- ning noch Betarezeptorenblockade.

In einem solchen Fall ist der zu er- wartende Therapieeffekt gering.

Ein weiterer wichtiger Gesichts- punkt ist folgender: Körperliches Training wird in den seltensten Fäl- len heute alleine angewandt, son- dern meistens kombiniert mit den übrigen konservativen Therapieele- menten, insbesondere mit der Kor- rektur von Risikofaktoren und mit medikamentöser Therapie. Diese übrigen konservativen Therapieele- mente werden in der Regel auch

Die Bedeutung des Sports in der Therapie

der koronaren Herzerkrankung

Helmut Roskamm und Ladislaus Samek

Aus dem Benedikt-Kreutz-Rehabilitationszentrum für Herz- und Kreislaufkranke Bad Krozingen

(Geschäftsführender ärztlicher Direktor:

Professor Dr. med. Helmut Roskamm)

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Normal- Personen

Watt 200 300

HF-

200- 180- 160- 140- 120- 100- 80- 60-

R

Normal- Personen

Normal- Personen 3,5mg Prindolol

Watt 100 200 100

R

HF-

200- 180- 160- 140- 120- 100 - 80- 60-

0-

Darstellung 1: Herzfrequenz bei Normalpersonen, Radrennfahrern und Nor- malpersonen nach Gabe eines Betablockers.

Darstellung 2: Myokardiale Kontraktilitätsänderung (dp/dt max) unter körper- licher Belastung bei Sportlern und bei Normalpersonen nach Gabe von Beta- Blocker Prindolol. Gestrichelt: X -T-2SD Bereich von gesunden Untrainierten dp/dt rnax

[mm Hg/sec

8 x -io3 7 6 5 4 3

2 1 0

50 100 150 200 250 300

I

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NORM.PERS.n.10mg LB46 WATT

R 50 100 150 200

dp/dt max 8- x10'

7 6 5 4 3 2 1 WATT 0

Koronarpatienten und körperliches Training

nicht vergessen, wenn oder weil kör- perliches Training angewandt wird.

Anders ist die Situation bei der heut- zutage zur Verfügung stehenden chirurgischen Therapiemöglichkeit.

Körperliches Training kann sich im

Endeffekt dann ungünstig für den Patienten auswirken, wenn zu viel Zeit damit vergeudet wird und bei bestimmten Patienten nicht an eine rechtzeitige chirurgische Therapie.

gedacht wird. Aus diesem Grunde

stellt sich uns heutzutage die Frage, konservativer Therapie unter Ein- schluß des körperlichen Trainings oder chirurgische Therapie.

Ein Vergleich der beiden Therapie- verfahren, Bewegungstherapie und Koronarchirurgie, soll in folgenden Punkten erfolgen:

O Funktionelle Besserung: Angina pectoris und ischämische ST-Sen- kung,

O Prognoseverbesserung, O Prävention von Herzinfarkten, O Begrenzung der Bewegungsthe-

rapie, bei der chirurgische Therapie möglich ist,

O Kontraindikationen der Bewe- gungstherapie, bei denen chirurgi- sche Therapie möglich ist.

1. Funktionelle Besserung gemes- sen an Angina pectoris und isch- ämischer ST-Senkung

Selbstverständlich führt körperli- ches Training bei vielen Patienten über die Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs zu einer Bes- serung der Angina pectoris und zu einer höheren Arbeitstoleranz. Un- ser Eindruck ist jedoch der, daß durch Bypasschirurgie in der Regel eine viel stärkere Zunahme der Ar- beitstoleranz erreicht wird.

Nach Ergebnissen von Sanne et al.

zeigten Patienten mit Myokardin- farkt und Angina pectoris eine 42- prozentige Verbesserung der Ar- beitstoleranz nach neun Monaten Training; auch die Kontrollgruppe zeigte jedoch eine 16prozentige Zu- nahme. Der Gesamtgewinn an Ar- beitstoleranz ist somit nicht sehr groß. Der Effekt der aortokoronaren Bypasschirurgie auf die Angina pec- toris-freie Arbeitstoleranz ist dage- gen viel größer. Wenn auch die Un- tersuchungsmethodik nicht ver- gleichbar ist, so zeigt sich doch für eine Gesamtgruppe unserer operier- ten Patienten eine sehr bedeutsame Zunahme der Angina-pectoris-freien

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1-Gefäß- 2-Gefäß- 3-Gefäß - Erkrankung

n=33 n.102 n.243

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vor nach TRAINING (733M.)

n = 97

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vor nach BYPASS - OP

n = 377

Watt 100-

75 -

25-

mV 0.2 --

0.1 —

0

Darstellung 3: lschämische ST-Senkung unter maximaler körperlicher Belastung vor und nach durchschnittlich 33 Monaten Training (Radke, et al.) und Bypass-Operation (Roskamm, et al.)

Darstellung 4: Angina-pectoris-freie Leistung prä- und postoperativ bei 378 Patienten mit 1-, 2- und 3-Gefäß- Erkrankungen (X-T-SD)

Leistungsfähigkeit von ungefähr 30 Watt präoperativ auf 80 Watt post- operativ, also um mehr als 100 Pro- zent. Für eine große Gruppe er- scheint somit der erzielbare Gewinn durch Koronarchirurgie viel größer zu sein.

Sehr viel deutlicher wird der Unter- schied dieser beiden Therapiever- fahren bei Betrachtung der ischämi- schen ST-Senkung während maxi- maler Belastung.

Körperliches Training führt zu keiner entscheidenden Verbesserung, die Koronarchirurgie jedoch zu einer deutlichen Abnahme der ischämi- schen ST-Senkung während maxi- maler Belastung von 2,1 mm präope- rativ auf 0,2 postoperativ. Postopera- tiv ist somit im Durchschnitt kaum noch eine ischämische ST-Senkung nachweisbar (Darstellung 3).

2. Prognoseverbesserung

Führt körperliches Training zu einer Prognoseverbesserung bei Koronar- patienten? Es gibt widersprüchliche Aussagen zu dieser Frage.

Die größte und zugleich randomi- sierte Studie (n = 315) liegt wahr- scheinlich wiederum von Sanne vor.

Während einer 4-Jahres-Periode zeigte die Trainingsgruppe etwas weniger Todesfälle (n = 28) als die Kontrollgruppe (n = 35). Der Unter- schied ist jedoch statistisch nicht si- gnifikant. Wie ist die Situation bei der aortokoronaren Bypasschirur- gie? Die vieldiskutierte Veterans-Ad- ministrätion-Studie hat gezeigt, daß mit Ausnahme der linken Haupt- stammstenose, Koronarchirurgie während der Beobachtungszeit nicht zu einer Verbesserung der Prognose geführt hat.

Diese Studie ist jedoch auf viel Kritik gestoßen. Ich nenne nur einige Punkte: relativ hohe Operationsmor- talität mit 5,6 Prozent, relativ hohe Bypass-Verschlußrate mit 31 Pro- zent und hohe Frequenz von cross- over: 17 Prozent der ursprünglich in die medizinische Gruppe eingeteil- ten Patienten wurden wegen schwe- rer Angina pectoris dann doch ope- riert.

Im Anschluß an die VA-Studie haben mehrere Arbeitskreise in den USA die Überlebenskurven ihrer chirur- gisch behandelten Patienten mit den Überlebenskurven der medizinisch Behandelten der VA-Studie vergli- chen. Dabei wurde Wert darauf ge- legt, daß die Patienten in den be- kannten, die Prognose bestimmen- den Faktoren, vergleichbar waren.

Bei einem solchen Vorgehen konnte Flemma zeigen, daß bei der 1-Gefäß-

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Koronarpatienten und körperliches Training

erkrankung keine Prognoseverbes- serung feststellbar ist. Bei der 2-Ge- fäßerkrankung doch schon eine deutliche (96 Prozent Überlebende nach 4 Jahren gegenüber 87 Pro- zent), bei der 3-Gefäßerkrankung ei- ne sehr deutliche (93 Prozent ge- genüber 73 Prozent).

Ähnliche Ergebnisse liegen von Hall aus Houston vor. Wir dürfen also damit rechnen, daß die Koronar- chirurgie nicht nur bei der linken Hauptstammstenose, sondern auch bei der Mehr-Gefäßerkrankung eine Prognoseverbesserung herbeiführt.

Sehr interessant scheint uns in die- sem Zusammenhang auch das Er- gebnis von Campeau. Von den 65 Patienten, die ein Jahr nach der Operation eine optimale Bypass- Versorgung aufwiesen, das heißt je- des mehr als 50prozentig stenosier- te Gefäß war mit einem offenen By- pass versehen, lebten nach weiteren sechs Jahren noch 98 Prozent. Die Mortalität ist sogar geringer als die einer altersentsprechenden Normal- bevölkerung.

Über die Chance einer vollständigen Revaskularisation läßt sich ohnehin erst nach Kenntnis des koronaran- giographischen Befundes urteilen.

Somit erscheint es uns wichtig, daß die Koronarangiographie, eine Un- tersuchung mit äußerst geringem Risiko, möglichst häufig eingesetzt wird (Tabelle 1), besonders bei fol- genden Patientengruppen: Starke Angina pectoris auf niedrigen Bela- stungsstufen mit starker ischämi- scher ST-Senkung sowie Angina pectoris nach durchgemachtem Herzinfarkt. Hier muß in vermehrtem Maße mit schwerer Koronarerkran- kung wie 3-Gefäßerkrankung und linker HaJptstammstenose gerech- net werden.

3. Prävention von Myokardinfarkten

Aus der Studie von Sanne geht her- vor, daß körperliches Training wohl nicht imstande ist, Myokardinfarkte zu verhindern. Während einer vier- jährigen Beobachtungszeit treten in der Trainingsgruppe und in der Kon-

trollgruppe ungefähr gleich viele Myokardinfarkte auf (25 und 28 Pa- tienten). Dieser Punkt ist jedoch auch bei der Koronarchirurgie glei- chermaßen unsicher. Es ist bislang nicht erwiesen, daß Koronarchirur- gie Myokardinfarkte verhindert. Viel- leicht wird der Nachweis eines Ta- ges gelingen, wenn das Auftreten des perioperativen Myokardinfarkts weiter reduziert werden kann.

4. Begrenzung der Bewegungsthe- rapie, wenn Chirurgie gut möglich ist

In folgenden Patientengruppen muß mit einem nur geringen Effekt der Bewegungstherapie gerechnet wer- den.

• Bradykardie in Ruhe und bei Be- lastung (Sick-Sinus-Syndrom) O Schwere Angina pectoris (3-Ge- fäßerkrankung und linke Haupt- stammstenose)

• Koronare Herzkrankheit mit Zweiterkrankungen, die die körperli- che Leistungsfähigkeit beeinträchti- gen (Claudicatio intermittens, Bein- amputationen, Athrosen und ähn- liche)

Bei Patienten mit Bradykardien in Ruhe und bei Belastung ist in der Regel kein sehr großer Trainingsef- fekt zu erwarten. Hier liegt eine ähn- liche Situation vor, wie bei Behand- lung dieser Patienten mit ß-Rezepto- ren-Blockern. Der Effekt der Koro- narchirurgie, der ja auf einem ganz anderen Wirkungsmechanismus be- ruht, ist jedoch bei diesen Patienten nicht eingeschränkt.

Auch bei Patienten mit schwerer An- gina pectoris, bei denen häufig eine 3-Gefäßerkrankung oder linke Hauptstammstenose vorliegt, ist meistens kein wesentlicher Trai- ningseffekt zu erzielen. Auch sollte man hier wegen der schlechten Pro- gnose nicht viel Zeit mit Trainings- programmen vergeuden. Hellerstein fand, daß in einer Gruppe, die auf körperliches Training kaum oder nicht reagierte, sehr viel mehr Pa-

tienten mit 3-Gefäßerkrankung wa- ren als in der Gruppe, in der ein deutlicher Trainingseffekt auf Dauer nachweisbar war.

Die Koronarchirurgie hingegen zeig- te bei 3-Gefäßerkrankten einen ge- nauso großen Operationsgewinn wie bei 1- und 2-Gefäßkranken (Dar- stellung 4).

5. Gibt es Patienten mit Kontraindi- kationen für körperliches Training, bei denen eine Koronarchirurgie sehr wohl zur Anwendung kommen kann?

In der Literatur werden in der Regel folgende Kontraindikationen für körperliches Training angegeben:

O Ruheherzinsuffizienz

Q Akute Myokarderkrankungen (akute Myokarditis, akuter Herzin- farkt auch bei Verdacht)

• Schwere Angina pectoris (Ruhe AP, Crescendo AP)

O Hypertonie 220 mmHg systo- lisch und/oder 120 mmHg diasto- lisch)

• Akute Thrombophlebitis

• Aneurysma dissecans

fl

Lebensbedrohliche Rhythmus- störungen

Uns interessieren die Punkte 3:

schwere Angina pectoris, dazu ge- hören die Ruhe Angina pectoris und auch die Crescendo Angina pectoris und 7: lebensbedrohliche Rhyth- musstörungen.

Unter bestimmten Umständen kann selbstverständlich ein Patient mit schwerer Angina pectoris oder mit Crescendo Angina pectoris nach entsprechender medikamentöser Stabilisierung auch ein gewisses Maß an Bewegungstherapie durch- führen. Eines erscheint uns aber wichtig; solche Patienten sollten auf keinen Fall in Rehabilitationsein- richtungen eingewiesen werden, die

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nicht über die gesamten diagnosti- schen und therapeutischen Mög- lichkeiten verfügen. Dasselbe gilt für Patienten mit lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen, besonders dann, wenn diese durch körperliche Belastung provoziert werden. Koro- narchirurgische Eingriffe sind bei solchen Patienten nach entspre- chender Vorbereitung selbstver- ständlich möglich. Dies sind also Beispiele dafür, daß Kontraindika- tionen für körperliches Training vor- liegen können, die nicht gleichzeitig Kontraindikationen für Koronarchi r- urgie darstellen.

Insgesamt gibt es Patienten, bei de- nen Koronarchirurgie zur Anwen- dung kommen muß, und es gibt Pa- tienten, bei denen innerhalb der ge- samten konservativen Therapie zu- nächst einmal auch die Bewegungs- therapie eingesetzt werden kann. ln Darstellung 5 haben wir versucht, dies schematisch darzustellen. Wie anfangs dargestellt, kann kör- perliches Training sich auch schäd- lich auswirken. Bei Postinfarktpa- tienten mit sehr großer Narbe ist das Restmyokard überlastet, diese Über- lastung sollte durch körperliches Training nicht noch verstärkt wer-

den. Andernfalls kann der Patient in

eine Herzinsuffizienz hineingetrie- ben werden, was in vielen Einzelfäl- len beobachtet wurde.

Nach eigenen Untersuchungen kann man den sehr großen Vorderwand- infarkt mit Hilfe des Ruhe-EKG vor- aussagen. Weisen im Ruhe-EKG mehr als vier Ableitungen (V1 bis V6, I, aVL) infarkt-typische Q-Zacken oder OS-Komplexe auf, liegt in je- dem Fall eine große Narbe vor, die mehr als 30 Prozent der Zirkumfe- renz des linken Ventrikels ausmacht.

Nur wenn die Kontraindikationen ausreichend beachtet werden, ist es möglich, Bewegungstherapie bei Koronarpatienten mit geringen Komplikationsraten durchzuführen;

in den letzten fünf Jahren hatten wir bei 156 000 Patientenstunden Bewe- gungstherapie einen Todesfall, bei weiteren vier Patienten war eine Wiederbelebung erfolgreich.

Tabelle 1: Anzahl der Untersuchungen und Todesfälle im Rehabili- tationszentrum Bad Krozingen vom 18. Oktober 1972 bis 30. Septem- ber1978

Ergametrie ohne invasive Maßnahmen Ergametrie mit Einschwemmkatheter Koronarangiographie

Linke Haupt . Stammstenose

Schwere thera · pierefraktäre AP

Gesamtanzahl

19 299 11 415 5 904

Todesfälle

2 0

Leichte Ang. pect.

ohne starker ST

I

und PCP I

1 ·Gefäß·

Erkrankung

Darstellung 5: Indikationen zur Koronarchirurgie und Bewegungstherapie (schematische Darstellung)

Nach unserer Meinung sollte kör- perliches Training bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung nicht pauschal angewandt werden, son- dern sehr individuell dosiert unter Berücksichtigung der wesentlichen Befunde des einzelnen Patienten.

Es gibt sicherlich Patienten, die sehr deutlich vom körperlichen Training profitieren, andere werden wahr-

scheinlich nur in ihrem allgemeinen

Wohlbefinden gebessert.

Weiter gibt es sicherlich auch Pa- tienten, deren Zustand durch ein zu stark dosiertes körperliches Trai- ning verschlechtert wird.

..,.. Die Zeit, in der allzu aktive Bewe- gungstherapiefanatiker Koronarpa- tienten unabhängig von ihren Be- funden in großen Sportgruppen ein- heitlich trainierten, sollte endgültig vorbei sein.

Patienten mit koronarer Herzerkran-.

kung profitieren sicherlich von der lebenslangen Betreuung. Das kör- perliche Training in sogenannten Koronargruppen ist eine gute Schie- ne, mit deren Hilfe die übrige Be- treuung des Patienten besser mög- lich wird. Es ist anzunehmen, daß der Patient nicht nur trainiert, son- dern sein Gesundheitsbewußtsein insgesamt positiv umstellt. l>

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Koronarbypass-Chirurgie verlängert Überlebenszeit

FÜR

SIE GELESEN

Das Ergebnis der ersten psychoana- lytischen Voraussagestudie, die die Lebensgeschichte des Individuums von der Konzeption bis in die Er- wachsenenzeit verfolgt, ergab, daß konstitutionelle Typen während des ganzen Lebens persistieren. Konsti- tutionelle Typen fallen besonders in der individuellen sensomotorischen Aktivität des Neugeborenen wäh- rend der ersten Lebenstage auf. So gefundene Aktivitätstypen sind das Resultat von genetischer Ausstat- tung, intrauterinem Leben, Geburts- prozeß und des Lebens während der ersten sechs Wochen. In dieser ein- zigartigen Zeitspanne, der soge- nannten präpsychischen Phase, zeigt das Kind ausschließlich sub- kortikal-reflektorische Reaktionen.

Der elterliche Einfluß während die- ser Phase wird mit dem Lorenz- schen Begriff der Prägung vergli-

Die Bypass-Chirurgie erhöht nicht nur die Beschwerdefreiheit der Pa- tienten, sondern hat anscheinend auch einen günstigen Effekt auf die Überlebenszeit, besonders bei Mehrgefäßerkrankungen.

Verglichen wurde die Überlebens- zeit bei 1-Gefäß-, 2-Gefäß- und 3- Gefäß-Erkrankungen über 6 bis 10 Jahre bei 741 operierten Patienten mit der Überlebenszeit von 388 kon- servativ behandelten. Dabei sind To- desfälle während des stationären Aufenthalts sowie kardiale und nicht kardial bedingte Exitus zusammen- gefaßt. Ausschlußgründe waren an- geborene Herzfehler, rheumatische Herzvitien und vorausgegangene Herzoperationen. Bei 1-Gefäß-Er- krankungen ergab sich keine Über- legenheit der chirurgischen Thera- pie (nach fünf Jahren 88,3 Prozent Überlebende bei konservativer The- rapie gegenüber 91,5 Prozent bei

chen. Mehrere jahrzehntelange Lon- gitudinalstudien mit dauernd wie- derholten Voraussagen über die psychische und physische Entwick- lung des Kindes konnten Freuds Feststellung belegen, daß die Kon- stitution bei Neurosen eine große Rolle spielt.

Die neue Voraussagetechnik de- monstrierte auch den Wert psycho- analytischer Prävention und trug zur Erfassung normaler und pathologi- scher Ich-Entwicklungen bei. Rha

Fries, M. E.: Longetudinal study: prenatal period to parenthood, Journal of the American psychoanalytic association 25 (1977) 115-132, Margaret E. Fries, M. D. 103 East 86 Street, New York, N. Y. 10028 - Arlow, J. A., Starman, M. L.:

Developmental and longetudinal study of a constitutional complex, Journal of the Ameri- can psychoanalytic association 25 (1977) 133-140, Marvin L. Starman, M. D., 21701 West Eleven Mile Road, Suite 10.-, Southfield, Michi- gan 48076

chirurgischer Behandlung). Bei 2- Gefäß-Erkrankungen ist das Verhält- nis 68,5 Prozent gegenüber 87,8 Prozent, bei 3-Gefäß-Erkrankungen 56,2 Prozent gegenüber 84,8 Pro- zent und bei Verschluß des linken Hauptstamms 55,6 Prozent gegen- über 85,5 Prozent. In die besseren chirurgischen Resultate einbezogen ist die operative Mortalität, sie be- trug bei 1-Gefäß-Erkrankungen 1,7 Prozent, bei 2-Gefäß-Erkrankungen 3,1 Prozent, bei 3-Gefäß-Erkrankun- gen 4,3 Prozent und bei Befall der linken Hauptarterie 9,5 Prozent.

Trotz dieser ermutigenden Ergeb- nisse ist die Koronarchirurgie nur eine symptomatische Therapie, das entscheidende Problem bleibt die Prävention der Atherosklerose. Jns

SheldonMD, W. C.: Effect of bypass graft surgery on survival: A 6 to 10 year follow-up study of 741 patients, Cleve Clin Q 45 (1978) 166-168

Koronarpatienten

Schlußfolgerung

Abschließend ist zu sagen: Das kör- perliche Training sollte sich nicht in eine gegensätzliche Position zur Ko- ronarchirurgie hineindrängen las- sen. Beide Therapiewege müssen einander ergänzen. Auch bei Patien- ten, bei denen die Koronarchirurgie indiziert ist, ist es außerordentlich nützlich, wenn vorher — soweit wie möglich — ein körperliches Trai- ningsprogramm durchgeführt wird.

Auch nach der Operation empfiehlt sich ein körperliches Training, wel- ches nach Möglichkeit sogar le- benslang durchgeführt werden soll- te. Bewegungstherapie sollte sich also als eine ergänzende Maßnahme verstehen, und das nicht nur in der konservativen internistischen Thera- pie der koronaren Herzerkrankung, sondern auch als Ergänzung zur chirurgischen Therapie.

Literatur

Campeau, L.: Survival following aortocoronary bypass graft surgery. Cleveland clin. quart. 45 (1978), 160 - Flemma, R. J.: The effects of aortocoronary bypass surgery on life expec- tancy - a non-randomized study, in: Coronary heart surgery - a rehabilitation measure, Sym- posium, Bad Krozingen 1978, im Druck - Hall, R. J.: Does coronary bypass surgery prolong life expectancy? in: Coronary heart surgery - a rehabilitation measure. Symposium, Bad Kro- zingen 1978, im Druck - Heiss, H. W.; Barmey- er, J.; Wink, K.; Hell, G.; Cerny, F. J.; Keul, J.

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Schmuziger, M.; Weisswange, A.; Jauch, K.-W.;

Petersen, J.; Stürzenhofecker, P.; Görnandt, L.; Samek, L.; Hahn, Ch.: Ergometrische und hämodynamische Ergebnisse nach aorto-ko- ronarer Bypass-Operation bei 378 Patienten Schweiz. med. Wschr. 107 (1977) 1888-1896 - Sanne, H.: Physical training after myocardial infarction, in: Critical Evaluation of Cardiac Rehabilitation, Biblthca. cardiol. 36 (1977) 164-173

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. Helmut Roskamm Dr. med. Ladislaus Samek

Benedikt Kreutz Rehabilitationszen- trum für Herz- und Kreislaufkranke Bad Krozingen e. V.

Südring 15, 7812 Bad Krozingen

Konstitution beeinflußt Psyche

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Referenzen

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