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Archiv "Sekundärprävention der koronaren Herzerkrankung: Körperliches Training als Therapiepfeiler" (10.10.2003)

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M E D I Z I N

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A2650 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4110. Oktober 2003

K

ardiovaskuläre Erkrankungen ha- ben im Vergleich zu anderen Krankheiten nach wie vor die höchste Morbidität und Mortalität in westlichen Industrienationen. Neben interventionellen Techniken und phar- makologischer Therapie spielt die Le- bensstilintervention eine wichtige Rolle in der Prävention, Therapie und Reha- bilitation dieser Erkrankungen (16, 17, 31). Daher wird in der kardiovas- kulären Sekundärprävention von den großen kardiologischen und sportmedi- zinischen Gesellschaften wie der Ame- rican Heart Association, dem American College of Sports Medicine, der Deut- schen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Gesellschaft für Sport- medizin und Prävention eine regel- mäßige, gezielte körperliche Aktivität von vier bis fünf Trainingseinheiten pro Woche zu je 30 bis 45 Minuten bei mäßi- ger Intensität mit dynamischer Bela- stungsform im ischämie- und symptom- freien Herzfrequenzbereich zusätzlich zu einer aktiven Lebensweise empfoh- len (Textkasten) (1, 5). Im Folgenden

werden die wissenschaftlichen Daten, auf denen diese Empfehlungen beru- hen, dargestellt und die gesicherten wie auch die noch hypothetischen Mecha- nismen der positiven Wirkung körperli- cher Aktivität diskutiert.

Körperliche Bewegung und kardiovaskuläre Mortalität

Die positiven Effekte der körperlichen Aktivität in der kardiovaskulären Se- kundärprävention kommen auf drei verschiedenen Ebenen zum Tragen (Grafik 1) (29). Höchste Priorität hat die Reduktion der Morbidität und

Mortalität durch Lebensstilinterventi- on. Diesem untergeordnet ist die Ver- besserung morphologischer und funk- tioneller Parameter wie Koronarmor- phologie und Endothelfunktion, und die Verbesserung metabolischer Risi- kofaktoren. Körperliche Aktivität soll- te demnach nur dann als Therapieopti- on im Sinne von evidenzbasierter Me- dizin betrachtet werden, wenn das primäre Ziel, die Verbesserung der Prognose des Patienten, in Studien be- legt werden kann (29). Dies wird im Cochrane Report basierend auf einer Metaanalyse über den Einfluss körper- licher Aktivität und Lebensstilinter- vention bei 8 440 Patienten mit klinisch gesicherter koronarer Herzerkrankung (KHK) untersucht (12), frühere Meta- analysen werden bestätigt (17, 25, 26).

So kann durch alleinige Intensivierung der körperlichen Aktivität sowohl die Gesamt- wie auch KHK-Mortalität um 27 Prozent beziehungsweise 31 Prozent reduziert werden. Der Effekt körperli- cher Aktivität ist hier sogar wesentlich ausgeprägter als für andere Lebensstil-

Sekundärprävention der koronaren

Herzerkrankung

Körperliches Training als Therapiepfeiler

Zusammenfassung

Neben der pharmakologischen Therapie spielt die Intervention des Lebensstils eine herausra- gende Rolle in der Sekundärprävention kar- diovaskulärer Erkrankungen. Von den großen kardiologischen und sportmedizinischen Ge- sellschaften wird eine körperliche Aktivität mäßiger Intensität mit primär dynamischer Be- lastung, im ischämie- beziehungsweise sym- ptomfreien Bereich empfohlen. Zusätzlich zur aktiven Lebensweise sollten vier bis fünf Trai- ningseinheiten pro Woche à 30 bis 40 min durchgeführt werden. Durch körperliche Be- wegung können die Progression der korona- ren Atherosklerose reduziert, die Endotheldys- funktion normalisiert und die kardiovaskulä- ren Risikofaktoren verbessert werden. Dieses spiegelt sich in einer Reduktion der kardiovas- kulären Morbidität und Mortalität wider. Auf-

grund der Evidenz einer positiven Wirkung körperlicher Aktivität in der Sekundärpräven- tion sollte die Therapieoption der körperlichen Bewegung unbedingt in das „Disease Mana- gement“ kardiovaskulärer Erkrankungen inte- griert werden.

Schlüsselwörter: Sportmedizin, Prävention, Re- habilitation, körperliche Aktivität, koronare Herzkrankheit

Summary

Physical Exercise in Secondary Prevention of Coronary Heart Disease

Life-style intervention in addition to pharmaco- logical therapy has been shown to be essential in the secondary prevention of cardiovascular disease. The American Heart Association and

American College of Sports Medicine propose daily physical activity of moderate intensity.

Here dynamic exercise without evidence of ischemia consisting of four to five training ses- sions of 30 to 40 min per week are recommend- ed. This intervention has been shown to im- prove prognosis in coronary heart disease. This is explained by exercise-induced improvements of cardiovascular risk factors e.g. dyslipopro- teinemia, insulin resistance and inflammation, normalization of endothelial dysfunction and reduction of atherosclerosis. Because of the strong evidence of the benefit of exercise in cardiovascular rehabilitation, this therapeutic approach should be included in the disease management of every cardiovascular patient.

Key words: sports medicine, prevention, reha- bilitation physical exercise, coronary heart dis- ease

1Abteilung Kardiologie und Pneumologie (Lehrstuhl Prof.

Dr. med. Gerd Hasenfuss), Herzzentrum, Medizinische Universitätsklinik, Georg-August-Universität, Göttingen

2Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin (Lehrstuhl Prof. Dr. med. Hans-Hermann Dickhuth), Me- dizinische Universitätsklinik, Albert-Ludwig-Universität, Freiburg

3Präventive und Rehabilitative Sportmedizin (Leiter:

Prof. med. Martin Halle, Klinikum rechts der Isar, Techni- sche Universität, München

Martin Halle1, 3 Aloys Berg2 Gerd Hasenfuss1

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interventionen, hat aber keinen Effekt auf die Inzidenz nicht tödlicher Myo- kardinfarkte (12).

Neben der körperlichen Aktivität ist auch die körperliche Fitness ein wesent- licher Mortalitätsprädiktor bei bekann- ter KHK. Dies wird durch eine aktuelle epidemiologische Studie bestätigt, die bei mehr als 6 000 Personen mit und oh- ne KHK eine inverse Beziehung zwi- schen körperlicher Fitness in der Ergo- metrie und Mortalität über einen Beob- achtungszeitraum von sechs Jahren auf- zeigen konnte (22). KHK-Patienten in der höchsten Fitnessquintile mit einem MET > 10,5 (Leistung als Metaboli- sches Äquivalent: MET = 3,5 mL Sauer- stoffaufnahme/kg Körpergewicht/min;

1 MET entspricht der Sauerstoffauf- nahme im Sitzen) haben eine vierfach geringere Mortalität als Patienten mit geringer körperlicher Leistungsfähig- keit (MET < 5). Diese Befunde unter- streichen, dass sowohl körperliche Ak- tivität als auch Fitness eine zentrale Be- deutung in der Sekundärprävention der KHK einnehmen.

Einfluss körperlicher

Aktivität auf morphologische und funktionelle Parameter

Endothelfunktion

Der Reduktion der Mortalität unterge- ordnet, aber für die Erklärung der Pa- thogenese der positiven Wirkung kör- perlicher Aktivität wichtig, sind Er- kenntnisse zum Einfluss von körperli- cher Aktivität auf Endothelfunktion, Koronarmorphologie und Plaquepro- gression beziehungsweise -instabilität.

Als erste Manifestation und Frühstadi- um der Atherosklerose wird eine ge- störte Gefäßfunktion, die so genannte Endotheldysfunktion, angesehen, die das Vorstadium zum atheroskleroti- schen Plaque und zur Koronarstenose bildet. Eine Endotheldysfunktion der Koronarien kann zum Beispiel während der Koronarangiographie über eine In- jektion von Acetylcholin in das Koro- nargefäß festgestellt werden. Bei nor- maler Funktion kommt es nach Injekti- on zu einer Dilatation des Gefäßes. Die- ses wird über Stickstoffmonoxid (NO) vermittelt, welches konsekutiv vom

Endothel sezerniert wird und zu einer Relaxation der glatten Muskulatur und damit Dilatation des Gefäßes führt. Ist die Funktion des Endothels zur Freiset- zung von NO gestört, wie dies bei Pati- enten mit Risikofaktorenkonstellation der Fall ist, so zeigt sich nach Injektion von Acetylcholin durch direkte Wir- kung auf die glatte Muskulatur eine pa- thologische Vasokonstriktion. Diese pa- thologische Reaktion kann durch kör- perliches Training positiv beeinflusst werden (6, 23). Ein vierwöchiges Trai- ning auf dem Fahrradergometer von täglich 10 min bei 80 Prozent der maxi- malen Herzfrequenz führt zu einer Nor- malisierung der Endotheldysfunktion bei Patienten mit KHK, während dieser Effekt bei der Kontrollgruppe ausbleibt (10). Hier spielt die Induktion der endo- thelialen NO-Synthese durch erhöhten Fluss und erhöhte Wandspannung während körperlicher Aktivität eine zentrale Rolle (6). Darüber hinaus hat eine erhöhte Konzentration von NO am Endothel weitere positive Effekte auf die Atherogenese wie die Reduktion der endothelialen Adhäsion und sub- endothelialen Migration von Makro- phagen, verminderte Oxidation von Li- poproteinen, verminderte Schaumzell- bildung und geringerer Proliferation glatter Muskelzellen.

Koronarmorphologie

Neben der Verbesserung der Endothel- funktion hat körperliche Bewegung in Kombination mit weiterer Lebensstil- verbesserung auch günstige Effekte auf die Koronarmorphologie. Im Lifestyle Heart Trial von D. Ornish et al. konnte bei einem selektionierten Patientenkol- lektiv von 35 Personen (20 in der Inter-

ventionsgruppe) gezeigt werden, dass eine strikte vegetarische Diät mit einem Fettanteil < 10 Prozent und eine regel- mäßige aerobe körperliche Bewegung bei leichter bis moderater Intensität in Kombination mit Stresstherapie, Psy- chotherapie und Raucherentwöhnung bereits nach einem Jahr zu einer fünf- prozentigen Reduktion der Koronar- stenosen und nach fünf Jahren zur wei- teren Verbesserung der Koronarmor- phologie führt. Demgegenüber war in der Kontrollgruppe eine signifikante Progression der Koronarstenosen von mehr als zehn Prozent zu beobachten (27, 28). Ähnliche Ergebnisse konnten an einem größeren Patientenkollektiv in der Heidelberger Studie zum Ein- fluss von Bewegung auf die Koronar- morphologie in der Herzgruppe belegt werden. So konnte eine verringerte Progression der Koronarstenosen nach sechs Jahren in der Gruppe beobachtet werden, die einem gezielten körperli- chen Training auf dem Ergometer von täglich 30 min bei 75 Prozent der maxi- malen Herzfrequenz zusätzlich zu zwei- mal wöchentlicher Bewegung von 45 min nachging (24). Zusätzlich wurde diesen Patienten eine Diät entspre- chend den Vorgaben der American Heart Association mit einem reduzier- ten Fettanteil von < 20 Prozent, einem Cholesterinanteil < 200 mg/d und einem Quotienten aus ungesättigten zu gesät- tigten Fettsäuren (P/S-Quotient) von >

1 empfohlen. Eine Regression des Ste- nosegrades wurde nur in der Interventi- onsgruppe beobachtet und kann dann erwartet werden, wenn der Gesamtka- lorienverbrauch der körperlichen Be- wegung bei circa 1 750 kcal/Woche liegt (24). Interessanterweise zeigte sich zu- dem, dass körperliche Bewegung gerin- geren Ausmaßes (dreimal/Woche, 60 Prozent maximale Sauerstoffaufnah- me) zwar die Koronarmorphologie oder Restenoserate nach PTCA bezie- hungsweise Stentimplantation nicht messbar beeinflusst, dass aber eine Ver- besserung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zu beobachten ist, die mit einer Reduktion kardialer Ereignis- se und Rehospitalisierungsrate einher- geht (2).

Klinisch weiterreichende Erkennt- nisse zur bedeutenden Rolle der kör- perlichen Bewegung bei manifester M E D I Z I N

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Leitlinien zur Bewegung in der kardiovaskulären Sekundärprävention

Körperliche Aktivität

>mäßige Intensität, dynamische Belastung, Herzfrequenz im ischämie- und symptomfreien Bereich

>vier bis fünf Trainingseinheiten pro Woche

>30 bis 45 min pro Trainingseinheit

>zusätzlich aktive Lebensweise Textkasten

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KHK zeigen aktuelle Daten aus dem Herzzentrum Leipzig (21). In dieser randomisierten Studie, an der 101 Pati- enten mit stabiler KHK mit Stenosen >

50 Prozent teilnahmen, wurde ein tägli- ches Ergometertraining von 20 min bei 70 Prozent der maximalen Herzfre- quenz gegenüber einer interventionel- len Therapie mit PTCA und Stentim- plantation verglichen. Beide Gruppen erhielten zusätzlich eine vergleichbare pharmakologische Therapie. Nach zwölf Monaten zeigte sich, dass körperliches Training mit einer signifikant geringe- ren Komplikationsrate (70 Prozent ver- sus 88 Prozent in der Kontrollgruppe) und Folgekosten (3 700 Aversus 7 000 A) assoziiert war (21).

Aufgrund dieser Ergebnisse kann postuliert werden, dass körperliche Be-

wegung über eine Verbesserung der Endothelfunktion und einer Redukti- on der Progression der KHK zu einer Senkung der Mortalität führt. Die Do- sis der körperlichen Aktivität, die diese positiven Effekte induziert, ist aller- dings relativ hoch und übersteigt die zweimalige körperliche Aktivität pro Woche in der ambulanten Herzgruppe um ein Vielfaches. Ob die Dosis der körperlichen Bewegung, die zu einer Verbesserung der Endothelfunktion führt (sechsmal 10 min/Woche, 80 Pro- zent HFmax), auch ausreicht, eine Re- duktion der Progression der KHK zu induzieren, bleibt offen. Dieses ist bis- her nur für Umfänge von täglich 30 min bei ähnlicher Intensität gezeigt wor- den.

Plaquestabilität

Neben langfristigen Änderungen der Koronarmorphologie spielt die Stabi- lität von Koronarplaques klinisch ei- ne weitaus entscheidendere Rolle (4, 13, 19). Die Bedeutung der körperli- chen Aktivität und ihr Einfluss auf die Plaquestruktur beziehungsweise Plaque- ruptur ist allerdings bisher nur unzu- reichend untersucht worden. Einzig epidemiologische Studien zur akuten körperlichen Belastung als Auslöser ei- nes akuten Myokardinfarktes bei kli- nisch Gesunden deuten darauf hin, dass das Risiko innerhalb der ersten Stunde nach Belastung um ein Vielfaches höher ist als in den darauffolgenden Stunden (7, 20). Hierbei wird die körperliche Be- lastung als signifikant angesehen, wenn sie über 5,5 MET liegt, also einer Be- lastungsintensität entspricht, die mehr als das Fünffache des Grundumsatzes entspricht und mit „Schwitzen“ bezie- hungsweise teilweise anaerobem Stoff- wechsel einhergeht. Interessanterweise haben nur diejenigen Personen ein er- höhtes Myokardinfarktrisiko nach kör- perlicher Belastung, wenn ähnliche Be- lastungsintensitäten im Alltag nicht vorkommen. Wird bereits einmal pro Woche eine vergleichbare Aktivität durchgeführt, sinkt die Inzidenz eines Myokardinfarktes für diese Personen im Zusammenhang mit körperlicher Belastung dramatisch. Die niedrigsten Werte werden für diejenigen beobach- tet, die mehr als viermal pro Woche kör- perlich aktiv sind (20).

Da epidemiologische Studien zur Beziehung von körperlicher Aktivität und Myokardinfarktinzidenz in der Sekundärprävention bisher fehlen, bleiben die Erkenntnisse auf ein kli- nisch gesundes Patientenkollektiv be- schränkt. Obwohl die Übertragung auf Patienten mit KHK wahrscheinlich ist, wird dies in zukünftigen Studien zu prüfen sein.

Dass körperliche Aktivität den

„Trigger“ zur Auslösung eines akuten Myokardinfarktes darstellen kann, ist möglicherweise durch den Einfluss auf Plaquemorphologie, -stabilität und -ruptur zu erklären. In histomorpho- logischen Schnitten von Koronarplaques zeigte sich, dass die Plaques, die wäh- rend körperlicher Belastung rupturie-

ren, eine andere Morphologie aufwei- sen als die, die während Ruhephasen aufbrechen (3). Ob körperliche Akti- vität einen stabilisierenden Effekt auf die Plaquemorphologie hat, bleibt hy- pothetisch. So könnte aber das redu- zierte Risiko eines akuten Myokardin- farktes bei regelmäßiger Freizeitakti- vität erklärt werden. Für diese Mecha- nismen scheint aber eine deutlich gerin- gere Belastungshäufigkeit als für die Beeinflussung der Endothelfunktion oder Regression von Koronarstenosen ausreichend zu sein.

In diesem Bereich bleiben noch viele Fragen offen, deren Beantwortung je- doch von herausragender klinischer Be- deutung ist. Es gilt zu klären, warum körperliche Belastung akut eine Pla- queruptur induzieren kann, aber eine Dosis körperlicher Aktivität von 20 min/Woche bei einer Intensität von

> 5,5 MET ausreicht, dieses Risiko deutlich zu reduzieren, und ob dieses in gleicher Weise für Patienten mit kli- nisch manifester KHK zutrifft.

Körperliche Aktivität und kardiovaskuläre Risikofaktoren

Körperliche Inaktivität in Kombinati- on mit Fehlernährung und Adipositas sind entscheidende Faktoren für die Ausprägung kardiovaskulärer Risiko- faktoren (Grafik 2), die durch körper- liche Bewegung und Fitness günstig beeinflusst werden können. So ist das Mortalitätsrisiko bei Hypercholeste- rinämie oder Diabetes mellitus bei gu- ter körperlicher Belastbarkeit in der Ergometrie (> 8 MET) um 50 Prozent niedriger als bei eingeschränkter Be- lastbarkeit (< 5 MET) (22). Dieses wird primär durch Verbesserungen im Lipidstoffwechsel erklärt. So kann körperliches Training und Ernährungs- umstellung ohne pharmakologische Therapie in den ersten Monaten nach Myokardinfarkt eine Reduktion des LDL-Cholesterins von 20 Prozent in- duzieren (24, 32). Dieser positive Ef- fekt kann allerdings auf lange Sicht nur mit additiver, lipidsenkender Therapie gehalten werden (11). Gleichzeitig wird auch die Insulinresistenz durch körperliche Bewegung positiv beein- flusst. Exemplarisch sollen hier die Er- M E D I Z I N

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Ebenen der Beweisführung zur Bedeutung der körperlichen Aktivität als Therapiepfeiler in der kardiovaskulären Sekundärprävention

Grafik 1

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gebnisse aus der Primärprävention (Finnish Diabetes Prevention Study) herausgestellt werden, die auf die Se- kundärprävention übertragbar sind. In einem Interventionszeitraum von vier Jahren zeigte sich, dass durch körperli- che Bewegung und Ernährungsumstel- lung bei übergewichtigen Männern und Frauen mit eingeschränkter Glu- cosetoleranz die Manifestation des klinischen Typ-2-Diabetes-mellitus um fast 60 Prozent reduziert werden konn- te (33). Dies unterstützt Erkenntnisse aus epidemiologischen Studien, die ge- zeigt haben, dass Intensitäten von min- destens 5,5 MET bei einem Umfang von 20 min pro Woche notwendig sind, um das Risiko eines Typ-2-Diabetes- Mellitus zu reduzieren. Je höher die In- tensität und je länger die Belastung, umso größer ist die Risikoreduktion (18). Diese Daten aus der Primär- prävention können wahrscheinlich auf die Sekundärprävention übertragen werden. Es bleibt allerdings offen, ob diese Effekte sich ähnlich günstig auf die Progression der KHK auswirken wie die Beeinflussung des Lipidstoff- wechsels.

Neben den klassischen Risikofakto- ren hat sich innerhalb der letzten Jahre gezeigt, dass eine erhöhte Entzün- dungskonstellation einen wichtigen In- dikator eines erhöhten kardiovas- kulären Risikos darstellt (14, 15). So ist das Risiko eines kardiovaskulären Er- eignisses bei erhöhter systemischer Konzentration von Entzündungsfakto- ren wie C-reaktives Protein, Fibrino- gen oder Adhäsionsmoleküle gestei- gert. Ihre Wertigkeit entspricht dem klassischer kardiovaskulärer Risiko- faktoren wie LDL-Cholesterin (30).

Unklar bleibt, ob diese Entzündungs- faktoren eigenständig für eine Progres- sion der Atherosklerose verantwortlich sind oder nur den aktiven Progress der Atherogenese widerspiegeln. Erste Studien deuten darauf hin, dass körper- liche Aktivität diese Entzündungskon- stellation günstig beeinflussen kann.

So können sowohl systemische Kon- zentrationen von Entzündungsfakto- ren wie Tumornekrosefaktor-αund In- terleukin-6 als auch zelluläre Adhäsi- onsmoleküle wie ICAM-1, VCAM-1 oder P-Selektin durch einjährige, mul- tifaktorielle Intervention (dreimal 60

min/Woche Spazierengehen, 1 300 kcal Diät) bei übergewichtigen Personen ohne manifeste KHK reduziert werden (34). Dies zeigt einen neuen Mechanis- mus der positiven Wirkung körperli- cher Bewegung und Ernährungsum- stellung bei bekannter Risikokonstel- lation auf. Diese Mechanismen weiter zu eruieren und auf den Bereich der Se- kundärprävention auszuweiten wird ein spannendes Thema der nächsten Jahre sein, da insbesondere Adipositas, Diabetes mellitus und auch Dyslipo- proteinämie mit einer erhöhten Ent- zündungskonstellation assoziiert sind (8, 9).

Resümee

Die ausgewählten Studien zeigen, dass körperliche Bewegung auf drei ver- schiedenen Ebenen – Mortalität, Atherogenese, Risikofaktoren (Gra- fik 1) – einen festen Platz in der Se- kundärprävention der koronaren Herz- erkrankung einnimmt und bestätigt die Empfehlungen der großen kardio- logischen und sportmedizinischen Ge- sellschaften. Trotzdem bleiben viele Fragen offen, die in den nächsten Jah- ren zu klären sind. Hier stehen insbe- sondere die Beeinflussung der Plaque- stabilität und die hierfür zugrunde lie- genden Mechanismen im Vordergrund des Interesses. Der Einfluss körperli-

cher Bewegung auf Rhythmusstörun- gen und die Inzidenz des plötzlichen Herztodes ist ebenfalls bisher unzurei- chend geklärt, obwohl dieses Thema von großer klinischer Bedeutung ist.

Zudem wird der Bereich der metaboli- schen Risikokonstellation und hier insbesondere die Beeinflussung der Entzündungskonstellation weitere in- teressante Aspekte der nicht pharma- kologischen Intervention eröffnen. Es wird die Aufgabe der Kardiologie in Zusammenarbeit mit der Sportmedi- zin, der Sportwissenschaft und Ernäh- rungsmedizin sein, diese offenen Fra- gen im Bereich der Grundlagenfor- schung wie auch klinischen Anwen- dung zu klären.

Die positiven Effekte der Lebensstil- intervention in Verbindung mit phar- makologischer und invasiv operativer Therapie sind allerdings bereits so stich- haltig, dass diese in das optimale „dis- ease management“ jedes Patienten mit KHK integriert werden sollten. Hierfür müssen allerdings die Voraussetzungen insbesondere an den Akutkliniken und im Bereich der hausärztlich sowie fachärztlichen Betreuung verbessert werden. Über diese Therapievernet- zung kann sowohl die Zufriedenheit der Patienten als auch die Prognose verbessert und die Kostenspirale gün- stig beeinflusst werden. Das Gesund- heitssystem sollte auf diese kostengün- stige Therapiestrategie der gezielten körperlichen Bewegung insbesondere bei kardiovaskulären Erkrankungen nicht verzichten.

Manuskript eingereicht: 24. 2. 2003; revidierte Fassung angenommen: 27. 5. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2650–2656 [Heft 41]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit4103 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Martin Halle

Präventive und Rehabilitative Sportmedizin Klinikum rechts der Isar

Technische Universität München Connollystraße 32, 80809 München E-Mail: hallemartin@netscape.net M E D I Z I N

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A2656 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4110. Oktober 2003

Kardiovaskuläre Risikofaktoren und die Be- einflussung durch körperliche Aktivität

Grafik 2

Weiter Informationen im Internet:

www.cochrane.org

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