Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 49|
10. Dezember 2010 A 2459N
atürlich kann man darüber streiten, ob es nicht schon genug Kunstmessen in Deutschland gibt, und dennoch hat die Idee, erst- malig eine Messe für zeitgenössi- sche Kunst in München zu kreieren, durchaus Reiz, denn im Gegensatz zu Berlin, Düsseldorf oder Köln sind von der bayerischen Landes- hauptstadt in den vergangenen Jahr- zehnten vergleichsweise wenig Im- pulse für die aktuelle bildende Kunst ausgegangen, weder vonsei- ten des Kunstmarkts noch vonseiten der hiesigen Kunstakademie. Eine produktive Wechselbeziehung zwi- schen Kunstmarkt und Kunstschaf- fen hat sich jedoch in der Vergan- genheit als förderlich für das Ent- stehen einer kreativen Kunstszeneerwiesen. Entsprechend vollmundig hatten die verantwortlichen Aus- stellungsorganisatoren Wolf Krey aus Kiel und der Galerist Michael Schultz, Berlin, „eine junge, frische internationale Messe für zeitgenös- sische Kunst mit gewohnt Etablier- tem und dazu viel künstlerischem Neuland“ angekündigt. Doch An- spruch und Ausführung klafften weit auseinander. Das zeigte sich bereits im Eingangsbereich, wo den Besucher in einer aufwendigen In- stallation geflügelte Putten aus Marmor und textile Arbeiten des Modemachers Wolfgang Joop emp- fingen. Was bitte haben diese Wer- ke mit frischer, zeitgenössischer Kunst zu tun?
Ein weiteres Manko stellte die zwar hochgelobte, aber für Ausstel- lungszwecke kaum geeignete Ar- chitektur des Postpalasts dar. Ers- tens reichte der Platz nur für etwas mehr als 30 Galerien, was generell für eine Messe mit internationalem Anspruch zu wenig ist, und zweitens
erlaubte der Rundbau keine Kojeneinteilung.
Dies hatte zur Folge, dass einander gegenüberlie- gende Stände optisch nicht getrennt waren und durch die Vielzahl der unterschiedlichsten Exponate der Eindruck einer kunterbunten Belie- bigkeit entstand, die der Qualität der einzelnen Bilder nicht gerecht wur- de. Von Künstlern, die auf der Mes- se vertreten waren, hörte man, dass sie sich unter Wert ausgestellt fühl- ten und keine Arbeiten mehr zur Verfügung stellen würden, falls die Messe unter den gleichen Bedin- gungen im nächsten Jahr stattfinden sollte. Eine mögliche Alternative wäre ein Ausweichen auf Einzelaus-
stellungen gewesen, doch hätte dies die Attraktivität der ohnehin räum- lich kleinen Messe beeinträchtigt.
Der letztlich entscheidende Vor- behalt gegenüber der Organisation der Messe gründet jedoch in der wenig professionellen Vorbereitung, die sich unter anderem in der man- gelnden Einbindung der wichtigsten Münchener Galerien für zeitgenös- sische Kunst äußerte. Selbst in örtli- chen Galeristenkreisen war dement-
sprechend die Existenz der Messe kaum bekannt, wie überhaupt die Ankündigungen für die Messe sehr zu wünschen ließen. Bei den hohen Standkosten konnte man nicht er- warten, dass die Galeristen auch noch die Werbetrommel in Eigen - regie rührten. Unglücklich war zu- dem das zeitliche und örtliche Zu- sammentreffen mit dem nahegele- genen Münchener Oktoberfest. Von Wies’nbesuchern war wohl kaum zu erwarten, dass sie Interesse an der Kunstmesse finden würden, an- dererseits war es durchaus denkbar, dass der eine oder andere Kunstinter - essierte durch die zum Oktoberfest massiv erhöhten Hotelpreise von ei- nem Besuch abgeschreckt wurde.
Die Leidtragenden waren die Künstler, deren Werke in dem schwierigen Umfeld nicht die er- hoffte Aufmerksamkeit fanden.
Dennoch konnte man einige Neu- entdeckungen machen. So impo- nierten die Bilder Sandra Acker- manns (Galerie Voss, Düsseldorf) mit ihren meist weiblichen Protago- nistinnen in bedrohlichem Ambien- te, und auf dem Gebiet der Foto- kunst ragte Hans-Christian Schink (Galerie Rothamel Frankfurt/Main, Erfurt) gegenüber viel Mittelmaß hervor. Beeindruckend war vor al- lem eine faszinierende Langzeitbe- lichtung einer Landschaft in Kap -
pa dokien. ■
Helmut Jaeschke
K U L T U R
MUNICH CONTEMPO
Eine vertane Chance
Selbst in örtlichen Galeristenkreisen war die Existenz der Messe für zeitgenössische Kunst kaum bekannt.
Frische, zeit- genössische
Kunst? Die geflügelten Putten von Modemacher Wolfgang Joop
Foto: munich contempo
Für Ausstellungs- zwecke kaum geeignet: der Post- palast in München
Foto: Postpalast