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Archiv "Ambulante Versorgung: Die KBV will die Folgen der Budgetierung offenlegen" (05.03.1999)

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m eine kontinuierliche medi- zinische ambulante Versor- gung der Bevölkerung auch weiterhin auf hohem Niveau zu ge- währleisten, werden KBV und KVen auch gegenüber der neuen Regie- rungskoalition darlegen, daß dies in ei- nem auf Solidarität gegründeten Ge- sundheitssystem durch sektorale Bud- getierungen nicht mehr möglich ist.

Wenn Patienten, ihrem Krankheitszu- stand angemessen, qualitativ hoch- wertig und auf der richtigen Ebene des Versorgungssystems – und das ist in der Regel (90 Prozent) die ambulante Behandlung – versorgt werden sollen, so müssen genau dort für diese Lei- stungen ausreichende Finanzmittel bereitgestellt werden. Dies gilt für die Vergütung der ärztlichen Leistungen ebenso wie für notwendige veranlaßte Leistungen. Stehen diese Finanzmittel wegen der politisch festgelegten strik- ten sektoralen Budgetierung nicht an der richtigen Stelle zur Verfügung, muß der Patient dort behandelt wer- den, wo die Mittel verfügbar sind, oder es muß zu einer Rationierung der Lei- stungen kommen. Niemand kann von einem Vertragsarzt erwarten, daß er für die notwendigen Arznei- und Heil- mittel seiner Patienten, nur wegen zu knapp bemessener politischer Bud- gets, den das Budget übersteigenden Betrag aus seinem erarbeiteten Hono- rar finanziert.

Neben der politisch-argumentati- ven Auseinandersetzung mit der ge- setzlich verfügten sektoralen Budge- tierung ist es jedoch auch erforderlich, den niedergelassenen Ärzten im tägli- chen Umgang mit den gegebenen Rah- menbedingungen für die Versorgung ihrer Patienten Handlungshilfen be- reitzustellen. Dies bedeutet nicht, daß

diese Rahmenbedingungen damit an- erkannt würden. Der Vorstand der KBV hat deshalb im Einvernehmen mit dem Länderausschuß beschlossen, Informationen und Handlungshilfen zur Ausschöpfung von Wirtschaftlich- keitsreserven auf der Basis der Arznei- und Heilmittel-Richtlinien, zu innova- tiven und teuren Versorgungsangebo- ten (verbunden mit der Frage, ob die Politik auf diese Versorgungsoptionen angesichts knapper Ressourcen zu ver- zichten gedenkt) und zum Stand der Budgetausschöpfung bereitzustellen.

Diese Informationen sollen die Vertragsärzte in die Lage versetzen, drohende Regresse mit allen negati- ven Folgen, auch für die Versorgung, zu vermeiden. Die KBV ist sich be- wußt, daß der Vertragsarzt in der Um- setzung der gesetzlichen Vorgaben die Hauptlast zu tragen hat. Die Sorge, daß sich Kollegen auch durch „Mar- keting mit dem Rezeptblock“ Vorteile gegenüber denjenigen verschaffen, die bereit sind, ihren Patienten die Notwendigkeit von Einschränkungen in der Versorgung zu vermitteln, wird durch die Einführung individueller Regresse relativiert.

Leistungsausschlüsse konsequent realisieren

Eine wichtige Unterstützung für die politischen Bemühungen der Standesvertretung leistet jeder einzel- ne Arzt, wenn er nicht – wie in der Vergangenheit – versucht, möglichst geräuschlos und weitgehend unbe- merkt von der Öffentlichkeit die Ver- sorgung auf einem halbwegs akzepta- blen, medizinisch vertretbaren Ni- veau zu halten. Dies mit der begrün-

deten Sorge, in der Zukunft doch noch zur Kasse gebeten zu werden.

Jeder Vertragsarzt wird zukünftig ge- zwungen sein, konsequent alle gesetz- lichen Leistungsausschlüsse und alle ihm von den Kassen und der Politik abverlangten Wirtschaftlichkeitsre- serven bei der Behandlung seiner Pa- tienten zu realisieren und sie zugleich auf diese politisch, nicht jedoch medi- zinisch begründeten Zwänge hinzu- weisen.

Handlungshilfen zum Umgang mit den Budgets

Die KBV wird zunächst im ersten Halbjahr 1999 etwa alle drei Wochen Handlungshilfen für den Vertragsarzt zum Umgang mit den Budgets und Richtgrößen in Form von Beilagen zum Deutschen Ärzteblatt zu den nachstehenden Themen aufbereiten:

c gesetzlich vorgegebene Lei- stungsausschlüsse

c Auswahl wirtschaftlicher Ge- nerika und Darreichungsformen und Umgang mit Kombinationspräpara- ten c wirtschaftlicher Umgang mit Innovationen

c Umgang mit Verordnungs- wünschen und Krankenhausentlas- sungsrezepten

c konsequenter Einsatz von pra- xisinternen Positivlisten

c wirtschaftlicher Umgang mit Heilmitteln

c indikationsbezogene Beispiele zum zusätzlichen Finanzbedarf durch innovative Versorgungskonzepte.

Die Handlungshilfen basieren auf gesetzlichen Bestimmungen und den Arznei- und Heilmittelrichtlinien.

A-528 (24) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999

P O L I T I K AKTUELL

Ambulante Versorgung

Die KBV will die Folgen der Budgetierung offenlegen

Weil die Politik weiterhin auf Budgets beharrt,

sollen die Kassenärzte nicht länger schweigen, sondern ihre Patienten mit den Sachzwängen konfrontieren.

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enn ein Staat zerbricht und sein Gebiet in einem zweiten, nach einem ande- ren Gesellschaftssystem organisierten Staat aufgeht, dann wechseln seine Bürger nicht nur den Paß. Sie müssen sich plötzlich in einer für sie fremden Welt zurechtfinden, und das kann bei manchen schwere Konsequenzen für die Psyche haben. Ein Beispiel sind die neuen Bundesländer: Hier wich der „real existierende Sozialismus“ – mit wenig Freiheit für den einzelnen, aber einem sicheren Leben für den Bürger, der dem Staat nicht negativ gegenüberstand – der Demokratie und Marktwirtschaft nach westdeut- schem Muster. Über die Folgen be- richtete Dr. med. Margit Venner, Lei- tende Ärztin der Abteilung für inter- nistische Psychotherapie der Klinik für Innere Medizin an der Friedrich- Schiller-Universität Jena (FSU), auf einem Symposium des Klinischen In- stituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität

Düsseldorf. Mit Dr. med. Irene Mis- selwitz, ehemals Leiterin der Psycho- therapieabteilung der Klinik für Psychiatrie der FSU, hat Venner meh- rere Artikel zum Thema veröffent- licht.

Ohne Arbeit in die Isolation

Die beiden Ärztinnen verglei- chen die Wende mit einem schweren Erdbeben, dessen Folgen jeder spür- te. Alte Ideale und Ideologien galten im neuen Staat kaum etwas; der kom- plette Lebensentwurf des einzelnen war plötzlich in Frage gestellt. Soziale Netzwerke lösten sich auf, etwa durch den Verlust des Arbeitsplatzes: Die Betriebsgemeinschaft war im alten Staat ein besonders wichtiges soziales Kollektiv gewesen. Ohne Arbeit ge- rieten nun viele Menschen in Isolati- on. Bei fast allen Bürgern der ehema- ligen DDR führte die Wende zu vor-

übergehenden vegetativen Sympto- men wie Schwitzen, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Später traten verstärkt regelrechte Angstkrankhei- ten auf, etwa Phobien, Herzfunktions- störungen, Panikattacken und Angst- neurosen. Die Zahl dieser Störungen stieg nach der Wende stetig, trotzdem nutzten weniger Patienten als zuvor psychotherapeutische Hilfe.

Mittlerweile kommen die Patien- ten wieder. Ihre Krankheiten sind je- doch andere als zu DDR-Zeiten, hat Venner beobachtet. „Patienten mit klassischen Neurosen sind kaum noch zu finden, und auch die klassischen Psychosomatosen sehen wir seltener als früher“, stellt sie fest. Häufig da- gegen seien Eßstörungen, schwere Angstkrankheiten und depressive Er- krankungen. Venner sieht bei den meisten eine frühe strukturelle Störung als Grund der Krankheit.

Erstmanifestationen solcher Störun- gen gebe es in allen Altersstufen.

Die Ursache solcher Störungen sehen Venner und Misselwitz darin, daß alte Mechanismen zur Lebensbe- wältigung nicht mehr angemessen sind und neue erst erworben werden müssen. Dies treffe besonders Men- schen, die aufgrund einer in der Kind- heit gestörten seelischen Entwicklung keine stabile Ich-Struktur und damit kein stabiles Abwehrsystem besäßen.

Viele von ihnen hatten in der DDR unauffällig gelebt: entweder als Teil- haber an repressiver Machtausübung oder in ständiger Gegnerschaft zum Regime. Doch die strikte Trennung in Feind- und Freundbilder funktioniert jetzt nicht mehr. „Die Patienten sind nicht in der Lage, den Konflikt auszu- halten, daß im neuen Staat gute und böse Aspekte nebeneinander beste- hen“, erklärte Venner. Die Folge: „Sie dekompensieren“, ihre psychische Störung manifestiert sich. Unter an- deren gesellschaftlichen Bedingungen wäre diese Dekompensation eventu- ell schon viel früher erfolgt.

Das Fazit von Venner und Missel- witz: Ein ganzes Volk steckt in einer Lebenskrise. Die beschriebenen Irri- tationen und Gesundheitsstörungen als Folge des gesellschaftlichen Wan- dels werden in Deutschland noch lan- ge ein Thema sein. Um die Krise zu bewältigen, seien zwei Dinge wichtig:

„Zeit und Verständnis.“ AE A-529

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999 (25) Die Informationen werden auch auf

den Internetseiten der KBV unter www.kbv.de veröffentlicht. Flankie- rend stellen die KVen Handzettel und Wartezimmerplakate für Patienten zur Verfügung. In der Patientenzeit- schrift „medizin heute“ werden die erzwungenen Versorgungseinschrän- kungen ebenfalls thematisiert und zielgruppengerecht dargestellt. Die einzelnen KVen begleiten die Aktion gegebenenfalls zusätzlich durch eige- ne Aktivitäten.

Sofern Sie sich als Vertragsärzte nach Gesetz und Richtlinien konse- quent wirtschaftlich verhalten und Ihnen von seiten der Krankenkassen

oder der Politik der Vorwurf gemacht wird, die Versorgung nicht im ge- wünschten Umfang bereitzustellen, bitten wir Sie, uns dies schriftlich mit- zuteilen und dabei „Roß und Reiter“

zu benennen (KBV, Dezernat 4, Her- bert-Lewin-Straße 3, 50931 Köln). Auf diese Weise kann sehr schnell deutlich gemacht werden, daß die Folgen poli- tisch festgesetzter Budgets unter der übergeordneten Zielsetzung einer be- darfsgerechten und wirtschaftlichen Versorgung nicht ausreichend be- dacht worden sind.

Prof. Dr. med. Wolfgang Brech Dr. med. Jürgen Bausch

Kassenärztliche Bundesvereinigung

Psychotherapie nach der Wende

Die Schäden

des Erdbebens heilen

Die Wende führte bei vielen Menschen in der ehema- ligen DDR zu psychischen Störungen, denn gesellschaftliche Umwälzungen sind ein schwerwiegender Streßfaktor.

W

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