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Archiv "Von interdisziplinärer Bedeutung: Das HELLP-Syndrom - eine schwere Komplikation der Gestose" (23.02.1989)

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Tabelle 1: Laborscreening beim HELLP-Syndrom

Laborparameter Ergebnisse

GOT GPT LDH

Bilirubin (indirekt) freies Hb

Blutausstrich Thrombozyten

t t t t

Fragmentozyten, Anisozytose, Poikilozytose

t

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

AKTUELLE MEDIZIN

M

it der Einführung des einprägsamen Begriffes HELLP-Syndrom (H für Hämolyse, EL für erhöhte Leberenzymwerte = elevat- ed liver enzymes und LP für niedrige Thrombozytenzahlen = low platelet counts) in die Literatur ist es Wein- stein 1982 (12) gelungen, den Ge- burtshelfer mit dieser seit langem bekannten, schweren Komplikation der Präeklampsie neu zu konfrontie- ren und ihn auf das hohe fetale und maternale Risiko dieser Erkrankung hinzuweisen. Spiegelbild dieser Be- wußtseinsprägung ist die Tatsache, daß in den letzten Jahren dieses Krankheitsbild häufiger und recht- zeitiger diagnostiziert wird.

Die Inzidenz des HELLP-Syn- droms wird derzeit mit einem Er- krankungsfall auf 150 bis 300 Gebur- ten angegeben (6/13). Das gestörte Gleichgewicht zwischen Prostazyklin und Thromboxan A2 führt bei der Präeklampsie zu segmentalen Vaso- spasmen mit Endothelläsionen und Fibrinablagerungen, die resultieren- de Mikroangiopathie zum Ver- brauch von Thrombozyten und zur Schädigung der Erythrozyten (Frag- mentozyten) mit Hämolyse (Abbil- dung 1). Bedingt durch Obstruktion des Blutflusses in den Lebersinus- oiden kommt es beim HELLP-Syn- drom zu Fibrinablagerungen und zu einer Dehnung der Leberkapsel; die dadurch entstehende Schmerzsym- ptomatik im Oberbauch stellt das kli- nische Leitsymptom der Erkrankung dar.

Entscheidend für die Diagnose HELLP-Syndrom ist der Nachweis

der typischen laborchemischen Kon- stellation (Tabelle 1) in Verbindung mit den Zeichen der Präeklampsie.

Dabei kann sich auch bei leich- ter Schwangerschaftshypertonie das Vollbild des HELLP-Syndroms ent- wickeln (6, 7, 8, 12). Die Problematik des HELLP-Syndroms liegt vor al- lem in der sicheren Diagnosestel- lung, da pathologische hämatologi- sche Veränderungen in Verbindung mit Leber- und Nierenfunktionsstö- rungen andere Organerkrankungen imitieren und erhebliche differen- tialdiagnostische Schwierigkeiten mit sich bringen können. Fehldia- gnosen wie akute Hepatitis, Hiatus- hernie, idiopathisch-thrombozytope- nische Purpura, hämolytisch-urämi- sches Syndrom und andere führen häufig erst über „interdisziplinäre Umwege" zur korrekten Diagnose- stellung.

Der Verlauf des HELLP-Syn- droms ist unkalkulierbar. Einzelfäl- len mit kompletter Rückbildung der Thrombozytopenie und Leberfunk- tionsstörung unter medikamentöser Therapie (1, 3, 7, 11) stehen Verläu-

fe mit rascher, therapierefraktärer Exazerbation des Krankheitsbildes innerhalb weniger Stunden gegen- über (8, 10). Darüber hinaus stel- len schwerwiegende Komplikationen wie Abruptio placentae, akutes Nie- renversagen, Lungenödem und vor allem zerebrale Blutungen ein ho- hes, unabschätzbares Risiko für Mutter und Kind dar. Dies trifft in besonderem Maße auch für die auf dem Boden subkapsulärer Hämato- me entstehende Leberruptur mit massiver intraabdominaler Blutung zu, eine Komplikation, die mit einer mütterlichen Letalität zwischen 56 und 75 Prozent und einem Abster- ben des Feten in 62 bis 77 Prozent der Fälle belastet ist (2, 5).

Nach einer eigenen Literaturzu- sammenstellung liegt die mütterliche Mortalität beim HELLP-Syndrom zwischen drei und fünf Prozent und die perinatale Mortalität zwischen 12 und 33 Prozent (9). Im Hinblick auf diese hohe maternale und fetale Ge- fährdung und den unvorhersehbaren Verlauf der Erkrankung sollte nach eigenen Erfahrungen unverzüglich nach Diagnosestellung eine rasche Schwangerschaftsbeendigung (gege- benenfalls durch Kaiserschnitt) vor- genommen werden (9). Unsere Er- gebnisse bei 32 Patientinnen mit HELLP-Syndrom, die sämtlich durch Sectio caesarea entbunden wurden, sind in Tabelle 2 zusammen- gefaßt. Dabei wird deutlich, daß die frühzeitige Diagnose und schnelle Entbindung von ausschlaggebender prognostischer Bedeutung für Mut- ter und Kind sind.

Trotz kontroverser Diskussion über das geburtshilfliche Vorgehen (3, 4, 10) — abwartende Haltung mit Induktion der Lungenreifung in Ab-

Von interdisziplinärer Bedeutung

Das HELLP-Syndrom eine schwere

Komplikation der Gestose

Werner Rath, Wolfgang Loos, Walther Kuhn und Henner Graeff

A-464 (48) Dt. Ärztebl. 86, Heft 8, 23. Februar 1989

(2)

Abbildung: Blutausstrich mit fragmentierten Erythrozyten hängigkeit vom Gestationsalter vs

sofortige Entbindung, gegebenen- falls durch Sectio caesarea - halten wir vor dem Hintergrund unserer gu- ten perinatalen Ergebnisse (Tabelle 2) die rasche Schwangerschaftsbeen- digung durch abdominale Schnitt- entbindung für indiziert. Nur bei günstigem Muttermundbefund, bei dem innerhalb eines kurzen, kalku- lierbaren Zeitraumes mit der Geburt zu rechnen ist, kann die vaginale Entbindung diskutiert werden. Da- bei ist allerdings das Risiko einer Le- berruptur, bedingt durch intraabdo- minale Druckerhöhung oder Trauma (etwa Kristellern) in die geburtshilf- lichen Überlegungen miteinzubezie- hen.

Schlußfolgerungen

Das HELLP-Syndrom stellt eine schwere Komplikation der Prä- eklampsie mit unkalkulierbarem Krankheitsverlauf und hohem müt- terlichen und fetalen Risiko dar. Dif- ferentialdiagnostische Schwierig- keiten führen nicht selten zu einer verspäteten Diagnosestellung und Therapie. Jeder in der Schwangeren- betreuung tätige Arzt sollte bei Pa- tientinnen mit Oberbauchschmerzen in der Schwangerschaft, unabhängig vom Schweregrad der Gestose, an das Vorliegen eines HELLP-Syn- droms denken! Zur Früherfassung der Erkrankung ist bei jeder Schwan- geren mit Gestose und/oder Ober-

bauchschmerzen die Bestimmung der entsprechenden Laborparameter im Sinne eines Screenings empfeh- lenswert.

Im Hinblick auf die hohe Ge- fährdung von Mutter und Kind sollte unverzüglich nach Diagnosestellung die Sectio caesarea durchgeführt werden. Dies gilt vor allem für Pa- tientinnen mit unreifer Zervix. Über alternative konservative Therapie- verfahren (zum Beispiel Plasmaphe- rese) liegen derzeit noch keine aus- reichenden klinischen Erfahrungen vor. Jede Patientin mit HELLP-Syn- drom sollte in enger Kooperation mit dem Neonatologen und dem Anäs- thesisten, wenn möglich, in einem entsprechend eingerichteten ge- burtshilflichen Zentrum, entbunden werden. Unter Berücksichtigung die-

ser Kriterien kann das mütterliche Risiko vermindert und das perinata- le Ergebnis für das Kind verbessert werden.

Die in Klammem stehenden Zahlen bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Ver- fasser.

Anschriften für die Verfasser:

Privatdozent Dr. med. Werner Rath Universitäts-Frauenklinik Göttingen Robert-Koch-Straße 40

3400 Göttingen

Dr. med. Wolfgang Loos Frauenklinik und Poliklinik der Technischen Universität München

Klinikum rechts der Isar Ismaninger Straße 22 8000 München

Tabelle 2: Perinatale Ergebnisse bei Patientinnen mit HELLP-Syn- drom (UFK Göttingen, TU Frauenklinik München)

Zahl der Patientinnen n = 32

Intervall Klinikaufnahme - 3( = 6 Entbindung (Stunden) Bereich = 0,5 — 40

mütterliche Letalität n = 0

(Literatur: 3-5%) Revisionslaparotomie erforderlich n = 3

komplikationsloser Verlauf n = 29

kindliche Letalität n = 3 9,4%

(Literatur: 12-33%)

A-466 (50) Dt. Ärztebl. 86, Heft 8, 23. Februar 1989

Referenzen

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