MEDIZIN
durch die Suche nach konstitutiv akti- vierenden TSH-Rezeptormutationen bei entsprechendem klinischen Ver- dacht durch weitere Untersuchungen geklärt werden.
Daher sollten familiäre nicht au- toimmune Hyperthyreosen und spo- radische kongenitale Hyperthyreosen mit Schilddrüsenhyperplasie ohne eindeutigen Anhalt für eine autoim- mune Ätiologie einer molekularbio- logischen Diagnostik zur Suche nach konstitutiv aktivierenden TSH-Re- zeptormutationen zugeführt werden.
Die eindeutige molekularbiologische Diagnose erlaubt durch die Kenntnis der molekularbiologischen Ursache adäquate Therapieentscheidungen und gegebenenfalls auch eine präsym- ptomatische Diagnosestellung. So sollte geklärt werden, ob diese Hyper- thyreoseform initial besser mit einer kompletten Schilddrüsenresektion behandelt werden sollte, um die Rezi- divgefahr zu vermindern.
Funktionelle Unterschiede der konstitutiv aktivierenden TSH-Rezeptormutationen
Bisher wurden insgesamt zwölf verschiedene konstitutiv aktivierende TSH-Rezeptormutationen identifi- ziert. Alle befinden sich im sogenann- ten Transmembranbereich des TSH- Rezeptors. Dies ist der Teil des TSH- Rezeptors, welcher die Zellmembran siebenmal durchquert (Grafik 4). Be- reits die erste funktionelle Charakte- risierung der verschiedenen konstitu- tiv aktivierenden TSH-Rezeptormu- tationen zeigt ein unterschiedliches funktionelles Verhalten der verschie- denen Mutationen. Sie variieren zum Teil erheblich im Ausmaß ihrer kon- stitutiven Aktivität, und selbst unter- schiedliche Aminosäuresubstitutio- nen an der gleichen Position (623) führen zu einem unterschiedlichen funktionellen Verhalten (Grafik 5, [16]). Weitere Untersuchungen müs- sen zeigen, ob das funktionell unter- schiedliche Verhalten der verschiede- nen TSH-Rezeptormutationen den sehr unterschiedlichen klinischen Spontanverlauf der im euthyreoten Stadium diagnostizierten autonomen Schilddrüsenadenome erklären kann.
Die Diagnostik der unterschiedli-
AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
chen konstitutiv aktivierenden TSH- Rezeptormutationen ist aus einer üb- lichen Feinnadelaspirationszytologie des Knotens möglich (19).
Konstitutiv aktivierte Re- zeptoren als neues patho- physiologisches Prinzip
Der TSH-Rezeptor ist nicht das einzige Beispiel für pathophysiolo- gisch relevante, konstitutiv aktivie- rende Mutationen in G-Protein-ge- koppelten Rezeptoren. Konstitutiv aktivierende Mutationen des LH- Rezeptors wurden als die Ursache der familiären männlichen Pubertas präcox identifiziert (25,11). Mutatio- nen im Gen des Photorezeptors Rho- dopsin verursachen Retinitis Pig- mentosa oder kongenitale Nacht- blindheit. Ein Teil dieser Rhodopsin- mutationen führt zur konstitutiven Aktivierung des Rhodopsins (20).
Konstitutiv aktivierende Mutationen des PTH-Rezeptors sind die Ursache der Chondrodysplasie Typ Jansen, einer seltenen Form von Zwerg- wuchs (24). Schließlich werden be- stimmte Fellfarben der Maus durch konstitutiv aktivierende Mutationen des MSH-Rezeptors determiniert (22). Konstitutiv aktivierende Muta- tionen in G-Protein-gekoppelten Re- zeptoren sind daher ein neues und weit verbreitetes pathophysiologi- sches Prinzip
Fazit
für die
PraxisNicht nur bei der immunogenen Form der Hyperthyreose (Morbus Basedow) muß bei der Famili- enanamnese an eine familiäre Dispo- sition gedacht werden. Die autoso- mal dominante nicht autoimmune Hyperthyreose ist eine neue familiä- re Hyperthyreoseform.
Ein ähnliches klinisches Bild, je- doch mit isolierter, nicht vererbter Hyperthyreose und Schilddrüsenhy- perplasie kann durch sporadische Mutationen (Neomutationen) im TSH-Rezeptorgen entstehen.
Durch molekularbiologische Techniken ist eine eindeutige Diagno- stik dieser beiden neuen Hyperthy- reoseformen möglich.
Diese Arbeit wurde durch ein Heisenberg Stipendium der Deutschen Forschungsge- meinschaft (Pa 423/2-1) gefördert.
Herrn Professor Dr. K. Mann, Sprecher der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesell- schaft für Endokrihologie, danke ich für die kri- tische Durchsicht des Manuskripts.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärzteb11995; 92: A-2648-2654 [Heft 40]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Ralf Paschke
Medizinische Klinik und Poliklinik III Universitätsklinikum Leipzig Philipp-Rosenthal-Straße 27 04103 Leipzig
Glutaraldehyd-Colitis
Gelegentlich sieht man anläßlich einer endoskopischen Untersuchung entzündliche Veränderungen, die of- fensichtlich durch den Reinigungsein- lauf hervorgerufen wurden.
Auf eine andere Möglichkeit wei- sen die Autoren aus den USA hin. Bei unzureichend durchgespülten Gerä- ten können aus den Instrumentier- kanälen geringe Mengen zweiprozen- tige Glutaraldehyd-Desinfektionslö- sung in den Darm austreten und dort zu einer akuten toxischen Schleim- hautschädigung führen.
Der makroskopische Aspekt er- innert an die ischämische Colitis.
An die Möglichkeit einer Gluta- raldehyd-Colitis sollte insbesondere dann gedacht werden, wenn inner- halb von 24 Stunden nach einer primär unauffälligen Koloskopie sich akute blutigschleimige Durchfälle einstellen.
West AB, Kuan SF, Bennick M, Lagarde S: Glutaraldehyde Colitis Following En- doscopy: Clinical and Pathological Fea- tures and Investigation of an Outbreak.
Gastroenterology 1995; 108: 1250-1255.
Departments of Pathology and Internal Medicine, Yale University, New Haven, Connecticut 06520-8023, USA
A-2654 (70) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995