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Archiv "Kongenitale Katarakt: Ein ophthalmologischpädiatrischer Notfall" (17.09.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

ie Häufigkeit einer kongenita- V len ein- oder beidseitigen Ka- tarakt wird mit einem auf 250 neu- geborene Kinder angegeben (5)*).

In der Universitäts-Augenklinik Köln wurden in einem Zweijahres- zeitraum (Oktober 1982 bis Okto- ber 1984) 25 Kinder an einer ein- oder beidseitigen kongenitalen Katarakt operiert.

Visuserfolge vor Frühoperation Die zentrale Sehschärfe (Visus) der an einer kongenitalen Katarakt operierten Augen lag, auch wenn eine erfolgreiche Operation durchgeführt werden konnte und eine optimale Korrektur der Lin- senlosigkeit erfolgte, weit unter dem Sehvermögen normal sehen- der Augen. Hierfür wurden neben den Operationstechniken häufig vorliegende Kombinationsfehlbil- dungen an den Augen angeschul- digt (6, 7, 14). Auch nicht sichtbare Fehlbildungen im optischen Sy- stem einschließlich des Auges wurden postuliert (3). Außerdem bestand Klarheit darüber, daß die postoperativen Ergebnisse dann besser waren, wenn die Linsentrü- bungen nicht komplett waren und eine, wenn auch verminderte, Formwahrnehmung präoperativ bestanden haben mußte. Die Mit- teilungen über die Visuserfolge nach Operation einer einseitigen Katarakt waren einstimmig schlecht (2, 4, 6, 7, 14). Aus diesen Gründen wurde von vielen Auto- ren die Operation der einseitigen Katarakt weitgehend abgelehnt.

Neurophysiologie der Schwachsichtigkeit

Von der Behandlung der Schiel- schwachsichtigkeit ist bekannt, daß es eine optisch sensible Phase gibt, die bis etwa zum siebten Le- bensjahr reicht (13). In dieser Pha- se können Störungen der Form- wahrnehmung (Deprivation) auf dem betroffenen Auge zu einer Schwachsichtigkeit führen.

Hubel und Wiesel (17) gelang es erstmals 1963, durch Katzenexpe- rimente zu zeigen, daß ein unmit- telbar nach der Geburt vorgenom- mener Verschluß eines oder bei- der Augenlider für den kurzen Zeitraum von vier Wochen (Kat- zen) zu einer irreversiblen Schwachsichtigkeit führte. Hubel (8) konnte auch erstmals ein ana- tomisches Substrat für diese Am- blyopie nachweisen: Er fand eine Hypoplasie der Neurone, die zum verschlossenen Auge gehörten, im Corpus geniculatum laterale und in der primären Sehrinde.

Von Noorden und Crawford (13) führten entsprechende Experi- mente an Affen durch mit speziel- lem Bezug auf die klinische Rele- vanz beim Menschen. Sie konnten nachweisen, daß die Ursache der Amblyopie die fehlende Form- wahrnehmung auf dem betroffe- nen Auge darstellt. Im Tierexperi- ment konnten gleiche neurophy- siologische und neuroanatomi- sche Veränderungen bei künstlich erzeugter Innenschielstellung oder Veränderungen der Brech-

kraft eines Auges gefunden wer- den. Da verschiedene Bedingun- gen eine Amblyopie erzeugen kön- nen, wobei sich die im Tiermodell gewonnenen morphologischen und elektrophysiologischen An- omalien praktisch nicht unter- scheiden, hat von Noorden (12) für diese Reaktionseigenart des visu- ellen Systems den Begriff des Deprivationssyndroms geprägt.

Weiterhin konnte gezeigt werden, daß durch einen erzwungenen Ge brauch des amblyopen Auges (zum Beispiel durch Verschluß des nicht amblyopen anderen Auges) das Deprivationssyndrom in der optisch sensiblen Phase teilweise oder sogar vollständig reversibel ist. Dies konnte auch neuroanato- misch belegt werden (12, 13). Die im Tierexperiment gewonnenen Erfahrungen lassen sich mit de- nen beim Menschen vergleichen.

Die Schwierigkeit beim Menschen besteht in einer exakteren Festle- gung der auf Störungen der Form- wahrnehmung sensiblen Phasen:

> Bis etwa zur zwölften Lebens- woche muß eine Formwahrneh- mung ermöglicht sein, damit das visuelle System sich überhaupt entwickeln kann.

> Eine hohe Anfälligkeit des visu- ellen Systems auf Deprivation mit Entwicklung einer Amblyopie ist in den ersten zwei Lebensjahren an- zunehmen.

I> Vom dritten bis zum siebten Lebensjahr findet eine kontinuier- liche Abnahme der Empfindlich- keit des optischen Systems statt.

> Nach dem siebten Lebensjahr können keine höhergradigen Am- blyopien durch Deprivation entste- hen.

Aus der referierten Literatur soll für die kongenitale Katarakt noch einmal folgendes hervorgehoben werden: Neben der Frühoperation (möglichst bis zum Ende des drit- ten Lebensmonates) ist nicht nur die Entfernung der Katarakt, son- dern auch die sofortige Anpas-

Kongenitale Katarakt:

Ein ophthalmologisch- pädiatrischer Notfall

Rolf Meyer-Schwickerath und Walter Konen Aus der Universitäts-Augenklinik Köln

(Direktor: Professor Dr. med. Hellmut Neubauer)

83. Jahrgang Heft 38 vom 17. September 1986 (39) 2527 Ausgabe A

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Abbildung 1: Operationssitus konge- nitale Katarakt. Wenn die (verbliebe- nen) Linsentrübungen genügend Lichteinfall in das Auge gewähren, können diese Trübungen auch im regredienten Licht (vom Augenhin- tergrund reflektiertes Licht) beurteilt werden (oben rechts). Oben links:

Situs vor der Operation; oben rechts: Einführen des Saugschnei- degerätes von links unten, Spülka- näle von rechts unten. Jeder Schnitt ist maximal drei mm breit. Unten:

Operationsende, keine sichtbaren - Trübungen verblieben

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die kongenitale Katarakt

sung einer entsprechenden opti- schen Korrektur erforderlich. Das Netzhautbild bei einem linsenlo- sen Auge ist so schlecht, daß ohne Korrektur gleichfalls eine hoch- gradige Amblyopie resultiert (13).

Operation

Die Einführung von sogenannten Saug-/Spülverfahren sowie von Saug-/Schneidegeräten hat die Operation der kongenitalen Kata- rakt erheblich vereinfacht. An die Operationsverfahren ist die Forde- rung zu stellen, daß sie möglichst langfristig die Entstehung eines Nachstars ausschließen und damit eine dauernde hohe optische Qua- lität der Netzhautbilder ermög- lichen.

Das Problem der Entwicklung ei- nes Nachstars besteht besonders bei dem Verfahren, das die hintere Linsenkapsel erhält. An den Ope- rateur ist die Forderung gestellt, auch die äquatorialen Rindenreste zu entfernen (Germinativzone), da sonst von dort Proliferationen des Linsenepithels auf die Hinterkap- sel erfolgen (Froschlaich-Nach- star). Die Verfahren, die die Hinter- kapsel zumindest teilweise mitent- fernen, haben dafür den Nachteil einer höheren Instabilität des Au- ges (zystoides Maku la-Ödem, Netzhautablösung).

Korrektur der Linsenlosigkeit mit Kontaktlinsen

Bei Säuglingen kommen Brillen- gläser, zumal in der Stärke von Stargläsern, wegen des hohen Ge- wichtes und der schwierigen An- passung nicht in Frage. Daher werden Kontaktlinsen verwendet.

Die Brechkraft der Kontaktlinsen, die wir bei Neugeborenen anpas- sen, liegt bei etwa 31 bis 33 Diop- trien. Nur Silikonlinsen sind pro- blemlos in der erforderlichen Brechkraft herstellbar. Sie werden daher derzeit ausschließlich zur Frühkorrektur verwandt (9, 17).

Die Silikonlinsen haben eine gute optische Qualität und zeigen eine

gute Verträglichkeit von seiten der Augen als Dauertragelinsen (vT- Linsen: Kontaktlinsen mit verlän- gerter Tragezeit). Das von uns an- gestrebte Tragen der Linsen in ei- nem normalen Tagesrhythmus kann bei Säuglingen wegen der Schwierigkeit des Einsetzens und Herausnehmens der Kontaktlinsen erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Hierbei ist vor allem die Kooperationswillig- keit und -fähigkeit der Eltern mit- entscheidend. Bei gelegentlichen spontanen Kontaktlinsenverlusten

durch das Reiben der Kinder an den Augen ist wegen der sonst wieder einsetzenden Amblyopie ein sofortiger Ersatz zu besorgen.

Ein weiterer Grund für einen an- fänglich hohen Linsenverbrauch besteht darin, daß die Linsen- brech kraft und der Linsensitz dem gerade im ersten Jahr rasanten Bulbuswachstum (10) anzupassen ist. Etwa ab dem zweiten Lebens- jahr ist bei beidseitiger Aphakie

auch eine Brillenkorrektur mög- lich. Auf weitere Probleme der Aphakiekorrektur soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Diagnose

Die Frühdiagnose ist entschei- dend. Dies ist, da bei den Vorsor- geuntersuchungen von Neugebo- renen eine ophthalmologische Un- tersuchung fehlt, derzeit noch nicht sichergestellt. Die Diagno- stik umfaßt in erster Linie die mor-

phologischen Erscheinungen ei- ner Linsentrübung. Eine komplet- te Linsentrübung fällt durch den weißlichen Reflex in der Pupille (Leukokorie) auf und wird daher im allgemeinen rasch entdeckt.

Trübungen, die dem bloßen Auge nicht sichtbar sind, können relativ einfach durch das Testen bezie- hungsweise Fehlen des sogenann- ten Pupillenleuchtens aufgedeckt werden. Hierbei wird mit einem 2528 (40) Heft 38 vom 17. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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Abbildung 2: Kon- genitale Katarakt vom Typ Kernka- tarakt. Links: Ka- tarakt in seitlicher Beleuchtung.

Rechts: die glei- che Linse im re- gredienten Licht.

Heller Balken rechts der Mitte = Reflexion der Spaltlampe in der Hornhaut

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die kongenitale Katarakt

hellen Augenspiegel aus etwa 30 bis 50 cm Entfernung das Auge beleuchtet und das Aufleuchten des vom Fundus reflektierten Lichtes in der Pupille betrachtet (Test im rückfallenden Licht).

Hierbei können Trübungen in den brechenden Medien, insbesonde- re im Linsenbereich gut beurteilt werden. In Zweifelsfällen ist eine medikamentöse Pupillenerweite- rung erforderlich. An funktionel- len Symptomen kann nur bei der beidseitigen Katarakt ein gele- gentlich frühzeitig nach der Ge- burt auftretender Nystagmus und fehlende Fixationsaufnahme be- obachtet werden. Liegt eine Lin- sentrübung vor, wird mittels Skia- skopie entschieden, ob diese ope- rationswürdig ist. Möglicherweise wird in Zukunft die Durchführung von visuell evozierten Potentialen für die Bestimmung der Sehschär- fe herangezogen werden können.

Prinzipiell läßt sich damit die In- taktheit des visuellen Systems nachweisen (10).

Weitere diagnostische Maßnah- men bei Vorliegen einer kongeni- talen Katarakt bestehen im Aus- schluß beziehungsweise Nach- weis der bekannterweise mit einer

kongenitalen Katarakt einherge- henden Syndrome sowie die Ab- klärung der Narkosefähigkeit.

Okklusionsbehandlung

Es wurde bereits oben erwähnt, daß ein Deprivationssyndrom

durch entsprechend forcierten Gebrauch des amblyopen Auges rückgebildet werden kann (12).

Dies bedeutet in der Regel eine entsprechende Okklusion des

„besseren" Auges durch ein Pfla- ster oder durch eine Okklusions- Kontaktlinse. Die Grenze der Ok- klusion des „besseren" Auges liegt in der Verursachung einer ia- trogenen Deprivationsamblyopie auf dem okkludierten Auge. Hier- bei kann man sich nach Erfah- rungswerten richten und wenn möglich entsprechende Funk- tionskontrollen durchführen.

Visuserfolge seit Frühoperation

Es gibt bereits zahlreiche Mittei- lungen in der Literatur über die er- folgreiche Behandlung auch ein- seitiger kongenitaler Katarakte durch Frühoperation und soforti- ge Kontaktlinsenkorrektur. In der Bundesrepublik Deutschland hat erstmals Treumer über die Resul- tate nach einer Frühoperation be- richtet und dabei auf den Wert der Korrektur mit Silikonlinsen hinge- wiesen (16). Selbst bei begleiten- den Fehlbildungen (wie zum Bei- spiel beim Mikrophthalmus) wur- den bei Operation einer vorliegen- den Katarakt bereits gute Visusre- sultate erzielt (1).

Aus allen neueren Arbeiten wird er- sichtlich, daß die Behandlung von seiten aller Beteiligten (Patient, El- tern, Ärzte) ein beachtliches Durch- haltevermögen erfordert.

Literatur

(1) Beller, R.; Hoyt, C. S.; Marg, E.; Odom, J. V.:

Good visual function after neonatal surgery for congenital monocular cataracts. Am. J. Oph- thalmol. 91 (1981) 559-565 — (2) Davies, P. D.;

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K. 97 (1977) 148-152 — (3) Enoch, J. M.; Rabino- wicz, I. M.; Chir, B.: Early surgery and visual correction of an infant born with unilateral eye lens opacity. Documenta ophthalmologica 41 (1976) 371-382 — (4) Falls, H. F.: Developmen- tal cataracts. Arch. Ophthalmol. 29 (1943) 210-223 — (5) Francois, J.; Congenital cata- racts. 1963, Royal van Gorcum Pub. Assen — (6) Francois, J.: Late Results of congenital cata- ract surgery. Ophthalmology 86 (1979) 1586-1598 — (7) Hammami, H.; Scouras, J.;

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Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Rolf Meyer-Schwickerath Universitäts-Augenklinik

Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

2530 (42) Heft 38 vom 17. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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