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Archiv "Magnesium: Unentbehrliches Antiarrhythmikum? Eine kritische Standortbestimmung" (11.06.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DA EDITORIAL

Magnesium

Unentbehrliches Antiarrhythmikum?

Eine kritische Standortbestimmung

Matthias Manz und Berndt Lüderitz

Das lange Zeit wenig beachtete Magnesium ge- winnt zunehmend an Interesse, nicht nur in der Laienpresse, sondern vor allem auch in der Fachliteratur. Nicht selten begegnet man plaka- tiven Schlagzeilen wie „Magnesium spart Anti- arrhythmika ein" (Die Neue Ärztliche), „Ma- gnesium tut dem Herzen gut und hilft Tabletten sparen", „Wer Alkohol trinkt, braucht Magne- sium" (Therapie der Gegenwart) etc. — Was ist angesichts der großzügigen Empfehlungen für internistische, neurologische und gynäkologi- sche Erkrankungen zur Physiologie und Patho- physiologie der Magnesiumsalze zu sagen?

Physiologie

Magnesiumionen haben eine ähnliche Vertei- lung wie Kaliumionen. So findet sich nur ca. ein Prozent des Gesamtmagnesiumbestandes im Plas- ma; dort zu ca. 55 Prozent an Albumin gebunden.

Der Normbereich des Plasmaspiegels beträgt 0,7 bis 1,1 mmo1/1. Der größte Magnesiumspeicher ist das Knochengewebe mit 60 Prozent des Gesamt- körpermagnesiums (ca. 21 bis 28 Gramm); 35 Pro- zent der Magnesiumionen sind in der Skelettmus- kulatur zu finden (1). Magnesium ist an der Akti- vierung von etwa 300 Enzymen, unter anderem an der oxidativen Phosphorylierung, beteiligt. Ma- gnesiumionen aktivieren die Natrium-Kalium-AT- Pase und beeinflussen so die Kaliumverteilung (Bedeutung für Herzrhythmusstörungen) (2).

über die Hemmung der intrazellulären Kalzium- bereitstellung in Herz- und Gefäßmuskelzellen be- wirkt Magnesium eine Senkung der Muskelkon- traktion und des Gefäßtonus (Magnesium als „na- türlicher Kalziumblocker") (3).

Magnesiummangel

Ein Mangelzustand kann sich bei einseitiger Ernährung (parenterale Ernährung, Alkoholis- mus), verminderter Resorption (Malabsorptions- syndrom, chronische Diarrhoen), vermehrtem Be- darf (Schwangerschaft, Laktation, Ausdauersport) oder erhöhter Ausscheidung (Schleifendiuretika, Cisplatin-, Aminoglykosid-, Ciclosporin-A-Be- handlung, Alkoholabusus, Nierenerkrankungen) einstellen. Bei Verdacht auf ein Magnesiumdefizit sollte der Plasmaspiegel bestimmt werden, wenn- gleich analog zum Kaliumspiegel ein chronischer, intrazellulärer Magnesiummangel bei einem nor- malen Plasmaspiegel nicht ausgeschlossen werden kann. Im Falle eines manifesten Magnesiumman- gels kommt es zu Symptomen des Nervensystems (Faszikulationen, Muskelkrämpfe, Parästhesien, Konzentrationsstörungen, depressive Verstim- mung, psychische Erschöpfbarkeit), des Gastroin- testinaltraktes (Wechsel von Obstipation und Diarrhoe, kolikartige Spasmen), des Herzkreis- laufsystems (ventrikuläre Extrasystolen und Ta- chykardien, erhöhte Digitalisempfindlichkeit, An- gina pectoris, Gefäßspasmen) (4).

Eine Substitution von Magnesium wird bei Mangelzuständen, tetanischem Syndrom, Waden- krämpfen, Schwangerschaft und Laktation emp- fohlen (4, 5). Eine pharmakologische, das heißt über die Substitution hinausgehende Zufuhr wird beim Myokardinfarkt und bei Herzrhythmusstö- rungen vorgeschlagen.

Myokardinfarkt

Die Therapieempfehlung geht von folgenden Magnesiumwirkungen aus: Antagonisierung der Kalziumüberladung ischämischer Myozyten, Re- gulation des intrazellulären Kaliums (Digitalis), Substitution eines latenten Magnesiummangels (Diuretika), Relaxation der Koronararterien- wand.

Dt. Ärztebl. 84, Heft 24, 11. Juni 1987 (47) A-1721

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In klinischen, prospektiven Untersuchungen konnte unter Magnesiumtherapie eine signifikante Reduktion von Arrhythmien und ein „Trend" zur Abnahme der Infarktgröße gefunden werden (6, 7). Die beobachtete Reduktion der Letalität konn- te nicht mit Sicherheit der Magnesiumtherapie zu- geschrieben werden, da trotz Randomisierung eine Gleichverteilung hinsichtlich der kardialen Pump- funktion nicht gegeben war (7).

Die Untersuchungen erbrachten, daß beim akuten Myokardinfarkt Magnesium ohne wesent- liche Nebenwirkungen eingesetzt und von einer Verminderung der Arrhythmien ausgegangen wer- den kann. Zur Frage, ob tatsächlich eine klinisch relevante Kardioprotektion und Letalitätsabnah- me zu erreichen ist, sind allerdings weitere Unter- suchungen erforderlich.

Herzrhythmusstörungen

In der Behandlung kardialer Arrhythmien müssen elektrophysiologische Wirkungen thera- peutischer Magnesiumdosen von einer Substitu- tionstherapie unterschieden werden. Die Infusion von Magnesium führt zur Anhebung der ventriku- lären Flimmerschwelle, zur Verlängerung der Si- nusknotenerholungszeit, der AV-Uberleitungs- zeit, der Refraktärzeit des AV-Knotens und der Kammerdepolarisationsdauer (8, 9).

Unabhängig von einem Mangelzustand kann Magnesium demnach zur Suppression von ventri- kulären Tachykardien eingesetzt werden; die Wir- kung auf Sinus- und AV-Knoten ist mit den Effek- ten eines Kalziumantagonisten vom Verapamil- Typ vergleichbar (11). Durch zusätzlichen Magne- siummangel werden Arrhythmien bei Herzkran- ken (koronare Herzkrankheit, Kardiomyopathie), insbesondere Digitalis-bedingte Rhythmusstörun- gen, begünstigt (11).

In der Arrhythmiebehandlung ist die Magnesi- umsubstitution bei Mangelzuständen indiziert;

hierbei werden günstige Therapieergebnisse na- mentlich bei Vorhofflimmern/-flattern mitgeteilt (12). Eine spezielle Indikation für die pharmakolo- gische Magnesiumapplikation sind „Torsade de pointes"-Tachykardien, eine maligne Form des Kammerflatterns, die unter anderem durch Elek- trolytstörungen ausgelöst wird (13). Weitere, zu- verlässig auf Magnesiumzufuhr ansprechende Rhythmusstörungen sind die multifokale atriale Tachykardie und Digitalis-induzierte Arrhythmien (12). In Einzelfällen wurde ein günstiger Effekt von Magnesium bei anderweitig therapierefraktä- ren Kammertachykardien/-flimmern beobachtet;

in der Mehrzahl dieser Fälle konnte ein Magnesi- ummangel wahrscheinlich gemacht werden. Syste- matische Untersuchungen für die akute sowie chronische Behandlung ventrikulärer Tachykar- dien liegen jedoch bislang nicht vor.

Fazit

Im Vergleich zu den Kaliumionen wurde der intra- und extrazelluläre Magnesiumgehalt und sei- ne Auswirkung im Falle eines Magnesiummangels bisher wenig beachtet. Die Kenntnis der Ursachen einer vermehrten Magnesiumausscheidung ermög- licht es, durch entsprechende Substitution einem Magnesiummangel entgegenzuwirken. Bei aller Einschränkung in der Aussage sollte deshalb der Magnesiumplasmaspiegel häufiger gemessen wer- den. Bei speziellen Tachykardieformen kann durch den therapeutischen Einsatz von Magnesi- um eine Suppression von Herzrhythmusstörungen erreicht werden. Weitere systematische Untersu- chungen sind indes erforderlich, um den Stellen- wert einer Magnesiumapplikation zur Myokard- protektion und/oder Arrhythmiebehandlung exakt zu definieren. — Eine Einschränkung, die bei ande- ren Indikationen gleichermaßen gilt.

Literatur

1. Altura, B. M.; Altura, B.T.: Interactions of magnesium and potassium on cardiac and vascular smooth muscle, Magnesium 3 (1984) 178-194

2. Lüderitz, B.: Potassium deficiency and cardiac function: Ex- perimental and clinical aspects, Magnesium 3 (1984) 289-300 3. Iseri, L. T.; French, J. H.: Magnesium: Nature's physiologic

calcium blocker, Am. Heart J. 108 (1984) 188-193

4. Classen, H. G.; Achilles, W.; Bachem, M. G. et al.: Magnesi- um: Indikationen zur Diagnostik und Therapie in der Human- medizin, Mag. Bull. 8 (1986) 127-134

5. Spätling, L.: Magnesiummangel und vorzeitige Wehentätig- keit, Mag. Bull. 3 (1985) 81-86

6. Morton, B. C.; Nair, R. C.; Smith, F. M. et al.: Magnesium therapy in acute myocardial infarction — a double-blind study, Magnesium 3 (1984) 346-352

7. Rasmussen, S. H.; Norregard, P.; Lindeneg, 0. et al.: Intra- venous magnesium in acute myocardial infarction, Lancet 1 (1986) 234-235

8. Ghani, M. F.; Rabah, M.: Effect of magnesium chloride on electrical stability of the heart, Am. Heart J. 94 (1977) 600-602

9. DiCarlo, L. A.; Morady, F.; De Buitleir, M. et al.: Effects of magnesium sulfat on cardiac conduction and refractoriness in humans, J. Am. Coll. Cardiol. 7 (1986) 1356-1362

10. Fleckenstein, A.: Calcium antagonism in heart and smooth muscle. John Wiley and Sons, New York, Chichester, Briba- ne, Toronto, Singapore (1983)

11. Specter, J. M.; Schweizer, E.; Goldman, R. H.: Studies on magnesium's mechanism of action in digitalis-induced arrhyth- mias, Circulation 52 (1975) 1001-1005

12. Iseri, L.T.: Magnesium and dysrhythmias, Mag. Bull. 8 (1986) 223-229

13. Banai, S.; Tzivoni, D.; Schuger, C. et al.: Effectiveness of ma- gnesium sulfate in torsade de pointes: a study of 9 patients, J.

Am. Coll. Cardiol. 9 (1987) 245 A (Abstr.)

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. med. Matthias Manz Professor Dr. med. Berndt Lüderitz Medizinische Universitäts-Klinik Innere Medizin-Kardiologie Sigmund-Freud-Straße 25 5300 Bonn 1

A-1722 (48) Dt. Ärztebl. 84, Heft 24, 11. Juni 1987

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