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Magnesium – hochgejubelt und verdammt

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Academic year: 2022

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I N T E R V I E W I N T E R V I E W

Was soll der Grundversorger von Magnesium halten? Zwi- schen 1986 und 1996 konnte man geradezu von einem Ma- gnesium-Boom sprechen: Alle medizinischen Fachgebiete stürzten sich darauf, den Pa- tienten wurde Magnesium recht unkritisch gegen oder für die unterschiedlichsten Zustände verschrieben. Dann fiel es in Ungnade, war völlig verpönt. Wie ist der Stand heute? Ein Gespräch mit dem in Basel praktizierenden Gynäkologen Mario B. Robbiani.

ARS MEDICI: Herr Robbiani, nach der Verdammnis erlebt das Magnesium augenscheinlich derzeit ein Comeback?

Robbiani: Diesen Wechsel von Hoch- jubeln und Verdammen neuer Forschungs- erkenntnisse und Substanzen erlebt man in der Medizin noch recht oft. Erst nach ei- ner gewissen Zeit setzt sich dann eine ver- nünftige Beurteilung durch, die meist in der Mitte der Extreme liegt. Die Wirkun- gen von Magnesium wurden von den

Gynäkologen zuerst bemerkt. Magne- sium war dort niemals «out», sondern im- mer ein Teil von Prophylaxe und Therapie in der Geburtshilfe. Schon sehr früh er- kannte man, dass ein Magnesium-Mangel in der Schwangerschaft zu einer höheren Abort- und Frühgeburtenrate führt, dass er das Risiko für fetale Mangelentwick- lung, Präeklampsie und vorzeitige Wehen erhöht. Grosse Studien zeigten, dass durch eine Magnesium-Supplementation Gestosen in Risikokollektiven verhindert werden konnten.

ARS MEDICI: Nun ist es aber nicht ein- fach, einen Magnesium-Mangel zu messen. Zwar gibt es inzwischen bes- sere Labormethoden, aber 99 Prozent des Magnesiums liegen intrazellulär vor. Im Serum findet sich Magnesium zu 55 Prozent ionisiert, in biologisch aktiver Form, wobei 32 Prozent davon an Proteine gebunden sind.

Robbiani:Das Schicksal, dass der wirk- liche Gehalt einer Substanz schwierig zu messen ist, teilt Magnesium mit vielen an- deren Wirkstoffen. Denken Sie nur an Ka- lium – bei azidotischer Stoffwechsellage, zum Beispiel beim entgleisten Diabetes, tritt es in den Extrazellulärraum über, und man misst falsch normale Werte, obwohl in Wirklichkeit eine lebensbedrohliche Hypo- kaliämie vorliegt. Ähnliches gilt für die Li- pide, die ebenfalls schwierig und oft nur auf indirektem Weg abzuschätzen sind.

Doch genau wie beim Kalium und bei den

Lipiden wissen wir auch beim Magne- sium, dass ein Mangel zu Erkrankungen führt. Im Gegensatz zu Kalium und Lipiden hingegen, wo ein Überschuss gefährlich ist, kommt eine Hypermagnesiämie bei normaler Nierenfunktion nur extrem selten vor. Wird zuviel Magnesium eingenommen, kann allenfalls der Stuhlgang weich wer- den, was wir im Fall von Schwangerschaft mit Obstipation sogar therapeutisch aus- nutzen.

Magnesium – hochgejubelt und verdammt

Ein Interview mit dem Basler Gynäkologen Mario B. Robbiani zur Renaissance des Magnesiums

Dr. med Dr. phil I Mario B. Robbiani:

«Magnesium ist ein natürlicher Kalzium- antagonist.»

Das Schicksal, dass der wirkliche Gehalt einer Substanz schwierig zu messen ist, teilt Magnesium mit

vielen anderen Wirkstoffen.

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ARS MEDICI : Die Symptome eines Mag- nesium-Mangels präsentieren sich aber sehr unspezifisch, mit diffusen Beschwerden in vielen Organsyste- men.

Robbiani: Das ist sogar zu erwarten, denn Magnesium spielt bei einer grossen Anzahl unterschiedlichster Vorgänge im Körper eine Schlüsselrolle. Magnesium ist einerseits ein Knochenstrukturelement, andererseits ein Kofaktor von mehr als 300 Enzymen, welche am Protein-, Kohle- hydrat- und Fettstoffwechsel beteiligt sind. Magnesium katalysiert ATP-abhängige Reaktionen, kommt in den Ribosomen vor, wirkt auf Nukleinsäuren und Phos- pholipide, ist im Zytoplasma und der Mito- chondrienmembran präsent. Ob Glykolyse, Alphadecarboxylierung der Fettsäuren, Zi- tronensäurezyklus oder Atmungsketten- Phosphorylierung – nichts läuft ohne Ma- gnesium, in der Proteinsynthese genauso wenig wie beim Thromboxan-Prostaglandin- Gleichgewicht oder bei der Acetylcholin- Freisetzung an den Nervenplatten. Dank genauer klinischer Beobachtungen, die mit Labormessungen korreliert wurden, konnte man aber sehr wohl eine Reihe von eindeutigen Magnesium-Mangelsyn- dromen identifizieren.

ARS MEDICI: Sie meinen die drei Sym- ptomenkomplexe, die bei der grossen pädiatrischen Studie in St. Gallen und Stuttgart definiert wurden?

Robbiani: Genau. Im Rahmen dieser randomisierten, kontrollierten, doppel- blinden Studie mit Magnesium-L-Aspar- tat-Hydrochlorid wurden bereits 1997 von Baerlocher, Schimatschek, Classen und Thöni drei behandelbare Formen des Ma- gnesium-Mangelsydndroms bei Kindern unterschieden, die sich klinisch unter- schiedlich präsentieren. Drei Symptom- gruppierungen kristallisierten sich heraus:

Krämpfe der glatten Muskulatur, insbeson- dere gastrointestinale Spasmen, die sich in Abdominalbeschwerden äusserten, ein eher neurovegetatives Bild mit Hyperaktivität und Müdigkeit im Wechsel, mit Nervo- sität, Schlaf- und Konzentrationsstörun- gen sowie Kopfschmerzen und ein Bild, bei dem die Skelettmuskulatur betroffen

war, was sich in Muskelschmerzen und Wadenkrämpfen äusserte.

ARS MEDICI: Neben seiner Wirkung auf die neuromuskulären Vorgänge ist Magnesium aber vor allem wichtig im Metabolismus. Interessant sind die neuesten Forschungsresultate bei der Stoffwechselerkrankung Nummer eins, dem Diabetes.

Robbiani: In der Tat, und in der Schweiz wurde da grossartige Arbeit ge- leistet. Sehr überzeugend ist die Studie von Walti, Zimmermann, Spinas und Hur- rell aus dem Jahr 2003. Sie fanden bei 37,6 Prozent der Typ-2-Diabetiker und bei 10,9 Prozent der Kontrollgruppe Plasma- Magnesium-Werte unterhalb der norma- len Referenzwerte von 0,75–0,95 mmol/l.

Auch Rodriguez zeigte, dass Magnesium für die insulinvermittelte Glukoseaufnahme in die Zelle und die Insulinwirkung wichtig ist. Deshalb wird die Kontrolle der Ma- gnesium-Werte bei Diabetikern vermut- lich bald genauso zur Routine werden, wie es die Kontrolle von Glukose und Ka- lium bereits ist, inklusive einer Magne- sium-Supplementation bei Mangel.

ARS MEDICI: Nun haben sich aber die Erwartungen der Kardiologen nicht erfüllt …

Robbiani: Falls deren Erwartungen je darin bestanden haben sollten, mit Ma- gnesium ein Wunder- und Allheilmittel

gefunden zu haben, dann nicht. Doch es ist unbestritten, dass Magnesium sowohl bei der Rhythmusregulation wie auch bei der myokardialen Aktivität eine Rolle spielt. Was dort genau abläuft und wo man Magnesium in der Kardiologie thera- peutisch einsetzen kann, wird weiterhin erforscht – immerhin ist Magnesium sozu- sagen ein «natürlicher Kalziumantagonist».

Wenig beachtet von der Öffentlichkeit sind auch die gut belegten Erkenntnisse von Stressforschern und Sportärzten, dass Magnesium zur Prävention und Therapie von Stressfolgen und zur Gesunderhal- tung der Leistungssportler unabdingbar ist.

ARS MEDICI: Sie weisen immer wieder darauf hin, dass die Galenik des Ma- gnesiums wichtig sei.

Robbiani:Ja, insbesondere bei der ora- len Magnesium-Substitution muss beach- tet werden, dass das Magnesium auch wirklich zu seinem eigentlichen Wirkort gelangt – nämlich der Zelle! Als am besten geeignet hat sich Magnesium-L-aspartat- hydrochlorid-trihydrat erwiesen. Seine chemischen Eigenschaften, insbesondere sein Löslichkeitsprodukt und sein Anion, erlauben eine beschleunigte permissive Penetration durch die Zellmembran, und der Säure-Basen-Haushalt wird nach der Metabolisierung auch nicht belastet.

ARS MEDICI: Herr Robbiani, wir dan- ken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Richard Altorfer.

Interessenkonflikte: keine

Magnesium – hochgejubelt und verdammt

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Dank genauer klini- scher Beobachtungen, die mit Labormessungen korre-

liert wurden, konnte man eine Reihe von eindeutigen Magnesium-Mangelsyndro-

men identifizieren.

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