A3458 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 5014. Dezember 2007
P O L I T I K
che ärztlichen Maßnahmen der Primärprävention in Form von Richtlinien zu definieren, zu ent- wickeln und die notwendige Qua- litätssicherung vorzuschreiben.
Positiv vermerkt die Bundesärz- tekammer in ihrer Stellungnahme,
„dass der Gesetzentwurf die Vor- aussetzungen für eine Bewilligung von präventiven Leistungen in Le- benswelten und die Anforderungen an deren Qualität konkretisiert“.
Die Beschränkung auf die Sozial- versicherung und dort wieder auf die Förderung in Lebenswelten greife aber zu kurz. So fehle die Verzahnung mit ärztlichen Bera- tungs- und Präventionsleistungen.
Auch stehe zu befürchten, dass sich mit den geplanten Finanzierungs- strömen Länder und Kommunen aus bisher mit öffentlichen Mitteln finanzierten Präventionsprojekten, etwa des öffentlichen Gesundheits- dienstes, zurückziehen würden.
Ähnliches könnte mit dem Engage- ment des Bundes für die Bundes- zentrale für gesundheitliche Auf- klärung passieren, wenn deren Auf- gaben, wie nach dem Gesetzent- wurf möglich, dem Nationalen Präventionsrat zugewiesen würden.
Eine Beteiligung der Landesärzte- kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen an den Präventions- räten Land, wo über die konkrete Mittelvergabe entschieden wird, ist gar nicht erst vorgesehen.
Bundesärztekammer zeigt Vielfalt ärztlicher Prävention Das Timing schien perfekt: Kurz nach Bekanntwerden des Gesetz- entwurfs konnte die Bundes- ärztekammer Ende November im Verlauf einer zweitägigen Präventi- onstagung zeigen, wie facettenreich sich das Engagement der Ärzte- schaft in den Bereichen Gesund- heitsförderung und Prävention dar-
stellt. Gerade wenn es darum gehe, diejenigen Bevölkerungsschichten zu erreichen, die ansonsten nur schwer zu Präventionsmaßnahmen zu bewegen seien, komme man nicht an den Ärzten vorbei, betonte BÄK-Vorstandsmitglied Rudolf Hen- ke: „Der Arzt ist erster Ansprech- partner in allen gesundheitlichen Belangen, unterschiedslos durch alle Schichten.“ Es wäre ein schwerer Fehler, diese Chance bei dem Ver- such, Präventionsmaßnahmen um- zusetzen, nicht zu nutzen.
Auch der öffentliche Gesund- heitsdienst (ÖGD) kann viel dazu beitragen, den Gedanken der Ge- sundheitsförderung in den von ihm erreichbaren „Lebenswelten“ leben- dig zu erhalten. Am Beispiel der Präventionsangebote im Kreis Mettmann betonte Dr. med. Rudolf Lange vom dortigen Kreisgesund- heitsamt die unverzichtbaren Funk- tionen des ÖGD beim lokalen Set- ting-Ansatz. Er könne kleinräumig wichtige epidemiologische Daten erheben. Im Rahmen seiner gesetz- lichen Aufgaben habe der ÖGD Zugang zu den verschiedensten Ein- richtungen und verfüge über die erforderlichen institutionellen Kon- takte zu deren Trägern oder den zuständigen Behörden. Der öffent- liche Gesundheitsdienst sei also ge- radezu prädestiniert, Gesundheits- förderung und Prävention im jewei- ligen regionalen Umfeld möglichst passgenau zu koordinieren.
Mit dem Vorhaben, das Präventi- onsgesetz noch in diesem Jahr auf den Weg ins Parlament zu bringen, ist Ulla Schmidt gescheitert. Ein mit den Ressorts abgestimmter Kabi- nettsentwurf steht noch aus. Viel- leicht bewegen auch die von ärztli- cher Seite vorgebrachten Argumen- te die Bundesgesundheitsministerin noch dazu, den Entwurf aus ihrem Ministerium gründlich zu überden- ken und mit den Ärzten diejenige Berufsgruppe stärker mit einzubin- den, die den besten Zugang zu allen Schichten der Bevölkerung hat.
Denn wie sagte sie doch zutreffend auf dem 1. Europäischen Präventi- onstag am 25. November in Bonn:
„Man kann richtig gut anfangen, auch wenn es schon spät ist.“ I Thomas Gerst Wie beurteilen Sie die Rege-
lung zur Gesundheitsvorsor- ge in den Betrieben nach dem Referentenentwurf zum Präventionsgesetz?
Panter:Von Betriebsärzten durchgeführte Früherkennungs- untersuchungen, wie sie nun möglich sein sollen, können dem Entstehen von chronischen Krankheiten vorbeugen und so- mit einen effizienten Beitrag zur Prävention leisten. Wir sehen da- mit unsere jahrelange Forderung aufgenommen, die Prävention und damit die Arbeitsmedizin als vierte Säule im Gesundheitswe- sen gesetzlich zu verankern. Der Arbeitsmediziner versteht sich heute als Berater in Unterneh- men, als Arzt und Präventionsex- perten für den Beschäftigten.
Wird der VDBW schon bald Verträge mit den Kranken- kassen über Vorsorgeunter- suchungen abschließen?
Panter:Mit diesem Gesetz- entwurf wäre das jedenfalls möglich. Es geht hier aber nicht in erster Linie um finan- zielle Interessen, sondern dar- um, dass die Akzeptanz von Präventionsmaßnahmen bei Patienten, Unternehmen und Kostenträgern erhöht wird. Es nützt ja auch beiden: Dem Pa- tienten sowieso, aber auch die Unternehmen und die Kosten- träger profitieren davon, weil wirkungsvolle Prävention sich auch immer kostensparend auswirkt. Deshalb bin ich dafür, dass die Finanzierung der arbeitsbezogenen Präven- tion und Gesundheitsförde- rung weiter in der Verantwor- tung der Arbeitgeber liegt. Die darüber hinaus gehenden Kos- ten der Gesundheitsvorsorge sind von den Sozialversiche- rungsträgern zu übernehmen.
Die etablierten Strukturen soll- ten genutzt werden, um die
gesamtgesellschaftliche Ver- ankerung der Prävention zu si- chern.
Die Betriebsärzte sind als einzige ärztliche Berufsgrup- pe direkt in einer Lebens- welt, einem bestimmten Set- ting, tätig. Welche Chancen ergeben sich für Sie daraus?
Panter:Als Betriebsärzte nut- zen wir den unmittelbaren Zu- gang am Arbeitsplatz zu den Beschäftigten und erreichen konkret diejenigen, die mit den üblichen Präventionsangeboten vielfach nicht erreicht werden können. Das ermöglicht in vie- len Fällen auch bei den unteren sozialen Schichten, das Thema Vorsorge und individuelle Ge- sundheitsförderung anzuspre- chen und konkrete Maßnahmen zur Prävention zu erarbeiten.
Dabei suchen wir intensiv die Kooperation mit Haus- und Fachärzten.