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er kennt ihn nicht: „Trimmi“, den kleinen Zeichentricksport- ler in schwarzer Turnhose, der in den 70er-Jahren einen wahren Trimm-dich-Boom auslöste. Die Kam- pagne, 1970 mit einem Etat von 218 000 Mark gestartet, lockte bereits vier Jahre später rund 8,5 Millionen Menschen auf die Trimm-dich-Pfade. „Das ist bis heu- te einmalig“, sagt die Journalistin Ve- rena Mörath, die die Aktion auch mit Blick auf das geplante Präventionsge- setz im Auftrag des Wissenschaftszen- trums Berlin für Sozialforschung unter- sucht hat. Mithilfe der Aktion sei es ge- lungen, die Menschen für das Thema Sport, Bewegung und Gesundheit zu sensibilisieren, bilanziert Mörath in ih- rer gerade vorgelegten Studie.Gemessen am bereitgestellten Finanz- volumen, übertrifft das geplante Präven- tionsgesetz – von Bundesgesundheitsmi- nisterin Ulla Schmidt am 18. Februar in den Bundestag eingebracht – die Trimm- dich-Kampagne bei weitem. Mindestens 250 Millionen Euro sollen jährlich für präventive Maßnahmen verwendet wer- den, davon 180 Millionen Euro von der Gesetzlichen Krankenversicherung, 40 Millionen Euro von der gesetzlichen Rentenversicherung, 20 Millionen Euro von der gesetzlichen Unfallversicherung und zehn Millionen Euro von der sozia- len Pflegeversicherung.
Von den Sozialversicherungsträgern werden 100 Millionen Euro des Ge- samtbetrages für individuelle Maßnah- men („primäre Prävention“), wie Kurs- angebote zu Ernährung und Bewegung, sowie für betriebliche Gesundheitsför- derung zur Verfügung gestellt. Weitere 100 Millionen Euro werden von den So- zialversicherungsträgern in den Län- dern vergeben. Finanziert werden Lei- stungen, die sich an Menschen in ihrer direkten sozialen Umwelt in Schule,
Kindergarten, Betrieb, Sportverein oder Senioreneinrichtung richten. Die übrigen 50 Millionen Euro sollen in die Stiftung Prävention fließen. Sie wird so- wohl Modellprojekte als auch Projekte in den Lebenswelten fördern. Daneben soll sie Steuerungsaufgaben erfüllen
wie die Entwicklung von Präventions- zielen und die Konkretisierung der Qualitätssicherungsstandards.
Die Bundesregierung will auch die Forschung auf diesem Gebiet stärker fördern. Unterstützt werden sollen 15 Projekte zur Entwicklung praxisnaher Präventionsangebote, teilte das Bun- desforschungsministerium mit. In den kommenden drei Jahren stünden hier- für vier Millionen Euro zur Verfügung.
Beim ersten vom Forschungsministeri- um organisierten „Tag der Gesund- heitsforschung“ am 20. Februar disku- tierten Experten insbesondere Maß- nahmen zur Krankheitsvorbeugung bei Kindern und Jugendlichen (dazu der
Beitrag „Neue ,Krisenzeichen‘ in der Pädiatrie“ in diesem Heft).
Ministerin Schmidt hofft, dass das Präventionsgesetz, ähnlich wie die Trimm-dich-Kampagne der 70er-Jahre, dazu beiträgt, der breiten Masse mehr Lust an Sport und gesunder Lebens- führung zu vermitteln. Dies jedoch reicht insbesondere der Ärzteschaft nicht aus. Sie sieht den ärztlichen Sach- verstand bei den geplanten Präventi- onsmaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt. „Sowohl von der Gestal- tung als auch von der praktischen Durchführung der vorgesehenen Lei- stungen sind die Ärzte weitestgehend ausgeschlossen“, kritisiert der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.
Jörg-Dietrich Hoppe. Gerade Ärztin- nen und Ärzte hätten doch alters- und schichtunabhängig einen vertrauensvol- len Zugang zu den Menschen. Der Vize- präsident der Landesärztekammer Bay- ern, Dr. med. Max Kaplan, beklagt, dass ärztliche Vorsorgeleistungen, wie das Neugeborenen-Hörscreening, die Kin- der- und Jugenduntersuchungen, das Impfen, die Check-up-Untersuchung oder die Krebsvorsorgeuntersuchung über das Präventionsgesetz weder fi- nanziert noch gefördert würden.
Für Kritik sorgt zudem, dass Schmidt Prävention zwar als „gesamtgesellschaft- liche Aufgabe“ bezeichnet, die Finanzie- rung aber ausschließlich den Sozialversi- cherungen und damit den Beitragszah- lern aufbürdet. „Wer die Prävention fi- nanziert, sollte auch darüber entschei- den, wohin die Mittel fließen“, heißt es dazu in einer gemeinsamen Mitteilung der Krankenkassen. Für den CDU-So- zialexperten Andreas Storm ist es
„höchst bedenklich“, dass Aussagen zur finanziellen Beteiligung von Bund und Ländern in dem Entwurf fehlen. Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag forderte die CDU eine grund- legende Überarbeitung.
Allerdings haben die Bundesländer beider politischer Lager bereits ihre Zustimmung zu den Regierungsplänen signalisiert. Für den 9. März ist eine öf- fentliche Expertenanhörung vorgese- hen. Die abschließende Lesung im Bun- destag steht Ende April an. Endgültig grünes Licht für das Präventionsgesetz soll dann der Bundesrat am 27. Mai
geben. Samir Rabbata
P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 8⏐⏐25. Februar 2005 AA477
Präventionsgesetz
Verordnete Vorbeugung
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat ihr lange ange- kündigtes Präventionsgesetz auf den parlamentarischen Weg gebracht. Ärzte sind bei den Neuregelungen nicht berücksichtigt.
Löste in den 70er-Jahren einen wahren Trimm-dich-Boom aus: „Trimmi“, die Kultfigur mit schwarzer Turnhose
Foto:dpa