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Genetische Charakterisierung von europäischen Fledermaustollwutviren in Deutschland und Untersuchungen zu ihrer spatiotemporalen Diversität

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Academic year: 2022

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(1)

Tierärztliche Hochschule Hannover

Genetische Charakterisierung von europäischen Fledermaustollwutviren in Deutschland und

Untersuchungen zu ihrer spatiotemporalen Diversität

INAUGURAL – DISSERTATION zur Erlangung des Grades eines Doktors der Veterinärmedizin

- Doctor medicinae veterinariae - ( Dr. med. vet. )

vorgelegt von

Conrad Martin Freuling Nauen

Hannover 2009

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: 1. Prof. Dr. I. Greiser-Wilke und Prof. Dr. Moennig, Institut für Virologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover

2. PD Dr. F-J. Conraths, Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Institut für

Epidemiologie, Wusterhausen

1. Gutachter: Prof. Dr. Moennig 2. Gutachter: PD Dr. große Beilage

Tag der mündlichen Prüfung: 20.11.2009

Diese Arbeit wurde gefördert durch ein Stipendium der Akademie für Tiergesundheit e.V.

(AfT).

(3)

Für Christiane und meine Familie

(4)

Teile dieser Arbeit wurden vorab veröffentlicht:

Originalartikel:

Freuling, C.M, N. Johnson, D.A. Marston, T. Selhorst, L. Geue, A.R. Fooks, N. Tordo, T.

Müller (2008):

A random grid based molecular epidemiological study on EBLV isolates from Germany Dev Biol (Basel).;131 :301-9.

Freuling, C.M, E.Grossmann, F. J. Conraths, A. Schameitat, J. Kliemt, E. Auer, I. Greiser- Wilke, and T. Müller (2008). First Isolation of EBLV-2 in Germany.

Veterinary Microbiology 131:26-34.

Vortrag:

Freuling, C.M, N. Johnson, D.A. Marston, T. Selhorst, L. Geue, A.R. Fooks, N. Tordo, T.

Müller (2007):

A random grid based molecular epidemiological study on EBLV isolates from Germany Joint OIE/WHO/EU International Conference “Towards the Elimination of Rabies in Eurasia”

Paris (OIE Headquarters), 27-30 May 2007 Poster:

Freuling, C.M. T. Selhorst, B. Hoffmann und T. Müller (2008):

New Aspects in Molecular Epidemiology of Bat Rabies in Germany XIX International Conference on Rabies in the Americas (RITA) September 28–October 3, 2008

Centers for Disease Control and Prevention 1600 Clifton Road, NE, Atlanta, GA

(5)

INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS ... 5 

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 7 

1  Einleitung ... 11 

2  Literatur ... 13 

2.1  Taxonomie ... 13 

2.2  Übertragung ... 17 

2.3  Morphologie ... 19 

2.4  Virusgenomstruktur ... 20 

2.5  Virusproteine ... 21 

2.5.1  Das Nukleoprotein (N-Protein) ... 21 

2.5.2  Das Phosphoprotein (P-Protein) ... 21 

2.5.3  Das M-Protein ... 22 

2.5.4  Das Glykoprotein (G-Protein) ... 22 

2.5.5  Der GL-nicht translatierte Bereich ... 23 

2.5.6  Das L-Protein ... 23 

2.6  Molekulare Differenzierung von Lyssaviren ... 24 

2.6.1  Typisierung anhand antigener Eigenschaften ... 24 

2.6.2  Differenzierung basierend auf genetischen Eigenschaften ... 24 

2.6.3  Grundlagen phylogenetischer Analysen ... 27 

2.7  Fledermaustollwut ... 29 

2.7.1  Amerika ... 29 

2.7.2  Afrika ... 30 

2.7.3  Australien und Asien ... 32 

2.7.4  Europa ... 33 

2.7.5  Charakterisierung und molekulare Epidemiologie von EBLV ... 38 

3  Eigene Untersuchungen ... 42 

3.1  Material und Methoden ... 42 

3.1.1  Material ... 42 

(6)

3.1.2  Methoden ... 44 

3.1.3  Statistische Auswertung ... 59 

3.2  Ergebnisse ... 61 

3.2.1  Auswahl der Isolate ... 61 

3.2.2  RT-PCR ... 63 

3.2.3  Sequenzanalyse des N-Gens ... 63 

3.2.4  Alignment und Analyse der nicht-kodierenden NP-Region ... 80 

3.2.5  Analyse der GL-nicht-kodierenden Region ... 82 

3.2.6  Analyse der Aminosäuresequenz des N-Proteins ... 87 

3.2.7  Nachweis von EBLV-2 in Deutschland ... 89 

4  Diskussion ... 93 

4.1  Schlussfolgerungen ... 108 

4.2  Ausblick ... 109 

5  Zusammenfassung ... 111 

6  Summary ... 113 

7  Literaturverzeichnis ... 115 

8  Anhang ... 136 

8.1  Verwendete Isolate ... 136 

8.2  Software ... 137 

9  Danksagung ... 138 

(7)

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

A Adenosin, oder auch Ampere

ABLV Australian Bat Lyssavirus, Australisches Fledermaustollwutvirus

APS Ammoniumpersulfat Aqua bidest Aqua bidestillata, zweifach destilliertes Wasser

ARV Aravan Virus

AS Aminosäure ATCC American Type Culture Collection

bp Basenpaare

bzw. beziehungsweise C Cytosin

ca. circa

cDNA komplementäre Desoxyribonukleinsäure

ddNTP Didesoxyribonukleotidtriphosphat DMEM Dulbecco's Modified Eagle Medium

DMSO Dimethylsulfoxid

DNA desoxyribonucleic acid, Desoxyribonukleinsäure dNTP Desoxyribonukleotidtriphosphat

DUVV Duvenhage Virus

EBLV European Bat Lyssavirus, Europäisches Fledermaustollwutvirus

EDTA Ethylendiamintetraazetat

ELISA Enzym-linked-immunosorbent-assay EMEM Eagle's Minimum Essential Medium

g Gramm bzw. Erdbeschleunigung

G Guanin, auch Glykoprotein

GIS Geographische Informationssysteme

GT Genotyp

h hora, Stunde

ICTV International Committee on Virus Taxonomy

(8)

IFT Immunfluoreszenztest

IGR intergenische Regionen

IRD Infrared dye, Infrarotfarbstoff kB Kilobasen

KHUV Khujand Virus

LBV Lagos bat Virus

mAK monoklonaler Antikörper

min Minute bzw. Minuten

mM Millimolar

MMLV-RT Moloney murine leukemia virus- reverse Transkriptase MOKV Mokolavirus

N-J Neighbor-Joining-Methode

NRL Nationale Referenzlabor

Nt Nukleotide

OTU Operational taxonomic unit

PBS phosphat buffered saline, phosphatgepufferte Salzlösung PCR polymerase chain reaction, Polymerasekettenreaktion

pg Pikogramm

pH negativ dekadischer Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration

pmol Pikomol

PRRSV Porzines Reproduktives und Respiratorisches Syndrom Virus

RABV Rabies Virus

RNA ribonucleic acid , Ribonukleinsäure

RNAse Ribonuklease

RNP Ribonukleoproteinkomplex

RT reverse Transkriptase

RTCIT Rapid Tissue Culture Infection Test

RT-PCR Polymerasekettenreaktion nach reverser Transkription SAD-L16 Street Alabama Dufferin, modifizierter Impfstamm SDS sodiumdodecylsulfate, Natriumdodecylsulfat

(9)

s Sekunden spp. Spezies

T Thymin

Ta annealing temperature, Anlagerungstemperatur Taq Thermus aquaticus (Bakterium)

TBE Tris-Borat-EDTA

Tm melting temperature, Schmelztemperatur

TSN Tierseuchennachrichtensystem Tth Thermus thermophilus (Bakterium)

U allein Uracil, bei Enzymen Angabe der Aktivität in units

UpM Umdrehungen pro Minute

UTR/NTR untranslated region, nicht translatierte Region

UV ultraviolett

V Volt W Watt WCBV West Caucasian Bat Lyssavirus

WHO world health organisation, Weltgesundheitsorganisation

x fach / fache

z. B. zum Beispiel

(10)
(11)

1 EINLEITUNG

Die Tollwut ist eine der ältesten bekannten Zoonosen. Die klinische Manifestierung dieser Krankheit mit einem in aller Regel tödlich endenden Verlauf hat die Menschen von jeher in ihren Bann gezogen. Bereits aus dem Altertum gibt es Hinweise auf Tollwuterkrankungen. So wird beispielsweise in der Eshunna, einem Gesetztestext aus Mesopotamien, verfasst ca. 2300 vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z), der Besitzer eines Hundes zur Entschädigung verpflichtet, wenn sein Tier den Tod eines Menschen verursacht. Auch aus China liegen historische Berichte vor, welche Hinweise auf das Vorkommen von Tollwut bei Hunden Jahrhunderte v.u.Z. liefern. Bereits in der Historia Animalum Aristotele aus dem vierten Jahrhundert v.u.Z.

wird geschildert, dass der Biss eines tollwütigen Hundes zur Übertragung der Krankheit auf andere Tiere führt.

Erst in der Neuzeit konnten durch Tierversuche die Eigenschaften des ätiologischen Agens näher beleuchtet werden. Es gelang Pasteur im Jahr 1896 zum ersten Male, einem jungen Mann, der von einem tollwütigen Hund gebissen worden war, durch eine Impfung das Leben zu retten (WILKINSON, 1988). Die Bekämpfung der urbanen Form der Tollwut in Europa beinhaltete die Kontrolle, Quarantäne und gegebenenfalls die Tötung streunender Hunde.

Dann führte jedoch in der Mitte des 20sten Jahrhunderts eine Tollwutepidemie zur weiten Verbreitung der sylvatischen Tollwut in Europa. Hierbei war der Rotfuchs (Vulpes vulpes) Hauptüberträger. Durch die orale Immunisierung der Füchse, einem modernen Mittel der Tierseuchenbekämpfung, ist es gelungen, die Tollwut in weiten Teilen Europas zu tilgen.

Dennoch hat diese Infektionskrankheit in vielen Entwicklungsländern Asiens und Afrikas nichts von ihrem Schrecken verloren.

Wenig bekannt ist, dass neben der klassischen Tollwut, die durch das Rabies Virus hervorgerufen wird, in Europa wie in den meisten Regionen der Welt Fledermaustollwut vorkommt. Die in Europa isolierten Erreger sind zwar mit dem klassischen Tollwutvirus verwandt, stellen aber ein separates Infektionsgeschehen dar und bilden als Europäische Fledermaustollwutviren Typ 1 und 2 zwei separate Genotypen innerhalb des Genus Lyssavirus. Fledermäuse sind somit das Reservoir von 6 der 7 klassifizierten Lyssavirusgenotypen.

(12)

Der erste Nachweis von Fledermaustollwut in Europa wurde 1954 in Deutschland erbracht.

Seit dem wurden zunächst sporadisch, seit 1985 regelmäßig Fledermaustollwutfälle gemeldet.

Zwischen 1954 und 2007 ist in Deutschland insgesamt bei 201 Fledermäusen das Tollwutvirus nachgewiesen worden. Die Tatsache, dass in Europa an beiden Fledermaustollwutvarianten Menschen nach dem Biss tollwütiger Fledermäuse verstorben sind, unterstreicht die Relevanz der Fledermaustollwut für den öffentlichen Gesundheitsschutz.

Über die Fledermaustollwut in Europa und Deutschland ist wenig bekannt. Zwar hat Deutschland im europäischen Vergleich eine relativ große Zahl von Nachweisen an Fledermaustollwut, Untersuchungen an deutschen Fledermaustollwutisolaten beschränkten sich bisher aber auf großräumige Analysen mit wenigen Isolaten.

Unter Verwendung eines Geographischen Informationssystems (GIS) und mit Hilfe eines Raster-basierten Ansatzes wurden aus dem Virusarchiv am Nationalen Referenzlabor für Tollwut Fledermaustollwutisolate zur weiteren genetischen Charakterisierung ausgewählt.

Um Erkenntnisse über die Diversität dieser Viren und deren spatiotemporale Verbreitung in Deutschland zu gewinnen, wurden die Nukleotidsequenzen von drei Genomabschnitten sequenziert und vergleichend analysiert. Die Untersuchungen wurden am nationalen Referenzlabor für Tollwut am Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für Epidemiologie, in Wusterhausen, durchgeführt.

(13)

2 LITERATUR 2.1 Taxonomie

Die Erreger der Tollwut sind Einzelstrang-RNA-Viren negativer Polarität des Genus Lyssavirus, welches zusammen mit weiteren Genera (Ephemerovirus, Vesiculovirus, Novirhabdovirus, Cytorhabdovirus, Nucleorhabdovirus) die Familie der Rhabdoviridae in der Ordnung Mononegavirales bildet. Innerhalb des Genus Lyssavirus werden laut dem International Committee on Virus Taxonomy (ICTV) verschiedene Spezies unterschieden (TORDO et al., 2004); im internationalen Schrifttum ist allerdings die Bezeichnung Genotyp (GT) gebräuchlich. Bislang sind insgesamt 11 Lyssaviren bekannt, die aufgrund ihrer antigenen Struktur und phylogenetischen (N-, G- und P-Gene) Eigenschaften in verschiedene taxonomische Einheiten eingeteilt werden können (Tabelle 2-1).

GT I umfasst das Tollwutvirus (Rabies Virus, RABV), welches nahezu weltweit vorkommt und Erreger der „klassischen Tollwut“ ist. Empfänglich für dieses Virus sind alle Säugetiere.

Reservoirspezies sind karnivore Haus- und Wildtiere sowie in Amerika auch Fledermäuse (Anon., 2004). Das Lagos Bat Virus (LBV) repräsentiert den GT 2 und wurde aus frugivoren und insektivoren Fledermäusen in verschiedenen Ländern Afrikas isoliert (MARKOTTER et al., 2006a). Das Mokolavirus (MOKV) als Vertreter des GT 3 wurde aus Spitzmäusen (Crocidura ssp.), Nagetieren, Hunden und Katzen isoliert. Daher wird vermutet, dass kleinere terrestrische Tierarten Reservoirspezies für MOKV sind. Bisher konnte das MOKV nur auf dem afrikanischen Kontinent nachgewiesen werden (SABETA et al., 2007). Auch GT 4 (Duvenhage Virus, DUVV) wurde bisher nur in Ländern des südlichen Afrikas gefunden.

Reservoirspezies für diesen GT sind insektivore Fledermäuse (PAWESKA et al., 2006).

Die europäische Fledermaustollwut wird durch zwei verschiedene Tollwutviren, dem European Bat Lyssavirus-Typ 1 (EBLV-1) und 2 (EBLV-2), hervorgerufen, welche die Genotypen 5 und 6 repräsentieren. Man geht derzeit davon aus, dass EBLV-1 und EBLV-2 vornehmlich mit Eptesicus- bzw. Myotis-Arten assoziiert sind (AMENGUAL et al., 1997).

Das Australian Bat Lyssavirus (ABLV) als Vertreter des GT 7 ist sowohl bei insektivoren Fledermäusen als auch bei Flughunden (Pteroiden) auf dem australischen Festland nachgewiesen worden (GUYATT et al., 2003; GOULD et al., 2002; GOULD et al., 1998).

(14)

Zwischen 1995 und 2005 wurden vier weitere Lyssavirusvarianten aus Fledermäusen in verschiedenen Regionen Asiens isoliert: Aravan Virus (ARV), Khujand Virus (KHUV), Irkut Virus (IRV) und West Caucasian Bat Virus (WCBV) (KUZMIN et al., 2005; ARAI et al., 2003; KUZMIN et al., 2003; BOTVINKIN et al., 2003b). Eine Klassifizierung als neue Genotypen steht noch aus. Fledermäuse sind Reservoir und Vektor für 6 der bislang 7 bekannten Genotypen.

0.05

LBV MOKV

RABV ABLV

EBLV-1 DUVV

IRKV ARAV

WCBV KHUV EBLV-2

Phylogruppe I Phylogruppe II WCBV

Abbildung 2-1: Phylogenetischer Baum der Lyssavirus-Genotypen basierend auf N-Gen- Sequenzen (modifiziert nach KUZMIN et al., 2005)

(15)

Basierend auf phylogenetischen Analysen in Kombination mit Untersuchungen zur Immunogenität und Pathogenität können Lyssaviren in mindestens zwei verschiedene Phylogruppen eingeteilt werden. Phylogruppe I umfasst die Genotypen 1, 4, 5, 6 und 7 sowie die vorläufigen Genotypen ARV, KHUV und IRV, während die Genotypen 2 (LBV) und 3 (MOKV) zur Phylogruppe 2 zusammengefasst werden können (KUZMIN et al., 2005;

BADRANE et al., 2001). Das WCBV ist der bislang am meisten divergierende Vertreter innerhalb des Genus Lyssavirus und keiner der beiden Phylogruppen zuzuordnen (Abb. 2-1).

KUZMIN (2005) wies nach, dass sich auch die molekularen Eigenschaften von WCBV von denen der etablierten Phylogruppen unterscheiden.

(16)

Tabelle 2-1: Lyssavirus Klassifikation nach ICTV (mod. nach WHO Tech.Rep.Ser.; 918)

Virus Abkürzung Genotyp Wirtsspektrum Verbreitung

Rabies virus RABV I

Wild- und Haustiere, hämatophage und insektenfressende Fledermäuse (Nord-, Südamerika), Mensch

Europa, Asien, Amerika, Asien

Lagos bat virus LBV II

fruchtfleischfressende Fledermäuse

(Megachiroptera)

Afrika

Mokola virus MOKV III ? Afrika

Duvenhage virus DUVV IV insektenfressende

Fledermäuse Afrika European bat

lyssavirus 1 EBLV 1 V

insektenfressende Fledermäuse (Eptesicus

serotinus) Europa

European bat

lyssavirus EBLV 2 VI insektenfressende Fledermäuse (Myotis ssp)

Europa Australian bat

lyssavirus ABLV VII

Flughunde und insektenfressende Fledermäuse

(Mega/Microchiroptera)

Australien

Aravan virus ARAV ?

insektenfressende Fledermäuse (isoliert

aus Myotis blythi) Zentralasien Khujand virus KHUV ?

insektenfressende Fledermäuse (isoliert

aus Myotis mystacinus) Zentralasien Irkut virus IRKV ? insektenfressende

Fledermäuse (isoliert aus Murina leucogaster)

Ostsibirien West Causcasian bat

virus WCBV ?

insektenfressende Fledermäuse (isoliert aus Miniopterus schreibersi)

Kaukasusregion

(17)

2.2 Übertragung

Die Übertragung von Tollwutvirus erfolgt in den meisten Fällen durch Bissverletzungen.

Tollwütige Tiere, welche vermehrungsfähiges Virus über den Speichel ausscheiden, führen zur Verbreitung der Infektionskrankheit, indem sie das Virus über den Biss transdermal in empfängliche Wirte inokulieren (WARRELL und WARRELL, 2004). Die Übertragung von Tollwutvirus kann auch durch direkten Kontakt von Schleimhäuten (Mund- bzw.

Maulschleimhaut, Bindehaut) mit infektiösem Material (Speichel, Nervengewebe, Cerebrospinalflüssigkeit) erfolgen. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass die Tollwut- Epidemie unter Kudu-Antilopen (Tragelaphos strepsiceros) in Namibia durch das gegenseitige Belecken, einem charakteristischen Sozialverhalten dieser Tiere, hervorgerufen wird (BARNARD et al., 1982).

Die unmittelbare Virusübertragung zwischen Fledermäusen ist noch wenig erforscht; man nimmt jedoch an, dass die Übertragung ähnlich wie bei terrestrischen Säugern durch Bissverletzung erfolgt (HUGHES et al., 2006). Auch eine Übertragung via Aerosol wird diskutiert (GIBBONS, 2002).

Nach dem Eintritt des Virus in subkutane Gewebe kann in der quer gestreiften Muskulatur die erste Virusreplikation stattfinden. Das Tollwut-Virus bindet an den nikotinergen Azetyl- Cholin-Rezeptor (NAChR) der neuromuskulären Endplatte, von wo aus nachfolgend Nervenzellen infiziert werden. SHANKAR (1991) und JACKSON (2002) konnten zeigen, dass auch ein direkter Eintritt von Virus in die peripheren Nervenzellen möglich ist. Neben dem Azetyl-Cholin-Rezeptor wurden noch zwei weitere Rezeptoren, ein Neuronen- Adhäsionsmolekül (NCAM) und p75NTR, ein Rezeptor neurotropher Faktoren, nachgewiesen. Da in vitro eine Reihe anderer Zelltypen mit Tollwut-Virus infizierbar sind, müssen weitere ubiquitäre Rezeptoren vorhanden sein, an welche das Tollwutvirus binden kann (FINKE und CONZELMANN, 2005). Trotz Abwesenheit von p75NTR konnten neuronale Zellen mit Tollwut infiziert werden (TUFFEREAU et al., 2007).

Das Tollwutvirus der amerikanischen Silver-haired bats (SHBRV) hat offenbar eine höhere Affinität zu Fibroblasten und epithelialen Zellen und repliziert auch bei geringeren

(18)

Temperaturen in vitro, was möglicherweise eine Adaptation des Virus an die spezifischen Übertragungswege bei Fledermäusen nahe legt (MORIMOTO et al., 1996).

Ausgehend von der peripheren Inokulation wandert das Virus durch axonalen Transport zentripetal zum Zentralnervensystem (TSIANG, 1979). Hierbei scheint das Phosphoprotein eine Bindung mit einer leichten Kette des Dynein-Proteins (LC 8) einzugehen (JACOB et al., 2000; RAUX et al., 2000). Neuere Untersuchungen zeigten, dass es bei Inokulation von genetisch modifizierten Tollwutviren des Stammes SAD-L16, denen die Bindungsstelle zu LC 8 fehlt, zu einer Verzögerung der Virusausbreitung kommt, die histologischen Veränderungen bei Mäusen lassen sich jedoch nicht signifikant von denen nicht veränderter SAD–L16 Virusvarianten unterscheiden (RASALINGAM et al., 2005).

Nach der Infektion des Rückenmarks erreicht das Virus über den bereits erwähnten axonalen Transport, und durch direkte Ausbreitung das Gehirn und führt dort zu Veränderungen der Nervenzellphysiologie (JACKSON, 2002). Innerhalb des Zentralnervensystems findet eine rapide Virusvermehrung statt (HEMACHUDHA et al., 2002). Erneut ist es der transaxonale Transport, der zur zentrifugalen Ausbreitung des Virus in periphere Gewebe genutzt wird. Mit der Infektion der Speicheldrüsen und dem Ausscheiden von infektiösem Virus im Speichel unmittelbar vor dem Auftreten der klinischen Symptome kann das Virus auf weitere Wirte übertragen werden und somit einen Infektionszyklus aufrechterhalten.

Die pathophysiologischen Veränderungen, die sich im Verlauf der Meningoencephalitis im Zentralnervensystem manifestieren, führen über eine Atemlähmung zum Tod (JACKSON, 2002).

(19)

2.3 Morphologie

Lyssavirus-Partikel sind geschoßartig geformt und starr. Sie sind ca. 180 nm lang und besitzen einen Durchmesser von 75nm. Eine Lipid-Doppelschicht, die der Wirtszelle entstammt, bildet die äußere Hülle. Glykoproteine (G-Proteine) formen so genannte „Spikes“

und bedecken, mit Ausnahme des stumpfen Endes, die gesamte Virionenoberfläche und bilden auch das Hauptoberflächenantigen (TORDO und POCH, 1988). Über eine Transmembrandomäne ist das G-Protein in der Membran verankert (Abb. 2-2).

Innerhalb der Hülle formen das RNA-Molekül, das Nukleoprotein und das Phosphoprotein einen aktiven Ribunukleoproteinkomplex (RNP), der eine feste helikale Struktur mit 30-35 Schlaufen bildet. Zwischen dem RNP und der Virushülle befindet sich das Matrixprotein.

(WUNNER et al., 1988).

Abbildung 2-2: Schematischer Aufbau des Tollwutvirions (Le Mecier, URL http//www.virustaxonomyonline.com)

(20)

2.4 Virusgenomstruktur

Lyssaviren besitzen eine nicht-segmentierte, negativ-Strang-RNA mit einer Länge von rund 12 kb (MARSTON et al., 2007; CONZELMANN et al., 1989; TORDO et al., 1986b). Das Genom kodiert eine kurze, nicht translatierte leader-Sequenz und fünf Strukturproteine: das Nukleoprotein (N-Protein), das Phosphoprotein (P-Protein), das Matrixprotein (M-Protein), das Glykoprotein (G-Protein) und die virale Polymerase (L-Protein). Zwischen den kodierenden Genabschnitten liegen nicht-translatierte Regionen (untranslated regions, UTR) unterschiedlicher Länge (MARSTON et al., 2007; TORDO et al., 1986). Innerhalb dieser Bereiche befinden sich zwischen Transkriptionsinitiations- und -terminationssequenzen sogenannte intergenische Regionen (IGR). Im Genom der EBLVs beispielsweise umfasst die IGR im N-P-Bereich 2 Nukleotide, im P-M- und im M-G-Bereich jeweils 5 Nukleotide. Die GL-IGR ist die längste und besteht bei EBLV-1 aus 20 und bei EBLV-2 aus 18 Nukleotiden (MARSTON et al., 2007).

Abbildung 2-3: Darstellung des Genomaufbaus von Lyssaviren am Beispiel EBLV-1. Unterhalb der Gene (Balken) ist die Größe in nt angegeben. Nicht-translatierte Regionen (Linien) sind ebenfalls dargestellt.

(21)

2.5 Virusproteine

2.5.1 Das Nukleoprotein (N-Protein)

Das phosphorylierte N-Protein besteht aus 450 Aminosäuren. N-Proteine sind eng mit der viralen RNA assoziiert und bilden gemeinsam mit dem Phosphoprotein den RNP. Die Assoziation der RNA mit dem N-Protein schützt die RNA vor Ribonukleasen und ist vermutlich ein wichtiger Faktor bei der Transkription (TORDO et al., 1986a).

Das Nukleoprotein induziert nur eine geringe protektive Immunreaktion. Verschiedene Epitope, sogenannte antigenic sites, sind für das N-Protein beschrieben worden. Diese befinden sich an den Aminosäurepositionen 313-337, 358-367, 374-383 und 410-413 (GOTO et al., 2000; WUNNER, 1991; ERTL et al., 1991; DIETZSCHOLD et al., 1988). Die Phosphorylierung des N-Proteins erfolgt an einer Serin-Aminosäure an Position 389 (DIETZSCHOLD et al., 1987). Das Nukleoprotein spielt beim Nachweis von Tollwutviren mittels direkten Immunfluoreszenztests (IFT) unter Verwendung von FITC-markierten, polyklonalen oder monoklonalen Antikörpern eine wichtige Rolle (DEAN et al., 1996).

2.5.2 Das Phosphoprotein (P-Protein)

Das multifunktionelle Phosphoprotein besteht aus 297 Aminosäuren und ist als wichtiger Kofaktor mit der viralen Polymerase (L-Protein) und dem Nukleoprotein assoziiert (CHENIK et al., 1994). Das Virion enthält ca. 950 phosphorylierte P-Proteine. Das P-Protein hat Bedeutung beim axonalen Transport des Virions durch Bindung an die Dynein-Light-Chain (LC8) (JACOB et al., 2000; RAUX et al., 2000). Als Bindungsstelle der LC8 an das Phosphoprotein wurde die Aminosäureposition 139-151 identifiziert (MEBATSION, 2001).

Die Positionen 75-90, 83-172 und 191-206 sind als weitere lineare Epitope identifiziert worden, deren Funktion noch weitgehend unbekannt ist (RAUX et al., 1997). Das P-Protein ist auch an der Regulation der Immunantwort infizierter Zellen beteiligt (BRZOZKA, 2006).

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2.5.3 Das M-Protein

Das M-Protein befindet sich auf der Innenseite der Virionhülle und ist mit der zytoplasmatischen Domäne des G-Proteins und dem RNP verbunden. Neben der Eigenschaft als Strukturprotein hat das M-Protein auch eine Bedeutung beim Virus-Budding und der Regulation von Transkription und Replikation (FINKE et al., 2003; MEBATSION et al., 1999). Das M-Protein scheint auch eine Hemmung der zellulären Translation in infizierten Zellen zu induzieren, und somit die Virusreplikation zu begünstigen (KOMAROVA et al., 2007).

2.5.4 Das Glykoprotein (G-Protein)

Das unreife virale G-Protein besteht aus 524 Aminosäuren. Es lässt sich in vier Abschnitte einteilen: einem Signalpeptid, bestehend aus 19 hydrophoben Aminosäuren, der Endodomäne, einem Transmembranabschnitt und einer Ektodomäne. Nach dem Transport des G-Proteins zum rauhen Endoplasmatischen Retikulum erfolgt die Abspaltung des Signalpeptids, so dass das reife virale G-Protein 504 Aminosäuren besitzt. G-Protein-Trimere bilden auf der Virionoberfläche sogenannte Spikes, welche mit Zellrezeptoren interagieren und damit die Internalisierung des Virions in die Zelle vermitteln (COLL, 1995). Das G-Protein hat eine große Bedeutung beim „Budding“-Prozess, bei welchem die Zellmembran beim Verlassen der Zelle als Hülle das Virion umschliesst (MEBATSION et al., 1996a).

Innerhalb der Ektodomäne des G-Protein befinden sich zwei wichtige Epitope, die als antigenic sites II (AS 34-42 und 198-200) und III (AS 330-338) bezeichnet werden (PREHAUD et al., 1988; DIETZSCHOLD et al., 1983; LAFON et al., 1983). Die antigenic site III beinhaltet die Position 333, welche einen großen Einfluss auf die Pathogenität des Virus hat. Mutationen von Arginin zu Lysin oder Isoleucin an dieser Position führten zu einer deutlichen Reduzierung der Pathogenität von Tollwutviren (TUFFEREAU et al., 1989;

DIETZSCHOLD et al., 1983). Innerhalb der antigenic site III liegt auch die Position 330 (Lysin), die wichtig für die Bindung des Virions an Motoneuronen ist (COULON et al., 1998). Im Gegensatz zu anderen untersuchten Lyssaviren sind sowohl Position 333 als auch 330 bei EBLV-1 und 2 konserviert (MARSTON et al., 2007).

(23)

Das G-Protein ist das einzige Protein des Tollwutvirus, welches virusneutralisierende Antikörper (VNA) induzieren kann und ist daher für die Ausbildung der Immunantwort von essentieller Bedeutung (WIKTOR et al., 1973).

2.5.5 Der GL-nicht translatierte Bereich

Lyssaviren besitzen zwischen dem G-Protein-Gen und dem L-Protein-Gen einen Genomabschnitt, der als GL-nicht-translatierter Bereich bezeichnet wird. Die Länge dieses Bereiches ist je nach Genotyp variabel, bei EBLV-1 ist dieser Abschnitt 560 bp groß (MARSTON et al., 2007). Es wurde vermutet, dass dieser Bereich ein Überbleibsel eines Gens darstellen könnte, da Vertreter verwandter Virusfamilien, wie das Vesiculäre Stomatitis Virus (VSV) oder das Sendai Virus, eine für ein Protein kodierende Sequenz aufweisen und entsprechende Start- und Stopsignale nachweisbar sind. Dementsprechend wurde dieser Bereich lange Zeit als Pseudogen ψ (psi) bezeichnet und seine Bedeutung in der Evolution unsegmentierter negativ-Strang-RNA Viren diskutiert (TORDO et al., 1986b). Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass dieser Abschnitt einen 3’-nicht-translatierten Bereich darstellt (RAVKOV et al., 1995). Die Funktion dieses Bereichs könnte die Regulierung der Expression des L-Proteins sein (MARSTON et al., 2007).

2.5.6 Das L-Protein

Die RNA-abhängige RNA-Polymerase ist mit 2142 Aminosäuren das größte virale Protein und wird demnach L (für "large" = groß) Protein genannt. Das L-Protein bildet zusammen mit dem Phosphoprotein einen Enzymkomplex mit mehreren Funktionen: (i) RNA-abhängige RNA-Polymerase, (ii) Guanylyl-Transferase und (iii) Poly-A-Synthetase (CHENIK et al., 1998; CONZELMANN, 1998).

Das L-Protein ist mit ca. 25 Molekülen pro Virion das Protein mit der geringsten Häufigkeit.

Im Gegensatz dazu sind 1800 N-Protein-Moleküle im Virion vorhanden (WUNNER et al., 1988).

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2.6 Molekulare Differenzierung von Lyssaviren

2.6.1 Typisierung anhand antigener Eigenschaften

Die erste Differenzierung der Lyssaviren von anderen Rhabdoviren gelang mithilfe serologischer Methoden wie dem Serumneutralisationstest, der Komplementbindungsreaktion oder dem Hämagglutinationshemmtest. Innerhalb der Lyssaviren konnten Kreuzneutralisationsversuche mit Versuchstieren die zuvor beobachteten Antigen- Unterschiede grundsätzlich bestätigen. Die Untersuchungen mit polyklonalen Seren trugen zur Unterscheidung von Tollwutvirus (RABV) und 5 Tollwut-ähnlichen Viren, Mokola- Virus, Lagos-Bat-Virus, Duvenhage-Virus, Obodhiang-Virus und Kotonkan-Virus bei (RUPPRECHT et al., 1991; KING und CRICK, 1988). Die beiden aus Insekten isolierten Rhabdoviren, Obodhiang-Virus und Kotonkan-Virus, zeigten dabei Reaktionsmuster, die auf eher entfernte Verwandtschaftsverhältnisse schließen ließen. Jüngste Untersuchungen klassifizieren beide Viren als Mitglieder des Genus Ephemerovirus innerhalb der Familie Rhabdoviridae (KUZMIN et al., 2006). Die Entwicklung monoklonaler Antikörper (mAK) revolutionierte die Typisierung von Virusvarianten. Der Einsatz von mAK, die gegen das Nukleokapsid oder gegen das Glykoprotein des Tollwutvirus gerichtet sind, führte zu einer feineren Differenzierung, sowohl innerhalb der RABV (Sero-, Genotyp 1) als auch zwischen den einzelnen Serotypen (siehe Tabelle 2-1).

2.6.2 Differenzierung basierend auf genetischen Eigenschaften

Die Polymerasekettenreaktion (polymerase chain reaction PCR) ermöglichte erstmals den diagnostischen Nachweis von Tollwutvirus-spezifischer RNA und damit weitergehende genetische Untersuchungen. Neben genotypspezifischen RT-PCR-Protokollen (MARKOTTER et al., 2006a; EAST et al., 2001) wurden auch Pan-Lyssavirus PCR- Protokolle entwickelt. Hierbei erfolgt die grobe Differenzierung der jeweiligen GT in einem zweiten Amplifikationsschritt mit GT-spezifischeren Primern (HEATON et al., 1997). Eine endgültige Klassifizierung nach diesem Schema ist jedoch nur über eine Southern-

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Hybridisierung bzw. mithilfe eines PCR-ELISA möglich (BLACK et al., 2000). Die RT-PCR kann auch zum Nachweis und zur Bestimmung von Tollwut-Varianten innerhalb eines Genotyps genutzt werden (ITO et al., 2003; NADIN-DAVIS et al., 1996). Die Weiterentwicklung der PCR zur realtime RT-PCR für Tollwut schaffte die Voraussetzung zum schnellen, sensitiven und spezifischen Nachweis von Tollwutvirusgenom. Die realtime RT-PCR wird vor allem als Bestätigungstest bei IFT fraglichen bzw. negativen Ergebnissen mit Personenkontakt in der Tollwutdiagnostik eingesetzt. Dabei werden die zum Nachweis der Spezifität eingesetzten Sonden genutzt, um zwischen einzelnen Genotypen zu unterscheiden (WAKELEY et al., 2005). Eine weitere Möglichkeit ist, diese Sonden so zu entwickeln, dass sie innerhalb eines GTs Virusvarianten selektiv erkennen, wie dies beispielsweise für PRRSV-Stämme beschrieben ist (KLEIBOEKER et al., 2005). Der Einsatz von markierten Sonden, die spezifisch für Virusvarianten sind, kann auch bei der in-situ- Hybridisierung zur Differenzierung von Tollwutviren genutzt werden (NADIN-DAVIS et al., 2003). Die Untersuchung von Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismen (RFLP) ist eine weitere Möglichkeit zur Differenzierung von Tollwutviren. Hirzu wird ein Teil des RNA-Genoms mittles RT-PCR amplifiziert und mit Restriktionsenzym behandelt.

Sequenzunterschiede führen zu unterschiedlichen Schnittmustern. Diese Technik wird zur Unterscheidung von Feld- und Impfvirusstämmen herangezogen. Bei epidemiologischen Untersuchungen zur Tollwut dient die RFLP meist als Grobeinteilung für im Feld vorkommende RABV-Varianten und wird häufig durch Typisierung mittels mAk oder Sequenzanalysen untermauert (SCHAEFER et al., 2005; ITO et al., 2001).

Die gebräuchlichste Methode für molekulare Charakterisierungen bei Lyssaviren ist die Sequenzanalyse (WU et al., 2007). Die molekulare Typisierung und der phylogenetische Vergleich von Sequenzdaten sind wichtige Hilfsmittel für die Tollwutüberwachung, Epidemiologie, Risikoanalyse und Pathogenese (BROOKES et al., 2004). Sequenzanalysen des N-Gens bildeten zudem die Grundlage für die Einteilung der Lyssaviren in die derzeit bekannten Genotypen (KISSI et al., 1995; BOURHY et al., 1993).

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Tabelle 2-1: Genotypübergreifende phylogenetische Studien

Genotypen Genabschnitt Autor

1, 4, 5-6 N BOURHY et al., 1992

1-6 G TORDO et al., 1993

1-6 N BOURHY et al., 1993

1-6 N KISSI et al., 2001

1-7 G BADRANE et al., 2001

1-7 N, G JOHNSON et al., 2002

1-7 P NADIN-DAVIS et al 2003

1-7 G GYATT et al., 2003

1-7 N, GOULD et al., 2002 1-7 (9) N, P, G KUZMIN et al., 2005 1-7 (11) N, P, G KUZMIN et al., 2003

1-7 L BOURHY et al., 2005*

1-7 (11) N, P, G WU et al., 2007

* Das L-Gen verschiedener Rhabdoviren wurden vergleichend untersucht

Es wurde postuliert, dass aufgrund der funktionellen Verbindung der einzelnen Proteine auch die Gene bei Lyssaviren nicht unabhängig voneinander evolvieren und folglich alle Gene für phylogenetische Untersuchungen geeignet seien (WU et al., 2007). Sequenzanalysen verschiedener Gene von Lyssaviren ergaben dabei vergleichbare phylogenetische Bäume. So können zur Differenzierung zwischen Genotypen auch kurze Genabschnitte des N-Gens oder des G-Gens eingesetzt werden (JOHNSON et al., 2002). Beispielsweise wurden für ihre Untersuchungen zur evolutionären Entwicklung der Lyssaviren in Bezug zur Tollwut bei terrestrischen Karnivoren und Fledermäusen Sequenzen verwendet, welche für die Ektodomäne des G-Proteins kodieren (BADRANE et al., 2001). Eine Zusammenfassung relevanter genoptyp-übergreifender Untersuchungen, bei denen das N-, P-, G- oder auch L- Gen für Sequenzanalysen verwendet wurden, findet sich in Tabelle 2-2.

Bislang wird jedoch für molekularepidemiologische und phylogenetische Untersuchungen vorwiegend das N-Gen verwendet. Es scheint aufgrund seines hohen Konservierungsgrades

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dafür besonders geeignet. und sollte daher als verbindliches Einteilungskriterium von Tollwutviren in Lyssavirus-Genotypen genutzt werden (KUZMIN et al., 2005). Ein effektives Verfahren zur Charakterisierung von Tollwutviren bekannter Lyssavirusgenotypen basiert auf der Amplifizierung und anschließenden direkten Sequenzierung eines 600 bp langen Genomabschnittes im N-Gen (HEATON et al., 1997). Ein wichtiger Vorteil in der Verwendung des N-Gens liegt in der Verfügbarkeit bereits vorhandener Sequenzen in internationalen Gendatenbanken (GenBank, EMBL), die somit umfassende vergleichende phylogenetische Untersuchungen möglich machen (BROOKES et al., 2004). Zudem können die erzielten Ergebnisse direkt mit denen aus Studien zur Typisierung bzw. Differenzierung von Lyssaviren mittels anti-Nukleokapsid-mAK in Beziehung gebracht und verglichen werden. Die GL-nicht-kodierende Region gilt als sehr variabel (BADRANE et al., 2001;

TORDO et al., 1993; SACRAMENTO et al., 1991). Da dieser Bereich keinem starken Selektionsdruck unterliegt, kann es hier gehäuft zur Akkumulation von Mutationen kommen.

Diese Veränderungen der Sequenzen im GL-Bereich können jedoch zur Differenzierung von jüngeren phylogenetischen Gruppen genutzt werden (COETZEE und NEL, 2007; NEL et al., 2005; SABETA et al., 2003).

2.6.3 Grundlagen phylogenetischer Analysen

Phylogenetische Analysen, die auf molekularen Daten beruhen, sind häufig ein wichtiger Bestandteil von epidemiologischen Studien. Solche Analysen können beispielsweise dazu dienen, Hypothesen über den Ursprung und Verlauf eines Seuchenausbruchs zu generieren, die Klassifizierung von Spezies oder Genotypen zu ermöglichen oder den evolutionären Ursprung von einzelnen Gruppen zu erklären. Sequenzdaten (Nukleotidsequenzen, Aminosäuresequenzen) sind mittlerweile die am weitesten verbreitete Datengrundlage für die phylogenetische Analyse. Dies ist in der wachsenden Automatisierung der Sequenzierung und in der zunehmenden Rechenkapazität moderner Computer begründet.

Die zu vergleichenden Datensätze müssen zunächst in einer Form vorliegen, die eine Analyse möglich macht. Anschließend kann ein Sequenzvergleich (Alignment) erfolgen.

Zur phylogenetischen Analyse der Sequenzdaten und Darstellung als Dendogramm (Baum) können verschiedene Methoden angewendet werden, die nach SWOFFORD (1996) in zwei

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grundsätzliche Herangehensweisen unterschieden werden: (i) einem definierten Algorithmus folgend wird der Baum erstellt und (ii) nach definierten Kriterien werden alle möglichen Bäume verglichen und bewertet. Die Distanz-Matrix-Methoden, wie UPGMA (Unweight Pair-Group Method with Arithmetic Means) und die Neighbor-Joining-Methode (NJ), gehören zur ersten Gruppe. Bei der UPGMA-Methode wird eine Cluster-Analyse der Abstandsmatrix durchgeführt. Bei jedem Schritt werden die OTUs (operational taxonomic units – Ausdruck für die eingegebenen Organismen, deren Eigenschaften verglichen werden) mit den geringsten Abständen einer höheren Ebene zugeordnet, wobei die Distanz zwischen zwei Clustern der Mittelwert der paarweisen Distanzen aller Objekte in beiden Clustern ist.

Im Gegensatz zum UPGMA-Verfahren geht der NJ-Algorithmus von einem sternförmigen Baum ohne Hierarchie aus. Basierend auf einer Distanz-Matrix werden Nachbarn mit der geringsten Distanz zu einem Knoten, also einem hypothetischen Vorläufer der OTUs, verbunden. Iterativ wird die Distanz-Matrix neu berechnet und ein ungewurzelter, additiver Baum konstruiert (SAITOU und NEI, 1987). Zu den charakterbasierten Methoden gehören die Maximum Parsimony und die Maximum Likelyhood Algorithmen.

Wichtiger Bestandteil von phylogenetischen Analysen ist die statistische Absicherung der Ergebnisse. Das am häufigsten zur Anwendung kommende Verfahren ist das Bootstrapping, eine statistische Methode, die in die phylogenetische Analyse integriert wurde (FELSENSTEIN, 1985). Durch das zufällige Kopieren und Ersetzten einzelner Datenbereiche bei gleichzeitiger Konstanz der Gesamtdatenmenge wird aus dem Ausgangsdatensatz eine Vielzahl neuer Datensätze generiert. Alle neuen Datensätze werden in die phylogenetische Analyse integriert, die phylogenetischen Bäume miteinander verglichen und ein Konsensus- Baum erstellt. Der Bootstrap-Wert gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit welcher die Annahme erfüllt wird, dass die im Konsensus-Baum gefundene Verzweigung auch bei den einzelnen OTUs wiederzufinden ist.

Zur Auswertung von Sequenzdaten stehen verschiedene kommerziell erhältliche oder frei verfügbare Software-Programme zur Verfügung. Die große Zahl der Programme kann unter http://evolution.genetics.washington.edu/phylip/software.html eingesehen werden.

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2.7 Fledermaustollwut

Die Ordnung Chiroptera stellen mit mehr als 800 Arten die zweitgrößte Gruppe der Säugetiere auf der Erde. Die Vertreter dieser Ordnung lassen sich morphologisch in die Unterordnungen Megachiroptera (Flughunde) und Microchiroptera (Fledermäuse) einteilen.

Als sehr alte Säugetierordnung haben sich die Chiroptera fast jede ökologische Nische erschlossen und kommen, mit Ausnahme der Antarktis, auf allen Kontinenten vor (KING et al., 2004).

Neuere Untersuchungen zeigen, dass auch eine Einteilung der Chiroptera anhand des Vorhandenseins von Echoortung in Yinchiroptera und Yangchiroptera möglich ist (TEELING et al., 2005). Bei der Verwendung des Begriffes Fledermaustollwut wird im Weiteren nicht zwischen Unterordnungen differenziert.

2.7.1 Amerika

Der amerikanische Kontinent ist die einzige Region auf der Welt, wo Fledermaustollwut durch das RABV (GT1) hervorgerufen wird. Neben Fledermäusen als Reservoir zirkuliert das RABV in karni- bzw. omnivoren Säugetierspezies, wie zum Beispiel Waschbären, Polarfüchsen, Graufüchsen, Koyoten und Stinktieren sowie in verwilderten und streunenden Hunden in Mittel- und Südamerika (BRASS, 1994). Amerika ist der einzige Kontinent der Welt, auf dem mit RABV nur ein Lyssavirus GT vorkommt (CLIQUET und PICARD- MEYER, 2004).

Die ersten Fälle von Fledermaustollwut wurden 1930 in der Karibik beschrieben. Es wurde gezeigt, dass blutleckende (hämatophage) Fledermäuse, sogenannte Vampirfledermäuse der Gattung Desmodus, an Ausbrüchen von Tollwut bei Rindern und beim Menschen beteiligt waren (BRASS, 1994). Schätzungsweise bis zu 500.000 Weiderinder fallen in Mittel- und Südamerika jährlich der Fledermaustollwut zum Opfer (MCCOLL et al., 2000). Darüber hinaus sind bis Mitte der 1990er Jahre mehr als 500 Fälle von Tollwutübertragung auf Menschen durch Fledermäuse aus Lateinamerika bekannt geworden (BRASS, 1994).

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Im Jahr 1954 wurde in Florida, USA, erstmals Tollwut bei einer fruchtfleischfressenden Fledermaus nachgewiesen. In den darauf folgenden Jahren wurde bei nahezu allen auf dem nordamerikanischen Kontinent beheimateten Fledermausspezies (n = 38) Tollwut diagnostiziert. Im Jahr 2006 wurden allein in den USA 1692 Tollwutfälle bei einheimischen Fledermäusen gemeldet. Damit sind Fledermäuse diejenige Spezies in den Vereinigten Staaten, die nach den Waschbären am häufigsten tollwutpositiv getestet wird (BLANTON et al., 2007). Fledermaustollwutvarianten sind mittlerweile die häufigste Ursache für humane Todesfälle in den USA, wobei im Einzelfall nicht immer ein direkter Kontakt zu infizierten Fledermäusen nachgewiesen werden konnte (MESSENGER et al., 2002).

Phylogenetische Untersuchungen zur Fledermaustollwut auf dem amerikanischen Kontinent konnten belegen, dass sich die RABV-Varianten bei Fledermäusen von denen terrestrischer Säugetiere deutlich unterscheiden (DAVIS et al., 2006). Auch innerhalb der amerikanischen Fledermauspopulationen werden Virusvarianten unterschieden. Diese Varianten scheinen mit bestimmen Fledermausspezies assoziiert zu sein (NADIN-DAVIS et al., 2001). Mitunter kommt es aber auch zu Nachweisen einzelner Fledermaus-spezifischer RABV-Varianten bei anderen Tierarten (LESLIE et al., 2006). Diese als spill-over bezeichnete Virusübertragung von Reservoirtieren zu anderen empfänglichen Tieren oder dem Menschen ist bei der durch RABV verursachten Fledermaustollwut häufig. In den meisten Fällen führt eine spill over- Infektion zu einer Sackgasse im Infektionszyklus. In Arizona, USA, konnten jedoch jüngst bei Stinktieren über einen gewissen Zeitraum wiederholt Fledermaustollwut-Varianten in einem eng begrenzten Gebiet nachgewiesen werden, die einen etablierten Speziesübergang (sustained spill over) vermuten lassen (LESLIE et al., 2006; SMITH et al., 2001). Es wird angenommen, dass ein historischer spill-over vor Tausenden von Jahren zum Übergang von Fledermaustollwut auf terrestrische Reservoirspezies führte. Diese Überschreitung der Artbarriere war der entscheidende Ausgangspunkt für die Entwicklung der klassischen Form der Tollwut (BADRANE und TORDO, 2001).

2.7.2 Afrika

Der afrikanische Kontinent ist neben Asien von der klassischen Tollwut (RABV) am stärksten betroffen. Zusätzlich zu RABV wurden in Afrika drei weitere Lyssavirusgenotypen

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nachgewiesen - Lagos Bat Virus (LBV, GT 2), Mokola Virus (MOKV, GT3) und Duvenhage Virus (DUVV, GT 4).

Eine Assoziation der Fledermaustollwut in Afrika ist bisher nur für LBV und DUVV eindeutig belegt. Im Jahre 1954 wurde nach dem Bekanntwerden von Tollwut in insektivoren Fledermäusen ein Virus aus einem Flughund (Eidolon spp.) aus Lagos, Nigeria, isoliert. Erst 1970 gelang die Charakterisierung als Rhabdovirus; spätere Untersuchungen zeigten Unterschiede zum klassischen Tollwutvirus. Der Fundort spiegelte sich in der heutigen Bezeichnung des Virus wider. Weitere Nachweise von LBV gab es in Zimbabwe, Kenia, Senegal, Guinea, Ägypten, Äthiopien und Südafrika. Die Mehrzahl aller Isolate stammt aus Fledermäusen; Spill-over-Infektionen wurden bei Katzen, Hunden und einer Manguste (Atilax paludinosus) nachgewiesen (MARKOTTER et al., 2006a; MARKOTTER et al., 2006b;

BRASS, 1994). Interessanterweise konnte gezeigt werden, dass LBV-Isolate eine sehr hohe intragenotypische Variabilität besitzen. Würden die von KUZMIN et al. (2005) vorgeschlagenen Kriterien zur Einteilung von Lyssavirusgenotypen berücksichtigt, müssten einige Vertreter der LBV in einem neuen Genotyp zusammengefasst werden (MARKOTTER, 2007). Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Das zweite Fledermaus-assoziierte Lyssavirus wurde 1970 in Südafrika aus einem Menschen isoliert, nachdem dieser von einer insektivoren Fledermaus gebissen worden war und an den Folgen der tollwutähnlichen Infektion verstarb. Das isolierte Lyssavirus wurde als Duvenhage-Typ bezeichnet. Das später als GT 4 klassifizierte Virus ist auch aus insektivoren Fledermäusen in Zimbabwe und Südafrika isoliert worden und verursachte weitere Todesfälle bei Menschen in Südafrika (PAWESKA et al., 2006) und bei einem Menschen in den Niederlanden, nachdem er sich in Kenia infiziert hatte (VAN THIEL et al., 2008). Der einzige Genotyp, dessen Assoziation zu Fledermäusen bisher nicht belegt wurde, ist das MOKV (GT 3). Es wurde bislang nur bei terrestrischen Tierarten in Afrika nachgewiesen (SABETA et al., 2007). Da Fledermäuse Reservoir und Vektor für 6 der bislang 7 bekannten Genotypen sind, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass das Virusreservoir für MOKV ebenfalls Fledermäuse sein könnten.

Lange wurde über ein Vorkommen von EBLV-1 auf dem afrikanischen Kontinent spekuliert.

Bisher ist das Virus dort nicht nachgewiesen worden; die Existenz ist angesichts der Verbreitung der im Süden Spaniens EBLV-positiv getesteten Fledermäusspezies Eptesicus

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serotinus isabellinus bis nach Nordafrika jedoch wahrscheinlich (VÁZQUEZ-MORÓN et al., 2008). Auch kann das Vorkommen der in Zentralasien isolierten vorläufigen Genotypen WCBV, ARAV und KHUV in Afrika nicht ausgeschlossen werden, da sich das Verbreitungsgebiet der betroffenen Fledermausspezies auch über Teile des Mittelmeerraumes erstreckt.

2.7.3 Australien und Asien

Lange Zeit galt Australien als tollwutfrei, bis 1996 im Rahmen der Surveillance von Hendra- Virus in Flughunden ein Lyssavirus isoliert wurde, das nachfolgend als Australian bat lyssavirus (ABLV) bezeichnet und als neuer Genotyp 7 klassifiziert wurde (GOULD et al., 1998). Zudem konnten zwei humane Tollwutfälle aus demselben Jahr auf Infektionen mit ABLV durch Kontakt zu Fledermäusen zurückgeführt werden. Seit dem ist ABLV aus verschiedenen Flughundarten (Pteropus alecto, P. poliocephalus, P. scapulatus und P.

conspicillatus) und aus der frugivoren Fledermausart Saccolaimus flaviventris isoliert worden.

Phylogenetische Analysen zeigten, dass innerhalb der beiden Gruppen von endemisch infizierten Fledermausspezies jeweils spezifische ABLV-Varianten unterschieden werden können (GUYATT et al., 2003). Man vermutet, dass ABLV auch außerhalb Australiens vorkommen könnte; Nachweise wurden bislang nicht erbracht. Serumproben aus Fledermäusen auf den Phillipinen und Thailand konnten ABLV neutralisieren (LUMLERTDACHA et al., 2005; ARGUIN et al., 2002). Allerdings können Seren auch kreuzreaktive Eigenschaften gegenüber anderen Lyssavirus-GTs aufweisen.

Über das Vorkommen von Fledermaustollwut in Asien ist wenig bekannt. Es gibt einzelne Fallberichte aus der Türkei, Indien und Thailand aus den vergangenen Jahrzehnten, jedoch fehlen entscheidende Hintergrundinformationen (BRASS, 1994). Nach Angaben chinesischer Wissenschaftler gibt es Hinweise auf die Zirkulation von RABV-Varianten in Fledermäusen in China mit einem berichteten Todesfall (TANG et al., 2005). Diese Darstellung ist unter Berücksichtigung des bislang bekannten geographischen Vorkommens von Lyssavirusgenotpen bei Fledermäusen in der Fachwelt allerdings umstritten.

1991 und 2001 konnten in den zentralasiatischen Staaten Kirgisien und Tadschikistan zwei Lyssaviren aus Fledermäusen isoliert werden, die als Aravan-Virus (ARV) und Khujand-

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Virus (KHUV) bezeichnet wurden (KUZMIN et al., 2003). Im Jahr 2002 gelang die Isolierung des Irkutsk-Virus (IRKV) aus Fledermäusen in Westsibirien, sowie des West Caucasian bat virus (WCBV) aus der Spezies Minopterus schreibersii in der Kaukasusregion (BOTVINKIN et al., 2003a). Weitere Nachweise dieser Lyssaviren sind bislang nicht erfolgt, doch ergaben serologische Untersuchungen Hinweise auf eine weitreichende Zirkulation dieser oder anderer genetisch verwandter Lyssaviren in Fledermäusen Asiens (LUMLERTDACHA et al., 2005). Alle vier Lyssavirusisolate sind aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften vorläufige Genotypen, wobei das WCBV als das genetisch am weitesten entfernt verwandte Virus im Genus Lyssavirus gilt und auch keiner der beiden Phylogruppen zuzuordnen ist (vgl. Abschnitt 2.1). Der Umstand, dass es sich bei den Vertretern der asiatischen Lyssaviren bislang nur um Einzelnachweise handelt, erschwert die Einordnung in eigenständige Genotypen.

2.7.4 Europa

Im Jahr 1954 wurde in Hamburg der erste Fall einer Tollwutinfektion bei Fledermäusen in Deutschland festgestellt (MOHR, 1957). Dies war auch der Erstnachweis von Fledermaustollwut in Europa überhaupt. In den nachfolgenden Jahrzehnten ist in weiteren Ländern Europas Tollwut bei Fledermäusen nachgewiesen worden (Tabelle 2-2).

Zwischen 1977 und 2006 wurden insgesamt 826 Fälle von Fledermaustollwut an das WHO Collaborating Centre for Rabies Surveillance and Research, am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) Wusterhausen berichtet (Abbildung 2-4). Die Mehrzahl der Fälle wurde aus den Niederlanden (283), aus Dänemark (222) und Deutschland (192) gemeldet. Aber auch in Polen, Frankreich und Spanien sind gehäuft Fledermaustollwutfälle nachgewiesen worden.

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Tabelle 2-2: Erstnachweis von Fledermaustollwut in den verschiedenen europäischen Ländern, modifiziert nach KING et al., 2004

Jahr Land Spezies Bemerkung

1954 Deutschland (BRD) ?

1956 Jugoslawien Nyctalus noctula

1957 Türkei Rhinolophus ferrumequinum 1964 Ukraine Eptesicus serotinus

1969 Griechenland ?

1972 Polen Eptesicus serotinus

1984 Niederlande ? Pers. Mitt. B.KOOI

1985 UdSSR Human

1985 Finnland (Schweiz) Human EBLV-2

1985 Dänemark Eptesicus serotinus

1987 Spanien ?

1989 Frankreich Eptesicus serotinus 1989 Tschechoslovakei ?

1992 Schweiz Myotis daubentoni EBLV-2

1996 Vereinigtes Königreich Myotis daubentoni EBLV-2

1998 Slovakei ?

1999 Ungarn Eptesicus serotinus

Da die Zahl von Fledermäusen, die auf Tollwut untersucht wurden, zwischen den einzelnen Ländern Europas stark schwankt, ist davon auszugehen, dass die Fledermaustollwut in ganz Europa verbreitet ist. Wie BOURHY (1992) anhand von Restriktionsanalysen und Sequenzvergleichen des N-Gens zeigte, konnten die beiden anfänglich als Biotypen

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vermuteten Virusvarianten EBLV-1 und EBLV-2 genetisch deutlich voneinander unterschieden und als weitere Genotypen identifiziert werden. Diese Ergebnisse wurden von nachfolgenden Untersuchungen bestätigt (AMENGUAL et al., 1997).

Abbildung 2-4: Darstellung der Fledermaustollwutfälle in Europa zwischen 1977 und 2006 anhand der berichteten Fälle (Quelle: WHO Collaborating Centre for Rabies Surveillance and Research, FLI, Wusterhausen)

Die überwältigende Mehrheit der diagnostizierten Fledermaustollwutfälle in Europa waren auf EBLV-1 zurückzuführen, lediglich 14 sind bislang als EBLV-2 charakterisiert worden.

Während die Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) das Reservoir für EBLV-1 zu sein scheint (BOURHY et al., 1992), ist EBLV-2 bisher nur aus Fledermäusen des Genus Myotis (Myotis daubentonii und Myotis dasycneme) in den Niederlanden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich isoliert worden (VOS et al., 2007a; HARRIS et al., 2007; FOOKS et al., 2003c). Weitere Hinweise auf die Zirkulation von EBLV-1 in europäischen Fledermauspopulationen lieferten Untersuchungen aus Spanien (AMENGUAL et al., 2007;

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SERRA-COBO et al., 2002; PEREZ-JORDA et al., 1995; VÁZQUEZ-MORÓN et al., 2008) und dem Vereinigten Königreich (HARRIS et al., 2006). Interessanterweise konnte 1999 bei einem Nilflughund (Rousettus aegyptiacus) aus dem Rotterdamer Zoo, der nach Dänemark verbracht wurde, nach dem Verenden des Tieres EBLV-1a isoliert werden. Die Umstände, unter denen es zu der Infektion mit dieser Virusvariante kam, konnten nicht geklärt werden (VAN DER POEL et al., 2000).

In Deutschland gab es zwischen 1954 und 1985 nur vereinzelte Nachweise von Fledermaustollwut (Tabelle 2-3). Zumeist handelte es sich um verhaltensauffällige Fledermäuse mit Bisskontakt zu Menschen, welche nachfolgend positiv getestet wurden (SCHNEIDER, 1982; HENTSCHKE und HELLMANN, 1975; WERSCHING und SCHNEIDER, 1969; PITZSCHKE, 1965). Zu dieser Zeit konnten die verursachenden Virusvarianten noch nicht von dem klassischen RABV unterschieden werden. Um daher die Bedeutung der Fledermaustollwut für die Tollwutsituation in Deutschland abschätzen zu können, wurden Mitte der 1950er Jahre von DENNIG (1958) umfangreichere Untersuchungen durchgeführt, bei denen Seren von 295 Fledermäusen verschiedener Spezies auf das Vorkommen neutralisierender Antikörper und 92 Fledermausgehirnsuspensionen im Mausinokulationstest auf Tollwut getestet wurden. Weder Virus noch Antikörper konnten mit Sicherheit nachgewiesen werden. Auch PITZSCHKE (1965) untersuchte 35 Fledermäuse mit negativem Ergebnis. Eine positiv getestete Breitflügelfledermaus wurde von ihm als Zufallsbefund betrachtet. Um nähere Informationen zur Fledermaustollwut zu erlangen, wurden Infektionsversuche initiiert. Damit sollte die Empfänglichkeit einheimischer Fledermäuse gegenüber Infektionen mit dem klassischen RABV untersucht werden (SCHINDLER und DENNIG, 1958). Eine erste Charakterisierung von einem Fledermaustollwutvirusisolat lieferten WERSCHING und SCHNEIDER (1969), die Infektionsversuche mit einem aus einer Breitflügelfledermaus isolierten Virus durchführten, und Unterschiede in der Pathogenität zu dem klassischen Tollwutvirus nachweisen konnten.

Sie gingen allerdings noch von der Fledermaus als Endglied der Infektionskette aus.

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Tabelle 2-3: Auflistung der berichteten Fledermaustollwutfälle in Deutschland (BRD u. DDR) von 1954 bis 1985

Jahr Ort Spezies Referenz

1954 Hamburg ? MOHR (1957)

1963 Jena E. Serotinus PITZSCHKE (1964)

1968 Hamburg ? WERSCHING und SCHNEIDER (1969)

1970 Stade ? SCHNEIDER (1982)

1973 Berlin Myotis myotis HENTSCHKE und HELLMANN (1974)

Erst nach dem Auftreten von Fledermaustollwut 1985 im benachbarten Dänemark und einer von der WHO und dem grünen Kreuz initiierten Tagung in Marburg zum Thema Fledermaustollwut wurden vermehrt Fledermäuse zur Untersuchung an die zuständigen Veterinäruntersuchungsämter eingesandt. Während 1985 Fledermaustollwut bei 3 Breitflügelfledermäusen in Norddeutschland festgestellt wurde, erhöhte sich diese Zahl auf 17 im Folgejahr. Niedersachsen initiierte als erstes Bundesland bereits 1986 eine systematische Untersuchung zur Fledermaustollwut unter Leitung des Tierseuchenbekämpfungsdienstes und der Fachbehörde für Naturschutz. Von 376 untersuchten Tieren aus den Fundjahren zwischen 1979 und 1989 waren 19 im Immunfluoreszenztest positiv (POTT-DÖRFER, 1991;

SEIDLER et al., 1987).

Von 1954 bis 2007 wurden in Deutschland innerhalb der Tollwutroutineuntersuchungen mehr als 900 Fledermäuse untersucht. Die Mehrzahl der Einsendungen stammte aus den Bundesländern Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern und Berlin. In den übrigen Bundesländern wurden im gleichen Zeitraum jeweils weniger als 50, in einigen Bundesländern sogar weniger als 20 Fledermäuse untersucht (MÜLLER et al., 2007).

Das Vorkommen von Fledermaustollwut in Deutschland ist hauptsächlich auf den Norden des Landes beschränkt (Abbildung 3-1). Die meisten Fälle wurden in Niedersachsen, Schleswig- Holstein und Berlin festgestellt. Im Nordwesten, insbesondere in Niedersachsen, ist ein signifikant höheres Vorkommen von Feldermaustollwutfällen gegenüber anderen Regionen

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Deutschlands zu verzeichnen, welche auf ein Endemiegebiet für Fledermaustollwut des Typs EBLV-1 hinweisen. Vermutlich gibt es dort Bedingungen, welche die Persistenz von EBLV-1 in der Fledermauspopulation begünstigen, wie beispielsweise eine erhöhte Populationsdichte der Reservoirspezies, der Breitflügelfledermaus (MÜLLER et al., 2007). Zwar kommt diese Spezies in ganz Deutschland vor, der Verbreitungsschwerpunkt liegt aber im Norddeutschen Tiefland (PETERSEN et al., 2004).

Mit mehr als 90 % aller Fledermaustollwutfälle, bei denen die Fledermausspezies bestimmt wurde, ist die Breitflügelfledermaus die am häufigsten betroffene Art in Deutschland. Weitere Nachweise von EBLV mittels direktem IFT erfolgten in Deutschland bei Myotis myotis, Myotis daubentoni, Pipistrellus pipistrellus, Nyctalus noctula, Pipistrellus nathusii und Plecotus auritus. Mittels der sensitiveren molekularbiologischen Nachweismethoden konnte EBLV-Genom bei Myotis nattereri, Miniopterus schreibersii, Rhinolophus ferrumequinum und Barbastella barbastellus nachgewiesen werden (MÜLLER et al., 2007).

2.7.5 Charakterisierung und molekulare Epidemiologie von EBLV

Fledermaustollwutviren aus Europa wurden ursprünglich als „Duvenhage–like“ eingestuft und dem Serotyp 4 (Duvenhage, DUVV) zugeordnet, da sie bei der Antigentypisierung ein ähnliches Reaktionsmuster zeigten (SCHNEIDER, 1982). Im Zuge weiterer diagnostischer Untersuchungen wurden Hinweise auf Unterschiede zwischen Fledermaustollwutisolaten aus Eptesicus serotinus und denen aus Myotis ssp. gefunden (KING et al., 2004). Spätere Studien konnten dann mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern zeigen, dass sich die in Europa von Fledermäusen isolierten Lyssaviren und ein nicht-klassifizierter humaner Tollwut-Fall aus Finnland in zwei separate Antigenprofile einteilen ließen (MONTAÑO-HIROSE et al., 1990;

KING et al., 1990).

Die erste umfassendere molekulare Charakterisierung von EBLV beinhaltete die Typisierung von neun EBLV-1 und zwei EBLV-2-Isolaten mittels RFLP, sowie deren Typisierung mit mAk und Sequenzvergleichen des N-Gens (BOURHY et al., 1992). In dieser Studie konnten frühere Ergebnisse, wonach Fledermaustollwutvirusisolate aus Deutschland, Polen und Dänemark aufgrund unterschiedlicher Reaktionsmuster mit Anti-G-mAk in separate Gruppen eingeteilt werden konnte (RUPPRECHT et al., 1991), nicht bestätigt werden. Sowohl mit

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serologischen als auch mit RFLP- und Sequenzuntersuchungen konnten EBLV-1 und 2 als eigene Genotypen charakterisiert werden (BOURHY et al., 1992).

AMENGUAL (1997) untersuchte 47 EBLV-Isolate mithilfe partieller Sequenzierung eines N- terminalen 400 bp-Fragmentes des N-Gens, deren Ergebnisse zur Unterteilung der EBLV in die Subtypen EBLV-1a und 1b, sowie EBLV-2a und 2b führte. Letztere Unterteilung wurde durch umfangreichere Studien nicht bestätigt (DAVIS et al., 2005). Für EBLV-1a wurde eine West-Ost-Verbreitung und für EBLV-1b eine Nord-Süd-Verbreitung in Europa postuliert.

Aufgrund der begrenzten Verbreitung wurde spekuliert, dass sich insbesondere EBLV-1b in jüngerer Zeit aus Nordafrika kommend nach Europa ausgebreitet hat (AMENGUAL et al., 1997).

Der Subtyp EBLV-1a wurde in der Ukraine, Polen, Tschechien, der Slowakei, Deutschland, Dänemark und den Niederlanden (DAVIS et al., 2005). Während aus Spanien bisher nur Nachweise von EBLV-1b vorliegen, wurden in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Polen beide Subtypen identifiziert (MÜLLER et al., 2007; SMRECZAK et al., 2007;

VAN DER POEL et al., 2005; PICARD-MEYER et al., 2004a, DAVIS et al., 2005).

Die Sequenzierung des kompletten Virusgenoms von EBLV-1 und 2 zeigte, dass EBLV- Isolate im Vergleich zu RABV eine höhere Identität in den Aminosäure- und Nukleotidsequenzen aufweisen. Im N-Gen liegt diese innerhalb des Genotyps EBLV-1 zwischen 97,8 und 100 % und bei EBLV-2 zwischen 97,3 und 98,8 % (MARSTON et al., 2007). Vergleichende Sequenzanalysen von EBLV-Isolaten des N-Gens, G-Gens und der nicht-kodierenden Regionen zeigten für EBLV-1 eine der geringsten Mutationsraten für RNA-Viren (DAVIS et al., 2005). Beim Genotyp EBLV-1 unterscheiden sich die Subtypen a und b dahingehend, dass EBLV-1b eine größere genetische Diversität aufweist als EBLV-1a.

DAVIS (2005) nutzte bei phylogeographischen Untersuchung der Fledermaustollwut in Europa die Sequenzdaten des N-Gens, G-Gens und der genflankierenden Regionen. Die phylogenetische Gruppierung der EBLV-Isolate war dabei konsistent, unabhängig davon, welcher Genbereich für die Analyse verwendet wurde.

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Tabelle 2-4: Genetische Charakterisierung von Fledermaustollwutvirusisolaten aus Europa.

Mit * gekennzeichnete EBLV-1 Isolate stammen aus Deutschland

Autor Anzahl der Isolate

Gen Fragmentgröße EBLV-1 EBLV-2

BOURHY et al., 1992 9 4* 2 N 1531

AMENGUAL et al., 1997 40 13* 7 N 400

FOOKS et al., 2003 14 3* 8 N 400

JOHNSON et al., 2003 3 12 N 400

PICARD-MEYER et al., 2004 14 - - N 400

DAVIS et al., 2005 58 12* 6 N,G 1353

VAN DER POEL et al., 2005 45 - - N 396

MÜLLER et al., 2007 47 47* N, NP 331

MARSTON et al., 2007 1 1* 1 alle 11966

Aufgrund der hohen Identität von EBLV-1a-Sequenzen aus verschiedenen Regionen Europas wurde über eine Virusübertragung über weite Distanzen für diese Variante spekuliert.

Dagegen lässt die Struktur des phylogenetischen Baumes von EBLV-1b eher auf eine geringere Kontaktrate zwischen Fledermäusen schließen. Für beide Subtypen wurde eine positive Korrelation zwischen geographischer und genetischer Distanz nachgewiesen (DAVIS et al., 2005). Bei der phylogenetischen Analyse von EBLV-Sequenzen aus den Niederlanden anhand eines 396 bp großen Fragments des N-Gens konnten verschiedene Cluster identifiziert werden. Zwei dieser Cluster enthielten nur Isolate aus jeweils definierten geographischen Regionen (VAN DER POEL et al., 2005).

EBLV-Isolate aus Deutschland, die von AMENGUAL (1997) und DAVIS (2005) untersucht wurden, sind sämtlich als EBLV-1a charakterisiert worden. Die erste umfangreiche Studie zur Epidemiologie der Fledermaustollwut in Deutschland beinhaltete auch phylogenetische Analysen, wobei Gensequenzen einer Länge von 331 bp aus dem N-Gen und dem NP-Bereich

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untersucht wurden (MÜLLER et al., 2007). Die große Mehrzahl der 47 sequenzierten Isolate wurden als EBLV-1a identifiziert. Darüber hinaus konnte zum ersten Mal der Nachweis des Subtyp EBLV-1b bei einem Isolat aus dem Saarland erbracht werden.

Die phylogenetische Analyse der partiellen N-Gen-Sequenzen mit dem Genotyp RABV als Outgroup bestätigte frühere Aussagen, wonach innerhalb der beiden Subtypen 1a und 1b eine geringe Variabilität zu erkennen ist (DAVIS et al., 2005), was sich in wenigen Verzweigungen mit niedrigen Bootstrap-Werten manifestierte. Viele der Virusisolate hatten in dem untersuchten Genabschnitt eine identische Sequenz (MÜLLER et al., 2007). Dennoch konnten innerhalb von EBLV-1a zwei vermeintliche Cluster identifiziert werden. Während Isolate des einen Clusters ausnahmslos aus Niedersachsen stammen, kommen Isolate des zweiten Clusters nur in den Bundesländern Sachsen-Ahnhalt, Thüringen und Sachsen vor.

Allerdings konnte daraus der Einfluss der geographischen Herkunft auf die Phylogenie nicht abgeleitet werden (MÜLLER et al., 2007). Neuere Sequenzanalysen im NP-Bereich von weiteren Fledermaustolltwuvirusisolaten aus Deutschland bestätigten die Existenz von EBLV-1b im Südwesten Deutschlands und konnten einen epidemiologische Zusammenhang mit dem EBLV-1b-Vorkommen im benachbarten Frankreich nachweisen (JOHNSON et al., 2007).

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3 EIGENE UNTERSUCHUNGEN 3.1 Material und Methoden

3.1.1 Material

3.1.1.1 Zellen

Zellen der Zelllinie Na 42/13 (murine Mausneuroblastomzellen, Katalognummer: 229, Zellbank, Friedrich-Loeffler-Institut, Riems) wurden für die Anzucht und Isolierung von EBLV eingesetzt.

3.1.1.2 Virusisolate

Im Rahmen dieser Arbeit wurden Isolate von EBLV aus dem Tollwutvirusarchiv des Nationalen Referenzlabors (NRL) für Tollwut am Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für Epidemiologie, verwendet. Die EBLV stammten von im Immunfluoreszenztest (IFT) positiv getestetem Probenmaterial tollwutverdächtiger Fledermäuse, die in den letzten 50 Jahren (1954 bis 2007) in Deutschland im Rahmen der Tollwutroutinediagnostik an die zuständigen Veterinäruntersuchungsämter der Länder eingesandt wurden. Auf Anfrage wurden das positive Gehirnmaterial zur Bestätigung der Diagnose, zur Virusisolierung sowie zur weiteren Identifizierung und Charakterisierung an das NRL übergeben und archiviert. Jedes Isolat ist durch eine Labornummer eindeutig identifiziert. Darüber hinaus fanden weitere Isolate aus retrospektiven Untersuchungen zur Fledermaustollwut der Jahre 1996-2007 Berücksichtigung, an denen sich 12 von 16 Bundesländern beteiligten (MÜLLER, 2007).

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3.1.1.3 Sonstige Materialien

Puffer

0,5 M EDTA (pH 8,0) EDTA- Natriumsalz 186,2 g bidest. Wasser ad 1000,0 ml

TE-Puffer 10 mM Tris pH 8,0

1mM EDTA

50x TAE-Puffer Tris 242,0 g

Essigsäure 1M 57,1 ml 0,5 M EDTA (pH 8,0) 100,0 ml bidest. Wasser ad 1000,0 ml

5x TBE-Puffer Tris 54,0 g

Borsäure 27,5 g

0,5 M EDTA (pH 8,0) 20,0 ml bidest. Wasser ad 1000,0 ml APS-Lösung 10% (w/v) APS in bidest. Wasser Orange G (Probenladepuffer) Orange G 0,125 g

Ficoll 400 15,0 g

5x TAE ad 100 ml

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3.1.2 Methoden

3.1.2.1 Virusisolierung in der Zellkultur

Aufgrund der begrenzten Menge von Gehirnmaterial von Fledermäusen war in den meisten Fällen eine Virusanzucht in der Zellkultur erforderlich. Für die Virusisolierung und -anzucht diente der Rapid Tissue Culture Infection Test (RTCIT) unter Mitführung von Positiv- und Negativkontrollen (WEBSTER und CASEY, 1996). Aus dem Gehirn IFT-positiver Fledermäuse wurde eine 20%ige Suspension unter Verwendung von Minimum Essential Medium (MEM) hergestellt, bei 4 °C für 30 min inkubiert, anschließend bei 600 x g für 10 min zentrifugiert und der Überstand separiert. Murine Neuroblastomazellen (Na42/13) wurden in einer Konzentration von 2x106 Zellen/ml in Dextran-Gebrauchslösung aufgenommen. Jeweils 0,5 ml Zellsuspension wurden mit 0,5 ml des Überstandes der 20%igen Gehirnsuspension gemischt und bei 37 °C und 3-5 % CO2 für30 min im Brutschrank inkubiert und dabei 2-3 Mal durchmischt. Nach Zentrifugation bei 600 x g für 10 min wurde das Zellpellet in 10 ml Dulbeccos’s Minimum Essential Medium (DMEM, Biochrom, Berlin) resuspendiert und anschließend 8ml in eine Gewebekulturflasche (T25) und 2 ml in 6- bzw.

24-Loch-Platten oder Petrischalen (35/10mm) ausgesät. Nach Inkubation der Virus- Zellsuspension bei 37 °C und 3-5 % CO2-Gehalt für weitere 3-4 Tage erfolgte die Kontrolle des Viruswachstums in den zeitgleich infizierten Petrischalen. Nach Absaugen des Zellkulturmediums und 1x Spülung mit TW-Puffer wurden die Zellen mit 80%igem Aceton für 30 min bei 4 oC fixiert und anschließend luftgetrocknet. Die Anfärbung von infizierten Zellen erfolgte mit einem kommerziell erhältlichen, polyklonalen FITC-markiertem Anti- Tollwut-Konjugat (SIFIN, Berlin) für 30 Minuten bei 37 °C in einer feuchten Kammer.

Abschließend wurden die Petrischalen zweimal mit TW-Puffer und Aqua Bidest gespült.

Die Auswertung erfolgte unter einem inversen Fluoreszensmikroskop bei ca. 300-facher Vergrößerung unter Betrachtung des gesamten markierten Bereiches. Der Nachweis tollwutspezifischer Fluoreszenzen in den Zellen galt als Indiz für eine erfolgreiche Virusanzucht. Je nach EBLV-Isolat mussten die infizierten Zellkulturen solange passagiert werden, bis mindestens 60 % der Zellen infiziert waren. Dazu wurde das Zellkulturmedium verworfen, der Zellrasen mit 2 ml Trypsin überschichtet, für 1 min inkubiert und nachfolgend

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