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Mit 120 Isolaten verfügt das Virusarchiv des NRL über eine beachtliche Sammlung von EBLV-Isolaten. Wichtige Voraussetzung zur Selektion einer repräsentativen Auswahl von Fledermaustollwutvirusisolaten waren die Verfügbarkeit von Daten, wie Jahr der Isolierung, die Spezies und der geographische Ursprung. Diese Daten sind für die Darstellung der Tollwutfälle mithilfe geographischer Informationssysteme notwendig. Die hier gewählte Herangehensweise zur Auswahl der Isolatel mit Hilfe des Raster-basierten Verfahrens gewährleistete, dass die räumliche Verteilung aller verfügbaren Isolate berücksichtigt wurde, und somit auch die real zirkulierenden Virusvarianten widerspiegelte. Ein Random sampling, bei dem aus der Anzahl der zur Verfügung stehenden Isolate eine Menge beliebig ausgewählt wird, wäre bei der vorliegenden EBLV-Isolatesammlung nicht sinnvoll gewesen, da wichtige Informationen, wie die zum geographischen Ursprung, unberücksichtigt geblieben wären.

Wäre die Auswahl nach dem Kriterium der Zugehörigkeit in administrative Einheiten erfolgt, so hätte dies zu einer Vorselektion geführt. Würden beispielsweise nur 5 Isolate pro Bundesland ausgewählt, wäre zwar gewährleistet, dass in Bundesländern mit geringer Anzahl von Isolaten diese berücksichtigt worden wären, jedoch würden dann in Flächenländern mit einer größeren Anzahl von Isolaten, wie Niedersachsen, alle Isolate möglicherweise nur aus einer begrenzten Region stammen.

Die Sequenzierung und die anschließende phylogenetische Analyse der gewonnenen Daten sind ein Beitrag zur Charakterisierung und Differenzierung von Fledermaustollwutvirusisolaten aus Europa. Die Typisierung mittels monoklonaler Antikörper und RFLP konnten EBLV-Isolate bislang nur grob in die Genotypen 5 und 6 einteilen. Zudem sind die Ergebnisse auf der Basis von mAKs, die gegen das Glykoprotein gerichtet sind, nicht konsistent (BOURHY et al., 1992; RUPPRECHT et al., 1991).

Wie im Abschnitt 2.6.2 beschrieben, wurden bisher zur genetischen Charakterisierung von EBLVs verschiedene Genabschnitte verwendet. Um einen zukünftigen Vergleich mit veröffentlichten Sequenzen in der Genbank zu gewährleisten, wurde zunächst der in phylogenetischen Studien bei Lyssaviren am häufigsten verwendete Genabschnitt, das N-Gen, untersucht. Zusätzlich wurde auch der N-P Übergangsbereich untersucht, da die am NRL für

Tollwut etablierte, diskriminierende diagnostische RT-PCR für EBLV-1 und -2 ebenfalls diesen Bereich als Zielsequenz nutzt und Sequenzdaten vorliegen (MÜLLER et al., 2007;

VOS et al., 2004b). Dementsprechend wurden das komplette N-Gen und der Übergangsbereich zum Phosphoproteingen zur Sequenzierung ausgewählt. Das N-Gen gilt genotypübergreifend als besonders konserviert (MARSTON et al., 2007; KUZMIN et al., 2005), wogegen der GL- nicht-translatierte Bereich bei GT1 variabler ist (SACRAMENTO et al., 1992). Da diese Region bisher nicht Bestandteil phylogenetischer Studien mit EBLVs, sondern nur bei RABV (GT1) war (vgl. Abschnitt 2.6.2), wurde dieser Bereich herangezogen, um zu überprüfen, ob er für eine weitere Feindifferenzierung von EBLV-Isolaten geeignet ist.

Die Sequenzanalyse des N-Gens der EBLV-1-Isolate aus Deutschland bestätigte vorangegangene Studien (MÜLLER et al., 2007; DAVIS et al., 2005; AMENGUAL et al., 1997), wonach dieser Bereich eine hohe Sequenzidentität und genetische Stabilität aufweist.

Dennoch konnten geringe genetische Unterschiede festgestellt werden, die eine eindeutige Unterscheidung in die Subtypen EBLV-1a und -1b erlauben. Isolate des Subtyps EBLV-1b wiesen eine mehr als fünffach größere Variabilität auf, als die des Subtyps EBLV-1a. Damit werden Ergebnisse von DAVIS (2005) bestätigt. Bei beiden Gruppen war eine Häufung der variablen Positionen innerhalb des N-terminalen Abschnitts des N-Gens feststellbar (Abbildung 3-3 und 3-4). Bezogen auf die Aminosäuresequenzunterschiede bestätigte sich diese Beobachtung für alle untersuchten EBLV-1-Isolate (Tabelle 3-9). Somit entsprechen die Ergebnisse weitestgehend denen einer anderen Studie, die Lyssaviren aus sechs verschiedenen Genotypen im N-Gen vergleichend untersuchte, und zeigte, dass der mittlere Abschnitt eher konserviert ist. Die für die amino- und karboxyterminalen Enden des für das N-Protein kodierenden Genabschnittes sind dagegen variabler (KISSI et al., 1995).

Beim Vergleich der N-Gen-Sequenzen von EBLV-1a und -1b ist ein variabler Bereich interessant, der sich als Marker für die Differenzierung beider Subtypen eignen könnte (Abbildung 3-5). Die Sequenzunterschiede um Position 335 des N-Gens könnten Zielsequenz von Subtyp-spezifischen Primern einer differenzierenden RT-PCR sein. Weiterhin wäre es möglich, ein Restriktionsenzym so auszuwählen, das es an dieser Position spezifisch nur das Genom eines Subtyps schneidet und so zur Unterscheidung mittels RFLP herangezogen werden könnte. Diese Region könnte auch als Zielsequenz für eine Subtyp-spezifische Sonde

bei der Etablierung eines differenzierenden realtime-RT-PCR-Assays genutzt werden. Vorteil einer solchen Herangehensweise wäre die unmittelbare Diagnose von EBLV-1 und zudem die Unterscheidung der Subtypen 1a oder 1b.

Die phylogenetische Analyse basierend auf den kompletten N-Gen-Sequenzen zeigte, dass weitere EBLV-1b-Varianten in Deutschland vorkommen. Auch die Abgrenzung der beiden Subtypen EBLV-1a und -1b voneinander wurde bestätigt. Es wurde postuliert, , dass die Virusübertragung bzw. der Austausch von Virusvarianten zwischen Fledermauspopulationen innerhalb Europas über weite Strecken erfolgt (DAVIS et al., 2005). Die in dieser Arbeit gefundene Gruppierung von EBLV-Isolaten in die Cluster A - E und deren eindeutige geographische Zuordnung lieferte jedoch Indizien, dass die Existenz charakteristischer genetischer EBLV-Varianten mit deren Vorkommen in bestimmten geographischen Regionen innerhalb Deutschlands assoziiert ist (Abbildung 3-1). Ähnliche Beobachtungen wurden in den Niederlanden gemacht (VAN DER POEL et al., 2005). Da die genetische Distanz in direktem Zusammenhang zur geographischen Entfernung der EBLV-1-Isolate untereinander stand (Abbildung 3-7), könnte dies darauf hindeuten, dass die Virustransmission innerhalb der Breitflügel- bzw. anderer Fledermauspopulationen viel engräumiger, d. h. innerhalb geringer Entfernungen abläuft, als bisher angenommen wurde. Ausnahmen von dieser Beobachtung bilden die Isolate 915 und 15730 aus den beiden Clustern A und E im Osten beziehungsweise Nordwesten Deutschlands, deren Ursprung jeweils weit von den restlichen EBLV-Isolaten dieser Cluster entfernt ist. Eine mögliche Erklärung für diese Abweichung könnte das Migrationsverhalten der Reservoirspezies Eptesicus serotinus liefern. Breitflügelfledermäuse werden generell als sehr ortstreu eingeschätzt (PETERSEN et al., 2004). Auswertungen von Beringungsaktionen in Deutschland zeigten, dass Tiere dieser Spezies nur einen sehr geringen Aktivitätsradius haben. In seltenen Fällen sind wurden aus Brandenburg stammenden Breitflügelfledermäuse in Niedersachsen gefunden (HUTTERER et al., 2005).

Die Untersuchungsergebnisse belegen weiterhin einen statistisch gesicherten Zusammenhang zwischen der Nukleotidsequenzdivergenz und dem Zeitraum, der zwischen der Isolierung einzelner Isolate von EBLV-1a liegt (Abbildung 3-7). Allerdings weisen alle untersuchten Isolate weniger als 10 Unterschiede innerhalb der 1356 bp der Nukleotidsequenz des N-Gens auf, so dass zwar von einem Zusammenhang ausgegangen werden kann, die Relevanz für die Divergenz aber als gering einzuschätzen ist. Bei ähnlichen Untersuchungen konnte

AMENGUAL (1997) bei Isolaten aus Deutschland und den Niederlanden keinen linearen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Isolierung und der Zahl an Substitutionen herstellen.

Da die Evolution unter dem Einfluss der Zeit steht, wird die molekulare Uhr („molecular clock theory“) auf viele phylogenetische Datensätze angewandt, obwohl die Grundannahme, dass die Mutationsrate identisch für alle untersuchten Individuen ist, gar nicht erfüllt wird (HOLDER und LEWIS, 2003). So ist gerade die Validität solcher auf dieser Theorie basierenden Modelle für RNA-Viren umstritten (HOLMES, 2003). Auch reicht die zeitliche Spanne, welche die vorliegende Studie innerhalb der Virusevolution von EBLV-1 repräsentiert, kaum aus, um Ableitungen über den Zeitpunkt der Aufspaltung bestimmter Subtypen zu machen.

Die große Sequenzidentität innerhalb der EBLV-1a-Gruppe birgt die Gefahr in sich, dass schon geringfügig fehlerhafte Sequenzen zu falschen Schlussfolgerungen hinsichtlich der phylogenetischen Verwandtschaft zwischen den Isolaten führen können (CLARK und WHITTAM, 1992). Obwohl die Sequenzierung von Virusgenom aus Originalmaterial erstrebenswert ist, da die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass durch die Amplifizierung mittels RT-PCR und anschließender Sequenzierung vorrangig die Konsensussequenz der dominanten Quasispezies nachgewiesen wird, konnte dies nur in wenigen Ausnahmen durchgeführt werden. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass RNA-Viren aufgrund von hohen Mutationsraten und einer fehlenden Fehlerkorrekturfunktion (proofreading) der Polymerase als heterogene Populationen auftreten (DOMINGO und HOLLAND, 1997;

DRAKE, 1993). Diese sogenannten Quasispezies bestehen unter konstanten Umweltbedingungen aus einem Pool von Viren mit verwandten aber teilweise oft hohen heterologen Genomen, wobei eine stabile Spezies hiervon dominant auftritt (KISSI et al., 1999; MORIMOTO et al., 1998). Eine Adaptation an neue Umweltbedingungen kann somit schnell erfolgen, da lediglich jeweils angepasste Mutanten selektiert werden müssen (MORIMOTO et al., 1998). Durch die Zellkultur-Passage der Original-Gehirnsuspension könnte ein genetischer Flaschenhals („genetic bottleneck“) auftreten, wodurch diejenige Subpopulationen einen Selektionsvorteil erlangen, die am besten an das Wachstum in der ausgewählten Zellkultur adaptiert ist und sich demzufolge in der Nukleotidsequenz von der dominanten Linie unterscheiden (LI und ROOSSINCK, 2004).

Für die Existenz derartiger Quasispezies und den Einfluss der Passagierung auf die Sequenz des Genoms gibt es für EBLV-1 kaum Belege, zumal EBLV-1 innerhalb der RNA-Viren eine niedrige Mutationsrate aufweisen (DAVIS et al., 2005). Indiz für die Stabilität ist auch die Tatsache, dass Isolate, die mit dem Isolat 12865 aus Hamburg aus dem Jahr 1968 identisch sind, in verschiedenen Instituten (Institut Pasteur, Paris, Frankreich; AY062082 und VLA, Weybridge, Vereinigtes Königreich, AY863348) unabhängig voneinander in Zellkulturen und/oder Mäusen angezüchtet und später sequenziert worden sind, ohne dass Mutationen zu erkennen waren. Lediglich bei Sequenzanalysen von Fledermaustollwutvirusisolaten aus Frankreich wies ein in der Zellkultur passagiertes EBLV-1-Isolat eine durch wenige Mutationen charakterisierte unterschiedliche Nukleotidsequenz im Vergleich zum Virus aus dem Hirnmaterial auf (PICARD-MEYER et al., 2004a).

Die Anzucht und Passage hatte auch bei GT1 scheinbar keinen Einfluss auf die Nukleotidsequenz. So konnte KISSI (1999) keine Mutationen nach serieller Passage eines Fuchsvirusisolates (RABV) in Mäusen nachweisen. Auch für Zellkultur-adaptierte RABV-Stämme ist eine ähnlich hohe genetische Stabilität nach mehreren Passagen nachgewiesen worden (BECKERT et al., 2008; MEBATSION et al., 1996b).

Die Virusisolierung und –vermehrung von EBLVs in der Zellkultur ist zudem für die Archivierung sowie für weitere wissenschaftliche Studien unerlässlich, da das zur Verfügung stehende Gehirn der europäischen Fledermäuse nur ein geringes Volumen besitzt. Durch Wiederholungs bzw. Bestätigungstests in der Routinediagnostik kann oft das gesamte Hirnmaterial aufgebraucht sein, so dass für weiterführende Untersuchungen kaum Möglichkeiten bestehen. Da auch die längerfristige Aufbewahrung von extrahierter Virus-RNA durch physikalische und chemische Prozesse negativ beeinträchtigt werden kann, ist die Virusisolierung und –vermehrung in der Zellkultur durch keine andere Methode ersetzbar.

Auch die intrakraniale Inokulation von Mäusen (Mausinokulationstest, MIT), birgt hinsichtlich des Selektionsdruckes die gleichen Risiken und stellt nicht zuletzt aus Gründen des Tierschutzes keine sinnvolle Alternative dar (ANON., 2008).

Die RT-PCR kann für fehlerhafte Sequenzen eine Ursache darstellen, da die verwendeten Enzyme MMLV-reverse Transkriptase und die Taq-Polymerase eine gewisse Fehlerrate aufweisen (BRACHO et al., 1998). Dementsprechend wird für die Sequenzierung von

RNA-Viren und deren Quasispezies eine DNA-Polymerase mit Fehlerkorrekturfunktion (Proofreading) empfohlen (MALET et al., 2003). Die in dieser Studie eingesetzte Platinum®Taq-DNA-Polymerase entspricht dieser Forderung, denn sie ist ein Gemisch mehrerer Polymerasen, wobei die Pyrococcus-GB-D-Polymerase eine Proofreading-Funktion besitzt. Fehler sind durch diesen Amplifikationsschritt folglich kaum zu erwarten. Durch die direkte Sequenzierung von PCR-Produkten ohne vorheriges Klonieren wurde zudem vermieden, dass etwaige Polymerasefehler doch zu fehlerhaften Sequenzen führen.

Eine weitere Quelle für inkorrekte Sequenzen könnte das Einlesen der Nukleotidsequenzen in der Sequenziermaschine sein. Alle untersuchten Genabschnitte eines Isolates werden daher sowohl vorwärts als auch rückwärts überlappend sequenziert und eingelesen, um Lesefehler zu erkennen. Dabei werden die Nukleotidsequenzen fortlaufend mit einer Referenzsequenz verglichen und variable Positionen gesondert notiert. Vor dem Fertigstellen wurden alle Teilsequenzen eines Isolates zusammengeführt und verglichen, wobei bei auftretenden Unstimmigkeiten die Sequenzierung wiederholt wurde. Gegebenenfalls wurde ein neues RT-PCR-Produkt hergestellt, um die Sequenzierung zu optimieren. Trotz aller Vorsichtsmassnahmen ist das Auftreten von Sequenzierfehlern nicht gänzlich auszuschließen, kann aber bei sorgfältiger Arbeit auf etwa 1/10000 Nukleotide herabgesetzt werden, wodurch der Einfluss dieser Fehler auf die Analyseergebnisse nicht mehr relevant ist (CLARK und WHITTAM, 1992).

Ein Beleg für die Genauigkeit der Sequenzen ist der statistisch signifikante Zusammenhang zwischen geographischer und genetischer Distanz der untersuchten EBLV-1 Isolate (Abbildung 3-7 Abbildung 3-8). Beim zufälligen Auftreten von Sequenzierfehlern, die zu falschen Nukleotidaustauschen geführt hätten, wäre eine statistisch belegte Abhängigkeit nicht mehr nachweisbar gewesen.

Für die phylogenetische Analyse der Sequenzdaten stehen eine Vielzahl von Methoden und Programmen zur Verfügung. Da die Neighbour-Joining-Methode bei wenigen variablen Merkmalen Vorteile besitzt und zudem eine sehr schnelle Datenverarbeitung erlaubt (HOLDER und LEWIS, 2003), wurde sie in diesem Fall ausgewählt. Andere Algorithmen wurden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt, da bei verschiedenen Studien zur Phylogenie bei Lyssaviren festgestellt worden ist, dass sich die Topologie der phylogenetischen Bäume

zwischen den verwendeten Methoden nicht unterschied (METLIN et al., 2007; FRANKA et al., 2006).

Die hohe Identität der Nukleotidsequenzen im N-Gen spiegelt sich bei den abgeleiteten Aminosäuresequenzen wider. Innerhalb des Subtyps EBLV-1a und -1b konnten verglichen mit dem Referenzisolat 12865jeweils 7 variable Positionen ermittelt werden (Tabelle 3-9).

Das Clustering, welches mit den AS-Sequenzen des N-Gens gefunden wurde, korreliert mit der Einteilung auf Basis der N-Gen-Sequenzen nur bedingt (Abbildung 3-24). Während die Isolate 976, 5250, 13401, 13428 und 13438 aus dem Cluster E einen gemeinsamen Aminosäureaustausch aufweisen und eine Extragruppe darstellen, ist die abgeleitete AS-Sequenz der Mehrzahl der EBLV-1a-Isolate im Vergleich zur Referenzsequenz (Isolat 12865) identisch. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass es innerhalb der zirkulierenden EBLV-1a-Viruspopulation zwar zu Mutationen kommt, die sich in der Nukleotidsequenz und somit auch in der Phylogenie manifestieren und geographisch zugeordnet werden können, allerdings meist aus stillen Mutationen bestehen.

Vielmehr deutet die relativ geringe Rate von nicht-synonymen Mutationen darauf hin, dass die Proteine einem starken Selektionsdruck ausgesetzt sind. Zudem befinden sich die Aminsäureaustausche ausnahmslos an Positionen (Tabelle 3-9), bei denen ein Einfluss auf die antigenen Eigenschaften bisher nicht nachgewiesen wurden (Siehe Absatz 2.5.1). Folglich dürften sich die EBLV-1a Isolate der Cluster A-E kaum in ihren biologischen Eigenschaften unterscheiden.

Vergleichende Studien an RABV-Isolaten zeigten, dass der N-P-nicht-translatierte Bereich im Gegensatz zum N-Gen variabler ist (KISSI et al., 1995). In der vorliegenden Arbeit konnten jedoch bei den untersuchten Isolten nur wenige Sequenzunterschiede in diesem Bereich identifiziert werden. Zwar war die Analyse dieses Genabschnittes ausreichend, um zwischen den Subtypen EBLV-1a und -1b zu differenzieren, jedoch erlaubte die phylogenetische Analyse mit den 90 nt-langen Sequenzen nicht die Differenzierung in die Cluster A-E wie bei Verwendung der Sequenzen des N-Gens (Abbildung 3-19). Innerhalb des Subtyps-1a konnten mit den Sequenzen des N-P-nicht-translatierten Bereiches nur wenige Isolate in separate Cluster eingeordnet werden. Diese entstammen ausnahmslos dem mit den N-Gensequenzen indentifizierten A1-Cluster.

Auch in der phylogenetischen Analyse mit Sequenzen des G-L-nicht-translatierten Bereiches konnte kein so feines Clustering gefunden werden wie mit den eher konservierten N-Gensequenzen. Die Ergebnisse widersprechen damit den Erwartungen, wonach dieser Genabschnitt besonders für phylogenetische Untersuchungen bei geringen Sequenzvariationen, wie für das RABV gezeigt (COETZEE und NEL, 2007; NEL et al., 2005; PAEZ et al., 2003), geeignet sei. Ein Vorteil der GL-Region gegenüber anderen Genabschnitten für phylogenetische Studien kann somit für Lyssaviren des Genotyps EBLV-1 nicht bestätigt werden. Dieser Bereich ist als Pseudogen ψ (psi) bezeichnet worden, da beim Pasteur-Virusstamm Strukturen entdeckt worden waren, welche auf frühere Start- und Stopsignale hindeuteten (TORDO et al., 1986b). Neueren Untersuchungen zufolge handelt es sich aber hierbei um einen 3’-nicht-kodierenden Bereich (RAVKOV et al., 1995).

Die Ursache für die geringere Variabilität der G-L-Region bei EBLV-1 könnte darin begründet liegen, dass die virale RNA in diesem Bereich, obwohl nicht kodierend, doch über die Bildung von Sekundärstrukturen Einfluss auf die Transkription und Translation des nachfolgenden Polymerasegens hat, oder als Bindungsstelle für zelluläre Signalpeptide fungiert, wie dies für andere codierende Genbereiche bereits beschrieben wurde (BLONDEL et al., 2002; RAUX et al., 2000). Bisher ist für diesen Abschnitt nur nachgewiesen, dass die relativ große IGR die Transkription des nachfolgenden Polymerasegens dahingehend herabreguliert, dass die Polymerase das am wenigsten transkribierte Protein des Virus darstellt (FINKE et al., 2000). Die Tatsache, dass die Transkriptionsprozesse bei Lyssaviren nicht unabhängig voneinander ablaufen, sondern sich gegenseitig beeinflussen und aufeinander aufbauen, hat zur Folge, dass Mutationen eines einzelnen Motivs Veränderungen in der Virustranskription und –replikation sowie der Pathogenität nach sich zieht (WU et al., 2007). Da Mutationen in diesem Abschnitt somit auch die Eigenschaften des Virus beeinflussen, wäre eine unabhängige Evolution dieses Abschnitts nicht möglich und er verhält sich ähnlich stabil wie die anderen untersuchten Abschnitte. Die große Stabilität des EBLV-1-Genoms lässt darauf schliessen, dass das Virus optimal an die Zirkulation innerhalb der Reservoirspezies angepasst ist und die meisten Mutationen, die auftreten, negativ selektiert werden (VOS et al., 2007).

Während es für andere Viren, wie beispielsweise für das der Klassischen Schweinepest (KSPV), festlegte Konventionen gibt, um Isolate eindeutig mittels Sequenzanalyse bestimmter Genomabschnitte zu typisieren (GREISER-WILKE et al., 2006), ist eine Standardisierung bei Lyssaviren bisher nicht erfolgt. Einen Quasi-Standard für Lyssaviren stellt die Sequenzierung des Genomabschnittes dar, der für die ersten 400 nt des N-Proteins kodiert (BROOKES et al., 2004). Wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden konnte, ist eine Differenzierung zwischen den Subtypen 1a und 1b mit jedem untersuchten Genabschnitt möglich. Aufgrund der relativ großen Unterschiede zwischen den Subtypen könnten auch sehr kurze Genabschnitte und vermutlich sogar eine subtypspezifische Sonde bei der realtime-RT-PCR für eine solche Unterscheidung ausreichen.

Um epidemiologische Zusammenhänge zur Fledermaustollwut in Deutschland und Europa herauszustellen, könnte die Analyse des gesamten N-Gens wertvolle Ergebnisse liefern. So war bei der phylogenetischen Analyse mit einem nur 331 nt großen Fragment eine geographische Clusterung deutscher Isolate vermutet worden, konnte jedoch nicht eindeutig belegt werden (MÜLLER et al., 2007). Zu ähnlichen Ergebnissen führte eine Studie auf der Basis eines 400 nt Fragments des N-Gens (JOHNSON et al., 2002), die lediglich eine Unterscheidung in die Subtypen 1a und 1b ermöglichte. Auch durch die Analyse der Sequenzen des kompletten Glykoprotein-Gens war keine weitere Differenzierung möglich (DAVIS et al., 2005). Möglicherweise sind auch die Sequenzen anderer Genabschnitte zur Charakterisierung nicht besser geeignet (WU et al., 2007). Wie aber die vorliegende Studie zeigt, können Untersuchungen einzelner, relativ langer Genabschnitte wichtige Beiträge zur Erreger-Wirt-Infektionskette leisten.

Die bestätigte große Stabilität des N-Gens innerhalb der EBLV-1-Isolate hat zur Konsequenz, dass phylogenetische Analysen nur geringe Konfidenzwerte (Bootstrap-Werte) liefern. Die Verzweigungen stellen aber trotzdem die verwandtschaftlichen Verhältnisse repräsentativ dar, da schon wenige Nukleotidaustausche einen Entwicklungsschritt ausmachen können.

Der nicht-translatierte Bereich zwischen N- und P-Gen besteht aus ca. 90 Nukleotiden. Bei insgesamt vier Isolaten wurden Abweichungen in Form von Insertionen in diesem Bereich festgestellt. Die zusätzlichen Nukleotide sind Insertionen im Bereich des Transkriptions-Termination/Polyadenylationssignals (Abbildung 3-20). Die Isolate 3132 und 5778 aus der EBLV-1a-Gruppe wiesen eine singuläre A-Insertion auf. Beide Isolate entstammen

phylogenetisch dem Cluster A1 und besitzen im N-Gen identische Sequenzen.

Interessanterweise fehlte bei den weiteren Mitgliedern dieses Clusters A1 (5782, 5776) diese Insertion. Im Gegensatz dazu hatten die Isolate 5006 und 15771 aus der EBLV-1b-Gruppe eine 6-nt-Insertion auf (Abbildung 3-18). Diese 6-nt-Insertion war auch bei einem EBLV-1b Isolat aus Frankreich vorhanden (JOHNSON et al., 2007). Die drei Isolate, die diese Insertion aufwiesen, wurden in räumlicher Nähe zueinander gefunden, was eine Zirkulation dieser Virusvariante in einem räumlich abgegrenzten Gebiet im Grenzbereich zwischen Frankreich und Deutschland nahelegt. Die Tatsache, dass diese Insertion bei in einem dritten EBLV-1b-Isolat aus dem Saarland (13403) aus dem Jahr 1987 nicht nachgewiesen werden konnte, weist auf eine relativ junge Veränderung des Genoms, da zwischen der ersten Isolierung (1989) und dem letzten Nachweis (2006) einer solchen Variante 17 Jahre vergangen sind (JOHNSON et al., 2007). Die Entstehung dieser Insertionen ist ungeklärt. Möglicherweise spielt ein so genannter „Stotter-Mechanismus" der RNA-abhängigen RNA-Polymerase bei der Polyadenylation viraler mRNA-Moleküle dabei eine wichtige Rolle (KOLAKOFSKY et al., 2005). Obwohl dieses „Stottern“ normalerweise nur bei der Transkription auftritt, ist es möglich, dass dies auch bei der Virusreplikation durch die RNA-abhängige RNA-Polymerase erfolgte.

Der GL-nicht-translatierte Bereich umfasste bei allen untersuchten EBLV-1-Isolaten 560 nt und entsprach damit dem von MARSTON (2007) angegebenen Werten. Eine Ausnahme bildete Isolat 5782, bei dem dieser Bereich nur 525 nt hatte. Dies ist auf eine Deletion von 35 nt zurückzuführen, zwischen Positionen 5319-5353 des Genoms (Abbildung 3-20). Auch diese Deletion konnte bei anderen Isolaten, die ansonsten identische Nukleotidsequenzen

Der GL-nicht-translatierte Bereich umfasste bei allen untersuchten EBLV-1-Isolaten 560 nt und entsprach damit dem von MARSTON (2007) angegebenen Werten. Eine Ausnahme bildete Isolat 5782, bei dem dieser Bereich nur 525 nt hatte. Dies ist auf eine Deletion von 35 nt zurückzuführen, zwischen Positionen 5319-5353 des Genoms (Abbildung 3-20). Auch diese Deletion konnte bei anderen Isolaten, die ansonsten identische Nukleotidsequenzen