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2   Literatur

2.6   Molekulare Differenzierung von Lyssaviren

2.6.1 Typisierung anhand antigener Eigenschaften

Die erste Differenzierung der Lyssaviren von anderen Rhabdoviren gelang mithilfe serologischer Methoden wie dem Serumneutralisationstest, der Komplementbindungsreaktion oder dem Hämagglutinationshemmtest. Innerhalb der Lyssaviren konnten Kreuzneutralisationsversuche mit Versuchstieren die zuvor beobachteten Antigen-Unterschiede grundsätzlich bestätigen. Die Untersuchungen mit polyklonalen Seren trugen zur Unterscheidung von Tollwutvirus (RABV) und 5 Tollwut-ähnlichen Viren, Mokola-Virus, Lagos-Bat-Mokola-Virus, Duvenhage-Mokola-Virus, Obodhiang-Virus und Kotonkan-Virus bei (RUPPRECHT et al., 1991; KING und CRICK, 1988). Die beiden aus Insekten isolierten Rhabdoviren, Obodhiang-Virus und Kotonkan-Virus, zeigten dabei Reaktionsmuster, die auf eher entfernte Verwandtschaftsverhältnisse schließen ließen. Jüngste Untersuchungen klassifizieren beide Viren als Mitglieder des Genus Ephemerovirus innerhalb der Familie Rhabdoviridae (KUZMIN et al., 2006). Die Entwicklung monoklonaler Antikörper (mAK) revolutionierte die Typisierung von Virusvarianten. Der Einsatz von mAK, die gegen das Nukleokapsid oder gegen das Glykoprotein des Tollwutvirus gerichtet sind, führte zu einer feineren Differenzierung, sowohl innerhalb der RABV (Sero-, Genotyp 1) als auch zwischen den einzelnen Serotypen (siehe Tabelle 2-1).

2.6.2 Differenzierung basierend auf genetischen Eigenschaften

Die Polymerasekettenreaktion (polymerase chain reaction PCR) ermöglichte erstmals den diagnostischen Nachweis von Tollwutvirus-spezifischer RNA und damit weitergehende genetische Untersuchungen. Neben genotypspezifischen RT-PCR-Protokollen (MARKOTTER et al., 2006a; EAST et al., 2001) wurden auch Pan-Lyssavirus PCR-Protokolle entwickelt. Hierbei erfolgt die grobe Differenzierung der jeweiligen GT in einem zweiten Amplifikationsschritt mit GT-spezifischeren Primern (HEATON et al., 1997). Eine endgültige Klassifizierung nach diesem Schema ist jedoch nur über eine

Southern-Hybridisierung bzw. mithilfe eines PCR-ELISA möglich (BLACK et al., 2000). Die RT-PCR kann auch zum Nachweis und zur Bestimmung von Tollwut-Varianten innerhalb eines Genotyps genutzt werden (ITO et al., 2003; NADIN-DAVIS et al., 1996). Die Weiterentwicklung der PCR zur realtime RT-PCR für Tollwut schaffte die Voraussetzung zum schnellen, sensitiven und spezifischen Nachweis von Tollwutvirusgenom. Die realtime RT-PCR wird vor allem als Bestätigungstest bei IFT fraglichen bzw. negativen Ergebnissen mit Personenkontakt in der Tollwutdiagnostik eingesetzt. Dabei werden die zum Nachweis der Spezifität eingesetzten Sonden genutzt, um zwischen einzelnen Genotypen zu unterscheiden (WAKELEY et al., 2005). Eine weitere Möglichkeit ist, diese Sonden so zu entwickeln, dass sie innerhalb eines GTs Virusvarianten selektiv erkennen, wie dies beispielsweise für PRRSV-Stämme beschrieben ist (KLEIBOEKER et al., 2005). Der Einsatz von markierten Sonden, die spezifisch für Virusvarianten sind, kann auch bei der in-situ-Hybridisierung zur Differenzierung von Tollwutviren genutzt werden (NADIN-DAVIS et al., 2003). Die Untersuchung von Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismen (RFLP) ist eine weitere Möglichkeit zur Differenzierung von Tollwutviren. Hirzu wird ein Teil des RNA-Genoms mittles RT-PCR amplifiziert und mit Restriktionsenzym behandelt.

Sequenzunterschiede führen zu unterschiedlichen Schnittmustern. Diese Technik wird zur Unterscheidung von Feld- und Impfvirusstämmen herangezogen. Bei epidemiologischen Untersuchungen zur Tollwut dient die RFLP meist als Grobeinteilung für im Feld vorkommende RABV-Varianten und wird häufig durch Typisierung mittels mAk oder Sequenzanalysen untermauert (SCHAEFER et al., 2005; ITO et al., 2001).

Die gebräuchlichste Methode für molekulare Charakterisierungen bei Lyssaviren ist die Sequenzanalyse (WU et al., 2007). Die molekulare Typisierung und der phylogenetische Vergleich von Sequenzdaten sind wichtige Hilfsmittel für die Tollwutüberwachung, Epidemiologie, Risikoanalyse und Pathogenese (BROOKES et al., 2004). Sequenzanalysen des N-Gens bildeten zudem die Grundlage für die Einteilung der Lyssaviren in die derzeit bekannten Genotypen (KISSI et al., 1995; BOURHY et al., 1993).

Tabelle 2-1: Genotypübergreifende phylogenetische Studien

Genotypen Genabschnitt Autor

1, 4, 5-6 N BOURHY et al., 1992

1-6 G TORDO et al., 1993

1-6 N BOURHY et al., 1993

1-6 N KISSI et al., 2001

1-7 G BADRANE et al., 2001

1-7 N, G JOHNSON et al., 2002

1-7 P NADIN-DAVIS et al 2003

1-7 G GYATT et al., 2003

1-7 N, GOULD et al., 2002 1-7 (9) N, P, G KUZMIN et al., 2005 1-7 (11) N, P, G KUZMIN et al., 2003

1-7 L BOURHY et al., 2005*

1-7 (11) N, P, G WU et al., 2007

* Das L-Gen verschiedener Rhabdoviren wurden vergleichend untersucht

Es wurde postuliert, dass aufgrund der funktionellen Verbindung der einzelnen Proteine auch die Gene bei Lyssaviren nicht unabhängig voneinander evolvieren und folglich alle Gene für phylogenetische Untersuchungen geeignet seien (WU et al., 2007). Sequenzanalysen verschiedener Gene von Lyssaviren ergaben dabei vergleichbare phylogenetische Bäume. So können zur Differenzierung zwischen Genotypen auch kurze Genabschnitte des N-Gens oder des G-Gens eingesetzt werden (JOHNSON et al., 2002). Beispielsweise wurden für ihre Untersuchungen zur evolutionären Entwicklung der Lyssaviren in Bezug zur Tollwut bei terrestrischen Karnivoren und Fledermäusen Sequenzen verwendet, welche für die Ektodomäne des G-Proteins kodieren (BADRANE et al., 2001). Eine Zusammenfassung relevanter genoptyp-übergreifender Untersuchungen, bei denen das N-, P-, G- oder auch L-Gen für Sequenzanalysen verwendet wurden, findet sich in Tabelle 2-2.

Bislang wird jedoch für molekularepidemiologische und phylogenetische Untersuchungen vorwiegend das N-Gen verwendet. Es scheint aufgrund seines hohen Konservierungsgrades

dafür besonders geeignet. und sollte daher als verbindliches Einteilungskriterium von Tollwutviren in Lyssavirus-Genotypen genutzt werden (KUZMIN et al., 2005). Ein effektives Verfahren zur Charakterisierung von Tollwutviren bekannter Lyssavirusgenotypen basiert auf der Amplifizierung und anschließenden direkten Sequenzierung eines 600 bp langen Genomabschnittes im N-Gen (HEATON et al., 1997). Ein wichtiger Vorteil in der Verwendung des N-Gens liegt in der Verfügbarkeit bereits vorhandener Sequenzen in internationalen Gendatenbanken (GenBank, EMBL), die somit umfassende vergleichende phylogenetische Untersuchungen möglich machen (BROOKES et al., 2004). Zudem können die erzielten Ergebnisse direkt mit denen aus Studien zur Typisierung bzw. Differenzierung von Lyssaviren mittels anti-Nukleokapsid-mAK in Beziehung gebracht und verglichen werden. Die GL-nicht-kodierende Region gilt als sehr variabel (BADRANE et al., 2001;

TORDO et al., 1993; SACRAMENTO et al., 1991). Da dieser Bereich keinem starken Selektionsdruck unterliegt, kann es hier gehäuft zur Akkumulation von Mutationen kommen.

Diese Veränderungen der Sequenzen im GL-Bereich können jedoch zur Differenzierung von jüngeren phylogenetischen Gruppen genutzt werden (COETZEE und NEL, 2007; NEL et al., 2005; SABETA et al., 2003).

2.6.3 Grundlagen phylogenetischer Analysen

Phylogenetische Analysen, die auf molekularen Daten beruhen, sind häufig ein wichtiger Bestandteil von epidemiologischen Studien. Solche Analysen können beispielsweise dazu dienen, Hypothesen über den Ursprung und Verlauf eines Seuchenausbruchs zu generieren, die Klassifizierung von Spezies oder Genotypen zu ermöglichen oder den evolutionären Ursprung von einzelnen Gruppen zu erklären. Sequenzdaten (Nukleotidsequenzen, Aminosäuresequenzen) sind mittlerweile die am weitesten verbreitete Datengrundlage für die phylogenetische Analyse. Dies ist in der wachsenden Automatisierung der Sequenzierung und in der zunehmenden Rechenkapazität moderner Computer begründet.

Die zu vergleichenden Datensätze müssen zunächst in einer Form vorliegen, die eine Analyse möglich macht. Anschließend kann ein Sequenzvergleich (Alignment) erfolgen.

Zur phylogenetischen Analyse der Sequenzdaten und Darstellung als Dendogramm (Baum) können verschiedene Methoden angewendet werden, die nach SWOFFORD (1996) in zwei

grundsätzliche Herangehensweisen unterschieden werden: (i) einem definierten Algorithmus folgend wird der Baum erstellt und (ii) nach definierten Kriterien werden alle möglichen Bäume verglichen und bewertet. Die Distanz-Matrix-Methoden, wie UPGMA (Unweight Pair-Group Method with Arithmetic Means) und die Neighbor-Joining-Methode (NJ), gehören zur ersten Gruppe. Bei der UPGMA-Methode wird eine Cluster-Analyse der Abstandsmatrix durchgeführt. Bei jedem Schritt werden die OTUs (operational taxonomic units – Ausdruck für die eingegebenen Organismen, deren Eigenschaften verglichen werden) mit den geringsten Abständen einer höheren Ebene zugeordnet, wobei die Distanz zwischen zwei Clustern der Mittelwert der paarweisen Distanzen aller Objekte in beiden Clustern ist.

Im Gegensatz zum UPGMA-Verfahren geht der NJ-Algorithmus von einem sternförmigen Baum ohne Hierarchie aus. Basierend auf einer Distanz-Matrix werden Nachbarn mit der geringsten Distanz zu einem Knoten, also einem hypothetischen Vorläufer der OTUs, verbunden. Iterativ wird die Distanz-Matrix neu berechnet und ein ungewurzelter, additiver Baum konstruiert (SAITOU und NEI, 1987). Zu den charakterbasierten Methoden gehören die Maximum Parsimony und die Maximum Likelyhood Algorithmen.

Wichtiger Bestandteil von phylogenetischen Analysen ist die statistische Absicherung der Ergebnisse. Das am häufigsten zur Anwendung kommende Verfahren ist das Bootstrapping, eine statistische Methode, die in die phylogenetische Analyse integriert wurde (FELSENSTEIN, 1985). Durch das zufällige Kopieren und Ersetzten einzelner Datenbereiche bei gleichzeitiger Konstanz der Gesamtdatenmenge wird aus dem Ausgangsdatensatz eine Vielzahl neuer Datensätze generiert. Alle neuen Datensätze werden in die phylogenetische Analyse integriert, die phylogenetischen Bäume miteinander verglichen und ein Konsensus-Baum erstellt. Der Bootstrap-Wert gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit welcher die Annahme erfüllt wird, dass die im Konsensus-Baum gefundene Verzweigung auch bei den einzelnen OTUs wiederzufinden ist.

Zur Auswertung von Sequenzdaten stehen verschiedene kommerziell erhältliche oder frei verfügbare Software-Programme zur Verfügung. Die große Zahl der Programme kann unter http://evolution.genetics.washington.edu/phylip/software.html eingesehen werden.