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Archiv "Psychoanalyse, Rheumatologie: Diskussion über Änderungen der Weiterbildungsordnung" (15.06.1978)

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Psychoanalyse, Rheumatologie

Diskussion über Änderungen der Weiterbildungsordnung

Die Diskussion über das 20seitige Vorschlagspaket des Vorstandes der Bundesärztekammer zur Wei- terbildungsordnung und über mehr als 25 Anträge aus dem Ple- num dazu begann zunächst mit ei- ner komplizierten Geschäftsord- nungsdebatte. Kompliziert deswe- gen, weil ein Antrag auf Rücküber- weisung des ganzen Pakets an den Vorstand vorlag, der aber nicht nur mit dem zweifellos vor- handenen Zeitmangel begründet war, sondern auch eine durchaus politische Begründung enthielt:

mehr Spezialisierung oder weni- ger Spezialisierung in der Medi- zin? Aber: "Wir sind zum Arbeiten gekommen, nicht zum Zurück- überweisen", war ein schlagendes Argument eines Delegierten, und so war dieser Antrag schließlich, nachdem seine geschäftsord- nungsmäßige Erledigung abge- lehnt worden war, der erste um- fangreiche Diskussionsgegen- stand.

Schädliche

Subspezialisierung?

ln diesem Antrag, von Dr. Gernot Blum eingebracht, hieß es, es sei zu befürchten, daß eine weitere Aufsplitterung von Gebieten in Teilgebiete und Zusatzbezeich- nungen erfolgt, die dem Gesamt- zusammenhang der ärztlichen Tä- tigkeit nicht adäquat sei. Die Sub- spezialisierung werde in einer Weise vorangetrieben, die dem ärztlichen Berufsstand als ganzem nur schädlich sein könne. Deshalb sollten keine Beschlüsse gefaßt werden, die neue Teilgebiets- und Zusatzbezeichnungen betreffen;

alles sollte dem Vorstand zurück- geschickt werden mit der Maßga- be, bei der weiteren Arbeit zu be- rücksichtigen, daß eine zu weit ge-

hende Spezialisierung und Sub- spezialisierung der Einheitlichkeit des ärztlichen Berufsstandes Schaden zufügen müsse.

Die zufällige Reihenfolge des Ein- ganges der Wortmeldungen brachte es mit sich, daß zunächst die Befürworter, dann die Gegner des Antrages zu Worte kamen. Als Argumente gegen die "Subspezia- lisierung"- dieses Wort wurde als pars pro toto für den gesamten Begriff der weitergehenden Auftei- lung der Medizin benutzt- waren zu hören:

Nicht jedes Forschungsgebiet brauche eine Fixierung in Teilge- bieten und Zusatzbezeichnungen.

Durch die Aufteilung der Fächer- oder auch: die "Atomisierung der Medizin" -vermehre sich die Zahl der Bezugspersonen für den Pa- tienten, die Intensität des Kontak- tes zwischen Arzt und Patient neh- me hingegen ab. Es bestehe die Gefahr, daß Bestrebungen von po- litischer Seite mehr und mehr Er- folg hätten, in das allzu vielstimmi- ge ärztliche Konzert auch Nicht- ärzte hineinzuschieben. Zusatzbe- zeichnungen zeigten nicht nur, was ein Arzt kann, sondern fast noch deutlicher, was er nicht kön- ne. Gebiete, Teilgebiete und Zu- satzbezeichnungen entstünden zunächst durch das Interesse ein- zelner Wissenschaftler an der Kli- nik; dort gebe es kein Problem, weil die Klinikorganisation für die Koordination sorge. ln dem . Au- genblick jedoch, in dem die Sub- spezialitäten in die Praxis hinaus- kommen, gebe es keine Koordina- tion mehr, sondern vielmehr Span- nungen und höhere Kosten.

Als Allgemeinarzt sagte Dr. Kos- sow, wenn Subspezialisierung nicht im Interesse der Patienten

81. DEUTSCHER ÄRZTETAG

betrieben wird, sondern im Inter- esse der Ausweitung des jeweils eigenen beruflichen (und wirt- schaftlichen) Status, dann sei sie abzulehnen. Die Gebietseinteilung der Medizin habe sich am Bedarf der Patienten zu orientieren - bei denen sei jedoch inzwischen eine Änderung der Auffassung zu be- obachten: spezialisierte und sub- spezialisierte Ärzte werden, wenn sie Sonntagsdienst haben, we- sentlich weniger frequentiert als Allgemeinärzte. Dr. Ranke hielt die Schaffung ständig neuer Teilge- biets- und Zusatzbezeichnungen für eine Umgehung des Werbever- botes der Berufsordnung, die nicht dem Patienten nütze, son- dern der Schilderindustrie. Eine unter Ärzten verbreitete, beispiels- weise von den Kassenärztlichen Vereinigungen herausgegebene Liste, in der spezielle Methoden und Kenntnisse der Ärzte ver- zeichnet sind, reiche zur Orientie- rung aus.

Eine Konsequenz

medizinischen Fortschritts Es gab sogar Allgemeinärzte, die diesen Argumenten widerspra- chen: Dr. Nicklas sagte, gerade die Haus- und Allgemeinärzte könnten auf die Subspezialisierung der Me- dizin nicht verzichten- wenn man ihnen den Vorwurf mangelnder Koordination mache, dann müßten Wege zu ihrer Verbesserung ge- funden werden. Einerseits verstär- ke die Schaffung von Spezialge- bieten geradezu den Ruf und das Ansehen des Allgemeinmedizi- ners; der aber brauche in Erkennt- nis seiner eigenen Grenzen das Wissen um die Existenz und die Fähigkeiten der Spezialmediziner.

Mehrere Sprecher wiesen darauf hin, daß zwischen Orientierungsli- sten der KV (oder auch auf privater·

Basis) und den in der Weiterbil- dungsordnung geregelten Ge-· biets-, Teilgebiets- und Zusatzbe- zeichnungen ein entscheidender Unterschied bestehe:

..,.. Die Bezeichnungen der Weitar- bildungsordnungen sind nicht nur

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 24 vom 15. Juni 1978 1435

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ein Hinweis auf die Tätigkeit des jeweiligen Arztes, sondern zu- gleich Qualifikationsnachweis, da ihre Führung nur nach ~iner ent- sprechenden Weiterbildung ge- stattet wird.

Die Einheit

der großen Fächer wahren Prof. Müller-Osten, Vorsitzender des Berufsverbandes der Chir- urgen, wies darauf hin, daß die Schaffung der Teilgebiete gerade den Zweck gehabt habe, das Aus- einanderfallen der großen Gebie- te, insbesondere der Inneren Me- dizin und der Chirurgie, in zahlrei- che Einzelgebiete zu verhindern - eine Entwicklung, die in anderen Ländern bereits weit fortgeschrit- ten sei. So gebe es in Frankreich beispielsweise fünf Teilinternisten, jedoch keinen Gesamtinternisten mehr.

Im Ausland werden wir, sagte Prof.

Müller-Osten, um diesen Einfall beneidet. Allerdings müsse man behutsam vorgehen bei der Schaf- fung neuer Teilgebiete; Zusatzbe- zeichnungen hingegen könnten in liberaler Weise entwickelt werden. Man dürfe die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, sagten an- dere Sprecher, daß die Spezialisie- rung und Subspezialisierung in der Entwicklung der Medizin vor- gegeben sei. Diese Entwicklung sei auch nicht mehr aufzuhalten oder zurückzudrehen. "Die Medi- zin fließt- wir müssen diesem Fluß einen Rahmen geben", sagte Prof.

Christian Hecker, und Dr. J. A. von Preyß gab den ganz praktischen Hinweis:

"Wir überweisen einen Patienten zu einer Spezialuntersuchung ins Krankenhaus und wissen gar nicht, daß der frühere Oberarzt dieses Krankenhauses mit der ent- sprechenden Subspezialisierung jetzt in freier Praxis gleich um die Ecke sitzt."

Nachdem mehrfach auch darauf hingewiesen wurde, daß zumin-

dest zwei der Vorschläge aus der Bundesärztekammervorlage - die Psychoanalyse und die Rheumato- logie betreffend- schon aus politi- schen Gründen unbedingt von diesem Ärztetag behandelt werden müßten, gab es eine eindeutige Abstimmung:

~ Der Rücküberweisungsantrag, der zugleich die "Subspezialisie- rung" beklagte und sie einschrän- ken wollte, wurde mit beachtlicher Mehrheit abgelehnt.

Angenommen wurde hingegen ohne weitere Diskussion ein An- trag, der aus dem Marburger Bund stammte und zum Ziel hat, den Vorstand der Bundesärztekammer zu veranlassen, die Weiterbil- dungsinhalte zu überprüfen. Er lautet:

Weiterbildungsinhalte überprüfen

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"Wegen der Neufassung der

Weiterbildungsordnung mit Ein- führung weiterer Gebiets-, Teilge- biets- und Zusatzbezeichnungen, die der Entwicklung der Medizin Rechnung tragen, ist nach Auffas- sung des Deutschen Ärztetages ei- ne Überprüfung der Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung dringend erforderlich. Die Richtli- nien sind insbesondere daraufhin zu überprüfen, ob sie realistische und in einer zurnutbaren Zeit zu erfüllende Forderungen enthalten.

ln der Vergangenheit mußte bei einigen der bislang darin enthalte- nen Forderungen festgestellt wer- den, daß sie die Grenzen der Reali- tät überschreiten.

Diese Fehler sollten möglichst rasch korrigiert werden. Zu be- rücksichtigen sind dabei insbe- sondere: Veränderungen der Ar- beitszeiten und Arbeitsabläufe in den Krankenhäusern, Zahl der vor- handenen Planstellen in jeder Ab- teilung mit einer Aufgliederung, welche Zahl an Fachärzten in jeder Abteilung tätig ist und wieviel Ärz- te sich in Weiterbildung befinden, Zahl und Größe der einzelnen

Fachabteilungen mit Angaben über Bettenzahl, Patientendurch- gang und Leistungsumfang nach Leistungskategorien.''

Keine Kürzung

der Weiterbildungszeiten Ein anderer Antrag, ebenfalls vom Marburger Bund, verfiel hingegen der Ablehnung, obwohl der Refe- rent, Dr. Brauer, seine Überwei- sung an den Vorstand empfohlen hatte. Der Antrag verlangte eine Überprüfung der Weiterbildungs- zeiten. Genannt wurden im Antrag insbesondere die Allgemeinmedi- zin sowie die Innere Medizin und die Chirurgie -Gebiete, in denen die in der Bundesrepublik vorge- schriebene Weiterbildungszeit die EG-Mindestnorm überschreitet.

Vor allem Allgemeinmediziner wi- dersprachen engagiert diesem An- trag- er zielte letztendlich auf eine Halbierung der jetzt geltenden bundesdeutschen Norm.

Sorge um die Einheit des Rechts

Natürlich steckt hinter der Ausein- andersetzung um die Einführung neuer Bezeichnungen nebst der jeweils dabei erforderlichen kom- plizierten Übergangsbestimmun- gen auch noch etwas ganz ande- res, überaus Praktisches: ·Die Landesärztekammern, denen der Erlaß der effektiv geltenden Wei- terbildungsordnungen und ihre Durchführung obliegt, haben bei einem ständigen Aufeinanderfol- gen von Änderungen, Ergänzun- gen und Erweiterungen große Schwierigkeiten. Notwendigerwei- se gibt es auch Rechtsunsicher- heiten, da solche Änderungen nie- mals gleichzeitig in allen Kammer- bereichen verwirklicht werden können. Deshalb wurde der be- reits vom Referenten erwähnte Vorschlag, in Zukunft derartige Beschlüsse vom Deutschen Ärzte- tag nur in größeren Abständen, et- wa im Dreijahresrhythmus, zu fas- sen, von mehreren Sprechern be- fürwortet und vom Plenum mit

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 24 vom 15. Juni 1978 1437

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Weiterbildungsordnung

Beifall aufgenommen. Einen Be- schluß gab es darüber allerdings nicht.

Psychoanalyse: Gebiet oder Zusatzbezeichnung?

Die Frage, ob eine Gebietsbe- zeichnung "Psychoanalyse und tiefenpsychologische Medizin"

oder aber eine Zusatzbezeichnung

"Psychoanalyse" eingeführt wer- den solle, war bereits in dieser Dis- kussion einmal kurz angeklungen: Dr. Odenbach als der hierfür zu- ständige Geschäftsführende Arzt der Bundesärztekammer hatte darauf hingewiesen, daß diese Entscheidung dringend fällig sei.

Im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist ein Entwurf für ein "Gesetz des Psy- chotherapeuten" als selbständiger Heilberuf in Vorbereitung; der Er- wartungsdruck der Psychologen hinsichtlich dieses Gesetzes sei sehr groß, was im Widerspruch zum bisherigen Verhalten der Psy- chologenverbände stehe. Es müs- se also jetzt etwas geschehen, weil sonst der Ärzteschaft der Vorwurf gemacht werden könnte, sie sei nicht in der Lage, die psychothera- peutische Versorgung der Bevöl- kerung wahrzunehmen.

Zehntausend Psychologen als "Reservearmee"

Deshalb begann die Sitzung des letzten Tages mit der Diskussion um diese beiden sich nur teilweise widersprechenden Anträge. Als Hauptverfechter der Einführung einer Gebietsbezeichnung trat Dr.

Stucke, Vizepräsident der Landes- ärztekammer Niedersachsen und Chefarzt einer psychiatrischen Kli- nik, auf: Es gebe gegenwärtig et- wa 1200 Ärzte, die ihre gesamte Arbeitszeit der Psychoanalyse widmeten - und das stelle schon von der Zahl her praktisch bereits ein Gebiet dar. Die vier großen Fach- und Berufsorganisationen stünden hinter diesem Antrag, der Maßstäbe für die zukünftige psy-

chotherapeutische Qualifikation setze. Es gebe 5000 arbeitslose Psychologen und 12 000 Psycho- logiestudenten - man könne also damit rechnen, daß in Zukunft 10 000 Psychologen in das Gebiet der psychotherapeutischen Ver- sorgung hineindrängen möchten.

Der Anspruch, nach Ablegung des Psychologiediploms und nach der bisher üblichen zweijährigen Wei- terbildung therapeutisch tätig zu sein, sei jedoch unbegründet - weder Ausbildung noch Weiterbil- dung der Psychologen seien hier- für ausreichend. Die angestrebte ärztliche Gebietsbezeichnung mit ihren Weiterbildungsvorausset- zungen (Weiterbildungszeit sechs Jahre, davon zwei Jahre klinische Medizin und vier Jahre psycho- analytische und tiefenpsychologi- sche Medizin) müsse deshalb ein Beispiel setzen, an dem sich der Anspruch der Psychologen zu messen habe.

Dr. Stucke räumte jedoch ein, daß der von der Weiterbildungskonfe- renz und dem Vorstand der Bun- desärztekammer gemachte Vor- schlag, eine Zusatzbezeichnung

"Psychoanalyse" einzuführen, ge-

genüber dem bisherigen Zustand immerhin ein Fortschritt sei - er reiche nur nicht aus.

Andere Sprecher ergänzten die Ar- gumente beispielsweise mit dem Hinweis darauf, daß die Ärzte- schaft mit einem etablierten Wei- terbildungsgang eine wesentlich bessere Verhandlungsposition. einnehmen könne und daß sicher- gestellt würde, daß die Weiterbil- dung wie in allen anderen Gebie- ten kostenfrei erfolgen könne.

Eine Therapierichtung ist kein Gebiet

Das Hauptargument der Gegner einer Gebietsbezeichnung be- stand in dem Hinweis, daß hiermit erstmalig einer Methode bzw. ei- ner Therapierichtung der Rang ei- nes Gebietes eingeräumt werden würde. Dr. lversen, Vorsitzender des Ausschusses für Psychiatrie,

1440 Heft 24 vom 15. Juni 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Psychotherapie und Psychohygie- ne der Bundesärztekammer (der Ausschuß hatte in den Vorbera- tungen die Einführung der Ge- bietsbezeichnung befürwortet), gab eine Stellungnahme der Ar- beitsgemeinschaft der wissen- schaftlich-medizinischen Fachge- sellschaften bekannt: Fachgebie- te, die auf einer Methode gegrün- det sind, seien abzulehnen. Er, wies darauf hin, daß weder für die Kassenärztlichen Vereinigungen noch für die Patienten, weder für die Ärzte, die Psychoanalyse be- treiben wollen, noch für die Medi- zin insgesamt es von entscheiden- der Bedeutung sei, ob es sich um ein Gebiet oder eine Zusatzbe- zeichnung handle.

Der erst kürzlich als Nervenarzt anerkannte Delegierte Dr. von Ar- nim gab einen historischen Hin- weis: Die Psychoanalyse sei seit jeher ein ärztlicher Bereich gewe- sen, während andere etablierte psychotherapeutische Verfahren, vor allem die Gesprächs- und Ver- haltenstherapie, vornehmlich bei den Psychologen beheimatet sei-

en. Die Einführung einer Gebiets-

bezeichnung würde diesen Zu- stand zementieren, obwohl es doch anzustreben sei, daß Ärzte sich auch um die anderen thera- peutischen Verfahren im psycho- therapeutischen Bereich kü m- mern.

Der Berliner Delegierte Brost ver- wies auf das Problem der gemein- samen Führung mehrerer Gebiets- bezeichnungen: Man werde eine Gebietsbezeichnung "Psychoana- lyse und tiefenpsychologische Me- dizin" kombinieren müssen mit den Gebietsbezeichnungen Psychiatrie, Pädiatrie, Innere Me- dizin und Gynäkologie. Es sei aber unmöglich, die Allgemeinmedizin dabei einzuschließen, denn Allge- meinmediziner dürfen nach der Weiterbildungsordnung keine an- dere Gebietsbezeichnung führen: ..,.. Die Allgemeinmediziner seien also, wenn es ein solches Gebiet gäbe, von der Tätigkeit in der Psy- choanalyse ausgeschlossen.

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Beschlossen:

Zusatzbezeichnung

Nach dieser sehr intensiven und konzentrierten Diskussion folgte der Ärztetag mit großer Mehrheit den Vorschlägen des Vorstandes.

Er akzeptierte die Einführung der Zusatzbezeichnung „Psychoana- lyse" und überwies zu erneuter Beratung den Antrag auf Einfüh- rung einer Gebietsbezeichnung an den Vorstand der Bundesärzte- kammer.

Kaum diskutiert wurde der damit zusammenhängende Vorschlag, die Voraussetzungen für die Zu- satzbezeichnung „Psychothera- pie" neu, und zwar in einer Form zu fassen, die es einer größeren Anzahl von Ärzten ermöglicht, sie auch berufsbegleitend zu erwer- ben. Auch dieser Vorschlag wurde mit großer Mehrheit angenom- men. Die beiden angenommenen Vorschläge haben den folgenden Wortlaut:

Psychoanalyse

„In der Anlage zur Weiterbil- dungsordnung II. Bereiche wird als neue Ziffer eingefügt:

10 a ,Psychoanalyse'

3 1/2 Jahre Weiterbildung, davon, 2 1/2 Jahre klinische Tätigkeit in tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie und 1 Jahr klinische Tätigkeit in der Psychiatrie bei einem minde- stens zur zweijährigen Weiterbil- dung in der Psychiatrie ermächtig- ten Arzt.

Erfolgt die Weiterbildung in der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie berufsbegleitend, so beträgt die Weiterbildungszeit hierfür fünf Jahre. Bei Ärzten mit mindestens fünfjähriger praktischer Berufstä- tigkeit kann die vorgeschriebene Weiterbildung in der Psychiatrie durch den Nachweis des Erwerbs entsprechender psychiatrischer Kenntnisse ersetzt werden."

Psychotherapie

„In der Anlage zur Weiterbil- dungsordnung II. Bereiche werden die Voraussetzungen zu 11. Be- reich und Zusatzbezeichnung

‚Psychotherapie' wie folgt gefaßt:

2 1/2 Jahre Weiterbildung, davon 1 1/2 Jahre klinische Tätigkeit in der Psychotherapie und/oder Psycho- somatischen Medizin und 1 Jahr klinische Tätigkeit in der Psychia- trie bei einem mindestens zur zweijährigen Weiterbildung in der Psychiatrie ermächtigten Arzt.

Auf die Weiterbildung in der Psychiatrie kann 1/2 Jahr Weiterbil- dung in Kinder- und Jugendpsych- iatrie oder Psychotherapie ange- rechnet werden.

Erfolgt die Weiterbildung in der Psychotherapie und/oder Psycho- somatischen Medizin berufsbe- gleitend, so beträgt die Weiterbil- dungszeit hierfür drei Jahre. Bei Ärzten mit mindestens fünfjähriger praktischer Berufstätigkeit kann die vorgeschriebene Weiterbil- dung in der Psychiatrie durch den Nachweis des Erwerbs entspre- chender psychiatrischer Kenntnis- se ersetzt werden."

Rheumatologische Teilgebiete

Erheblich kontroverser als beim Thema der Psychoanalyse war die Diskussion des Ärztetages bei der Frage, ob innerhalb der Inneren Medizin und der Orthopädie je- weils Teilgebietsbezeichnungen

„Rheumatologie" eingeführt wer- den sollten. Obwohl es sich hier um eine Vorstandsvorlage handel- te, und obwohl diese Vorlage in den Gremien der Bundesärzte- kammer bereits seit fünf Jahren beraten worden ist, war das Hauptargument der Befürworter dieses Antrages vornehmlich nur der Hinweis auf zu befürchtende politische Aktivitäten auf dem Ge- biet der Rheumabehandlung. Die Behandlung der dem Bundestag vorliegenden Anfrage sei, so wur-

de berichtet, zurückgestellt wor- den, bis der Ärztetag eine Ent- scheidung getroffen habe: die in- terfraktionelle Arbeitsgruppe pla- ne das Einbringen eines „Rheu- magesetzes" nach Schweizer Vor- bild, das dann zweifellos auch Vorschriften für die Ärzte enthal- ten werde, und der Ärztetag müsse solide Weiterbildungsvorschriften für Rheumatologen erlassen, weil bereits in Rheinland-Pfalz Pläne bekanntgeworden seien, Kurzkur- se für Rheumatologie von ein oder zwei Tagen Dauer anzubieten. Ein Allgemeinarzt (Dr. Nicklas) argu- mentierte in der eigentlichen Sa- che: Die Allgemeinpraktiker brau- chen für diejenigen Rheumafälle, die ihre Kompetenz übersteigen, die Kenntnis darüber, wo eine Spezialbehandlung auch in der freien Praxis möglich ist.

Rheuma

auf vielen Gebieten

Auch hier aber war das erste Ge- genargument, daß die Einführung eines solchen Teilgebietes nicht systemgerecht sei: Teilgebiete be- träfen die Diagnostik und Therapie von Organen oder Organsyste- men, nicht aber von Krankheits- gruppen. Die Rheumatologie ist — so sagte Dr. Weinhold — ein ty- pisch interdisziplinäres Arbeitsge- biet, und das werde sie auch im- mer bleiben.

Ein Antrag lag aus dem Plenum vor: In der Pädiatrie gibt es ganz spezielle Erkrankungen des rheu- matischen Formenkreises, und es sei deshalb erforderlich, das Teil- gebiet Rheumatologie auch in der Pädiatrie einzuführen — die Augen- ärzte könnten dies mit gleichem Recht fordern, ergänzte ein ande- rer Debattenredner.

Für den Patienten sei eine Teilge- bietsbezeichnung in der vorge- schlagenen Art, sagte Dr. Mitren- ga, irreführend. Es gebe zwei ver- schiedene Rheumatologen: einen

„normalen" als Teilgebiet der Inneren Medizin sowie einen Superrheumatologen", der auch

1442 Heft 24 vom 15. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Ein Blick in das moderne Foyer des Kongreßzentrums „Rosengarten" mit viel Raum für Kulissengespräche — aber auch zum Büchereinkauf beim Stand der Versand- buchhandlung des Deutschen Ärzte-Verlages

Weiterbildungsordnung

noch operativ tätig sein könne. Es sei aber in der Praxis fraglich, wo- her der Orthopäde die in der Rheumatologie absolut erforderli- chen Kenntnisse in der Inneren Medizin herhaben solle. Das Be- dürfnis des Patienten, sagte Dr.

Weinhold, sei es, zunächst einmal herauszubekommen, ob die Sym- ptome, die er hat, eine rheumati- sche Erkrankung bedeuten oder nicht. Diese Diagnostik werde aber durch die beiden Teilgebietsbe- zeichnungen keineswegs erleich- tert. Im übrigen wurde darauf hin- gewiesen, daß die Rheumatologen in den rheumatischen Fachklini- ken eine Teilgebietsbezeichnung nicht benötigen.

Eindeutige Ablehnung

Die Abstimmungen zu den ver- schiedenen Anträgen waren ein- deutig. Nicht einmal Überwei- sungsanträge bekamen eine Mehrheit; die Vorstandsvorschlä- ge für die beiden Teilgebietsbe- zeichnungen wurden, ebenso wie die dazu vorliegenden Anträge für die Teilgebietsbezeichnung in der Pädiatrie, mit beachtlicher Mehr- heit abgelehnt.

Kompatible

Gebietsbezeichnungen

Die erste Ziffer der Vorlage des Vorstandes enthält eine Erweite- rung der Liste derjenigen Gebiets- bezeichnungen, die nebeneinan- der geführt werden dürfen, eine Liste, die vor zwei Jahren zum er- stenmal aufgestellt worden ist, weil das Bundesverfassungsge- richt die grundsätzliche Beschrän- kung auf die Ankündigung eines Gebietes nicht akzeptiert hatte.

Bei der neuen, der Erweiterungs- vorlage handelt es sich in der Hauptsache darum, daß die Ge- bietsbezeichnung „Arbeitsmedi- zin" neben einer Reihe von ande- ren Gebietsbezeichnungen ge- führt werden darf. Dies war nicht umstritten und wurde vom Ärzte- tag akzeptiert.

Eine Diskussion gab es allerdings um die Frage, ob die Gebietsbe- zeichnungen „Pathologie" und

„Laboratoriumsmedizin" neben- einander geführt werden dürften.

Dr. Hoppe, selbst Pathologe und Vorstandsmitglied von Bundesärz- tekammer und Marburger Bund, meinte, daß damit den Kranken- hausträgern die Möglichkeit gege- ben werde, „groben Unfug" zu treiben und Stellenpläne für Pa- thologen nach dem Muster der Stellenpläne für Laboratoriums- ärzte mit Autoanalyzer und 100 000 Untersuchungen pro Jahr aufzustellen. Demgegenüber sag- ten Dr. Dietzel und Dr. Lommel, beide Gebiete seien im angloame- rikanischen Bereich zusammen nur eines. Dr. Diezel: Dadurch können wir die pathologische Anatomie wieder näher an die Kli- nik heranführen; Dr. Lommel ver- wies auf die Zytologie und die an- deren mikroskopischen Untersu- chungsverfahren, die zwischen den beiden Fächern stünden; im übrigen gebe es ohnehin nur zehn bis zwanzig Ärzte, die beide Ge- bietsbezeichnungen besitzen. Dr.

Weinhold gab den juristischen

Hintergrund: Es geht darum, daß Gebietsbezeichnungen nebenein- ander geführt werden dürfen, die miteinander kompatibel sind — gleichgültig, wie „groß" die einzel- nen Gebiete sind. Wenn dies nicht berücksichtigt würde, gebe es den nächsten Prozeß. Das Problem wurde dem Vorstand der Bundes- ärztekammer zurücküberwiesen.

Das gleiche geschah mit dem Vor- schlag, auch Röntgenologie und Arbeitsmedizin für kompatibel zu erklären, was für Strahlenschutz- ärzte in zunehmendem Maße wichtig werden könnte.

Der große Rest: Vertagt

An dieser Stelle war fürs erste die Diskussion um die Weiterbil- dungsordnung zu Ende. Mit einer knappen Mehrheit beschloß der Ärztetag, dieses Thema in einer Wochenendsitzung noch in die- sem Jahr abschließend zu beraten, der Rest ist immerhin ganz be- achtlich — es handelt sich um 15 Anträge des Vorstandes und eine etwa ebenso große Anzahl von An- trägen aus dem Plenum. bt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 15. Juni 1978 1443

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