it freiwilligen Fortbildungs- nachweisen sollen künftig Ärzte ihre Teilnahme an anerkannten Fortbildungsveranstal- tungen gegenüber ihren Patienten do- kumentieren können. Ärztinnen und Ärzte, die belegen können, daß sie sich fortgebildet haben, erhalten von den zuständigen Ärztekammern ein Fortbildungszertifikat. Mit großer Mehrheit hat der 102. Deutsche Ärz- tetag in Cottbus Rahmenrichtlinien zugestimmt, die eine praktikable Grundlage für diejenigen Ärztekam- mern bilden sollen, die eine solche Zertifizierung bisher noch nicht ein- geführt haben, und Spielraum für die- jenigen Projekte lassen, die bereits bei einigen Ärztekammern angelaufen sind. Zwar verpflichtet bereits die Be- rufsordnung jeden Arzt, „sich in dem Umfange beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu seiner Berufsausübung erforderli- chen Fachkenntnisse notwendig ist“, doch fehlte es bislang an einheitlichen Bewertungskriterien, die eine Zertifi- zierung der ärztlichen Fortbildung zu- ließen.
Politischer Druck
Daß hier Handlungsbedarf be- stand, hatte der letztjährige Deutsche Ärztetag in Köln festgestellt und den Deutschen Senat für ärztliche Fortbil- dung beauftragt, bis zum Ärztetag in Cottbus ein tragfähiges Konzept auf der Grundlage bisheriger Erfahrun- gen in einigen Modellprojekten vor- zulegen. Auch von außerhalb nahm der politische Druck auf die ärztliche Selbstverwaltung in bezug auf den Nachweis ärztlicher Fortbildung zu.
So war etwa im Entwurf zum Bremer
Heilberufe-Gesetz zunächst nur eine zeitlich begrenzte Zulassung zum wei- tergebildeten Facharzt vorgesehen.
Nur mit Einführung der zertifizierten Fortbildung auf freiwilliger Basis ha- be die Ärztekammer in Bremen – so die Präsidentin der Ärztekammer Bremen, Dr. med. Ursula Auerswald, –
den Wegfall einer entsprechenden Formulierung im Gesetzentwurf er- reichen können.
Der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung bei der Bundesärztekam- mer ist die zentrale Institution für alle ärztlichen Fortbildungsfragen. Er setzt sich aus sieben vom Deutschen Ärzte- tag gewählten Mitgliedern und den Fortbildungsbeauftragten der Lan- desärztekammern zusammen. Der Vorsitzende des Senats und Präsident der Landesärztekammer Niedersach- sen, Prof. Dr. med. Heyo Eckel, sowie sein Stellvertreter beim Senat, Prof.
Dr. med. Axel Ekkernkamp, berich-
teten den Delegierten des Ärztetages über die Entwicklung und die we- sentlichen Inhalte des vom Vorstand der Bundesärztekammer eingebrach- ten Beschlußantrags.
An das Ende seiner Ausführun- gen zur Zertifizierung ärztlicher Fort- bildung stellte Eckel ein Goethe-Zitat aus einem Schreiben des Dichters an den Arzt Christoph Wilhelm von Hufeland: „Und so muß denn der Arzt sein Leben lang Herz und Hand, Verstand und Charakter fortbilden, damit er ein Ganzes werde und als sol- cher dem Kranken gegenübertreten kann, der selbst als Ganzer genom- men werden will.“ Wie dies auf der Grundlage eines möglichst einheitli- chen Bewertungsmaßstabs nachge- wiesen werden kann, darüber hatten im Oktober 1998 bei einem Zusam- mentreffen auf Initiative des Deut- schen Senats für ärztliche Fortbildung Vertreter der Fortbildungsakademien der Landesärztekammern, zahlrei- cher medizinisch-wissenschaftlicher Fachverbände und Berufsverbände eine Verständigung gesucht. Eckel zeigte sich zuversichtlich, daß die Ver- abschiedung der Rahmenrichtlinien zur freiwilligen zertifizierten Fortbil- dung durch den 102. Deutschen Ärz- tetag nach einer Erprobungsphase zu einer einheitlichen Ausrichtung be- stehender und geplanter Maßnahmen führen werde.
Modellprojekte
Auch Prof. Ekkernkamp betonte in seinem Referat die Notwendigkeit,
„bundeseinheitliche und letztendlich auch europakompatible Regelungen“
für die Zertifizierung ärztlicher Fort- bildung zu schaffen. Nach vielerlei Diskussionen und den bereits ange- laufenen Modellprojekten sei es nun an der Zeit, ein deutliches Zeichen zu setzen, auch wenn es bei der Eva- luierung bestimmter Fortbildungslei- stungen – wie etwa bei der Bewertung des Selbststudiums – noch Diskussi- onsbedarf geben mag. Anderenfalls laufe die deutsche Ärzteschaft Ge- fahr, den Anschluß an die internatio- nale Entwicklung zu verlieren.
Abschließend berichtete der Prä- sident der Bayerischen Landesärz- tekammer, Dr. med. Hans Hellmut A-1624 (28) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 24, 18. Juni 1999
P O L I T I K 102. DEUTSCHER ÄRZTETAG
Tagesordnungspunkt „Fortbildungsnachweis“
Richtlinien für zertifizierte Fortbildung
Die Delegierten stimmten für Beschlußantrag der Bundesärztekammer: Freiwilligkeit vor Zwang.
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Prof. Eckel: „. . . internationale Entwicklung nicht außer acht lassen.“
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A-1625
P O L I T I K 102. DEUTSCHER ÄRZTETAG
Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 24, 18. Juni 1999 (29)
Cottbuser
Impressionen
Koch, von den positiven Erfahrungen mit einem Modellprojekt zur Zertifi- zierung von Fortbildungsleistungen in Bayern. Ausdrücklich stellte er fest, daß die Ärzte immer schon der in der Berufsordnung verankerten Fortbil- dungsverpflichtung nachgekommen seien. Dafür sprächen allein schon die von der Bayerischen Akademie für ärztliche Fortbildung jährlich vorge- legten Zahlen über die Fortbildungs- aktivitäten der bayerischen Ärzte.
Koch betonte, daß die Einführung ei- ner zertifizierten Fortbildung in Bay- ern nur unter zwei unabdingbaren Voraussetzungen erfolgt sei: Zustän- digkeit der Ärztekammer und Frei- willigkeit des Fortbildungsnachwei- ses. Entscheidend sei es gewesen, ge- rechte Bewertungskriterien für ver-
schiedene Fortbildungsaktivitäten zu schaffen. Hier habe man sich auch in Bayern für eine Punktewertung für von der Ärztekammer ausgehende oder anerkannte Fortbildungsveran- staltungen entschieden. Eine struktu- rierte Fortbildung werde nicht ver- langt; eine Punktewertung für Eigen- studium sei in Bayern nicht vorgese- hen. Seit Beginn des Modellprojekts am 1. April 1998 sind in Bayern bereits 1 434 Zertifikate über ärzt- liche Fortbildung ausgestellt worden (Stand 28. Mai 1999). Gegen ein Aus- hängen dieser Zertifikate in den ärzt- lichen Praxen bestehen seiner Ansicht nach keine berufsrechtlichen Einwän- de. Der Verwaltungsaufwand für das Modellprojekt in Bayern habe sehr niedrig gehalten werden können; eine zusätzliche Planstelle habe dafür nicht eingerichtet werden müssen.
Ärztetags-Beschluß
Wie sehen konkret die vom 102.
Deutschen Ärztetag in Cottbus verab- schiedeten Vorgaben zur Evaluierung freiwilliger Fortbildung aus? Im Ärz- tetags-Beschluß heißt es dazu:
„Das Fortbildungszertifikat wird ausgestellt, wenn
a) die/der approbierte Ärztin/
Arzt in minimal drei Jahren 150 Fort- bildungseinheiten beziehungsweise im Laufe von maximal fünf Jahren 250 Fortbildungseinheiten erworben und dokumentiert hat und
b) einen Antrag auf Ausstellung bei der zuständigen Ärztekammer ge- stellt hat.
Die Grundeinheit der Fortbil- dungsaktivitäten ist der ,Fortbil-
dungspunkt‘. Dieser entspricht in der Regel einer einstündigen Fortbil- dung.“ (Für den vollständigen Wort- laut des Beschlusses siehe den Doku- mentationsteil in diesem Heft.)
Mit der Teilnahme an bestimm- ten Veranstaltungen, wie etwa Fort- bildungsveranstaltungen in Seminar- form oder anerkannten Qualitätszir- keln, können Zusatzpunkte erworben werden. Eine angemessene Berück- sichtigung sollen zudem finden: Hos- pitationen, Fall- und Klinikkonferen- zen, Referenten-/Autorentätigkeit so- wie das Selbststudium. Die Anerken- nung der Fortbildungsmaßnahme und der dort zu erwerbenden höchstmög- lichen Punktzahl muß durch die jewei- lige Ärztekammer erfolgen. Auf eine detaillierte Bewertung bestimmter Fortbildungsmaßnahmen wurde ver- zichtet, um weiterhin Erfahrungen
sammeln zu können, die später die Formulierung einheitlicher Standards in der ärztlichen Fortbildung ermögli- chen sollen.
Kaum kontrovers
Die abschließende Diskussion war kurz, nicht zuletzt deshalb, weil der vom Vorstand der Bundesärzte- kammer eingebrachte Beschlußantrag mit seinen Rahmenrichtlinien die be- reits laufenden oder geplanten Projek- te zur Zertifizierung ärztlicher Fortbil- dung bei verschiedenen Ärztekam- mern berücksichtigte. Von wenigen Delegierten wurde kritisiert, daß die ärztlichen Körperschaften beim Fort- bildungsnachweis dem politischen
Druck nachgegeben und „vorauseilen- den Gehorsam“ geleistet hätten. Auch wurden Bedenken formuliert, inwie- weit man noch von einer freiwilligen Fortbildung sprechen könne, wenn die Zertifizierung auf breiter Basis ange- laufen sei. Diesen Stimmen wollte die breite Mehrheit ebensowenig folgen wie denen, die eine regelmäßige Über- prüfung des ärztlichen Wissensstandes durch die Ärztekammern forderten.
Einzig die Bedenken einiger Delegier- ter hinsichtlich einer möglichen Ver- quickung wirtschaftlicher Interessen mit der Zertifizierung ärztlicher Fort- bildung mochte die Mehrheit der Dele- gierten anerkennen. „Fortbildungsver- anstaltungen müssen frei von wirt- schaftlichen Interessen sein“, lautete es im angenommenen Änderungsan- trag zum Leitantrag der Bundesärzte- kammer. Dr. Thomas Gerst A-1628
P O L I T I K 102. DEUTSCHER ÄRZTETAG
(32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 24, 18. Juni 1999
Dr. Koch berichtete über das bayerische Modellprojekt. Prof. Ekkernkamp: „Die Ärzteschaft muß jetzt Zeichen setzen.“