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Archiv "Fakultätentag: Übertriebener Datenschutz gefährdet die Forschung" (13.10.1988)

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er durch die Gesetzgebung der letzten Jahre in den Vordergrund gestellte Schutz der personengebun- denen Daten drohe zu Einschrän- kungen der Entscheidungsbefugnis- se des Arztes und des Forschers hin- sichtlich Verwertung, Weitergabe und Veränderung von Information zu führen, welche im Verlauf des Arzt-Patient-Kontaktes zusammen- getragen worden sind. Damit sei nicht nur die klinische Forschung sondern in größeren Kliniken auch die Versorgung der Patienten ge- fährdet. Darauf hat der Ärztliche Direktor des Universitätskranken- hauses Eppendorf, Prof. Dr. Karl Heinz Hölzer, auf dem Medizini- schen Fakultätentag in Münster hin- gewiesen. Kein Zweifel bestehe dar- an, daß die sich „explosiv ausbrei- tende" Datenverarbeitungstechno- logie zu einer Revision der ärzt- lichen Schweigepflicht geführt habe.

„Mangelndes Rechtsbewußtsein, Staatsverdrossenheit, zunehmend kritische Einstellung gegenüber den Wirkungen der Wissenschaft" und

„Angst vor dem gläsernen Men- schen" hätten zu dieser Entwicklung ebenfalls beigetragen.

Die ärztliche Schweigepflicht stelle eine besonders ausgeprägte Bestimmung des in Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz geschützten allgemei- nen Persönlichkeitsrechtes dar. Im

„Volkszählungsurteil" habe das Bundesverfassungsgericht 1983 ent- schieden, daß dieses allgemeine Per- sönlichkeitsrecht auch den Schutz des einzelnen gegen unbegrenzte Er- hebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten umfasse. Das Grundrecht ge- währleiste insoweit die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung sei- ner persönlichen Daten zu bestim- men. In dem Urteil heiße es aber auch, daß Einschränkungen dieses Rechtes auf informelle Selbstbestim- mung nur im überwiegenden Allge- meininteresse zulässig seien. Die Konferenz der Datenschutzbeauf- tragten des Bundes und der Länder habe sich 1986 in Auslegung dieses Urteiles zum Datenschutz im Kran- kenhaus auf eine Entschließung ge- einigt. Dort werde gefordert, daß

die Durchschaubarkeit der gespei- cherten Daten für den Patienten wie- der hergestellt werden müsse. Eine weitgefaßte formularmäßige Einwil- ligung zur Datenverarbeitung im Krankenhaus reiche zu diesem Zweck nicht aus. Maßstab für den Umfang der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Patientendaten müsse stets die Behandlung des Pa- tienten sein. Zusätzliche vom Be- handlungszweck nicht gedeckte Er- hebungen von Patientendaten, deren Verarbeitung und Nutzung bedürfe einer besonderen Legitimation.

• Zur Wahrung des Patienten- geheimnisses sei es geboten, im Krankenhaus den ärztlichen Bereich vom Verwaltungsbereich informa-

Fakultätentag:

Übertriebener Datenschutz gefährdet die

Forschung

tionell abzuschotten. Für die Infor- mationsanforderungen von außen seien auch für Sozialleistungsträger und andere öffentliche Stellen neue zweckgerichtete Normen festzustel- len. Der Patient dürfe ohne sein Wissen und Einverständnis nicht zum Objekt der Forschung mit Daten ge- macht werden, die zu seiner Behand- lung erhoben werden. Die Verarbei- tung von Daten zu Forschungszwek- ken ohne Beteiligung des Patienten solle nur zugelassen werden, wenn dies im Interesse der wissenschaft- lichen Forschung unabdingbar sei und vom Gesetzgeber näher festge- legt werde. Es sei klar, daß in diesem Zusammenhang auch auf den Kon- flikt zweier Grundrechte, dem in Ar- tikel 2 Grundgesetz formulierten all- gemeinen Persönlichkeitsrecht und dem in Artikel 5 Grundgesetz garan- tierten Recht auf die Freiheit der For- schung, hinzuweisen sei.

Hölzer wies dann auf drei seiner Meinung nach beispielhafte Pro- blemfelder des Datenschutzes in der Medizin hin:

O Zur Sicherung von Versor- gung von Patienten innerhalb eines Klinikums bemerkte er: „Würde das Klinikum nicht ganz grundsätzlich seiner allgemeinen Aufgabe gemäß als Einheit im Sinne einer informa- tionsspeichernden Stelle handeln können, so wäre bei der Interdiszi- plinarität des Handelns ganz sicher die Versorgung von Kranken ernst- haft gefährdet." Dafür, daß eine

„Abschottung" zwischen ärztlichen Daten und Verwaltungsdaten nicht ganz einfach zu bewirken sei, gab Hölzer ein Beispiel: Schon die Auf- nahme eines Patienten in ein Klini- kum könne der ärztlichen Schwei- gepflicht unterliegen. „Und den- noch wäre es inhuman, Angehörige, Partner oder Freunde nicht über den Verbleib eines einzelnen an der Krankenhauspforte — also über eine Datei — zu informieren." Die gleiche Datenquelle könne aber einem Re- porter dazu dienen, sich unerlaubt Zugang zum „Objekt seiner Neu- gier" zu verschaffen

(1) Bei der klinischen Forschung seien die Wirkung des Datenschutzes auf prospektive und retrospektive Studien zu unterscheiden: Bei der prospektiven Forschung könne das Vertrauen des Patienten möglicher- weise durch die volle Aufklärung über den Versuch gewonnen werden.

Schwieriger werde es bei retrospekti- ven Studien. Diese seien aber zur Überprüfung von Therapiefolgen bei wechselnden Behandlungsverfahren,

„nicht zuletzt auch im Sinne von Qua- litätskontrollen ärztlichen Hand- elns" eine unverzichtbare Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit oder der be- handelnden Institutionen. Das Ein- verständnis des Patienten zur Weiter- gabe seiner Daten sei aber in vielen Fällen nicht möglich, da der Patient zum Zeitpunkt der Studie gar nicht mehr verfügbar sei. Vorher sei aber eine Einverständniserklärung auch nicht möglich, da sich die Fragestel- lung häufig erst nach der Entlassung des Patienten aus der Klinik ergebe.

O Die epidemiologische For- schung sei ebenfalls wegen der erst nach Ende der Datenerhebung auf- gestellten

Fragestellungen durch den

Datenschutz „tief gefährdet", falls

„der Gesetzgeber nicht Regelungen trifft, die ihr Legalität sichern". ptv Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988 (21) A-2805

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