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Archiv "Immungeschwächte Patienten: Die Lunge ist am meisten gefährdet" (23.03.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

ZUR FORTBILDUN

Erkrankungen der Lunge (14)

Immungeschwächte Patienten

Die Lunge

ist am meisten gefährdet

Peter Endres

1

mmunschwäche ist ein Zu- stand mit Störung der spezi- fischen und unspezifischen Abwehrmechanismen. Ne- ben — seltenen — angebore- nen Formen beobachten wir zuneh- mend derartiges bei verschiedenen Erkrankungen und als Folge be- stimmter Behandlungen. Pulmonale Komplikationen stellen heute oft kritische Krankheitsphasen bei ab- wehrgeschwächten Patienten dar.

Die Störungen können auf zellulärer und/oder humoraler Ebene liegen.

Zelluläre Mangelerscheinungen werden neutrophilen Granulozyten und/oder T-Lymphozyten zugeord- net. Die B-Lymphozyten-Unterfunk- tion bedingt den Ausfall der humo- ralen Abwehr (Tabelle 1). Die un- spezifischen Abwehrmechanismen stützen sich vorzugsweise auf neu- trophile Granulozyten und Monozy- ten, während B- und T-Lymphozy- ten spezifische Reaktionen bedin- gen.

Die Lungenerkrankungen der Patienten mit Immunschwäche las- sen sich generell in vier Gruppen einteilen:

I. Infektionen, zum Beispiel Pneumocystis-carinii-Pneumonie bei AIDS;

2. medikamentöse Schäden, zum Beispiel Bleomycinlunge bei Karzinomtherapie;

3. Veränderungen durch die Grundkrankheit, zum Beispiel leuk- ämische Lungeninfiltrate;

4. Zusatzerkrankungen, zum Beispiel Lungenembolie.

Bronchopulmonale Erkrankungen stellen derzeit die häufigste Kom- plikation bei Patienten mit gestör- ten Abwehrkräften dar. Infektio- nen mit Bakterien, Pilzen und an- deren opportunistischen Keimen spielen dabei die Hauptrolle. So machen 70 bis 80 Prozent aller AIDS-Patienten eine Pneumocy- stis-carinii-Pneumonie durch. Ma- ligne Lymphome, Organtrans- plantationen, Zytostatika-Therapie und eine Reihe anderer Erkran- kungen sind ebenfalls mit Immun- schwäche verbunden und oft durch schwerste Lungenerkran- kungen kompliziert.

Die häufigsten Ursachen von Lungenerkrankungen immunge- schwächter Patienten bei drei we- sentlichen Krankheitsbildern sind in Tabelle 2 aufgelistet. Es führen zu et- wa 75 Prozent infektiöse Prozesse.

Die Quote der nichtinfektiösen und ätiologisch ungeklärten Lungeninfil- trationen liegt je nach Grundkrank- heit zwischen 5 und 50 Prozent.

1. Infektionen

Infektiöse Ursachen dominieren bei Lungenerkrankungen immun- geschwächter Patienten. Zwischen zellulärer und humoraler Abwehr- schwäche bestehen im Muster der

Infektionen typische Unterschiede (Tabelle 3): Bei den zellulären Stö- rungen — insbesondere bei T-Lym- phozytenunterfunktion — überwiegen Pilze, Viren u. ä. Erreger, während humorale Störungen (B-Lymphozy- tenunterfunktion) durch spezielle bakterielle Infektionen kompliziert sind. Erkrankungen durch Bakte- rien, Cytomegalieviren und Pneumo- cystis carinii bieten oft ein akutes Bild, während solche mit Aspergil- len, Pilzen sowie Mykobakterien eher protrahiert verlaufen.

a) Zelluläre Immunschwäche mit Granulozytenunterfunktion:

Mangel an Granulozyten oder deren Unterfunktion werden bei Krankheitsbildern des myeloprolife- rativen Formenkreises (akute und chronisch myeloische Leukämie, aplastisches Syndrom) sowie bei chronisch-septischer Granulomatose und dem Hyperimmunglobulin-E- Syndrom gesehen. Sie bedingen vor- zugsweise akute bakterielle Infektio- nen, teilweise auch Pilzinfektionen.

Myeloproliferative Erkrankun- gen und Medikamente mit immun- suppressiver Potenz führen in erster Linie über eine Verminderung der Granulozyten zu einer hohen Infekt- gefährdung. Kommt es krankheits- oder therapiebedingt zu einem Ab- fall der Granulozyten auf unter 2000 mm3 , so drohen septische und pneu- II. Medizinische Klinik (Leitender Arzt: Pro- fessor Dr. med. Peter Endres) des Nord- west-Krankenhauses Sanderbusch, Sande A-802 (46) Dt. Ärztebl. 86, Heft 12, 23. März 1989

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Granulozyten- unterfunktion

T-Lymphozyten- unterfunktion

B-Lymphozyten- unterfunktion Tabelle 1: Immunschwäche und ihr Bezug zu verschiedenen Krank- heitsbildern und Therapiemaßnahmen (nach Rosenow et al. 1985)

Zelluläre Immunität Humorale Immunität

Myeloproliferative Erkrankungen:

—akute und chroni- sche Myelose

—septische Granulomatose

—Hyperimmunglo- bulin-E-Syndrom Medikamente

—Kortikoide

—Zytostatika

isoliert angeboren erworben bei:

—AIDS

—Lymphomen

—Malignomen

—Niereninsuffizienz

—diversen Erkrankungen Medikamente

—Kortikoide

—Zytostatika

—„Bestrahlung"

idiopatische Anti- körpermangel- syndrome

lymphoproliferative Erkrankungen:

—akute und chroni- sche lymphatische Leukämien Medikamente

—Kortikoide

—Zytostatika monische Infektionen mit gramnega-

tiven Stäbchen wie Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella Species und Proteus Species. Hier müssen bei entsprechendem klinischen Bild Breitbandantibiotikakombinationen von Staphylokokkenpenicillin (zum Beispiel Flucloxacillin 3 x 1,0 g/die), Ureidopenicillin (zum Beispiel Pipe- racillin 3 x 4,0 g/die) oder Cepha- losporine (zum Beispiel Cefotaxim 3 x 4,0 g/die) mit Aminoglykosiden (zum Beispiel Tobramycin 3 x 40-80 mg/die) eingesetzt werden.

Der Nachweis einer manifesten Pilz- infektion (Pilze im Bronchialsekret) verlangt neben lokalen Maßnahmen die Kombination von Amphotericin B mit 5-Fluocytosin. Bei einem rei- nen Mundsoor ist diese nebenwir- kungsreiche (Niere) Therapie noch nicht indiziert. Mundsoor wird häu- fig unter einer immunosuppressiven Therapie beobachtet und bedarf ei- ner lokalen Therapie, echte bron- chopulmonale Pilzinfektionen sind Ausnahmen.

Bei Kindern mit der seltenen chronisch-septischen Granulomato- se kommt es nach Einführung der Langzeitprophylaxe mit Cotrimoxa- zol kaum noch zu bakteriellen Infek- tionen, jedoch oft zu schweren chro- nischen Aspergillenpneumonien. Bei Auftreten von Lungenverschattun- gen kann bei diesen Kindern von dem Vorliegen einer Aspergillen- pneumonie ausgegangen werden. Es muß sofort nach Durchführung einer nur in Zweifelsfällen erforderlichen Diagnostik (serologische Teste, Bronchialsekret, transbronchiale Lungenbiospie, in Problemfällen of- fene Lungenbiopsie) die entspre- chende Therapie eingeleitet werden.

Diese umfaßt Amphotericin B in Kombination mit 5-Fluocytosin. Am- photericin B wird einschleichend un- ter Plasmaspiegelbestimmungen do- siert. Bei Kombinationen mit Fluocy- tosin (150 mg/kg Körpergewicht pro Tag in vier Dosen bei normaler Nie- renfunktion) werden bis 1/3 der übli- chen Dosis (0,3 bis 0,6 mg/kg Kör- pergewicht pro Tag) gegeben. Nico- nazol und Ketonazol haben nur sehr begrenzten Wert. In Einzelfällen müssen auch Granulozyten-Transfu- sionen (10 10 Leukozyten täglich) ge- geben werden.

Die idiopathische oder krypto- genetische Granulozytose bedingt ein ähnliches Krankheitsbild wie die septische Granulozytose und ver- langt ein entsprechendes Verhalten.

Die Patienten mit dem extrem seltenen Hyperimmunglobulin-E- Syndrom neigen zu rezidivierenden Pleuraempyemen und eitriger Bron- chiektasie. Neben Staphylokkokus aureus als Haupterreger kommen auch Pseudomonas cepacea, Chro- mobakterium violatium, Mykobakte- rien und Aspergillen als atypische Erreger vor. Klinisch und labormä- ßig bietet sich das Bild einer akuten bakteriellen Pneumonie. Therapeu- tisch sollte man nach Asservierung von Bronchialsekret und Blut zur bakteriologischen Diagnostik initial ein Staphylokkenpenicillin (zum Beispiel Flucloxacillin) und ein Aminoglykosid (zum Beispiel To- bramycin) einsetzen. Operative Sa- nierung und Leukozytentransfusio- nen werden auch gelegentlich erfor- derlich.

b) Zelluläre Immunschwäche bei T-Lymphozyten-

unterfunktion:

T-Lymphozytenunterfunktionen sind in der letzten Zeit von besonde- rem Interesse, sind sie doch Grund- lage des AIDS (Acquired Immune

Deficiency Syndrome). Zelluläre Im- munschwächen durch T-Zell-Unter- funktion sehen wir jedoch auch bei einer Reihe anderer Erkrankungen wie bei Malignomen, Niereninsuffi- zienz und nach Zytostatikatherapie (Tabelle 1).

Der seltene angeborene T-Zell- ausfall bedingt Infektionen mit op- portunistischen Bakterien und Pil- zen. Auch Protozoen und Viren, ge- gen die kaum eine Therapiemöglich- keit besteht, kommen als Erreger in Frage. Die meisten Patienten ster- ben bereits in frühester Jugend, be- vor eine Diagnose etabliert ist. Ist aufgrund der Familienanamnese mit einem T-Zelldefekt zu rechnen, so soll prophylaktisch Cotrimoxazol ge- geben werden, um der Pneumocy- stis-carinii-Pneumonie vorzubeugen.

Bei oralen oder kutanen Candida- herden werden zusätzlich 500 bis 1000 mg Ketonazol täglich empfoh- len.

Bei den vielfältigen erworbenen T-Zellunterfunktionen dominieren Infektionen mit opportunistischen Keimen (Pneumocystis carinii, My- kobakterien, Toxoplasma gondii und Cytomegalieviren), wie insbesondere die Erfahrungen mit AIDS-Patien- ten in der letzten Zeit zeigen.

Bei AIDS als isolierter T-Zell- unterfunktionserkrankung sind In-

(3)

unbestimmt 25-40 10 Tabelle 2: Ursache von Lungeninfiltraten bei typischen Krankheitsbil- dern mit Immunschwäche (nach Masur, Shelhammer und Philo, 1985, sowie Hopewell und Luce, 1985)

Komplikationen

Pneumocystis carinii Viren

- CMV Pilze u. ä.

- Aspergillus - Candida - Nocardia

Karzinome Nierentrans-

% plantation % 9-28

4 2- 4 8-27 0-19 0- 8

AIDS

70-90 10 10-30 5 3

12 10 25 10 8 10 Bakterien

- gramnegative Bakterien - Mykobakterien

4-23 3-15 0- 2

35 30

35 5 30 nicht infektiös

- Ödem - Tumor - Embolie

15 9

19 8 12

5 5

Tabelle 3: Haupterreger bei verschiedenen Störungen der Immunität (nach Rosenow et al. 1985)

Zelluläre Immunität Humorale

Immunitätsstörung Granulozyten-

unterfunktion gramnegative Stäbchen Aspergillus Pilze

T-Lymphozyten- unterfunktion Pneumocystis carinii Pilze

Mykobakterien Viren (CMV) Toxoplasma gondii Legionella Species

B-Lymphozyten- unterfunktion Streptococcus pneumoniae gramnegative Stäbchen Pneumocystis carinii fektionen mit Pneumocystis carinii

fast regelhaft. In der letzten Zeit mehren sich Berichte über das zu- sätzliche Vorkommen typischer und atypischer Mykobakterien bei dieser Erkrankung. Der Erreger sollte bei der Behandlung derartiger Kranker möglichst gesichert sein, so daß in vielen Fällen eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage Vor- aussetzung einer gezielten Therapie (1) ist. Bis zum Erhalt der entspre- chenden Ergebnisse ist man zu einer Verdachtsbehandlung gezwungen, die sich nach den klinischen und ra- diologischen Bildern, dem bisherigen Erregerspektrum (Tabelle 2) sowie der Virulenz dieser Erreger richtet.

Wegen der großen Häufigkeit der Pneumocystis-carinii-Infektion und dem schwierigen Nachweis von Le- gionellen wird daher initial die Be- handlung mit Cotrimoxazol (10 bis 12 g/die, alternativ Pentamidin) und eventuell Erythromycin bei Patien- ten mit AIDS und Lungeninfektio- nen empfohlen. Später sollte dann - soweit möglich - gezielt behandelt werden (5, 6).

Bei den anderen in Tabelle 1 auf- gezählten Erkrankungen mit T-Lym- phozytenunterfunktion (Lymphome, Karzinome, Niereninsuffizienz und Medikamenteinflüsse) liegen oft zu- sätzliche weitere Störungen der zel- lulären und humoralen Abwehr vor.

Dadurch finden sich bei diesen Pa- tienten andere Erreger als bei Pa- tienten mit AIDS. Pneumocystis ca- rinii ist nicht der dominierende

c) Humorale Immunschwäche bei B-Lymphozyten-

unterfunktion:

Die B-Lymphozytenunterfunk- tionen mit Antikörpermangelsyndro- men sind teilweise angeboren, teil- weise werden sie bei Erkrankungen mit Lymphozytenbeteiligung gese- hen.

Bei der B-Lymphozytenunter- funktion mit humoralem Antikörper- mangelsyndrom dominieren bakte- rielle Infekte (Streptokokkus pneu- moniae, gramnegative Stäbchen wie Haemophilus influenzae, Gruppe-A- Streptokokken und St aphylokok- ken). Alle diese Erreger haben be- kanntlich eine hohe Affinität zum Bronchialsystem, wodurch sich Bronchitiden, Bronchiektasen, Bron- chopneumonien und pulmonale Sep- sisbilder entwickeln können. Selte- ner spielen bei dieser Form des Im- mundefektes Mykobakterien, Pilze oder Parasiten eine pathogene Rol- le. Im Rahmen dieser Defekte gibt es als spezielle eigenständige immu- nologische Erkrankungen das Pseu- dolymphom und die lymphozytäre interstitielle Pneumonie nach Lie- bow (LIP) sowie das kürzlich be- schriebene erworbene Antikörper- Keim, das Erregerspektrum ist breit

gestreut und umfaßt diverse Viren, Pilze und Bakterien. Hier wird man, daher, ähnlich wie bei der Granulo- zytenunterfunktion, eine breite kombinierte, vorwiegend antibioti- sche Behandlung nach initialer Dia- gnostik - soweit zumutbar - einlei- ten, auch wenn nur in etwa einem Drittel der Fälle Bakterien als pathogene Erreger gefunden wer- den.

A-806 (50) Dt. Ärztebl. 86, Heft 12, 23. März 1989

(4)

Cotrimoxazol + eventuell Erythromycin eventuell Breitbandantibiotika

zum Beispiel

Cefotaxim + Piperacillin + Aminoglykosid

Schlechter Allgemeinzustand Passabler Allgemeinzustand

Invasive Diagnostik

J

keine Besserung

Invasive Diagnostik Besserung binnen 3 Tage

1

Weiterbehandeln

bei Verdacht auf Pilzinfektion Amphotericin + Fluocytosin;

bei Verdacht auf Mykobakteriose lsoniacid, Rifampicin und andere

Abbildung: Schema für das Vorgehen bei immungeschwächten Patienten mit fieberhafter Lungenerkrankung

mangelsyndrom mit chronisch granu- lomatöser Entzündung (10).

Prophylaktisch und therapeu- tisch ist die Gabe der neu entwickel- ten Immunglobuline Zentralpunkt aller Maßnahmen. Bei Serum-IgG- Werten unter 150 µg/dl werden 200 bis 400 mg/kg/Monat dieser Immun- globuline intravenös gegeben. Frü- her wurden auch vielfach intramus- kuläre Gammaglobuline, Infusionen von Humanalbumin sowie Human- plasma zur Defektsubstitution gege- ben. Reiner IgA-Mangel sollte nicht substituiert werden, da sich bei die- sen Patienten durch die Gabe von IgA-Konzentraten relativ häufig An- tikörper mit späteren anaphylakti- schen Reaktionen entwickeln.

2. Medikamentöse Lungenschäden

Bei verschiedenen Erkrankun- gen mit und ohne initiale Immun- schwäche werden Medikamente ein- gesetzt, die einerseits die Lunge di- rekt schädigen und andererseits eine Immunschwäche induzieren oder verstärken können.

Durch die direkt schädigenden Medikamente kommt es an der Lun- ge zu diffusen oder lokalisierten reti- kulo-nodulären Infiltraten, die vom röntgenmorphologischen Bild her gelegentlich nicht von den wesent- lich häufigeren Infektionen zu unter- scheiden sind. Die klinischen Be- schwerden sind oft diskret. Am be- kanntesten ist hier die Bleomyzin- lunge, jedoch auch Cyclophospha- mid, Busulfan, Methotrexat, Nitrofu- rantoin, Amiodaron, Nomifensin und andere können fibrosierende Lungenerkrankungen auslösen. Die Diagnose ist über Anamnese und Bronchoskopie mit bronchoalveolä- rer Lavage zu stellen. Im weiteren Sinne kann man auch die Strahlen- pneumonie, oft auch Pneumonitis ge- nannt, in diese Gruppe der iatrogen bedingten Lungenschäden rechnen.

Wichtigstes therapeutisches Prinzip ist eine Beendigung der Ga- be des suspekten Medikamentes, so- fern dies von der Grundkrankheit und der vitalen Bedrohung her mög- lich ist. Der zusätzliche Einsatz von Kortikoiden ist oft hilfreich.

Neben diesen direkten Lungen- schäden können immunosuppressive Medikamente auch die zelluläre und humorale Abwehr negativ beeinflus- sen und darüber zur Manifestation von Infektionen, die bereits oben ab- gehandelt wurden, führen. Erinnert sei hier an die aplastischen Phasen mit den septischen Komplikationen bei der Leukämiebehandlung.

3. Lungenbefall durch die Grundkrankheit

Verschiedene Lymphomerkran- kungen und verwandte maligne hä- matologische Krankheitsbilder kön- nen die Lunge diffus oder nodulär durchsetzen. Die Klärung von radio- logischen Veränderungen an den Thoraxorganen bereitet bei diesen Erkrankungen oft große differential- diagnostische Schwierigkeiten, da sie durch die Grundkrankheit, durch die

Therapie oder sonstige Komplikatio- nen bedingt sein können. Im Rah- men hämatologisch/onkologischer Erkrankungen lösen Leukozytenzah- len über 200 000/mm 3 akute Leuko- stasen mit Lungeninfiltrationen aus.

Umgekehrt sehen wir bei extremen Thrombopenien (< 50 000/mm3) Hämorrhagien. Solide Tumoren in- filtrieren als lokalisierte oder diffuse lymphangiotische Karzinomatosen die Lunge. Die Erfassung dieser Krankheitserscheinungen erfordert in aller Regel — soweit zumutbar — bioptische Verfahren.

Transplantationen einschließ- lich ihrer immunosuppressiven The- rapie bieten ein breites Muster an Lungenkomplikationen. Neben In- fektionen, Lungenödemen und Lun- genembolien sowie interstitiellen Pneumonien sind chronische Absto- ßungsreaktionen Ursache von Lun- genveränderungen. 100 Tage bis ein Jahr nach der Transplantation ent-

(5)

wickelt sich eine lymphozytäre ob- struktive Bronchitis mit Alveolitis, deren Abgrenzung von den anderen, gerade erwähnten Erkrankungen oft nur durch Bronchoskopie mit trans- bronchialer Lungenbiopsie und bronchoalveolärer Lavage möglich ist. Die Therapie der verschiedenen Erkrankungen richtet sich naturge- mäß nach der jeweiligen Form.

4. Zusatzerkrankungen

Völlig unabhängig von der Grundkrankheit oder in direktem/in- direktem Zusammenhang mit dieser Grundkrankheit können sich bei Pa- tienten mit Immunschwäche an der Lunge weitere pathologische Prozes- se abspielen. Lungenembolien, akute Herzinsuffizienz, allergische oder to- xische Reaktionen durch Transfusio- nen von Blut oder Blutbestandteilen können beobachtet werden. Nach Aspiration von saurem Magensaft kann in der Lunge ein Mendelson- Syndrom auftreten.

Besonders schwierig wird die Diagnostik, wenn bei einem Patien- ten mit einer anderen Lungener- krankung derartige zusätzliche bron- chopulmonale Prozesse vorkommen.

Klinisches Bild, röntgenmorphologi- sches Aussehen und gelegentlich bioptische Methoden sind Rüstzeug von Diagnose und darauf aufbauen- der Therapie.

5. Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen

Bei Patienten mit den klinischen Zeichen einer Lungenerkrankung und bekannter oder unterstellter Im- munschwäche ist initial zu prüfen, welche Diagnostik zumutbar und durchführbar ist, um zu einer klaren Diagnose zu kommen. Hier sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit hilfreich, die eine gewisse statistische Aussage über Ursache der Lungen- erkrankung zulassen. Im Einzelfall ist natürlich jede Statistik unzuver- lässig und läßt nur begrenzte Schlüs- se zu. Bei Patienten mit relativ gu- tem Allgemeinzustand wird man in aller Regel zunächst eine invasive

Diagnostik betreiben, während man Patienten mit schlechtem Zustand einer empirisch bewährten Therapie zuführt. Die invasive Diagnostik um- faßt neben Asservierung von Blut und Sputumproben eine Broncho- skopie mit transbronchialer Lungen- biopsie (in Extremfällen offene Biopsie) und bronchoalveolärer La- vage; letzteres insbesondere, um Pilz- und Protozoeninfektionen zu erfassen. Die invasiven endoskopi- schen oder operativen Eingriffe sind bei immungeschwächten Patienten jedoch nur begrenzt zumutbar, und die Ausbeute soll im Bereich um 50 Prozent bei einer Komplikationsquo- te von etwa 10 Prozent liegen. Stu- dien über die Effektivität der invasi- ven Diagnostik liegen noch nicht vor;

nach den bisherigen Veröffentli- chungen (7, 8) ist die Überlebens- quote bei den empirisch behandelten Patienten ähnlich wie bei den Pa- tienten, die auf der Basis einer inva- siven Diagnostik therapiert werden.

Ungünstig ist auch, daß die Ergeb- nisse der invasiven Diagnostik oft erst nach Tagen, gelegentlich nach Wochen (Tb-Kultur) zur Verfügung stehen und man die Therapie ohne die Ergebnisse einleiten muß.

Gerade bei den infektiösen Ur- sachen mit Fieber und reduziertem Allgemeinzustand ist man meist zu einer empirischen Kombinations- therapie gezwungen. Neben grampo- sitiven und gramnegativen Bakterien muß diese Kombinationstherapie ge- gebenenfalls auch Pneumocystis ca- rinii, Legionellen, Mykoplasmen und Clamydien berücksichtigen. Dies be- deutet im ungünstigsten Fall den gleichzeitigen Einsatz von Cotrimo- xazol, Erythromycin sowie verschie- denen Breitbandantibiotika aus der Cephalosporin- oder der Ureidope- nicillinreihe, kombiniert mit einem Aminoglykosid.

Da eine nicht unerhebliche Quote von Erkrankungen durch My- kobakterien bei immungeschwächten Patienten — insbesondere mit AIDS

— vorliegt, wird man hier bei entspre- chende röntgenmorphologischen Verdacht eine Viererkombination von Antituberkulotika, umfassend Streptomyzin, Isoniazid, Rifampizin und Pyrazinamid zusätzlich geben.

Gleichgesinntes gilt auch bei Ver-

dacht auf Pilzbefall, bei dem Am- photericin B und Fluocytosin ange- zeigt sind. Eine schematische Dar- stellung des Vorgehens ist in der Ab- bildung enthalten. Falls sich unter der Verdachtstherapie keine Besse- rung nach einigen Tagen einstellt, muß man die Verdachtsdiagnose re- vidieren und gegebenenfalls die inva- siven diagnostischen Maßnahmen, notfalls einschließlich offener Lun- genbiopsie einleiten.

Literatur

1. Falk, S.; Rust, M.; Stutte, H. J. und K.

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Ass. 253 (1985) 1769-1773

5. Murray, J. F.; Garay, St. M.; Hopewell, Ph.

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Pulmonary complications of the acquired immunodeficiency syndrome: An update.

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8. Robin, E. D. und C. M. Burke: Lung biopsy in immuno-suppressed patients. Chest 89 (1986) 276-277

9. Rosenow, E. C.; Cockrill, F. R. und W. R.

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Erworbenes Antikörpermangelsyndrom mit chronisch granulomatöser Entzündung.

Dtsch. Med. Wschr. 111 (1986) 93-98

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Peter Endres Leitender Arzt der

II. Medizinischen Klinik des Nordwest-Krankenhauses Sanderbusch

2945 Sande 1 A-810 (54) Dt. Ärztebl. 86, Heft 12, 23. März 1989

Referenzen

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