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S P E K T R U M AKUT
(4) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 1–2, 8. Januar 1999
Klonen menschlicher Embryonen
Die Front weicht allmählich auf
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s darf keine menschlichen Klone geben: Das war die weltweit fast einhellige Reaktion auf„Dolly“. Doch diese scheinbar geschlossene Front der Ablehnung bröckelt. Bereits Anfang De- zember hatte sich eine Beratergruppe der britischen Regierung dafür ausgesprochen, Forschern die Mög- lichkeit zur Klonierung menschlicher Embryonen of- fenzulassen, sofern diese Embryonen zur Suche nach neuen Therapien gegen schwere Krankheiten ver- wendet werden. Jetzt erhielt die Gruppe Rücken- deckung vom wissenschaftlichen „Vater“ des Schafes Dolly: Auch Ian Wilmut plädiert dafür, das Klonie- ren menschlicher Embryonen nicht generell zu ver- bieten. Der schottische Forscher vom Roslin-Institut in Edinburgh schilderte seine Position auf der Win- tertagung der „Deutschen Gesellschaft zum Studium der Fertilität und Sterilität“ in Kerkrade.
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ach Wilmuts Ansicht hängt die ethische Be- wertung der Klonierung davon ab, wozu die gewonnenen Embryonen verwendet werden.Er sei strikt dagegen, daß durch Klonieren ein Kind in die Welt gesetzt werde. Wilmut: „Dieser Mensch würde von seiner Umwelt nicht als Individuum, son- dern als Kopie wahrgenommen.“ Ganz anders beur- teilt der Schotte aber eine mögliche Verwendung klo- nierter menschlicher Embryonen. US-Forschern ist es kürzlich gelungen, aus einem menschlichen Em- bryo Zellen zu gewinnen, die sich unbegrenzt im La- bor teilten und dabei das Potential zur Entwicklung zu verschiedenen Geweben behalten haben. Viele Forscher hoffen nun, daß sich solche „embryonalen Stammzellen“ zur Therapie bislang unheilbarer Krankheiten verwenden lassen.
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ie Methode, mit der Wilmuts Forschergruppe„Dolly“ aus einer Hautzelle eines erwachse- nen Tieres geschaffen hat, bietet das Potenti- al, für jeden Patienten „eigene“ embryonale Stamm- zellen zu gewinnen und damit Abstoßungsreaktio- nen zu vermeiden. Wilmut machte deutlich, daß bis- lang noch offen ist, ob und wann diese Vision zur Realität wird: „Zumindest ist sie sehr weit entfernt.“
Doch selbst wenn Versuche die nächsten Jahre aus- schließlich an Tieren stattfinden würden, käme ver- mutlich irgendwann der Zeitpunkt, an dem Wissen- schaftler Versuche mit geklonten menschlichen Em- bryonen durchführen müßten. Wilmut: „Ich möchte, daß die Tür zu dieser Forschung offenbleibt.“ Groß- britannien hat schon jetzt ein vergleichsweise laxes Embryonenschutzgesetz: dort ist Forschung an Embryonen bis zum 14. Tag möglich. Klaus Koch