• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Überzählige Embryonen: Respekt, aber kein Lebensschutz" (23.01.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Überzählige Embryonen: Respekt, aber kein Lebensschutz" (23.01.2004)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 423. Januar 2004 AA155

KOMMENTAR

N

achdem es gelungen ist, aus embryonalen Stammzellen von Mäusen Eizellen zu erzeugen, hat Hans-Werner Denker gefordert: „Die Fragen nach dem Status von embryo- nalen Stammzellen sollten gezielt experimentell untersucht werden“, damit wir „nicht in weiteren Bereichen als bisher Dinge tun, deren ethische Implikationen die Gesellschaft über- fordern“. Er fragt: „Sind sie etwas prinzipiell anderes als gigantisch expandierte Embryoblasten?“

Dies lässt sich auch ohne weitere Experimente verneinen. Ein Embryo- blast besteht aus mindestens räumlich differenzierten Zellen und bildet zu- sammen mit dem Trophobla- sten eine Einheit, die Blastozy- ste.Wenn sie sich einnistet, kann es mit ihr vorwärts gehen bis zur Geburt. Wenn aus Stammzellen Eizellen erzeugt werden, ist das dagegen der Rückwärtsgang.

Wenn es gelänge, solche Eizel- len zu einer parthenogeneti- schen Entwicklung bis zur Ge- burt zu veranlassen, müsste ent- schieden werden, ob dieses Fortpflan- zungsverfahren, das dem reprodukti- ven Klonen ähnelt, bei Menschen erlaubt sein sollen. Der Erfolg solcher Experimente würde nicht den Status der Stammzellen verändern, sondern die Manipulationsmöglichkeiten erwei- tern. Dass man nicht alles tun darf, was man tun kann, gilt aber schon immer.

Jedes Küchenmesser ist ein potenzielles Mordwerkzeug. Wenn es gelänge, adul- te Zellen, etwa Hautzellen, zu Eizellen zu reprogrammieren, würde dies auch nicht ihren Status aufwerten, obwohl man dann jede Hautzelle als potenziel- le Eizelle bezeichnen könnte.

Die „Kammer für Öffentliche Ver- antwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland“ hat unter dem Motto

„Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen“ eine Argumentationshilfe für aktuelle medizin- und bioethische Fragen vorgelegt. Die Kammer war sich zwar in wichtigen Punkten nicht einig, sie hat aber diesen Dissens auf

der Grundlage eines Konsenses zur Darstellung gebracht und damit trans- parent gemacht.

„In biologischer Perspektive lässt sich feststellen, ob bestimmte Zellen oder Organismen der Spezies ‚Mensch‘

beziehungsweise ‚Homo sapiens (sapi- ens)‘ angehören“, nicht aber, „was mit dem Ausdruck ,Mensch als Person‘

gemeint ist. Diese Kennzeichnung erschließt sich erst in der darüber hin- aus gehenden Perspektive personaler Kommunikation.“ Es ist der Unter- schied zwischen verfügbaren Sachen und unverfügbaren Personen, um den es hier geht. „Person ist jemand nur in Beziehung – grundlegend zu Gott,

infolgedessen auch zu seinen Mitmen- schen und zu sich selbst.“ In der objek- tivierenden Perspektive eines neutra- len Beobachters oder Experimentators zeigen sich nur Dinge, Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten. Personalität und Menschenwürde zeigen sich dagegen nur in der intersubjektiven Perspektive der Anerkennung.Wir spre- chen sie unseresgleichen zu – und verlet- zen auch unsere eigene Menschen- würde, wenn wir dies verweigern. Wer dennoch Personsein und Menschen- würde in bestimmten Eigenschaften wie Bewusstsein oder Interessen-Haben begründet sieht, gelangt zu Konsequen- zen, die unserer moralischen Intention heftig widersprechen. Dann wären Bewusstlose keine Personen. Und wie steht es dann mit Neugeborenen?

Einig ist sich die Kammer darin, dass die Menschenwürde und der Lebens- schutz bis in die ersten Anfänge des Menschseins zurückreichen. Das Le- ben ist schutzwürdig „als Leben eines

einzelnen Menschen und als Teil der Menschheit“. Die These von der „Hei- ligkeit des Lebens“ wird jedoch nicht vertreten. Sie ist unterbestimmt, weil im biologischen Sinne auch Samen-, Ei- und sogar Krebszellen lebendig sind.

Ist bereits der menschliche Embryo in diesem Sinne ein Mensch? Die Stellungnahme antwortet: Er ist ein sich (zur Geburt hin) entwickelnder Mensch. Nun aber teilen sich die Argu- mentationen.

Die eine Seite versteht jeden Em- bryo von der Keimzellenverschmel- zung an als einen sich entwickelnden Menschen. Dann steht er unabhängig von seinen tatsächlichen Entwick- lungsmöglichkeiten unter un- eingeschränktem Schutz. Es verbietet sich jede Güterab- wägung für fremdnützige Zwecke, also der Verbrauch überzähliger Embryonen aus der künstlichen Befruchtung für Forschungszwecke ebenso wie die Präimplantationsdia- gnostik. Diese Seite spricht sich für die Adoption über- zähliger Embryonen aus. Embryonen, die nicht transferiert werden können, müssen dann vernichtet werden.

Die andere Seite sagt: Von einem sich entwickelnden Menschen kann nur dann gesprochen werden, wenn die äußeren Umstände der Entwicklung bis zur Geburt auch vorliegen. Man kann das auf die Formel bringen: Jeder war einmal eine befruchtete Eizelle, und deshalb verdient jede Respekt, aber nicht jede befruchtete Eizelle wird ein Mensch. 70 Prozent gehen auf natürlichem Wege verloren. Trotzdem sagen wir nicht: 70 Prozent aller Menschen werden nie geboren. Über- zählige Embryonen, die keine Mutter finden können, sind dann ebenfalls nicht als sich entwickelnde Menschen zu betrachten. Sie verdienen dennoch Respekt, nicht aber unbedingten Lebensschutz. Eine Güterabwägung ist zulässig und verbrauchende Forschung mit therapeutischen Zielstellungen vertretbar. Prof. Dr. theol. Richard Schröder

Überzählige Embryonen

Respekt, aber

kein Lebensschutz

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Antworten darauf liegen klar in der weiteren Forschung.“ Der NIH-Report verweist auf die Vorteile und die Nach- teile der Stammzellen von Erwachsenen wie von Embryonen und kommt

Wenn aber der Arbeitgeber den Arbeitneh- mer dazu auffordert, die Apotheke komplett zu reinigen, also zum Beispiel die Fenster oder gar die Toilette zu putzen, dann kann man die

ßerhalb typischer Pausenzeiten darf der Raum für andere Zwecke, etwa für Besprechungen, genutzt werden2.

Indem auf eine detail- lierte Darstellung wissenschaftlicher Theorien und empirischer Befunde weitgehend verzichtet wird, soll Lesen kann man lernen auch Leserinnen und

Diese Entwicklungsansätze funktionieren jedoch am besten, wenn sich die Geber der unter- schiedlichen Gründe bewusst sind, aus denen die Menschen ihre Heimat

Auflage ist mehr als nur eine Neuauflage, denn sie ist die Auflage eines völlig neugestalteten, moder- nen Lehrbuchs und dürfte für die bisherigen Übersetzun- gen

Diese Arbeit wurde im Juli 2019 an der Juristischen Fakultät der Universität Kiel als Habilitationsschrift eingereicht. Für die Veröffentlichung habe ich Literatur und

(2) Soweit für den Ansatz der Gebühr ein Spielraum gelassen wird, ist die Höhe der Gebühr unter Berücksichtigung der Bedeutung, des wirtschaftlichen Wertes oder des sonstigen