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K VB FORUM 1-2/2019

TITELTHEMA 6

D

ie Daten zu Übergewicht und Adipositas sind alar- mierend. In den letzten 40 Jahren stieg die Anzahl von Men- schen mit Übergewicht und Adipo- sitas weltweit. [1]

Fast jeder vierte Erwachsene (24 Prozent) erfüllt die Kriterien einer krankhaften Fettleibigkeit (Body- Mass-Index > 30 kg/m²). Die zwi- schen 2003 und 2006 durchge- führte KiGGS-Studie (siehe Seite 12) zeigt in der Altersgruppe der drei- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen 15 Prozent Überge- wichtige und 6,3 Prozent Adipöse.

Besonders stark ist jedoch die Zu- nahme des Risikos für Adipositas bei Kindern und Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischen Status. Der Süßgetränkekonsum liegt hier dreimal höher als bei Kindern aus Familien mit hohem sozialen Status. [2]

Appelle verhallen

Alle Maßnahmen und Appelle zu Verhaltensprävention zeigen bislang keine ausreichende Wirkung in der Prävention von Adipositas. „Die individuelle Aufklärung über Ge- sundheitsrisiken durch falsche Er- nährung ist fehlgeschlagen, nicht weitere Aufklärungskampagnen,

sondern Steuern auf potenziell schädliche Lebensmittel sind Mo- tivation für ein gesünderes Verhal- ten“ (Franco Sassi).

Der tägliche Konsum von 250 Mil- liliter Süßgetränken führte bei Kin-

dern mit Normalgewicht zu einer zusätzlichen Gewichtszunahme von einem Kilogramm über 18 Monate im Vergleich zu einer Kontrollgrup- pe, die dieselbe Menge an zucker- freien Light-Getränken konsumier-

Die Daten und Fakten sind bekannt, doch wenn es darum geht, sinnvolle Regelungen zu schaffen, um Fehlernährung – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen – zu vermeiden, scheiden sich die Geister. Die Lebensmittel- industrie nimmt starken Einfluss auf die öffentliche Diskussion, die Stimmen der Kinder- und Jugendärzte geraten in den Hintergrund. In ihrem Gastbeitrag für KVB FORUM stellen Dr. med. Sigrid Peter und Dr. med. Michael Hubmann markante politische Forderungen.

„EINE STEUER AUF SÜß-

GETRÄNKE IST NOTWENDIG“

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K VB FORUM 1-2/2019

TITELTHEMA ten (randomisierte, kontrollierte

Interventionsstudie). [3]

Der Konsum von gesüßten Geträn- ken ist in vielen Ländern in den letzten Jahrzehnten stark ange- stiegen. In Deutschland hat sich der Absatz zwischen 1970 und 2010 mehr als verdoppelt. Die Ge- wichtszunahme durch Süßgeträn- ke ist wissenschaftlich belegt. [4]

In Modellrechnungen wird die be- obachtete Gewichtszunahme durch die zusätzliche Energiezufuhr er- klärt. Das führt zu Überlegungen, dass die Reduktion des Süßgeträn- kekonsums eine relevante Ge- wichtsabnahme auf Populations- ebene bewirken kann und stellt einen attraktiven Ansatzpunkt zur Verhältnisprävention dar. [5 bis 7]

In den Leitlinien der wissenschaft- lichen Fachgesellschaften wird ein weitgehender Verzicht auf gesüßte Getränke empfohlen und sich für die Reduktion des Süßgetränke- konsums ausgesprochen. [8,9]

In Deutschland setzt sich unter anderem die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) für entsprechende Maß- nahmen ein. [10,11]

In einer von der Organisation Foodwatch durchgeführten Studie sind in 600 untersuchten Getränken mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter. Das entspricht mehr als vier Zuckerwürfel pro Glas (250 Milliliter). Während andere Länder bereits eine Steuer auf Süßgetränke erheben, wird in Deutschland erst diskutiert. Mexi- ko, das Land mit einer der höchs- ten Raten an Übergewicht, hat 2014 eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. Die Verbrau- cher zahlen dort zehn Prozent mehr für Limonaden, der Absatz ging im ersten Jahr um 6,2 Prozent und im zweiten Jahr um 8,7 Prozent zurück. Gleichzeitig stieg der Ab- satz unbesteuerter Getränke, ins-

besondere von Wasser, um 5,2 Prozent.

In Großbritannien wurde im April 2018 eine Steuer auf Softdrinks eingeführt. Bei steigendem Zucker- gehalt pro Liter erhöhen sich die Preise gestaffelt um 20 bis 32 Cent.

Bereits vor Einführung der Maß- nahme zeigte sich die gewollte Lenkungswirkung. Die Hersteller haben den Zuckergehalt der Ge- tränke deutlich verringert. Die Ge- tränkekonzerne wie Coca-Cola, (Zuckerreduktion von 6,9 auf 4,6 Gramm), Nestlé und der britische Konzern Britvic PL haben mit Re- zeptänderungen reagiert. Ebenso handelten die Handelsketten Lidl und Tesco, die süße Getränke unter ihrem Namen verkaufen.

Maßnahmen bündeln

Bei einer Steuer von 20 Prozent auf Süßgetränke könnte die tägli- che Gesamtenergiemenge der meisten Bevölkerungsgruppen deutlich gesenkt werden. Der An- teil der stark übergewichtigen Menschen stiege nicht weiter an, sondern würde sogar sinken. Män- ner nähmen innerhalb eines Jahres um durchschnittlich 2,25 Kilo- gramm ab, Frauen um 1,5 Kilo- gramm. Die Krankheitskosten wür- den dadurch um zirka fünf Milliar- den Euro jährlich sinken. Es ent- stünden außerdem Steuermehrein- nahmen von knapp fünf Milliarden Euro, die wieder in die Gesund- heitsförderung fließen könnten. [12]

Dies könnte bei rund einer Million Menschen Übergewicht sowie bei 480.000 Personen Adipositas ver- meiden. Solche Modellrechnungen sind Hinweise auf mögliche Optio- nen der Intervention.

Es bedarf eines Bündels an Maß- nahmen, um die Zunahme von Übergewicht und Adipositas zu beeinflussen. Dies muss in der frühen Kindheit beginnen. Eine da-

von ist die Besteuerung von Süßge- tränken. Andere Maßnahmen be- treffen die Bereitstellung von ge- sunden Nahrungsmitteln und un- gesüßten Getränken in Kinder- tagesstätten und Schulen, die Pro- duktkennzeichnung sowie das Werbe- verbot an Kindern.

Dr. med. Michael Hubmann, Dr. med. Sigrid Peter

Sigrid Peter ist Vizepräsidentin des Berufs- verbands der Kinder- und Jugendärzte e. V.

Michael Hub- mann ist in Zirn- dorf als Kinder- und Jugendarzt niedergelassen und in der KVB Mitglied des Be- ratenden Fach- ausschusses Hausärzte.

Das Fußnotenverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie unter www.kvb.de in der Rubrik Service/Mitglieder- Informationen/KVB FORUM/

Literaturverzeichnis.

Referenzen

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