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9 September 2 01 7 CHF 8.– www .null 41.ch

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(1)

Unabhängige Monatszeitschrift für die Zentralschweiz mit Kulturkalender N

O

9 September 2 01 7 CHF 8.– www .null 41.ch

DAS KOMMT WEG:

• 800 000 Franken 2017

• 800 000 Franken 2018

DAS SIND:

• insgesamt 40 % der Gelder für das freie Kultur- schaffen.

DAS SIND:

• die zweite Ausschreibungsrunde der selektiven Produktionsförderung 2017 in den Sparten «Freie Kunst», «Angewandte Kunst», «Musik», «Theater/

Tanz» sowie für «Jahresprogramme von Verlagen»,

• die erste Ausschreibungsrunde der selektiven Produktionsförderung 2018 in den Sparten «Musik», «Theater/Tanz», «Programmbeiträge Kulturveranstalter», «Produktionsbeiträge Kunst- publikationen», «Freie Kunst»,

• der Projektkredit Museumskonferenz (für Sonder- projekte von 37 Museen im Kanton Luzern).

Wird die Schuldenbremse im Kantonsrat am 12. Sep-

tember nicht gelockert, kommt noch mehr weg.

(2)

ANZEIGEN AcAdemy AwArd®-Gewinner

Geoffrey rush Armie hAmmer

f i n A l

p o r t r A i t

ein film von stAnley tucci

«ein grossartiger Geoffrey rush als exzentrischer Alberto Giacometti – mit viel humor

und noch mehr Kraftausdrücken.»

Zdf heute Journal

Jetzt im Kino

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AB 7. S E PTE M B E R I M K I N O

WESTERN Valeska Grisebach

Knisternde Begegnungen in Europas Prärie

Es sind Augenblicke, in denen man innehält, Momente, die einem die eigene Vergänglichkeit vor Augen führen.

Kulturförderung

† 2017 Du fehlst.

Aktion Kultur bleibt!

Grund dieser Aktion ist ein weiterer Leistungsabbau des Kantons Luzern, welcher mit der Streichung von 800 000 Franken Kultur­

förderungsgelder den Kulturschaffenden einen wichtigen Lebens­

nerv raubt.

800 000 Franken sind 40 Prozent aller Gelder für die Freie Szene.

Somit verlieren die Betroffenen beinahe die Hälfte von allem, ganz sicher aber den Boden unter den Füssen und die Vision, in Zukunft den Kulturplatz mitgestalten zu können.

Wir bitten Sie, die beiliegende Kondolenzkarte an den Bildungs­ und Kulturdirektor Reto Wyss zu schreiben.

Das geht ganz einfach:

Nebenstehende Karte ausschneiden und auf eine A6 (Doppel)Karte kleben, mit persönlichen Worten, Mitteilungen, Anliegen, Wünschen oder Beileidsbekundungen versehen und abschicken.

Der Brauch will es, dass der Karte eine Kondolenzspende beigelegt wird. Wir empfehlen 10 Franken, es können aber auch weniger oder mehr sein oder als Alternative ein Win for Life Los.

Bitte an folgende Adresse senden:

Herrn Regierungsrat Reto Wyss

Bildungs­ und Kulturdepartement

(3)

E DI T OR I A L

Kurz vor der Sommerpause brach es über uns herein: Der Regie- rungsrat des Kantons Luzern beschwor ein Gewitter, das nicht für Abkühlung sorgte, sondern in seiner Destruktivität ein Weckruf ist. Man streicht 800 000 Franken, 40 Prozent der für das freie Kulturschaffen vorgesehenen Gelder für dieses und nächstes Jahr.

Damit nicht genug: Die fünf apokalyptischen Reiter stossen weitere Schreckensprophezeiungen aus, sollte in der Herbstsession die Schuldenbremse nicht aufgehoben werden. An den unterirdisch tiefen Unternehmenssteuern wird derweil nicht im Traum gehebelt.

Que miseria!

Der kreative Protest blieb und bleibt nicht aus. Nächster Termin:

der kantonale Aktionstag gegen das massive Abbauprogramm am 8. September mit einer Landsgemeinde um 17 Uhr auf dem Vorplatz des Luzerner Theaters. Merken Sie sich den Termin vor, kommen Sie hin, es geht um viel!

Heinrich Weingartner spürte der Luzerner Theaterszene nach, die in den letzten Jahren erfreulich erblühte. Nun ist das zarte Pflänzchen ebenfalls vom Sparmähdrescher bedroht.

Während im Kanton Luzern der Teufel los ist, schlummert auf der Furka ein einzigartiges Kunstprojekt im Dornröschenschlaf. Thomas Bolli (Text) und Christof Hirtler (Bilder) stellen den so faszinierenden wie schwer fassbaren Kultort der Schweizer Kunstszene im und um das Hotel Furkablick vor.

2017 ist neben den grossen und kleinen politischen Katastrophen auch ein Jubiläumsjahr. Neben 25 Jahren Schüür, 30 Jahren Bildzwang und 50 Jahren Kleintheater feiert auch unsere Herausgeberschaft, die IG Kultur. Am 5. Mai 1977 wurde sie gegründet, mit dem Zweck,

«kulturelle Organisationen und Institutionen einander näherzu- bringen, Bedürfnisse, Ziele und Veranstaltungen zu diskutieren und zu koordinieren sowie Minoritäten in ihren Interessen zu unterstützen und zu vertreten». In unserem Magazin begehen wir das Jubeljahr mit einer Reihe der Kulturwissenschaftlerin Anna Chudozilov und dem designierten Pro-Helvetia-Direktor Philippe Bischof, die alternierend über kulturelle Themen schreiben, die die Zentralschweiz bewegen.

Und nun los, Zeit ist schliesslich Geld, und bloss dem, der bereits hat, wird hier gegeben ...

Spar & Wahn

Ivan Schnyder

schnyder@kulturmagazin.ch

Es sind Augenblicke, in denen man innehält, Momente, die einem die eigene Vergänglichkeit vor Augen führen.

Kulturförderung

† 2017 Du fehlst.

Aktion Kultur bleibt!

Grund dieser Aktion ist ein weiterer Leistungsabbau des Kantons Luzern, welcher mit der Streichung von 800 000 Franken Kultur­

förderungsgelder den Kulturschaffenden einen wichtigen Lebens­

nerv raubt.

800 000 Franken sind 40 Prozent aller Gelder für die Freie Szene.

Somit verlieren die Betroffenen beinahe die Hälfte von allem, ganz sicher aber den Boden unter den Füssen und die Vision, in Zukunft den Kulturplatz mitgestalten zu können.

Wir bitten Sie, die beiliegende Kondolenzkarte an den Bildungs­ und Kulturdirektor Reto Wyss zu schreiben.

Das geht ganz einfach:

Nebenstehende Karte ausschneiden und auf eine A6 (Doppel)Karte kleben, mit persönlichen Worten, Mitteilungen, Anliegen, Wünschen oder Beileidsbekundungen versehen und abschicken.

Der Brauch will es, dass der Karte eine Kondolenzspende beigelegt wird. Wir empfehlen 10 Franken, es können aber auch weniger oder mehr sein oder als Alternative ein Win for Life Los.

Bitte an folgende Adresse senden:

Herrn Regierungsrat Reto Wyss

Bildungs­ und Kulturdepartement

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56 ACT / Romerohaus

62 Kulturlandschaft / Kleintheater 64 LSO / Luzerner Theater 66 Neubad / Südpol 68 HSLU Musik / Stattkino

72 Kunstmuseum Luzern / Haus für Kunst Uri 74 Kunsthalle Luzern / Museum Bellpark

76 Historisches Museum / Natur Museum / Kunsthaus Zug 78 Nidwaldner Museum

16 NACH DER KUNSTI Vier Porträts

26 FURK’ART

Ein vergessener Kultort 33 REGIERUNGSPOKER

Das Spiel mit Lotteriegeldern KOLUMNEN

6 Doppelter Fokus: Bundesfeier auf dem Stansstader Hafenareal

8 40 Jahre IG Kultur: Mitten im Dystopielabor 9 Lechts und Rinks: Luzern einfach

36 Gefundenes Fressen: Beerenplantage 52 041 – Das Freundebuch: Max Christian Graeff 82 Käptn Steffis Rätsel

83 Stille Post: Geheimnis Nr. 69 SERVICE

37 Stadtentwicklung. Industriestrasse 38 Kunst. Brutalism in Kriens 42 Wort. Judith Keller im Gespräch 47 Kino. Von Drecksgeschäften 49 Musik. Schwebepop

80 Kultursplitter. Tipps aus der ganzen Schweiz

81 Ausschreibungen, Notizen, Preise KULTURKALENDER

54 Kinderkulturkalender 55 Veranstaltungen 73 Ausstellungen

Titelbild: Verrückte Begegnungen auf dem Furka- pass, dem Ort eines einzigartigen Kunstprojekts.

Foto: Christof Hirtler

INHALT

22 THEATERPLATZ LUZERN

Zwischen Aufblühen und Austrocknen 10 HÖSLI

Ein Tribut zum 10. Todestag

Bild: © Archiv, zvg

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SC HÖN G E SAGT

G U T E N TAG

«Es brennt zu wenig in der Schweiz.»

BENEDIKT LODERER, SEITE 13

GUTE TAT, «LENA» «BERGER»!

Sie «Redaktorin» der «Zentralschweiz am Sonntag»! Oder sollen wir lieber sagen: «Investigativjournalistin»? «Recher- chen» «Ihrer» «Zeitung» «ergaben», dass im Keller der Zwi- schennutzung Neubad in Luzern Partys stattfanden. Illegal!

Nur so aus Gwunder: Wann genau leben Sie? Sie kommen uns ziemlich alt vor. Wie eine alte Schachtel ohne Lebensinhalt, die im Zügel-Sommerloch Falschparkierer verzeigt. «Döfi do schnell parke?» – «NEI, SOSCHT LÜTI DE POLIZEI AA.» Ist rechtens, aber auch ein bisschen doof. Betriebsleiter Dominic Chenaux nimmt die Konsequenzen auf sich. Sie schrieben: «In winkelriedscher Manier verkündete er, die Konsequenzen auf sich zu nehmen – eine Rolle, in der er sich offenbar gefällt.»

Sie scheinen sich in der Rolle der Investigativjournalistin zu gefallen. Im Interview mit der eigenen (!) Zeitung vor knapp einem Jahr: «So liegt es für uns etwa drin, am Dienstagmorgen vier Stunden mit einem Informanten Kaffee zu trinken.» Haben Sie eine derart lange Leitung? Und: «Ich bin total zufrieden mit meinem Job. Ich würde meinen, dass ich mich gerade in der besten Phase meines Lebens befinde.» Jetzt, wo Sie so zufrie- den und sich in der besten Phase Ihres Lebens befinden – wäre es nicht an der Zeit, aufzuhören, liebe «Lena» «Berger»? Man sollte doch immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist.

Sonst vergraulen Sie in Ihrer Rolle als Investigativschachtel noch mehr Leserinnen und Leser. Die sitzen nämlich auch im Neubad. Falls dort «Ihre» «Zeitung» überhaupt noch aufliegt.

Feiert Kufo-Partys ohne Notausgang, 041 – Das Kulturmagazin

GUTEN TAG, KOMMENTARSCHREIBER

Das im Volksmund als Kurt-Bieder-Brache und Schmitte-Wäldli bekannte Areal am Pilatusplatz soll bis zum voraussichtlichen Baubeginn 2022 zwischengenutzt werden. Fordert die SP. Und da geht’s bereits wieder rund in den Kommentarspalten der LZ. «Es ist schon lustig! Die SP und (alle Linken) fordern nur immer. Früher war es so, wer bezahlt, befiehlt. Gilt denn das heute nicht mehr?», empört sich Leser G.H., während W.S. es so dreht, dass die SP damals zu wenig gegen den Schmitte-Abriss unternommen habe. Die Episode ist charakteristisch für die momentane Stimmung: Es ist eine Zeit der Motzer, Miesmacher und Polteris. Vielleicht gibt’s bald Abhilfe: Die Stadt Luzern liess verlauten, sich an Forschungen der Universität Bern zum regulierten Cannabisverkauf zu beteiligen. Unser Vorschlag:

Gebt den Hanf unterbeschäftigten Online-Kommentatoren.

Auf chillaxige Zeiten.

Paffend, 041 – Das Kulturmagazin

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D O P P E LT E R F O K U S

Die beiden Luzerner Fotografen Patrick Blank und Mischa Christen zeigen zwei Blicke auf einen Zentralschweizer Anlass, den «041 – Das Kulturmagazin» nicht besuchen würde.

Bundesfeier mit dem Gastkanton Bern auf dem Stansstader Hafenareal, 31. Juli 2017 Bild oben Patrick Blank, rechte Seite Mischa Christen

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D O P P E LT E R F O K U S

(8)

Germanisten, Mediziner, Maturandinnen, joblose Soziologen, Start- up-Gründerinnen, Kunstschaffende und kleine Kinder: Auf der Burg Rothenfels sitzen wir eine Woche im «Labor mit Utopieverdacht»

beisammen. Auf der grünen Wiese wird da der Neoliberalismus akzeleriert oder ein Mentoringprogramm für alte, weisse Männer ausgetüftelt, es wird gelesen, gelacht, gedacht. Junge und nicht mehr ganz junge Menschen treffen sich, nehmen sich sieben Tage und träumen die «Neue Welt».

Mein Sohn hält wenig von all dem Gerede, am allerwenigsten von

«Julians Schule der Nervensägen», wie er das allabendliche Plenum nennt. Dafür ist er begeistert vom Rittersaal, vom Geheimgang zum Burggarten, vom Bergfried. Luis hat klare und erstaunlich detailreiche Vorstellungen von Rittern, in der Krippe überraschte er kürzlich mit Erläuterungen zum Unterschied zwischen Lanzen und Hellebarden.

Seine Begeisterung für das Mittelalter hat viel mit verregneten Nachmittagen in Luzern zu tun, die er liebend gerne im «Rüs- tungsmuseum» verbringt. Noch immer drückt er im Treppenhaus meine Hand ganz fest, nicht ganz sicher, ob in dem polierten Metall nicht doch ein böser Mann steckt. Im Lift staunt er über das Bild vom Kreuzstutz, wie er früher war, als Heinz und Jesus noch nicht gemeinsam über den Verkehr wachten und dieser vor allem aus Fahrrädern bestand. Luis’ Vorstellung von damals und früher hat noch wenig damit zu tun, wie Erwachsene Geschichte verstehen. Das Historische Museum lässt ihn sein erstes Konzept davon entwickeln.

Jetzt soll das Museum geschlossen werden – falls das Parlament in der Herbstsession nicht einer Lockerung der Schuldenbremse zustimmt. Damit droht die Kantonsregierung. In vollem Ernst.

Die lokale FDP will sich für «einen nachhaltigen und innovativen Bildungsstandort Luzern» einsetzen, die «CVP fordert eine ganzheit- liche und qualitativ hochstehende Ausbildung als Startchance für alle (sic!)». Die Luzerner SVP schreibt sich «Heimat» zuoberst aufs Programm. Doch die Regierungsräte dieser Parteien setzen dennoch das Historische Museum aufs Spiel. Mir macht das Bauchweh.

Und das ist nur eine von vielen angedrohten Massnahmen. Vieles zuvor Undenkbare wurde in den letzten Jahren schon umgesetzt.

#schulfreisparen #43.25stundenwoche

Da probieren ein paar alte Männer aus, wie viel Kultur man abwürgen, wie viele Sozialleistungen kürzen, wie weit man Ge- flüchtete an den Rand drängen kann und dennoch wiedergewählt wird. Es fühlt sich so an, als wären wir mitten im Labor für Dys- topien gelandet.

Anna Chudozilov

Mitten im Dystopielabor

40 JAHRE AUSTAUSCH, VERNETZUNG UND BERATUNG

Anna Chudozilov ist 1979 in Prag geboren, in Basel aufgewachsen und dann trotzdem in Luzern sesshaft geworden. Sie hat hier Soziologie studiert und ist im- mer irgendwie Studentin geblieben – seit Sommer 17 betreibt sie an der UNILU Öffentlichkeitsarbeit für die Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät. Google glaubt, dass sie ein Hochbett und ein Abenteuer möchte. Zum 40-Jahr-Jubiläum der IG Kultur schreibt sie abwechselnd mit dem designierten Pro-Helvetia-Direktor Philippe Bischof über kulturelle Themen, die die Zentralschweiz bewegen.

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terbestehen. Und die 57 Millionen Franken, die für 2017 und 2018 bei Prämienverbilli- gungen, bei Stipendien, bei der Integration von Ausländern oder auch bei der Kultur gestrichen werden, sie werden leider geopfert werden – exakt so, wie es auch die Regierung will (diese andere ehemals staatstragende Institution).

Die Petition von Act, dem Verband der freien Theaterleute, gegen die Abbaumass- nahmen wurde von 784 Personen unter- schrieben («noch 216 Unterstützer/innen bis zum Meilenstein!»); jene von Visarte, dem Verband der Künstlerinnen und Künstler, von 836 («noch 164 Unterstützer/innen bis zum Meilenstein!»).

Fast ist man geneigt, die Virtuosität dieser Abbaupolitik zu bewundern.

L E C H T S U N D R I N K S

Text: Christoph Fellmann, Illustration: Raphael Muntwyler

Läuft ja alles wie am Schnürchen: Einsichten in eine gelingende Abbaupolitik.

Luzern einfach

14 309 Personen hatten am Tag, als dieser Text geschrieben wurde, die Petition gegen die Schliessung des Historischen und des Natur-Museums in Luzern unterschrieben.

Das ist eine formidable Zahl. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Auseinandersetzung um diese Museen nicht mehr als eine kul- turpolitische Übersprungshandlung ist. Diese Museen sind nicht wirklich in Gefahr. Denn wie heisst es in Paragraf 3, Artikel 2, des kantonalen Kulturförderungsgesetzes: «Der Kanton führt das Historische Museum und das Natur-Museum.» Selbst wenn die Regie- rung wollte, was sie gar nicht will, nämlich diese Museen schliessen: Dann müsste sie dem Parlament beantragen, das Gesetz zu ändern und damit das Risiko einer Referen- dumsabstimmung eingehen, die sie höchst- wahrscheinlich verlieren würde.

Nein, die Regierung will diese Museen nicht schliessen. Was sie will, das ist, ihre gescheiterte Tiefsteuerstrategie durch einen massiven Leistungsabbau sowie durch ei- ne Lockerung der Schuldenbremse um 25 Millionen Franken zu kompensieren. So beantragte es die Regierung dem Parlament schon im Juni. Bloss wies der Kantonsrat das Geschäft zurück, vertagte den Entscheid – und schuf für sich selber damit eine komfortable Situation. Denn die bürgerliche Mehrheit des Parlaments zwang die Regierung auf diese Weise dazu, ein noch härteres Ab- bauprogramm vorzuschlagen im Szenario, wonach die Schuldenbremse nicht gelockert werde. Das Resultat war der gesetzeswidrige Vorschlag, die Museen zu schliessen. Was dann passierte, war vollkommen absehbar:

Die spektakuläre, wenn auch fiktive Abbau- massnahme machte Karriere in Medien und Politik. Die angeblich bedrohten Museen dominierten die Schlagzeilen, und 14 309 Personen unterschrieben eine Petition. Bald machte die angeblich beruhigende Meldung die Runde, die Lockerung der Schuldenbremse

werde am 10. und 11. September im Kan- tonsrat wohl eine Mehrheit finden. Gerade noch mal gut gegangen.

Und das ist der Punkt: Der Kantonsrat hat sich mit dem verschleppten Entscheid zur Schuldenbremse die Möglichkeit ge- schenkt, am 10. und 11. September als Retter der Museen aufzutreten. Die staatspolitisch beschwerten Reden, mit denen insbesondere die CVP-Leute die Bedeutung der Museen hervorstreichen werden, sind, wiederum, vollkommen absehbar. Das Historische und das Natur-Museum werden, wiederum schlagzeilenträchtig, durch Vertreterinnen und Vertreter der ehemals staatstragenden Parteien «gerettet» werden. Die Tiefsteuer- strategie aber, sie wird weiterfallieren. Die Schuldenbremse, sie wird – im Prinzip – wei-

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Hösli, der Musiker: Das waren frühe Punkbands, das Trio Naturakt, Soloaktivitäten unter seinem Namen (Album «Reussbühl» 1992) oder dem Pseudonym Gilbert Dessert, Bands wie Kings Of Cunnilingus und Beatralon, die Tribute-Projekte The Sensational Alex Harvey Project, Sweeter Than Sweet und The Missing Kinks, natürlich das langlebige Duo Hösli & Ricardo (1996–2007).

Nicht zuletzt bleibt diese Hauptband in Erinne- rung: Steven’s Nude Club. Das war «Crossover», punkig, skaig, rockig, rhythm’n’bluesig, als Trio gegründet, zum Quartett geworden, immer wie- der mit sattem Gebläse bereichert, auf unzähligen Bühnen aktiv von 1984 bis 2000.

So verwundert es nicht, dass der Tribute- Abend musikalisch praktisch ausschliesslich unter dem Zeichen von Steven’s Nude Club (SNC) steht. Aus dem Repertoire des SNC schöpfen die drei Bands, die mit Coverversionen dem Schaffen aus Höslis SNC-Jahren die Reverenz erweisen.

Eine Musik notabene, die beim Wiederhören – insgesamt sind nach der EP «Go Nude» (1986) vier ausgewachsene Alben entstanden – nach wie vor verblüfft: wie sich da etliche Hammersongs darunter finden, wie verdammt gut der grosse Charismatiker Hösli singt in unterschiedlichsten stilistischen Facetten.

Pit Furrer, Hauptinitiator des Tribute-Abends, hat viele Jahre als Drummer mit Hösli Musik gemacht, von 1992 bis 2000 bei SNC. «Im Kul- turleben von Luzern ist Hösli eigentlich nicht wegzudenken», sagt Furrer. Da sei es angebracht, zum 10. Todestag an ihn zu erinnern. Die «Alten»

sollen seine Musik wieder hören, eine junge Generation, die Hösli nicht mehr gekannt hat, kann ihm neu begegnen. Aus seinen persönli- chen Erfahrungen mit Hösli nennt Furrer ihn

«einen Macher». «Als Autodidakt hat er es sehr weit gebracht», wertet er Höslis Schaffen. «Ein begnadeter Texter, ein grosser Kulturkopf» sei er gewesen, «exzentrisch mit Stil – immer tipptopp gekleidet, die exquisite Frisur.» Pit Furrer meint:

«Auch wenn dir seine Musik nicht unbedingt gefallen hat, konnte Hösli einen als unvergleich- licher Performer überzeugen.»

Wer macht da alles mit beim Anlass mit dem Titel «Heaven Is Not That Far» (nach ei- ner Textzeile aus dem SNC-Song «Elvis With A Fender Guitar», 1994)? Es sind Musiker, die fast alle zeitlebens mit Hösli zu tun hatten. The Milky Ways From Mars feiern am 17. November im Sedel als neue Glamrock-Band Premiere, dann als – auf Englisch – Kekse vom Roten Planeten. Vorher erweisen sie Hösli mit dem Covern eines fast kompletten Albums die Ehre.

Melk Thalmann, der unter Tarnnamen bei den Milky Ways singt und Gitarre spielt: «Ich finde es immer noch einen geilen Sound.» Steven’s Noodle Soup dürfen diesen anspielungsreichen Bandnamen mit Recht benützen, weil immerhin zwei davon zum originalen Ur-Nude-Club-Trio gehörten. Die Soup-Truppe ist zu viert und for- mierte sich ursprünglich zum einmaligen Cover- Auftritt 2012 anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des SNC-Labels Lux Noise in Basel. Schliesslich Count Gabba, der einst mit Hösli bei Kings Of Cunnilingus mitspielte: Was er mit Band bietet, dürfte den SNC-Titeln eine eigene countryeske Note verleihen.

«Heaven Is Not That Far» – so heisst auch der halbstündige Film von Beat Bieri, welcher der Veranstaltung den Titel leiht. Zusatz: «Hösli – Szenen aus einem Musikerleben». SRF-Doku- mentarfilmer Bieri, einst Saxofonist bei SNC, hat seinen exklusiven Beitrag aus umfangreichem Archivmaterial gestaltet.

Was bleibt? Ein Lücke, keine Frage. Zeit, sich an seine Musik und an den Menschen Hösli, den Einzigartigen, zu erinnern. Einen wie ihn gab es nicht mehr. Ein Nachfolger ist weit und breit nicht in Sicht. Es will einem partout niemand einfallen.

Vor zehn Jahren starb Hösli, Musiker, Kreativkopf, Kulturaktivist. Freunde und Weggefährten er- innern an den unvergleichlichen Sänger und Musiker anlässlich eines Tribute-Abends im Südpol.

Natürlich mit viel Live-Musik und einem exklusiven Film.

Von Urs Hangartner

Ein grosser Charismatiker

«Heaven Is Not That Far» – Tribute-Abend für Hösli (1965–2007) mit Steven’s Noodle Soup, The Milky Ways from Mars, Count Gabba, Film «Hösli – Szenen aus einem Musikerleben» von Beat Bieri

FR, 22. September, 20 Uhr, Südpol, Luzern

(11)

10 . T ODE S TAG HÖ S L I

Thomas Hösli (1965–2007). Bild © Archiv

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A RC H I T E K T E NG E S PR ÄC H

Ein «Freigleis» macht noch keinen Städtebau

Die Verlegung der Zentralbahn in den Tunnel hat es möglich gemacht, die bisherige Linienführung durch die Quartiere Moosmatt und Obergrund einer anderen Nutzung zuzu- führen. Seit Ende 2016 kann deshalb vom Neubad aus in gekrümmter, aber direkter Linie via Eichwald und Südpol Kriens und Horw erreicht werden. Der Fuss- und Veloweg

«Freigleis» – ein Namenswettbewerb hat das schwerfällige

«Langsamverkehrsachse» abgelöst – gilt allgemein als ge- lungenes Beispiel für zeitgenössische Verkehrsplanung in einem dicht besiedelten Stadtraum. Es ist aber nicht nur Verkehrsweg, sondern auch Gelegenheit für ungewohnte Stadtansichten und neue Perspektiven.

Gerold Kunz, einheimischer Architekt und Redaktionslei- ter der Zentralschweizer Architekturzeitschrift «Karton», hat aus diesem Anlass seinen Bieler Kollegen Benedikt Loderer eingeladen, mit ihm diese neue Achse zu begehen und natür- lich ausgiebig zu kommentieren. Loderer, der Stadtwanderer und Gründer der Architekturzeitschrift «Hochparterre», begleitet, analysiert und kritisiert seit Jahrzehnten die bauliche und raumplanerische Entwicklung der Schweiz. Er schaut genau hin, seine teils forschen Worte werden gehört, seine Meinung hat Gewicht. Was hält er vom Freigleis, von der Umgebung im Allgemeinen? Was sieht der Auswärtige, was der Ortskundige? Wandern wir los.

Treffpunkt S-Bahn-Haltestelle Kriens Mattenhof, auf der anderen Gleisseite die riesige Baustelle der Mobimo.

Hier schliesst der bestehende Fuss- und Veloweg von Horw her ans Freigleis an. Gerold Kunz erinnert sich, dass sich

«Karton» schon vor fünf Jahren ausgiebig mit diesem als Luzern Süd definierten Gebiet befasst und die Zeitschrift darin dessen von Investoren getriebene Gebietsentwicklung kritisch hinterfragt hat. Im Nachhinein zweifle er, ob öf- fentliche Mitwirkung damals überhaupt erwünscht gewesen sei. «Was kann da eine Zeitschrift beitragen? Wann wird sie gehört?», fragt Kunz etwas rhetorisch. «Wichtig ist einzig», beantwortet Benedikt Loderer umgehend, «wer Veto-Power hat, also Grundeigentümer, Verbände usw. Die Politik ist darauf trainiert, dass sie diesen gerecht wird.»

Die beiden spazieren los entlang der Gleise, die nach ein paar Metern in den Boden verschwinden.

Kunz: «Hier ist es augenfällig, wie sich Entwicklungen entlang der Achsen des öffentlichen Verkehrs konzentrieren.» Loderer weiss, warum: «Wenn sie sich für einen Standort entscheiden, schauen die Leute nur auf den (Miet-)Preis, die Erschliessung, wenn sie ‹Gofen›

haben die Schule und wenn sie Geld haben die Steuern.» Ansonsten sei es ihnen egal, wie die Umgebung ausschaue.

Regelmässig überholen Velofahrer oder kommen andere Fussgänger entgegen.

Die Strecke entlang von Autogaragen, Lagerhäusern, Brachen und Umschlagplätzen hat etwas Grossstädtisches. Wie bei der New Yorker

«High Line», einem ebenfalls zum Spazierweg umfunktionierten U-Bahn-Hochgleis, ergeben sich durch die langsame Fortbewegung bislang unbemerkte Blickwinkel und Ansichten. «Rückseiten, die wie Hinterhöfe daherkommen, weil sie vorher gegen eine Zugsdurchfahrt gerichtet waren», kommentiert Gerold Kunz. Er ist überzeugt: «Hier wird in den nächsten 15 Jahren Highend-Architektur gebaut, jedoch immer noch zu kurzsichtig, weil Grundstück für Grundstück ein Investor das Maximum herauszuholen versucht», und kritisiert damit die aus seiner Sicht mangelnde städtebauliche Gesamtplanung über die Gemeindegrenzen hinweg. «Grundstücke sind autonom, ihre Besitzer handeln wie Insulaner. Das ist das Hauptproblem beim Städtebau», bemerkt Benedikt Loderer nüchtern. Es gehe immer nur um Häuser, die Zwischenräume würden dabei vergessen.

Verdichtung nach innen

«Schaut schön provisorisch aus», findet Stadtwanderer Loderer auf Höhe Südpol.

Erfreuliche Entdeckung bei der Eichwaldstrasse, wo das Freigleis dem querenden Verkehr den Vortritt lassen muss: «Der Erste, der den Hag einreisst», sagt Gerold Kunz und deutet auf die junge Kaffeerösterei Tacuba im Parterre eines alten Hauses, dessen Terrasse durch einen Zaun vom Freigleis abgegrenzt wird. Jetzt hat es darin ein Türchen.

Kunz ist überzeugt, dass solche Öffnungen hin zum Spazierweg in den kommenden Jahren zunehmen werden.

Davon ist aber auf dem letzten Abschnitt des Freigleis bis zum Neubad noch nichts zu spüren, obschon hier die belebtesten Liegenschaften der ganzen Achse stehen. Loderer meint den Grund zu wissen und nimmt als fiktives Beispiel die Spenglerei kurz vor der Moosmatt- strasse, deren Zufahrt parallel zum Freigleis verläuft. «Der Spengler hat vorerst ein einziges Interesse, nämlich dass er mit dem Lieferwagen zu seiner Bude fahren kann. Solange wird an diesem Standort nichts geändert.» Anders gesagt: Ein neuer Spazierweg führt nicht sofort zu Erdgeschossen voller Cafés, Kitas, Galerien und Boutiquen. Diese

Mit den Architekten Benedikt Loderer und Gerold Kunz auf urbaner Wanderschaft über die neue Langsamverkehrsverbindung zwi- schen Kriens, Horw und Luzern.

Von Mario Stübi

(13)

A RC H I T E K T E NG E S PR ÄC H

Entwicklung kann noch Jahre dauern. Oder wieder in den Worten Loderers: «Auch bei einem neuen Park braucht es 30 Jahre, bis man ihn als solchen wahrnimmt.»

Zwischendurch fachsimpeln die beiden übers Zeitschrif- tenmachen und tauschen redaktionelles Know-how aus.

Zum Schluss der Tour gelangt das Duo entlang der Eschen- strasse zum Neubad. «Hier ist diese Anlage wie ein moderner Quai», schwärmt Kunz. Loderer stimmt zu und ergänzt trocken: «Bäume haben übrigens ebenfalls Veto-Power. Wenn ihr das Freigleis sichern wollt, pflanzt Bäume an der Seite.»

In der Gartenbeiz wird die Wanderung beim Gipfelwein (Stange) resümiert. Für Gerold Kunz hat der Rundgang die Erkenntnis gebracht, «dass weniger geplant werden kann, als man sich vielleicht erhofft hat, sondern vieles erst mit der Zeit entsteht». Was würde denn Liegenschaftseigentümer zu baulichen Veränderungen hin zur Achse verleiten? Loderer hat eine klare Antwort: «Ich empfehle die Aufhebung von gesetzlichen Mindestabständen zu Nachbarsgrundstücken, also eine Verdichtung nach innen, und in diesem Fall hier die Möglichkeit, bis an den früheren Gleisrand planen und bauen zu können. Das wäre interessant für Nachbarn, dann kommen sie ins Gespräch, es entsteht eine Eigendynamik und sie machen im Idealfall gemeinsame Sache.» So könnten beispielsweise entlang dem Freigleis der Boden bzw. die Zwischenräume viel dichter genutzt werden. «Wir werden

nämlich durch die Baugesetzgebung zum Insulaner-Dasein gezwungen, jeder plant nur sein Grundstück und optimiert es aus eigener Optik», meint der Stadtwanderer Loderer. Verdichtung sei ein Detailgeschäft, grosse Pläne gestalteten sich immer schwierig. Begünstigt würden Veränderungen oftmals durch Besitzerwechsel von Liegenschaften, wenn ein Hauseigentümer beispielsweise verstirbt. Oder wenn es brennt und die Zerstörung durch ein Feuer neue städtebauliche Tatsachen schafft – was Loderer zum zynischen Fazit verleitet: «Es brennt zu wenig in der Schweiz.»

40. Ausgabe

Seit 2004 liegt «Karton – Architektur im Alltag der Zentralschweiz» dem Kulturmagazin «041» bei. Die Zeitschrift ging aus einer Initiative von Gerold Kunz hervor und wird vom Verein Autorinnen und Autoren für Architektur AFA getragen. In bisher 40 Ausgaben äusserten sich Berufsleute zu den Gegebenheiten des lokalen Baugeschehens. Jede Ausgabe nimmt sich eines Themas an. Auf eine regionale Optik wird geachtet. «Karton» rich- tet sich an ein interessiertes Laienpublikum. In Zusammenarbeit mit dem KKL Luzern, LuzernPlus, dem Architekturforum Uri und dem Heimatschutz Nidwalden oder mit Museen in Sachseln, Stans und Willisau sind beglei- tende Hefte entstanden. Die 40. Ausgabe zum Brutalismus in der Zentral- schweiz ergänzt die aktuelle Ausstellung im Bellpark Kriens. Die Zeitschrift wird von Spenden, Abonnenten und Inserenten getragen. Die HSLU T&A und die Denkmalpflegestellen der Zentralschweiz berichten regelmässig über ihre Aktivitäten. www.kartonarchitekturzeitschrift.ch (red)

Von Mattenhof bis Neubad: Gerold Kunz und Benedikt Loderer unterhalten sich über Luzerner Stadtentwicklung.

(14)

S V P - M U S IC A L

Eine Wirbelsäule und ihre Jünger

Teils etwas gar flacher Humor: das neue Musical von Matto Kämpf, Raphael Urweider und Co. Bild: Rob Lewis, zvg

Im Musical «Sit so guet, s.v.p.» wird das Parteiprogramm der Volchspartei gehörig durchgewurstelt und kein Klischee ausgelassen. Eine köstliche Sauerei, die aber wenig zu zehren bietet. Im September ist es im Luzerner Kleintheater zu sehen.

Von Martina Kammermann

(15)

S V P - M U S IC A L

Die SVP. Jahrein, jahraus begleitet sie uns mit heimat- seligem Gepolter, skandalösen Plakaten und refrainartig wiederkehrenden verbalen Ausrutschern – die im medialen Echo, vielfach kommentiert und kritisiert, nicht selten zum donnernden Chor ausarten. Schon bei mancher Schlagzeile dachte man: Was für ein Theater! Billige Stimmungsma- che! Ja, Politik hat einiges mit Inszenierung zu tun. Das mögen sich auch die Berner Autoren und Bühnenkünstler Matto Kämpf und Raphael Urweider gedacht haben, als sie sich zusammen mit Regisseur Dennis Schwabenland an ihr neustes Stück und erstes Musical «Sit so guet, s.v.p.»

machten. Stilecht von einer provokativen Plakatkampagne angekündigt, feierte es diesen Sommer in Bern Premiere.

Die Handlungsbasis in einer nahen Zukunft: Die SVP hat einen Wähleranteil von 49,94 Prozent. Bei Rösti und Bier soll Roger de Cervelat als neuer Parteipräsident inthronisiert werden. Wider Erwarten wird der intellektuelle Zürcher von seinem behäbigen Berner Konkurrenten geschlagen und ist bitter enttäuscht. Per Zufall trifft er auf zwei verirrte Ausländer, die reiche Südafrikanerin Cecilia de Buuren- worst und den syrischen Helvetistik-Professor Ibrahim Al Merguezi. Die beiden haben sich in die schöne Schweiz (und Roger) verliebt und wollen hier ihr Glück versuchen.

Da hat Roger eine Idee: Schweizliebende Ausländer, die für ihre Aufnahme bezahlen – sie sollen als «Unausschaffbare»

die Parteibasis erweitern. Der Plan funktioniert, und schon bald ist die Schweiz schweizerischer denn je. Wähleranteil der SVP: 99,87 Prozent.

In «Sit so guet» wird kaum Zeit mit Andeutungen verschwendet, sondern die SVP und ihre Exponenten werden geradeheraus aufs Korn genommen. Die Autoren nehmen den Partei-Wortschatz, drehen ihn einmal durch den Fleischwolf und pressen daraus einen Plot, der vor Skurrilitäten strotzt. Bilder, die sich in die Netzhaut bren- nen: der komplett in Folie eingewickelte Fritz Landjäger.

Das ewig hechelnde SVP-Maskottchen. Die Wirbelsäule des verstorbenen Parteivaters Christoph, die als «Golde- nes Rückgrat der Nation» dient. Wenn immer Szenen ins Absurde driften, sind die Stückmacher in ihrem Element.

Klischee und Klamauk

Gleichzeitig finden aber auch allzu durchgekaute Pointen ins dystopische Treiben: Da werden nicht nur alle erdenk- lichen SVP-Klischees ausgeschlachtet, sondern auch schon beinahe zur Bewusstlosigkeit parodierte Bilder zelebriert.

So treffen wir auf den divenhaft-lasziven Schwulen ebenso wie auf den Grüsel mit Thai-Frau. Und da die Wurst ein leitendes Motiv bildet… nun ja, man kann es sich denken.

Dass einige Szenen nicht ins Peinliche kippen, ist der gross- artigen Performance der Darstellerinnen und Darsteller zu verdanken. Sie spielen geschickt mit Übertreibungen und Situationen, ohne dabei gekünstelt zu wirken.

Es liegt aber nicht nur am teils etwas gar flachen Hu- mor, dass manch bissig formulierte SVP-Kritik letztlich als harmlose Posse daherkommt. Schliesslich ist «Sit so guet»

ein Musical mit allem, was dazugehört: Liebe, Drama, Zuckerguss. Begleitet von einer Live-Band, darunter die Luzerner Marc Unternährer an der Tuba und Roland Bucher (Blind Butcher) am Schlagzeug, singen und tanzen sich die Figuren durch ein reiches und eingängiges musikalisches Programm, das von Pop über Hip-Hop-Beats über Schnulzen bis zu Techno reicht. Komponist Simon Hari (King Pepe) hat aus dem Vollen geschöpft – was die Truppe natürlich nicht davon abhält, gleichzeitig das Musical-Genre selbst zu veräppeln.

«Sit so guet» legt seinem Publikum den Teppich (gen Herrliberg ausgerichtet) für einen vergnüglichen Abend aus – aufs Glatteis führt das Stück allerdings nie. Man kann sich zurücklehnen und genüsslich den Kopf schütteln über diese vulgäre, geistig vernebelte und in sich widersprüch- liche Partei, die sich einem da präsentiert. «Weniger für alle, mehr für mich». «Freiheit heisst Marktfreiheit.» – Nun wird endlich mal deutlich ausgesprochen, um was es denen in Wahrheit geht. (Ein Privileg, das sich die SVP ja gern selbst herausnimmt.) Geben wirs zu: Sich vor einem grossmehrheitlich links gesinnten Theatersaal über die SVP lustig zu machen, ist ungefähr so bequem wie ein Kulturspar-Plädoyer vor dem Luzerner Regierungsrat zu halten – für alle Beteiligten. So findet man sich als Zu- schauerin in einer ähnlichen Position wie die verbleibende Linke auf der Bühne: Sie hat sich in ihr jurassisches Reduit zurückgezogen und nimmt Drogen.

Natürlich ist ein Musical kein Gefäss für feinsinnige Selbstverhandlungen. Und dass es die «Sit so guet»-Macher bewusst nicht auf eine solche angelegt haben, ist offen- sichtlich. Sie versuchen gar nicht erst, dem Stück eine Ambivalenz einzuimpfen, denn das Parteiprogramm der SVP bietet ihnen schon bühnenreifen Stoff genug. Das ist billig und recht – wirkt streckenweise aber halt auch etwas billig. Ein Gedanke, der überrascht oder verunsichert, fehlt, und so bleibt das Stück in der Klamauk-Ecke stecken.

Sit so guet, s.v.p., MI 13., DO 14., DI 19., MI 20. September, 20 Uhr, Kleintheater, Luzern

50 Jahre Kleintheater

Die Spielzeit 2017/2018 steht ganz im Zeichen des 50-Jahr- Jubiläums des 1967 von Emil Steinberger gegründeten Hauses, das dieser auch zehn Jahre leitete. 1977 übernahm Marianne von Allmen, 1980 wurde der bis anhin private Betrieb in die «Stif- tung Kleintheater Luzern» überführt. Zum Einklang der Jubelsai- son geht am 16. September ein Wundertütenprogramm über die Bühne, etwa mit Christof Wolfisberg (Hälfte von Ohne Rolf), Langue Erotique oder dem Doku-Film über die Schweizer Klein- theaterszene von Beat Bieri und Jörg Huwyler. Anschliessend Disco. Mehr zum Kleintheater und seinem Jubiläum finden Sie in unserer November-Ausgabe. (red)

50 Jahre Kleintheater – Das Fest, SA 16. September, 20 Uhr, Kleintheater, Luzern

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Kunsti –

und dann?

Zum 140-jährigen Bestehen der ältesten Kunsthochschule der Schweiz spannen Akku Kunst-

plattform und das Kunstmuseum Luzern zusammen. In der Reihe

«Fortsetzung folgt» finden in

beiden Institutionen jeweils drei Ausstellungen statt, die Positionen von ehemaligen Kunsti-Absolven- tinnen und -Absolventen zeigen.

Wir stellen vier vor.

Fortsetzung folgt, 140 Jahre HSLU D&K, u. a. mit Davix, Thomas Galler, Lina Müller, Luca Schenardi, Salon Liz, Jonas Burkhalter, Karin und Didi Fromherz, Andri Pol, Kunstplattform Akku, Emmenbrücke / Kunstmuseum Luzern

SA 2. September bis SO 15. Oktober, SA 21. Oktober bis SO 3. Dezember, SA 9. Dezember 2017 bis 7. Januar 2018 Vernissagen:

FR 1. September, 18 Uhr, Kunstmuseum Luzern, 19.30, Akku Kunstplattform FR 20. Oktober, 18 Uhr, Kunstmuseum Luzern, 19.30, Akku Kunstplattform FR 8. Dezember, 18 Uhr Akku Kunstplattform, 19.30 Uhr, Kunstmuseum Luzern

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K Ü N S T L E R P OR T R ÄT S

Thomas Galler: Stolen Sword 2016 Edition – Auflage 99

Spielkarte, Digitaldruck 5,9 x 9,1 cm

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K Ü N S T L E R P OR T R ÄT S

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er innere Drang nach Kunstproduktion hat schon immer in Thomas Galler (*1970) ge- schlummert. Im aargauischen Baden geboren und aufgewachsen, hat er sich im Teenageralter für den gestalterischen Vorkurs an der Luzerner Kunsti entschieden. Einerseits weil die Schule mit ihren libe- ralen Lehrern und gut ausgerüsteten Werkstätten einen besonderen Ruf genoss, andererseits gegenüber den Kunstschulen in Zürich oder Basel nicht ein lähmendes, vom Bauhaus geprägtes Schulsystem besass. So zog er im Jahr 1994 nach Luzern, just an dem Tag, als die erste Luzerner Kunsthalle im Bruchquartier ihre Abschluss- party schmiss. Wohnhaft war er – wie nach wie vor viele Kunsti-Studenten – in der Tribschen- und später in der Bernstrasse und arbeitete künstlerisch überwiegend in den grosszügigen Räumen der Sentimatt. Schnell lernte er die aufkeimende Luzerner Künstlergilde kennen und wurde 1997 an die von Dog˘an Firuzbay kuratierte Ausstellung «Szene Luzern» in der Berner Reithalle eingeladen, was für ihn den ersten Ankerpunkt in der hiesigen Kunstszene bedeutete.

Quasi direkt nach der Diplomfeier reiste Thomas Galler für sechs Monate Atelieraufenthalt in die «Cité intérnational des Arts» nach Paris. Seine rege Ausstel- lungstätigkeit nach dem Studium hat ihm die notwendige Erfahrung und Neugierde vermittelt, die ihn bisher auch nach New York und Kairo geführt haben. Dabei wurde er unmittelbar mit den Nachwirkungen von 9/11 und dem Aufkeimen des Arabischen Frühlings konfrontiert, was zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der lokalen Politik geführt hat. Seine Kunst definiert sich mehrheitlich über das Recherchieren und Sammeln von Abbildungen und Dokumenten über gesellschaftspoliti- sche Ereignisse, um damit neuartige narrative Konstel-

Auf Wiedersehen nach der Diplomfeier

Vor fast 20 Jahren hat Thomas Galler ein Studium der freien Kunst an der Kunsti abgeschlossen. Geblieben sind viele gute Erinnerungen und Verbindungen zu ehemaligen Weggefährten.

Von Michael Sutter

lationen zu erstellen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt des Internets nutzt Galler gefundenes Bild-, Ton- und Videomaterial für seine fotografischen, installativen und videotechnischen Arbeiten. In der Retrospektive «Fortsetzung folgt. 140 Jahre HSLU D&K» in der Kunstplattform Akku zeigt er neben Videoarbeiten eine Auswahl an Diapositiven mit Sonnenuntergängen, die von Soldaten im Irak- und Afghanistankrieg fotografiert wurden.

Warenhauskette als Sprungbrett

Ein progressiver Einschnitt in die künstlerische Laufbahn von Thomas Galler war der Gewinn des Manor Kunst- preises im Jahr 2009. Neben einem stattlichen Preisgeld und einem Werkankauf durch die Stiftung konnten eine Publikation sowie eine Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus realisiert werden, was das nationale wie auch internationale Renommee nachhaltig prägte.

Vollumfänglich von der Kunst kann Thomas Galler jedoch nicht leben, auch wenn er regelmässig Kunst- verkäufe und Werkbeiträge verbuchen darf. Parallel laufende Gelegenheitsjobs waren stets notwendig, um sich der freien künstlerischen Arbeit widmen zu können.

Heutzutage – Galler wohnt mit seiner Familie in der Stadt Zürich – beschränkt sich der Kontakt nach Luzern auf ein paar erhalten gebliebene Freundschaften, postalisch versendete Einladungskarten von Kunstinstitutionen und Gelegenheitsbesuche. Wäre er nach der Kunsti nicht direkt in den Atelieraufenthalt nach Paris gegangen – wer weiss, vielleicht wäre er in Luzern geblieben. Denn der Ort des Studiums hat in ihm einen positiven und bleibenden Eindruck hinterlassen und die Erinnerungen an eine lebhafte, homogene Luzerner Kunstszene sind weiterhin intakt.

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K Ü N S T L E R P OR T R ÄT S

K

arin und Didi Fromherz lernten sich an der Kunsti kennen. Als Didi das Studium in Angriff nahm, unterrichtete Karin bereits im Fachbe- reich Animation. Nach Didis Abschluss erwartete Karin das erste Kind und sie suchten nach einer Wohnung auf dem Land. So verschlug es Fromherzens ins Appenzell.

Gemeinsam stellen sie in Trogen Videos im Pixilations- verfahren her, einer aufwändigen, jedoch mit einfachen technischen Mitteln umsetzbaren Schnitt-Technik.

Fromherzens Arbeiten entstehen im Pingpong, wie sie es nennen. Am Anfang steht eine Idee. Während des Versuchs, diese dem Gegenüber zu kommunizieren, entstehen absurde Interpretationen, und so durchläuft die Idee etliche Modulationen, bis dann schlussendlich klar ist, was denn nun geschehen soll. Gedreht wird oft zu Hause im Studio, eine Freiheit, die Fromherzens sehr schätzen. Sobald eine Idee ausgearbeitet ist, kann der Dreh beginnen. Karin hat ein sicheres Einkommen von ihren Jobs in Luzern und Zürich und Didi macht zurzeit den MA in Art Education an der ZHdK. Zudem erhalten beide auch immer wieder Produktions- und Werkbeiträge verschiedener Stellen.

Videokunst lässt sich nicht gut verkaufen. Das Duo Fromherz zeigt seine Videos nur an ausgewählten Fes- tivals und in Museen. Ihre Arbeiten befänden sich zwischen Stuhl und Bank. Zwar seien es Trickfilme,

Anfang im Gelben Haus

Didi Fromherz, *1976, ist Hausmann, erzieht die zwei Kinder, Karin Fromherz, *1968, pendelt viermal die Woche von Trogen AR nach Luzern, wo sie Leiterin des Studien- gangs Kunst & Vermittlung ist. Als Kunst-Duo Fromherz machen die beiden Video- kunst im Pixilationsverfahren. Im Kunstmuseum zeigen sie ihre Arbeit «Happy Noon».

Von Christian Löffel

doch zeigen sie ihre Arbeiten im Kunst-Kontext. Für Trickfilm-Festivals wurden sie noch nie angefragt. Mo- mentan erfahren sie durch ihre Kinder, die mit Youtube und ähnlichen Medien aufwachsen, sehr regelmässig diese viralen Dimensionen der Video-Publikation. Dies rege sie zum Nachdenken über das Format und seine Möglichkeiten an (beide lachen).

Zwischen New Year und High Noon

Nicht nur Karin hat einen starken Bezug zu Luzern, auch Didi hat diesen, in Form eines Denkmals der Kunst und Kultur, zu dem er einst den Grundstein setzte. Er ging vor mehr als zehn Jahren kurz vor seinem Abschluss auf die Suche nach freiem Raum für die Diplomaus- stellung seiner Klasse und stiess auf das Gelbe Haus.

Hier hat die Geschichte dieses kreativen Hotspots ihren Anfang. Viele Jahre sind seither vergangen und seit 2014 gehört das Gelbe Haus nun der Stiftung Gelbes Haus.

Selbstverständlich wohnte Didi eine Zeit lang im Gelben Haus. Und so auch Didis Bruder Klaus Fromherz, der zusammen mit Martin Geel in Luzern das Grafikbüro Peng Peng führt.

Im Kunstmuseum zeigt das Duo Fromherz seine Arbeit «Happy Noon», eine bizarres Videostück mit viel Witz irgendwo zwischen Happy New Year und High Noon.

Fromherz:

Happy Noon!

2014

Film, Pixilation 6 Minuten

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rotz ihres Studiums in Bern hat Martina Lus- si ihr Atelier stets in Luzern behalten. Gleich nach dem Bachelorabschluss gründete sie mit einer Handvoll junger Kunstschaffender die Atelierge- meindschaft «Pöstli», die sich nach wie vor als Teil der Zwischennutzung des ehemaligen SBB-Güterschuppens hinter dem Hauptbahnhof Luzern befindet. Mit ihrer damaligen Arbeitspartnerin Martina Birrer teilte sie sich dort einen Atelierplatz.

Gemeinsam bewarben sich die beiden jungen Künst- lerinnen gleich nach dem Studium für diverse Atelier- stipendien in der Erwartung, zu diesem Zeitpunkt noch keines gesprochen zu bekommen, doch in der Absicht, ein erstes Mal den eigenen Namen zu platzieren. Anders als von Birrer und Lussi erwartet, wurde ihnen vom Kanton Zug ein Stipendium in Kairo zugesprochen.

Im Jahr 2013 begaben sie sich aus dem heimischen Atelier in die Fremde der ägyptischen Hauptstadt. In Kairo verbrachten die Künstlerinnen eine intensive, aufwüh- lende Zeit. Während ihres sechsmonatigen Aufenthalts befand sich Ägypten in einem politischen Umbruch, die zweite Revolution fand statt. Auch wenn sie sich nie direkt in einer gefährlichen Situation befanden, spürten sie die Anspannungen in der Gesellschaft. So war es ihnen zum Beispiel für kurze Zeit nicht möglich, ihr Wohnatelier

zu verlassen. Lussi beschreibt die damalige Situation rückblickend als sehr diffus und schwer erklärbar.

Auf die anfängliche Euphorie über den Aufenthalt folgte die Ernüchterung der Privilegien, die sie als Stipen- diatinnen in einem solch armen Land hatten. Besonders die präsente Armut führte bei den Künstlerinnen zu einer grossen Verunsicherung. Wie geht man damit um, in einem armen Land, in welchem Menschen auf der Strasse Taschentücher verkaufen um überhaupt etwas essen zu können, zu leben, Gelder zu erhalten, um sich voll und ganz der Kunst widmen zu können?

Zwischen Atelier und Teilzeitstelle

Nach dem Atelieraufenthalt in Kairo beendeten Mar- tina Birrer und Martina Lussi ihre Zusammenarbeit.

Bereits während des Aufenthalts wuchs bei Lussi, ins- piriert von der lokalen Musikszene, der Wunsch, sich wieder vertieft mit Klang auseinanderzusetzen, wie sie es bereits während ihres Studiums getan hatte. Vor Ort entstanden Aufnahmen der Stadt, deren Klänge Lussi bis heute faszinieren. Die damaligen Aufnahmen schlummerten lange Zeit in ihrem Archiv, bis sie vor Kurzem in das Stück «Anti» eingeflochten wurden, welches sie im Kunsthaus Langenthal während eines Performanceabends präsentiert hat.

Auch wenn Martina Lussi das ganze Jahr über an Projekten und Ausstellungen arbeitet, kann sie nicht von ihrer Kunst leben. Ein Umstand, den sie mit vielen ihrer Berufskolleginnen und -kollegen teilt. Ein grosses Problem sei nach wie vor, dass bei Ausstellungen oder anderen Projekten zwar das Material bezahlt werde, es aber für sie noch immer unmöglich sei, sich ihre eigene Arbeit auszubezahlen. Bereits seit ihrem Studium arbeitet sie daher Teilzeit in der Kunst- und Designbibliothek der Hochschule Luzern. Durch diese Anstellung ist sie noch immer eng verbunden mit der Kunsti. Besonders seit sich ihr Atelier sowie die Kunsti auf dem Viscosi-Areal in Emmenbrücke befinden, erlaubt ihr diese Anstellung viel Flexibilität im Wechsel zwischen Ateliertätigkeit und Teilzeitstelle.

Mitte November erscheint auf dem Luzerner Label Hallow Ground eine Vinyl-Platte von Martina Lussi mit dem Titel «Selected Ambient».

Im Rahmen der Ausstellungsreihe «Fortsetzung folgt, 140 Jahre HSLU D&K» stellt Martina Lussi im Dezember in der Kunstplattform Akku in Emmenbrücke aus.

Luzern ist Dreh- und Angelpunkt für Martina Lussi. 1987 da geboren, aufgewachsen und später mit der künstlerischen Ausbildung begonnen. Den Master of Contemporary Arts Practice machte sie an der Hochschule der Künste in Bern.

Von Shannon Zwicker

Zwischen Klangforschung, Kairo und Nebenjob

K Ü N S T L E R P OR T R ÄT S

Martina Lussi, I AM A CHAIR, 2016

Installation, Stuhl, Piezolautsprecher, Kabel, Mischpult, iPod, Soundfile 03'41", Handlungsanweisung

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K Ü N S T L E R P OR T R ÄT S

Archäologe,

Literat, Künstler

Filib Schürmann, *1976, lebt und arbeitet in Zürich. Nach dem Studiengang «Il- lustration» an der Kunsti Luzern (2000–

2004) zeichnete Schürmann befreit und wie vergiftet weiter. Später kam er durch Bekannte mit der Zürcher Galerie Rot- wand in Kontakt und konnte seine Wer- ke regelmässig ausstellen und verkaufen.

Von Christian Löffel

D

ie wichtigste Nahrung für Schürmann ist die Literatur. Beckett, Sartre, Walser et cetera. Es sei ihm nicht wichtig, alles an den oft komplexen Texten zu verstehen. Es reiche ihm ein Satz, eine Aussage, um den Durst nach Inspiration zu stillen.

Schürmanns Bilder sind komplexe, mehrschichtige Karten. Das Auge des Betrachters bewegt sich über die Bildfläche und bleibt hängen, am Glanz eines Tusche- strichs, an der Konsistenz eines Farbklecks oder an der Absurdität einer Wortkette. Dort wird gerastet, solange die Spannung hält, dann navigiert man weiter über die Oberfläche, die kein wirkliches Unten und Oben, kein Vorne und Hinten kennt.

Im Frühjahr 2017 musste Schürmanns Galerie Rot- wand den Betrieb einstellen. In seiner Agenda stehen noch wenige Ausstellungen, wie es danach weitergeht, wird sich zeigen. Sein Kunstschaffen sei aber keineswegs gefährdet.

Liebevolles Erinnern

Sein Geld verdient Schürmann mit dem Verkauf seiner Kunst, mit Werkbeiträgen (Kt. ZH 2015) und mit archä- ologischen Ausgrabungen. Schon zu seiner Luzerner Zeit verrichtete er archäologische Arbeiten für den Kanton.

Auch als er in Basel lebte, setzte er diese Arbeit fort.

2013 zog er nach Zürich, wo er lebt, schafft – Brotjob:

Archäologie.

An seine Zeit in Luzern erinnert er sich gerne. Be- sonders das erste Studienjahr in Illustration war für ihn ein grosses Experimentierfeld. Das zweite und dritte Jahr empfand er dann eher einengend. Die Vorstellungen seines Schulumfelds über illustratorisches Arbeiten und dessen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten teilte er nicht. An viele Profs aus seiner Studienzeit erinnert

sich Schürmann aber sehr gerne und spricht liebevoll über Maria Arnold, Hjordis Dreschl und Dora Wespi.

«D Dora hät ami Chueche bache wienes Häxli, es guets Häxli … Oder de Dubacher, de hani super gfunde … Und de Werner Haas ... de isch mer so guet gsinnt gsi. Au wänn er villicht gar nöd hetti dörfe, hätt de mich alles la mache.» Schürmann spricht nicht von Koryphäen, denen er nacheifern wollte. Viel eher packten ihn die Menschen, die ein angenehmes Umfeld ermöglichten, bei denen es nicht wichtig war, was sie künstlerisch machten oder ob sie damit Erfolg hatten. «Die händ mich wienes Bibeli id Hand gno: ‹So, dä muess jetzt da ane sitze und dänn gads ihm guet›.»

Im Rahmen von «Fortsetzung folgt» zeigt Schür- mann im Pilatussaal des Kunstmuseums eine Auswahl aktueller Arbeiten.

Filib Schürmann: Die ewige Utopie, Zeit heilt Wunden ... 2016 Aus: Lebensweg als Testlauf, 140 x 100 cm

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T H E AT E R S Z E N E LU Z E R N

Theater Hat Platz?

Schau, dort, gleich neben der Palme mit der Wasserquelle. Ganz viele Erdmännchen. Sie sind für die Palme gut. Sorgen für ein ausgeglichenes Untergrundklima. Und die Palme ist gut für sie.

Sie sorgt für reine Luft. Aber … aber was will denn dieser grosse, parteilose Mann im Anzug? Wieso … oh, nein, er verscheucht all die kleinen Erdmännchen. Und schneidet der grossen Palme ein paar krumm gewachsene Blätter ab. Wieso macht der das?

Klingt wie ein «Guetnachtgschechtli». Passiert gerade im Kanton Luzern. Und hat ebenfalls Gute-Nacht-Charakter. Letztes Jahr musste das Luzerner Theater um 1,2 Millionen Franken kürzer treten. Der Palme werden die Blätter gewetzt. Dies tangierte auch Zusammenar- beiten mit der freien Szene. Dieses Jahr müssen diejenigen bluten, die nichtinstitutionell und ohne Anspruch auf Steuergelder produzieren:

Es werden 800 000 Franken Produktions- und Projektbeiträge aus dem Lotteriefonds (siehe auch Seite 34) für das freie Kulturschaffen gekürzt. Die armen Erdmännchen. Im nächsten Jahr nochmals 800 000 Franken. Wenn der Kantonsrat in der Septembersession einer Lockerung der Schuldenbremse nicht zustimmt, sogar eine Million. Es drohen Abwanderung, Lebensnot, Ödnis.

Das Luzerner Theater, die freie Szene und weitere Partner führten ab 2012 Gespräche über einen neuen Theaterplatz. Es war von einer

«Theaterstadt Luzern» die Rede. Von abenteuerlichen Synergien. Von verschiebbaren, kalten und leeren Räumen. Heute ist klar: Es waren Lippenbekenntnisse. Schlimmer: politische Lügen. Anders kann man sich die kantonalen Kürzungsentscheidungen nicht erklären.

Annette Windlin, Vorstandsmitglied von Act Zentralschweiz (Berufsverband der freien Theaterschaffenden), war in den Ge- sprächen um einen neuen Theaterplatz (NTI) von Anfang bis Ende dabei. «Es ist eine Katastrophe. Die geführten Gespräche sind jetzt obsolet und das Versprechen, die freie Theaterszene als gleichwer- tigen Partner zu behandeln, ist gebrochen. Die freie Szene ist als Feigenblatt benutzt worden.»

Von Skorpionen

Fangen wir von hinten an. Christoph Fellmann schrieb 2001 in unserem Magazin über das freie Theaterschaffen: «Ein Trip durch eine ärmliche Gegend». Von «Schattendasein» ist die Rede und davon, dass sich «die freie Szene in Luzern nie etablieren» konnte.

Und doch: Es ist eine Szene und sie kann an einer Handvoll Leuten festgemacht werden. «Es sind immer die gleichen Leute, die in der gleichen Pfanne auf kleiner Flamme köcheln», resümierte damals die Regisseurin Corinne Jäggi. Susanne Vonarburg, Dieter Ockenfels, Reto Ambauen oder Livio Andreina heissen sie. Es sind Skorpione. Sie brauchen einen extrem dicken Panzer, um in der Luzerner Theaterwüste zu überleben.

Eine professionelle Theaterproduktion der freien Szene kostete damals durchschnittlich 60 000 bis 100 000 Franken. Die Skorpione ersticken im öden Klima fast. Sie können auf keine vorhandenen Strukturen oder Mittel zurückgreifen, erhalten von Kanton und Stadt zusammen 10 000 bis 20 000 Franken. Sie kratzen sich immer aufs Neue das Nötigste zusammen, leisten Ehrenamt, machen Brotjobs wie Moderationen oder Schultheater. Es gibt Skorpionarten, die jahrelang ohne Nahrung überleben können.

Man spricht über Kürzungen, es beginnt zu regnen. In Strömen.

Der Chef de Service der Beiz an der Bruchstrasse fährt aufmerksam

Das Spielplanmotto des Luzerner Theaters 17/18 lautet: «Theaterplatz». Höchste Zeit, sich umzusehen. Was ist in zwanzig Jahren auf dem Theaterplatz Luzern passiert? Freie Szene und Luzerner Theater über Wut, Engagement und Hoffnung.

Von Heinrich Weingartner

die Sonnenstoren aus. Reto Ambauen schaut erholt und zufrieden aus. Eines der Ur-Skorpione der Luzerner Theaterszene, gerade zurück aus dem Urlaub.

Ambauen ist an der Schauspielschule Zürich ausgebildeter The- aterprofi. Er hat als Regisseur über 75 Inszenierungen hinter sich.

Regiearbeiten beim Luzerner Theater, im Laien- und Volkstheater, und er hat mit dem «Theater Nawal» eine kleine, hervorragend und zeitgenössisch arbeitende Gruppe erfahrener Amateurspielerinnen und Amateurspieler. Ambauen übernimmt ab Januar 2018 den Theater Pavillon Luzern.

Der Urlaub wirkt nach, das Hirn rattert an. Dann, plötzlich, ist Ambauen wieder in Luzern: «Ich stehe staunend vor dem Regie- rungsgebäude. Es ist unfassbar. Das schlimmste Szenario, das man sich ausdenken kann, ist eingetroffen.»

Reto Ambauen ist alles andere als ein unreflektierter Kritiker oder Streithahn. Zuerst das Positive: «Kanton und Stadt haben

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T H E AT E R S Z E N E LU Z E R N

den Theaterkuchen hinaus an. Eltern, Verwandte. Menschen, die CVP oder FDP wählen. Vor dem «Drei Könige» in der Bruchstrasse hat es zu regnen aufgehört. Vorhang zu.

Von Erdmännchen

Vorhang auf: Ein typisches Luzerner Stadtcafé. Geschmacklose Ein- richtung, der Service ist nett (aber auch nur nett), «nei met Charte chamer ned zahle». Das Wetter luzerngrau, die Stimmung auch.

Ein Tisch leuchtet. Gläser stapeln sich, der Aschenbecher quillt, die Diskussion laut. Am Tisch: Elke Mulders, Damiàn Dlaboha, Béla Rothenbühler und Gilda Laneve. Fetter Vetter & Oma Hommage.

Das Powerhouse des Luzerner Theaternachwuchses.

In der Kanti hätte Theater nicht ferner liegen können. «Das machen doch nur Mädchen!», beschreiben Dlaboha und Rothen- bühler ihre Sichtweise damals. Die Mädchen waren Grund, vor- beizuschauen. Blieben sie aber nicht. Theater selber wurde zur Leidenschaft, zum Lebensinhalt. Wieso machen sie jetzt Theater?

«Für’s Ego!», «Applaus ist schon recht geil!» – sie spassen. Dlaboha und Co. sind eine Speerspitze des gegenwärtigen Abbau-Protests.

Theater ist ihr Ernst.

Dlaboha studierte in Zürich Regie. Irgendwann hiess es, Zürich oder zurück nach Luzern. In Luzern kann man ausprobieren.

Also Luzern. Der Schock für Dlaboha: Kollege Rothenbühler will Kantilehrer werden. Sie streiten sich eine ganze Nacht, saufen eine Schnapsbar leer und reden über Theater und die Welt. Es ist ergiebi- ger Träschtalk: Rothenbühler will nicht mehr Kantilehrer werden.

Nun machen sie ambitionierte Eigenproduktionen wie «Die Traumfabrik» im Theater Pavillon oder «Lethal Ballet» am Luzerner Theater. Und drehen nebenher Musikvideos für Luzerner Bands wie Maze, Kapnorth oder Hanreti.

Die Luzerner Theaterszene ist längst nicht mehr das, was sie ein- mal war. Sie ist nicht mehr eine öde Wüste mit ein paar Skorpionen und einer mehr oder weniger grossen Palme. Die Gründung von Act Zentralschweiz ermöglichte Organisation und Lobbying: Die

«Zell:stoff»-Reihe, das schon 2001 existierende und sich mittler- weile professionalisierte Theater Aeternam, die Theaterproduzentin Annette Windlin mit ihrem Verein «Big Bang», das Theater Ultra, Daniel Korber und seine «Hollywood Classics», Nina Halpern mit kosovoalbanischem actNow-Austauschprogramm, die unermüdliche Annette von Goumöens mit ihrem «Tidenhub»-Produktionsbüro, Ursula Hildebrand. Auch bei der Theatergesellschaft Willisau, in Ruswil, Malters und Sursee spielt man mittlerweile Out-of-the-Box- Stücke, die mit professionellen Theaterschaffenden erarbeitet wurden.

Es sind Erdmännchen. Neugierig und frech, aber ziemlich sympathisch. Die Lieblinge vieler Zoobesucher. Einsamkeit mögen die niedlichen Wüstentiere nicht, sie leben in grossen Gruppen und halten tapfer zusammen. Die freie Theaterszene in Luzern ist durchmischter, vielfältiger und grösser, als sie es je war. Wenn Einsamkeit droht, ziehen Erdmännchen zu anderen Gruppen. Nach Zürich, Basel oder Bern.

Dies überlegt sich Patric Gehrig, heutiger Co-Präsident von Act Zentralschweiz, gerade ernsthaft. Seine Arbeiten, die er mit der Gruppe «Zell:stoff» produziert, sind Theater auf sehr hohem Niveau: brandaktuell, gedankentief und doch unterhaltsam. Das diesjährige Stück wurde für die selektive Produktionsförderung mit der Spitzenförderung, den Produktions- und Projektbeiträgen

und dem Förderhaus ‹Südpol› gute Strukturen aufgebaut.» Um dann nachzudoppeln: «Aber wozu hat man ein Förderhaus, wenn der Kanton nicht mehr fördert? Müssen wir jetzt alles wieder neu denken?» Überhaupt regt ihn auf, dass immer über Geld geredet wird. «Es braucht ein humanistisches Bewusstsein! Das, was wir hier machen, ist unser Leben und darf uns nicht weggenommen werden.»

Dass jetzt der schlechtmöglichste Zeitpunkt für Abbaumassnah- men ist, ist keine Fata Morgana. Der Nachwuchs, der 2001 fehlte, ist da. Ambauen: «Dieser neue Theatergroove von Damiàn Dlaboha und dem Fetter-Vetter-Kollektiv ist fantastisch! Diese Spinnerbande leuchtet das Stück in der Nacht um halb zwei vor der Premiere ein und ich frage sie, ob sie noch richtig ticken … Dabei haben wir das früher genauso gemacht!» Der neue, alte Theatergroove. Die Stücke der jungen Fetter Vetter & Oma Hommage ziehen Menschen über

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T H E AT E R S Z E N E LU Z E R N

ausgewählt und damit von der kantonalen Kulturförderung mit 40 000 Franken ausgezeichnet. Das nächste «Zell:stoff»-Stück ist auf Eis gelegt. Und Patric Gehrig bricht mindestens 25% seines Jahresbudgets weg. Doch nicht nur ihm.

«Wir furzen ja nicht in eine Blackbox und 15 finden es lus- tig. Wenn ich ein Theaterstück mache, dann steckt dahinter ein Bühnenbildner. Hinter dem Bühnenbildner ein Schreiner. Hinter dem Schreiner ein Holzlieferant. Es steckt eine Kostümbildnerin dahinter. Hinter der Kostümbildnerin eine Schneiderin. Hinter der Schneiderin ein Stofflieferant.» Das sehen viele Menschen nicht:

Theatergruppen sind KMU.

Patric Gehrig rät Theaterschaffenden, ihre Argumente auf wirt- schaftlichen Überlegungen aufzubauen. «Wenn ich mit jemandem über die jetzt angekündigten Sparmassnahmen rede, zeige ich ihm oder ihr zuerst, wie drastisch und existenziell einschneidend sie für die freie Szene sind.» Der budgetierte Monatslohn eines The- aterschaffenden beträgt 5000 Franken, was dem schweizerischen Lohnmittelwert entspricht. Oft können davon aber, aufgrund fehlender Fördergelder, nur 60 bis 80 Prozent ausbezahlt werden.

Fällt nun die Kulturförderung weg, fällt der budgetierte Lohn weg.

800 000 Franken sind in Bezug auf die Massnahmen des Kantons wenig Geld, aber es sind 40 Prozent der Gelder, die der professi- onellen freien Szene jährlich zur Verfügung stehen. Wenn also fast die Hälfte gestrichen wird, sind wir wieder bei Almosen. Wie 2001. Die Erdmännchen ziehen weg, die Skorpione bleiben. Aber irgendwann sterben auch Skorpione.

Von Palmen

Die Blätter sind in den letzten Jahren grösser und kräftiger gewor- den. Und sie wachsen hin zu den Tierchen am Boden. Bieten ihnen Schutz. Austausch. Zusammenarbeit.

Benedikt von Peters Einstand als Intendant des Luzerner Theaters beschreibt man am besten als eine Explosion. Alles ist explodiert:

Besucherzahlen, Zuschauerfreude und Medienbegeisterung. Kritische Stimmen rundeten sein Profil ab.

Noch etwas ist explodiert: die Beschäftigung. Alle geben 200 Prozent. Kanton und Stadt Luzern haben letztes Jahr die Subven- tionsverträge gekündigt. Im Rahmen der Abbaumassnahmen des Kantons müssen sie neu ausgehandelt werden. Dank städtischer Übergangsfinanzierung sind die Massnahmen nicht ganz so hart.

Trotzdem muss jeder Rappen zweimal umgedreht und an der richtigen Stelle investiert werden.

Angekündigter Ort des Interviews: Benedikt von Peters Büro.

Da der Termin aber gleichzeitig als Mittagspause genutzt werden muss, huschen wir aus der Pforte des Luzerner Theaters zur Brasserie um die Ecke. «Ist es okay, wenn ich mir ’ne Pizza bestelle?» Der Kölner verschlingt eine Pizza Hawaii, raucht ein paar Zigaretten und beantwortet nebenher die Fragen des Journalisten.

«Ich wollte, dass wir uns in die Theaterregion Luzern hineinbe- geben. Uns austauschen, vernetzen. Mit der lokalen Theaterkultur in Kontakt kommen.» Von Peter steht in regem Kontakt mit Act Zentralschweiz und Vertretern aus der Volkstheaterszene. Anders als zu Horst Statkus’ (1987–1999) oder Barbara Mundels (1999–2004) oder Dominique Menthas Zeiten findet eine Vernetzung statt.

Sie trägt Früchte («Friendly Take Over»), die auch faulen können

«Wir furzen ja nicht in eine Black Box und 15 finden es lustig.»

Patric Gehrig, Schauspieler

(25)

T H E AT E R S Z E N E LU Z E R N

MAKABER, SCHWARZ UND TANZ – PREMIEREN AM LUZERNER THEATER

«Und unbedingt auf Herbert Fritsch hinweisen!», begeistert sich Be- nedikt von Peter am Ende des Gesprächs. Es werde eine «Hochglanz- Commedia-dell’Arte» und er kenne keine Regieprotéges im europäi- schen Raum, die nicht wie Herbert Fritsch inszenieren möchten. «Le Grand Macabre» ist Eröffnungspremiere am 8. September. Das wird vermutlich eine Bombe. Dazu eröffnet am 15. September der «Tanz 25: Variationen des Seins» die Box mit einer Uraufführung. «Die schwarze Spinne» nach Jeremias Gotthelf (Premiere: 29. September) macht den Auftakt im Schauspiel. Regisseurin Barbara-David Brüesch verarbeitet den Klassiker zu einem «Grusical». Am 6. Oktober dann werden Erwin-Koch-Reportagen von der vielversprechenden Ivna Žic in einer theatralen Klangkomposition arrangiert («Die schwar- ze Null»). Weshalb gerade Erwin Koch? Von Peter: «Koch kriecht journalistisch-dokumentarisch in Biografien und macht ungehörte Stimmen hörbar. Ein brandaktuelles Thema.» (hei)

Le Grand Macabre, FR 8. September bis FR 20. Oktober Die schwarze Spinne, FR 29. September (öffentliche Probe am DI 12. September) bis MI 27. Dezember

Tanz 25: Variationen des Seins, FR 15. September bis DO 19. Oktober

Die schwarze Null, FR 6. Oktober (öffentliche Probe am MO 25. September) bis MI 6. Dezember

KEIN WHATSAPP, KEIN THEATER – PREMIERE IM SÜDPOL

«Wichtiger Hinweis: Um an der Performance teilzunehmen, ist es eine absolute Bedingung, auf seinem privaten Mobiltelefon mit WhatsApp kommunizieren zu können.» «Free Me!» ist der neueste Wurf von Fetter Vetter & Oma Hommage. Es ist eine Abrechnung mit der Kommunikationsrevolution unserer Zeit. Internet und Social Media haben uns vernetzt und in die Lage versetzt, 24 Stunden am Tag mit fast allen Menschen der Welt in Kontakt zu treten. Dieser Aspekt wird in der Performance «Free Me!» aufgegriffen und hin- terfragt. Sind wir wirklich so frei, wie wir meinen? Die beste Gele- genheit, endlich eine Vorstellung des Luzerner Theaternachwuchses zu besuchen. Auch für Leute, die noch nie im Theater waren. Es wird fetzen. (hei)

Free Me!, SA 23., MI 27., DO 28. und SA 30 September, jeweils 19 und 21 Uhr, SO 24. September, 14 und 16 Uhr

(Plätze beschränkt, Vorverkauf auf starticket.ch benutzen)

BUCHSTABENSPIEL – PREMIERE IN DER LOGE

Der Ausgangspunkt für Livio Andreinas und Philipp Fankhausers Zwei-Mann-Stück war «Chaschperli». Genauer, folgende Urfrage:

«Send ehr alli do?» Livio Andreina hat die darin vorkommenden zehn Buchstaben genommen und nur mit ihnen ein Theaterstück geschrieben. Und Philipp Leon Fankhauser hat für das Stück eine fünfteilige Komposition gemacht. Ableitungen, Zitate, Wiederho- lungen, Variationen der fünf Grundthemen bilden das musikalische Vokabular. Entstanden ist ein eigenwilliges Musik-Theater und eine Ode an den Unsinn. Gisela Widmer: «Verspielt gespielt. Fürs Aug’

und fürs Ohr. Und am Schluss die Erkenntnis: Auch zehn Buchsta- ben können glücklich machen.» (hei)

Hilnars Ode, MO 11. September, MI 18. Oktober, MO 13. November und MO 11. Dezember, jeweils 20 Uhr (abgesagte Produktion «Immer weiter, dann wird’s heiter» von

Ohne-Rolf-Regisseur Dominique Müller).

Benedikt von Peter sitzt bei Gesprächen mit der IG Kultur Luzern, mit Act Zentralschweiz. Reto Ambauen bezeichnet ihn als eine

«rüüdige Rakete» und die freie Theaterszene schätzt Benedikt von Peters Willen, die freie Szene so weit wie möglich einzubeziehen.

«Theater muss sozial-vergemeinschaftend sein. Die Heterogenität von Publikumsschichten soll schmelzen. Und das will ich mit unserem Raumtheater machen», so von Peter.

Sooo, husch, husch. Mehr Zeit bleibt nicht. Zurück auf die Palme.

Von Planungsberichten

«Planungsbericht des Regierungsrates an den Kantonsrat über die Kulturförderung im Kanton Luzern». Das klingt nach Fachwäsche.

Ist jedoch eines der wichtigsten Dokumente, die jede und jeder Kulturschaffende, wenn nicht unter dem Kopfkissen, so dann zumindest irgendwo unter dem To-Read-Stapel liegen haben muss.

Im Planungsbericht steht, was der Kanton in Bezug auf Kultur gut macht, was er weniger gut macht, was er vermehrt machen und was er vermehrt unterlassen will. Der Kantonsrat verabschiedete ihn 2014.

Erstens: Seite 46, Punkt 5.3: «Der Bereich des freien Kultur- schaffens und der kleinen und mittleren Kulturinstitutionen ist in den letzten 20 Jahren enorm gewachsen und hat an Vielfalt und Qualität gewonnen. In der Förderung hat in den letzten Jahren im Gegensatz zu den grossen Kulturinstitutionen jedoch keine syste- matische Weiterentwicklung stattgefunden. Entsprechend grösser ist hier der Handlungsbedarf zur Anpassung des Ausmasses und der Instrumente der Förderung.» Und zweitens: Seite 108, Anhang 5: «Gegenüber dem freien Kulturschaffen ist der Kanton Luzern mitverantwortlich für die Sicherung angemessener Rahmenbedin- gungen.» 1 + 1 zusammengezählt? Im Kanton Luzern = 0.

800 000 Franken klingen im Vergleich zu anderen geplanten Kürzungen, beispielsweise im Sozialwesen, nach einem Klacks. Für das freie Kulturschaffen sind diese Gelder existenziell. Gagen von Profimusikern sind davon genauso betroffen wie die Neugründung eines Verlags.

Kulturschaffende gingen am 11. August bei 11 Grad Celsius baden und schlotterten zum KKL. Michael Haefliger und das Lucerne Fes- tival unterstützten sie. Das Luzerner Theater steht hinter der freien Szene. Widerstand macht sich breit. Es will und will nicht in den Kopf, weshalb man derart vielen Kulturschaffenden, die finanziell bereits am Anschlag sind, schaden möchte. Anstatt die Unterneh- menssteuern zu heben, was keiner Person direkt Nachteile bringt.

Die Aktionen in den eigenen Reihen sind lanciert. Aber das reicht nicht. Es gibt Lehrerinnen, die seit Jahren CVP wählen und sich ins eigene Fleisch schneiden. Studenten, die unpolitisch sind und nach Fahne oder aus Faulheit gar nicht wählen. Auch sie trifft der Leistungsabbau der Regierung.

Eine subtile Möglichkeit, etwas dagegen zu tun, ist das «Kultur- Polit-Tandem» von Zentralschweizer Kulturverbänden. Dort kann man ein Gschpändli aussuchen, das am anderen politischen Ende sitzt. Es geht darum, sich gegenseitig den Alltag vorzustellen und wenn man möchte und sich sicher fühlt, auch politisch zu diskutieren.

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