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5 Mai 2 01 8 CHF 9.– www .null 41.ch

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Unabhängige Monatszeitschrift für die Zentralschweiz mit Kulturkalender N

O

5 Mai 2 01 8 CHF 9.– www .null 41.ch

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AB 26. APRIL IM KINO

«HYPNOTISIEREND»

Emma

(Il colorE nascosto dEllE cosE)

AB 26. APRIL IM KINO

EIn fIlm von

sIlvIo soldInI

(«PanE E tulIPanI»)

«Soldini bringt in seinem neuen Werk ein ernstes Thema mit viel Feingefühl und leiser Ironie auf die Leinwand.»

Giornale del popolo

valErIa

GolIno adrIano GIannInI

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Gestalterischer Vorkurs Jahresausstellung

2018 Mittwoch, 2. bis Samstag, 5. Mai 2018 Öffnungszeiten:

Mittwoch bis Freitag, 9 – 20 Uhr Samstag, 9 – 17 Uhr Hochschule Luzern

Design & Kunst Sentimatt 1/Dammstrasse 6003 Luzern www.hslu.ch/vorkurs

IG KULTUR IMPULS:

Wie führe ich

ein Crowdfunding erfolgreich durch?

Eintritt gratis

Dienstag, 29. Mai 2018

IG Kultur Luzern, Bruchstrasse 53, 6003 Luzern 18.30 bis 21 Uhr, anschliessend Apéro

Lerne die Erfolgsfaktoren kennen, mit denen du ein Crowdfun- ding-Projekt erfolgreich finanzierst. Mit Projektbeispielen und wissenschaftlichen Insights. In Zusammenarbeit mit 100-days.net gibt Mario Stübi, Vorstandsmitglied der IG Kultur Luzern, konkrete Beispiele anhand von realen Projekten der Vergangenheit und beantwortet Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehemer zu ihren eigenen Crowdfundingplänen.

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EDITORIAL

Das haben Sie nicht erwartet, oder? Wir schon: Für die Titelseite unserer Maiausgabe fragten wir den Luzerner Rapper LCone, ob er uns so richtig derb heruntermachen könnte. Weshalb wir das tun sollten? Wir sind nicht masochistisch veranlagt, wir entwickeln uns gerne weiter. Reibung erzeugt Profil. Deshalb machen wir an unseren Redaktionssitzungen jeweils eine Blattkritik. Im Gegenzug rezensieren wir LCones Debütalbum «Aaaschiss» auf Seite 29. Nett von uns, oder?

Kritik, Polemik, Aggression – das fehlt der Zentralschweizer Kulturszene. Und wenn mal was kommt, dann sind die Reaktionen entweder extrem empfindlich oder sie bleiben ganz aus. Soweit un- sere Thesen. Stimmt das überhaupt? Und falls ja, weshalb? Braucht es mehr Kritik? Im Roundtable von Nina Laky und mir ab Seite 10 beleuchten wir diese Fragen. Meinrad Buholzer, langjähriger Journalist und ehemaliger SDA-Zentralschweiz-Leiter, hat für uns Aphorismen zum Kritikerleben geschrieben. Der «Tages-Anzeiger»- Reporter Jean-Martin Büttner sagt uns in seinem Essay, weshalb es Kritik braucht. Und Tiziana Bonetti ging den meistverbreiteten Kritik-Klischees von fünf Luzerner Institutionen auf den Grund. Im Kulturtank plädiert Tobias Brücker für Polemik und Philipp Seiler für wohlbegründete Kritik. Zudem ziert eine Armada an «Guten Tag»-Satirekritikgefässen das gesamte Magazin.

Funktioniert das alles hinten und vorne nicht? Finden Sie dieses Magazin schlecht? Dann schicken Sie uns einen Brief, eine Mail, ein Fax, eine Brieftaube oder werfen Sie einen Ziegelstein durch unser Fenster. Künden Sie bitte nicht gleich das Abo. Wenn Sie alles loswerden, was Sie einen Seich finden, dann verkleinern Sie nur Ihre Filterblase. Aber hauen Sie uns in die Pfanne. Ob kritisch oder unkritisch – das macht uns alle stärker. Wir brauchen wieder Kritikkultur und Kulturkritik.

PS: «041» hemmer ned vo de 041-Crew klaut / LCone, du hesch der e paar Joints zvell baut

04 Seich

Heinrich Weingartner, Redaktionsleiter ad interim weingartner@kulturmagazin.ch

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AB SEITE 10

KULTUR, KRITIK, KLISCHEE

Ist die Zentralschweiz zu sensibel?

PROGRAMME DER KULTURHÄUSER 46 HSLU Musik / LSO / Luzerner Theater 48 Kleintheater

50 Stattkino 52 Neubad / Südpol 54 Kulturlandschaft

60 Haus für Kunst Uri / Kunstmuseum Luzern

62 Historisches Museum / Natur Museum / Kunsthaus Zug 64 Nidwaldner Museum / Museum Bellpark

KOLUMNEN

6 Doppelter Fokus: Mittelaltermarkt 8 Gefundenes Fressen: Viel Frucht im Glas 9 Lechts und Rinks: Abstimmung mit den Füssen

20 Kulturtank: Kultur und Aggression 41 40 Jahre IG Kultur: Buvetten polarisieren 70 Käptn Steffis Rätsel

71 041 – Das Freundebuch: Lisa Bachmann SERVICE

29 Musik. LCone am Chotze 30 Kunst. Generationendialog

35 Kino. Tierischer Thriller 37 Wort. Mundart oder Hochdeutsch?

39 Bühne. Theater mit den VBL 68 Kultursplitter. Tipps aus der ganzen Schweiz

69 Ausschreibungen, Preise KULTURKALENDER 43 Kinderkulturkalender 45 Veranstaltungen 61 Ausstellungen

Titelbild: Livio Carlin (LCone)

INHALT

SEITE 22

RETTER DER GITARRE

Tom Lüthi und das Musikhaus Luzern

Bild: M. Henzmann

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SC HÖN G E SAGT

G U T E N TAG AU F G E L I S T E T

«Was passt, das passt. Und was nicht passt, das passt auch.»

GIANNI WALTHER, PORTRÄT VON MADAME GMÜR, SEITE 25

Wie man mit Kritik umgeht – ein Ratgeber:

1. Tief ein- und ausatmen 2. Laut schreien

3. Unser Magazin nicht mehr lesen

4. Eine Crowdfunding-Kampagne starten – wieso auch immer … 5. In einer Kulturbeiz in Selbstmitleid versinken

6. Katzenvideos schauen

7. Einen empörten Facebook-Post schreiben 8. Blame it on the Kantonsregierung 9. Blame it on the Alkohol

10. Nach Berlin ziehen

11. Berlin zu weit weg? Nach Zürich ziehen 12. Yoga machen

13. Yoda fragen 14. Yoghurt essen

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KULTUR KRITIK FÜR ALLE

Für Kulturfans: www.null41.ch

GUTEN TAG, GUTEN TAG

Ehre, wem Ehre gebührt: Wir mögen Dich so sehr, dass wir Dich für die vorliegende Kritik- Ausgabe multiplizieren. Über das ganze Magazin verstreut. Du bist ein echt cooles Gefäss, steckst alles weg und erscheinst auch dann noch auf Seite 5, wenn deinetwegen tosende Shitstorms (so shitty, wie sie in Luzern halt werden ...) ausbrechen. Du hast immer ein offenes Ohr, bist der Boxsack der Redaktion und nicht zuletzt deinetwegen gehören die Schreiberinnen und Schreiber des Kulturmagazins zu den emotional balanciertesten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen der ganzen Leuchtenstadt.

Dich herzlich grüssend, 041 – Das Kulturmagazin

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D O P P E LT E R F O K U S

Die beiden Luzerner Fotografen Patrick Blank und Mischa Christen zeigen zwei Blicke auf einen Zentralschweizer Anlass, den «041 – Das Kulturmagazin» nicht besuchen würde.

Mittelaltermarkt zu Luzern auf dem Obergütsch, 7. und 8. April 2018 Bild oben Patrick Blank, rechte Seite Mischa Christen

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Viel Frucht im Glas

G E F U N D E N E S F R E S S E N

In den Neunzigerjahren wurde die Strecke zwischen Hellbühl und Ruswil von manchen etwas abschätzig «Bettlermeile» genannt.

Nirgendwo anders gab es so viele Bauern, die am Strassenrand ihre Produkte feilbo- ten, was zu dieser Zeit etwas argwöhnisch beobachtet wurde. Das hat sich geändert:

Laut dem Schweizer Bauernverband ver- kaufen inzwischen weit mehr als 11 000 Bauern zumindest einen Teil ihrer Erzeug- nisse direkt ab Hof. Nicht nur der Zerfall des Milchpreises hat den Bauern aufgezeigt, dass sie sich ihr Einkommen mit innovativen Konzepten und durch Direktvermarktung sichern müssen. Pionierin in dieser Sache ist die Familie Rüttimann vom Enikerhof in Cham. Sie setzt bereits seit über 20 Jahren auf den direkten Absatz. Daniel Rüttimanns Leidenschaft sind seine über 80 verschie- denen Hochstammbäume und unzählige

Pro-Specie-Rara-Gemüsesorten. So kann man im grossartigen Hofladen des Enikerhofs nebst viel Obst und Gemüse, verschiedenen Broten, Zopf, Kuchen und frischem sowie getrocknetem Fleisch (der Wahnsinn ist die

«Chriesi Meitschibei», eine gebogene, mit Kirschen verfeinerte Trockenwurst) auch Milchprodukte, Sirupe, Spirituosen und viel Eingemachtes kaufen. Ein richtiger Laden halt, ganz trümmlig wird es einem ob all der Auswahl. In meiner Lieblingsecke stehen die von Mutter Marie-Theres fabrizierten Fruchtaufstriche. Konfi darf sie diese nicht nennen, dafür müssten ihre Produkte einen Zuckeranteil von mindestens 50 Prozent ha- ben. Sie aber will mit dem Geschmack der Früchte imponieren und nicht mit der Süsse und das bedeutet, dass sie laut Bundesamt für Gesundheit ihre Konfis als Fruchtaufstrich verkaufen muss ... Sie schmecken unglaub-

lich gut, gerade wegen des hohen Frucht- anteils. Aktuell sind auf dem Enikerhof 53 verschiedene Sorten zu erstehen. Bis auf ein paar ganz wenige sind in den allermeisten Gläsern Produkte vom Hof eingekocht. Wer denkt, er hätte schon alles probiert, was es an Konfi – Entschuldigung – Fruchtaufstrich zu kaufen gibt, dem kann ich versichern: Nein.

Tomatenfruchtaufstrich? Eben. Grossartig.

Der frisch und neu in eindrücklicher Grösse wiedereröffnete Hofladen ist übrigens fast täglich geöffnet. Und wenn nicht, sind die Produkte aus einem riesigen Automaten zu beziehen.

Text und Bild: Sylvan Müller

Infos: www.enikerhof.ch

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stammen ohnehin aus anderen Töpfen. Die Leidtragenden sind die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne und das Publikum.

Es macht schlicht keinen Spass, in halbleeren Lokalen herumzustehen.

Aus Wettbewerbssicht ist dies auch gegen- über all den kreativen Gastronomiebetrieben nicht fair, die für ihre Räume normale Mieten bezahlen und es dennoch schaffen, attraktive Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.

In der Stadt Luzern herrscht Kulturüber- fluss und beim Publikum Überdruss. Somit braucht es keine zusätzlichen Kulturräume und Zwischennutzungen durch die öffent- liche Hand. Es gibt genügend bestehende Räumlichkeiten. Und es gibt die Gastronomen und Veranstalterinnen, die diese kreativ zu bespielen wissen.

L E C H T S U N D R I N K S

Marc Lustenberger ist Unternehmer und Publizist.

Illustration: Anja Wicki

Abstimmung mit den Füssen

Freitagabend im Neubad. Die Wartezeiten an der Bar sind lang. Doch das stört niemanden.

Hier trifft sich das urbane Hipsterpublikum.

Oben im Pool oder unten im Keller passiert auch noch Kultur, doch das scheint Neben- sache. Hauptsache, man ist dort, wo alle anderen sind. Das Kulturangebot in Luzern ist riesig. Neben den grossen Kulturinstitu- tionen wie Südpol, Schüür, Neubad, Sedel oder Treibhaus gibt es ein Dutzend private Veranstalter von der Bar 59 zur Jazzkantine, dem Klub Kegelbahn bis zum Madeleine sowie normale Gastrobetriebe, die Konzerte, Lesungen etc. anbieten.

Hat Luzern einen Kulturüberfluss? Ja, aber das sei positiv, ist sich die Kulturszene (wie allzu oft) einig. Aber ist das wirklich so? Nein, das ist es nicht. Dies zeigt ein Augenschein an den Rändern der Stadt. Im Südpol finden die Konzerte meist im kleinen Club statt. Für das Konzert der algerischen Band «Imarhan»

ist auch dieser zu gross. Am «Tuareg Rock»

der Band liegt es nicht. Die Konkurrenz ist halt gross in der kleinen Stadt und der Weg in den Südpol lang. Fast schon trostlos ist das Bild im Sedel. «Tera Melos» aus Sacramento, Kalifornien, versprechen experimentellen Indierock. Ihr Sound ist brachial und düster.

Doch gerade mal eine knappe Schulklasse, meist ergrauter Menschen, findet den Weg ins ehemalige Gefängnis. Lange ist es her, dass hier bei Konzerten der Schweiss von den Wänden tropfte und die tobende Menge Pogo tanzte. Dem jüngeren Publikum ist es schlicht zu anstrengend, mit dem Shuttle oder gar mit dem Velo in den Sedel zu fahren.

Das Angebot in der Stadt Luzern ist of- fenbar grösser als die Nachfrage. Aus Sicht des Kulturpublikums mag diese Auswahl erfreulich scheinen. Doch viele Veranstal- tungen finden vor gelichteten Reihen statt.

Dies dämpft den Ausgehspass doch arg. Das Publikum muss sich angesichts der fehlenden Stimmung fragen, ob es zu Hause vor der Glotze nicht gemütlicher wäre. Nun könnte man sagen, das Publikum hat immer recht.

Es stimmt mit den Füssen ab. Wenn ein Kul-

turhaus zu wenig Publikum hat, dann muss es schnellstens das Programm ändern. Oder es macht etwas Neuem Platz. Doch in Luzern verschwindet selten etwas. Im Gegenteil, die Stadt schafft alle paar Jahre ein neues subventioniertes Kulturhaus, welches die bestehenden Institutionen konkurrenziert.

Dadurch haben viele wenig bis zu wenig Publikum für einen schlauen Betrieb.

Ziel müsste eigentlich sein, dass sich diese Kulturhäuser so weit wie möglich über die Eintrittspreise und die Gastronomie finan- zieren. Doch davon ist man weit entfernt.

Konzerte und Theater sind oft nur durch massive finanzielle Unterstützung der öf- fentlichen Hand und privater Stiftungen möglich. Dies führt zu einer doppelten Ver- zerrung von Angebot und Nachfrage. Für die Kulturinstitutionen wie auch für die Pro- grammmacherinnen ist die Zahl der Besucher nicht existenziell wichtig. Die Einnahmen

In Luzern herrscht Kulturüberfluss und Überdruss. Leidtragende sind die Kulturschaffenden

und ihr Publikum.

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ROU N D TA BL E

Eine Diskussion zum Stand der Kulturkritik in der Zentralschweiz

«Alles wird einem als

Müesli serviert»

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In der Zone 5, dem Fanlokal des FC Luzern, sitzen an einem Dienstagmorgen Sabine Graf, Christoph Fellmann, Julia Stephan, Susanne Benedek und Max Wechsler am Tisch. Die fünf befinden sich auf quasi-neutralem Terrain.

«Neutralität gibt es nicht, nur in der Schweiz!», meint der Kunstkritiker Max Wechsler wäh- rend des Gesprächs einmal ironisierend.

Dem Begriff «Kritik» haftet vor allem im deut- schen Sprachgebrauch eine negative Konnota- tion an. Dabei kann Kritik ganz vieles: nerven, Spass machen, antreiben und, vor allem auch, loben. Unsere Beobachtung: Negative Kritik hat hyperempörte Rückmeldungen via Mail bis hin zu Abokündigungen zur Folge. Gleichzeitig, so unsere Meinung, fasst man sich in der Zentral- schweizer Kulturszene gegenseitig mit Samt- handschuhen an. Woher rührt diese Sensibilität und stimmt diese These überhaupt?

Hier am Tisch sitzen drei Generationen, die direkt oder indirekt mit Kulturkritik in ihrem Alltag zu tun haben oder hatten.

Wie steht es um die Kulturkritik in der Zentralschweiz heute?

Max Wechsler: Wenn man immer sen- sibler auf Kritik reagiert, hat das vielleicht damit zu tun, dass der Kulturbetrieb heu- te vermehrt zur Unterhaltung und zum Vergnügen tendiert. Alle beschwören das Erzählen von leicht konsumierbaren Ge- schichten.

Susanne Benedek: Ich glaube, diese Entwicklung in Richtung Übersensi- bilisierung findet statt und hat mit der grundsätzlichen Entwicklung der Medien- landschaft zu tun. Wenn es in einer Stadt quasi nur noch ein grosses Hauptmedium gibt, reagiert man extrem empfindlich auf dasjenige, was da steht. Und vermutlich wirkt sich dies auf die Kritiken selber aus.

Julia Stephan: Wie sich das verändert hat, ist für mich schwierig einzuschätzen, ich bin noch ein bisschen jünger. Aber ich merke, gerade wenn ich im Archiv ältere Kunstkritiken lese, dass sich der Tonfall der Kritiken verändert hat. Man mora- lisierte viel mehr und ist für bestimmte Werte eingestanden. Ich frage mich, ob ich auch mit so einer Haltung an einen Text herangehen könnte. Es wäre für mich nicht einfach.

Max Wechsler: Du müsstest halt zuerst eine Haltung haben!

Julia Stephan: Ja, die braucht es, unbe- dingt! Aber es ist anspruchsvoller gewor- den, eine Haltung zu finden. Das Feld der

Wie steht es um die Kulturkritik in der Zentralschweiz? Reagie- ren Betroffene heute auf negative Kritik sensibler als früher? Ist Kritik überhaupt noch erwünscht? Fünf Persönlichkeiten aus der Zentralschweiz, die in ihrem Arbeitsalltag mit Kritik zu tun haben oder hatten, diskutieren. Ort des Austauschs: Zone 5, Bundesplatz, Luzern. Dort, wo normalerweise Fussballfans kritisieren.

Von Nina Laky und Heinrich Weingartner, Bilder: Mo Henzmann

Susanne Benedek (*1967) ist gebürtige Hannoveranerin und Leiterin Marketing und Vertrieb am Luzerner Theater seit 2016.

Christoph Fellmann (*1970) ist Theaterschaf- fender und freier Autor. Er war von 2008 bis 2017 als Kulturredaktor beim «Tages-Anzeiger»

angestellt und langjähriger «041»-Redaktor.

Sabine Graf (*1969) lebt in Zürich und Stans.

Seit Ende 2014 ist sie die Intendantin des lit.z, des Literaturhauses Zentralschweiz in Stans (Nidwalden).

Julia Stephan (*1986) ist seit mehr als drei Jahren bei der «Luzerner Zeitung» für die Berei- che Theater, Kunst und regionale Literatur zuständig.

Max Wechsler (*1943) studierte Anglistik, Germanistik und Kunstgeschichte. Er lehrte an der Hochschule für Kunst und Gestaltung Luzern und schrieb Kunstkritiken unter anderem für «Vaterland», «Kunst-Bulletin», «Wolkenkrat- zer», «Artforum», «Parkett» und weitere.

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ROU N D TA BL E

Kultur ist im Vergleich zu früher nicht nur weniger eng eingezirkelt, sondern auch die Kunstproduktion per se hat insgesamt stark zugenommen. Kaum jemand behält da noch den Überblick. Kommt hinzu, dass vielen zeitgenössischen Arbeiten ei- ne deutliche Haltung fehlt. Das wiederum macht es für den Kritiker oder die Kriti- kerin herausfordernder, selber Haltung zu beziehen. Mit dem Denken in den Kate- gorien Gut und Schlecht, wie man es von Kritikern alter Schule kennt, wird man heutigen Kulturhervorbringungen, so bin ich überzeugt, nur noch bedingt gerecht.

Christoph Fellmann: Es stellt sich die Frage, was man mit Haltung überhaupt meint. Kritiken, in denen einem ein Welt- bild vermittelt wird, brauche ich als Leser nicht. Es braucht eine Haltung des Au- tors dazu, wie und warum er eine Kritik schreibt. Ich finde nicht unbedingt, dass sich das gross verändert hat. Es gibt Kri- tikerinnen und Kritiker, die sich trauen, etwas zu sagen, weil sie die Sachverhalte richtig einschätzen können, und andere, die recht beliebig schreiben. Aber dass mir nicht mit jedem Text ein bestimmtes Welt- bild mitgeliefert wird, das begrüsse ich.

Weltbilder oder Haltungen in Kritiken sind unserer Meinung nach in der Zentral- schweiz recht dünn gesät. Wie müsste denn idealerweise kritisiert werden?

Susanne Benedek: Toll wäre, wenn ein Diskurs stattfände, sodass Haltungen überhaupt mal in einen Austausch kom- men. Es braucht einen Blick von aussen, den wir nicht beeinflussen können.

Sabine Graf: Der Auftrag des lit.z (Lite- raturhaus der Zentralschweiz) ist, in allen sechs Kantonen präsent zu sein. «lit.z un- terwegs» ist das Label dafür. Wir wurden zum Teil dazu aufgefordert, unsere eige- nen Veranstaltungskritiken zu schreiben, weil niemand Zeit hatte, vorbeizukom- men. Meine Haltung dazu: Das ist nicht meine Arbeit und auch nicht meine Stra- tegie. Ich finde es nicht legitim, dass die Aufgabe des Kritikers an diejenigen dele- giert wird, die das Programm machen. So entsteht kein Diskurs.

Reden wir hier von einem Sonderfall?

Christoph Fellmann: Nein: Es gab in der Schweiz mit «theater.ch» den Versuch von freien Theaterschaffenden, eine Plattform zu schaffen, wo man Kritiken bestellen

konnte. Die Freischaffenden bekamen dann einen Auftrag, der von den Veran- staltern bezahlt wurde. Das war vollkom- men unglaubwürdig und ist relativ schnell gescheitert. Zu Recht.

Susanne Benedek: Die Mehrfachnut- zung ist genauso ermüdend, der Umstand, dass ein Beitrag von mehreren

Medien veröffentlicht wird, beflügelt den Diskurs natürlich nicht gerade.

Julia Stephan: Es fehlt auch insgesamt an Diversität. Es gibt nur noch selten zwei Perspektiven auf dasselbe Ereignis. Das ist mitunter das Problem der Zeitungsverbän- de, die sich immer mehr zu einem Block formieren, die «Luzerner Zeitung» ist da- von ja auch betroffen. Im Zuge der Digita- lisierung und der Inserate- und Aboein- brüche hat man sich vor allem damit be- schäftigt, was wie oft gelesen wird. Beim Feuilleton haben sie dann angefangen, wegzustreichen.

Christoph Fellmann: Vielleicht hängt das aber auch mit dem grundsätzlichen Stellenwert von Kunst und Kultur in der Gesellschaft zusammen. Ich habe mich auch schon gefragt, wie das passieren konnte, dass die Kunst aus der Öffentlich- keit und in eine Blase verbannt wurde.

Ich erinnere mich noch an Live-Über- tragungen aus dem Theater, am Sams- tagabend zur besten Sendezeit. So etwas ist unterdessen undenkbar. Wieso? Und Sport kommt laufend zur besten Sende- zeit. Politik sowieso, zu Recht. Aber das ist merkwürdig und ich kann es mir nicht ganz erklären. Was denkt ihr dazu?

Julia Stephan: Die Leute haben einfach unglaublich viel mehr Freizeitangebote. Es gibt so viele Nischen.

Max Wechsler: Stimmt: Was allein schon in Luzern so alles läuft – nicht nur am Wochenende. Da wird man fast wahnsin- nig, weil man keine Chance hat, das auch nur im Ansatz zu bewältigen. Einerseits führt das Interesse des Publikums, das sich in so viele Nischen verzettelt, zu einer Zerstreuung der öffentlichen Aufmerk- samkeit in Bezug auf Kunst und Kultur.

Andererseits passiert in diesem Schwurbel

«Heute interessiert vor allem die Berühmtheit des Künstlers und der Preis des Kunstwerks.»

Max Wechsler

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ROU N D TA BL E

auch eine gewisse Verblödung der Welt, die den von Christoph vermissten Stellen- wert von Kunst und Kultur total verwäs- sert.

Julia Stephan: Das mit der Verblödung glaube ich nicht …

Max Wechsler: Ja, ist vielleicht eine steile These. Was soll’s. Das Problem ist, dass heute alles kuratiert und moderiert wird, und damit auch nivelliert und auf ein bestimmtes Thema eingespurt. Kei- ne Aufführung ohne Einführung. Keine Kunstausstellung ohne Kunstvermitt- lung – für jedes Gemüt und jedes Alter. Da führt man zum Beispiel Kinder durch ei- ne Expressionismus-Ausstellung und lässt sie anschliessend im Atelier des Museums in der Art von Kirchner malen. Ich frage mich, was da für ein Kunstpublikum herangezogen wird. Aber versteht mich nicht falsch: Früher war es nicht besser, heute ist es einfach anders. Man muss neue Strategien finden und erfinden.

Zurück zur Kritik. Weshalb gibt es diesen Diskurs nicht, den Sie sich wünschen?

Christoph Fellmann: Vielleicht gibt es

zu wenig Leute, die sich daran beteiligen würden. Sind Kunst und Kultur wirklich noch die Foren, in denen sich die Gesell- schaft über sich selbst verständigt und austauscht?

Julia Stephan: Ich glaube, den Fachleu- ten fehlt die Zeit dafür. Kritiken sind zu einem Luxusgut geworden.

Würden die Kritiken denn überhaupt noch gelesen werden? Fehlen nicht auch die Le- serinnen und Leser?

Christoph Fellmann: Online gibt es beim «Tages-Anzeiger» wenig, das schlechter gelesen wird als eine Kritik über ein Theater oder eine Ausstellung.

Max Wechsler: Aber das ist kein Grund, sie nicht zu bringen oder nicht zu machen.

Susanne Benedek: Das Feuilleton hat sich im Vergleich zum Fussball in diese Richtung entwickelt, weil die Kulturbran- che keine grossen Werbebudgets hat. Der Rückbau des Feuilletons hat auch damit zu tun. Ich bezweifle stark, dass das Inte- resse am Fussball so gross wäre, wenn die Fussballthemen nicht auf allen Kanälen

so ausführlich und breit behandelt werden würden.

Christoph Fellmann: Fun Fact: Beim gedruckten «Tages-Anzeiger» wird der Kulturteil besser gelesen als der Sportteil.

Sport ist masslos überschätzt.

Susanne Benedek: Schwierig ist auch, dass man die Leserinnen und Leser nicht mehr nach Alter, sondern nach Interes- sen unterteilen muss. Und diese sind di- vers. Manchmal wird eine Kritik gelesen, manchmal über Facebook informiert und manchmal fragt man jemanden. Heute neue Leute zu erreichen, ist schwieriger.

Beim Kulturbürger wusste man früher immer, wo er sich informierte.

Wollen jüngere Generationen überhaupt noch Kritik oder sich grundsätzlich und fundiert mit Kunst und Kultur beschäf- tigen?

Christoph Fellmann: Ich glaube, dass es heute mindestens so viele Leute gibt wie früher, die sich mit Kunst und deren Kritik auseinandersetzen möchten. Auch durch all diese Studiengänge. Ich bin da nicht so pessimistisch, diese Leute erreicht man schon – aber auf welchen Wegen?

Die klassische Kritik scheint es kaum mehr zu sein.

Max Wechsler: Ja, aber das Niveau ist ein anderes. Heute interessiert vor allem die Berühmtheit des Künstlers und der Preis des Kunstwerks: Die Macht ist nicht mehr bei den Gebildeten, sondern bei den Besit- zenden. Das war in der Renaissance nicht viel anders. Nur hatte das Kunstwerk für die Fürsten im Normalfall auch einen ide- ellen Wert. Während heutige Sammler ihre «Kunstwerke» in hochgesicherten Zollfreilagern bunkern oder zur Selbstbe- weihräucherung in eigenen Museen in- szenieren.

Christoph Fellmann: Das hat aber mit Sensationslust zu tun, nicht so sehr mit den Kunstinteressierten …

Apropos Sensationslust: Auf null41.ch sind Verrisse die am meisten gelesenen Berichte.

Und trotzdem sind solche Texte eine Ra- rität.

«Kritiken sind zu einem Luxusgut geworden.»

Julia Stephan

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ROU N D TA BL E

Max Wechsler: Durch das vorherrschen- de Klima der Moderation wird der Kritik die Spitze genommen. Man kann sich gar nicht mehr erhitzen. Es wird einem alles als Eintopf serviert.

Sabine Graf: Du stehst für Polemik ein?

Max Wechsler: Nein, nicht zwingend, aber Kunst ist für mich immer eine direk- te Begegnung zwischen Betrachterin oder Leser und Kunstwerk. Darin steckt eine Konfrontation. Darum sollte man Kunst- werke nicht heruntermoderieren. Im Ideal- fall ist Kritik eine Auseinandersetzung auf der Höhe des behandelten Gegenstandes.

Sabine Graf: Wenn ich denke, wie zum Beispiel eine Autoritätsfigur wie Marcel Reich-Ranicki in der ganzen deutschen Feuilletonwelt eine Ära geprägt hat, über rund 20 Jahre hinweg, dann bin ich sehr froh, dass diese Spitze gebrochen wurde zugunsten einer Vielfalt an Kritiken.

Sabine Graf: Subjektivität gepaart mit Fachwissen finde ich extrem wichtig. Kri- tik ist ein Prozess, der sich argumentativ vollziehen muss. Es braucht erkennbare Kritikerhandschriften. Eigene Metaphern, Bilder, Schreibweisen.

Christoph Fellmann: Nicht unbedingt!

Kritik muss per se mal gar nichts. Es kann auch total unkonstruktiv und unsachlich sein, im Affekt geschrieben sogar. Das kann Spass machen. Dass einfach mal je- mand ausrastet, das darf passieren.

Susanne Benedek: Eine Kritikerin fand kürzlich einen Krimi auf RTL II total dumm gemacht. Sie hat aber die Schau- spielerinnen alle namentlich erwähnt und sie kritisch positiv oder negativ be- urteilt. Mit ihrer Familie habe sie sechs Anschlussfehler gefunden, die Leserinnen und Leser hat sie dann aufgefordert, noch mehr zu finden. Das fand ich durchdacht und musste dann zu mir sagen: «Jetzt Max Wechsler: Aber Reich-Ranicki ha-

ben nicht alle ernst genommen. Das Pro- blem ist auch, dass heute jede und jeder selber Künstler sein will. Die Leute wollen nicht mehr über Kunst oder über Literatur lesen, sie wollen selber kreativ sein und gestalten. So geht Expertise und Kenner- schaft verloren.

Dass das Expertentum schwindet, muss ja nicht nur negativ sein. Wenn Expertise fehlt, kann man auch ganz anders an ge- wisse Dinge herangehen.

Susanne Benedek: Wichtig ist grund- sätzlich, dass Kritik gut begründet Po- sition bezieht. Und die Autorin oder der Autor seine subjektive Sicht transparent macht. Da ist es egal, ob Aspekte oder die ganze Inszenierung verrissen werden.

Wenn das gut begründet ist und mit Re- spekt gemacht wird – nicht wie in den 1990er-Jahren mit diesem ironischen «Ich weiss sowieso alles besser», dann ist das toll.

«Das ist ein Missverständnis, dass man denkt, die Künstlerinnen und Künstler seien nur mit positiver Kritik zufrieden.»

Christoph Fellmann

«Es braucht erkennbare Kritiker- handschriften. Eigene Metaphern, Bilder, Schreibweisen.»

Sabine Graf

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ROU N D TA BL E

guck ich mir den krassen Verriss auf jeden Fall an! Damit ich mir selber ein Bild ma- chen kann.» Das fehlt mir oft, dieser Di- alog mit den Leserinnen und Lesern. Oft denken sich die Autoren wohl, sie schrei- ben für die Künstlerinnen und Künstler.

Sie sollten aber für die Leserinnen und Leser schreiben.

Einige Autorinnen und Autoren getrauen sich manchmal schlichtweg nicht, negativ- kritisch zu schreiben. Da in der Zentral- schweiz alles so eng ist, will man sich die Chancen auf eine eventuelle Alternativ- Karriere in einem Kulturhaus nicht ver- bauen.

Sabine Graf: Mut zum Statement!

Max Wechsler: Dann ist die Person nicht professionell.

Christoph Fellmann: Das ist ein Miss- verständnis, dass man denkt, die Künst- lerinnen und Künstler seien nur mit posi- tiver Kritik zufrieden. Das ist nicht wahr.

Natürlich mag man Lob, aber wenn man merkt, dass dieses Lob naiv ist, was soll man dann damit? Man weiss als Mache- rin oder Macher schon auch, wenn man gescheitert ist. Manchmal liest man Din- ge, die sehr interessant sind, auf die man nicht gekommen wäre, im Positiven wie im Negativen.

Motiviert negative Kritik die Kunstschaf- fenden? Braucht es sie für eine Weiterent- wicklung?

Christoph Fellmann: Das kann sein. Es ist aber nicht die Aufgabe der Kritik, die Künstler weiterzubringen. Die Kritik rich- tet sich an die Leserschaft. Es ist wichtig, dass Kultur in ein Echo kommt. Aus die- sem Grund habe ich auch schon Kritiken nicht geschrieben: Es kam mir absolut nichts in den Sinn, was ich hätte schrei- ben können. Es war nicht schlecht, aber, na ja …

Max Wechsler: Über etwas nicht zu schreiben, kann auch als ein Urteil über mangelnde Qualität eines Werks verstan- den werden.

Julia Stephan: Das ist eine grossartige Herangehensweise, aber sie führt intern

bei den Medien zu Spannungen. Es be- steht ja ein gewisser Planungsdruck. Ich ermutige andere Leute auch dazu, kritisch zu schreiben und habe auch schon ge- sagt, ich stelle mich vor dich, wenn’s hart auf hart kommt. Manchmal machen sie es dann und manchmal aber auch nicht.

Genau aus den Gründen, weil sie sich an gewissen Orten noch berufliche Chancen erhoffen. Irgendwann muss man sich aber auch entscheiden und Vertrauen haben.

Wenn jemand sieht, dass man kompetent ist, wird man trotzdem eingestellt.

Was würdet Sie sich denn von den Kritike- rinnen und Kritikern erhoffen?

Christoph Fellmann: Dass sie keine grossen Hemmungen haben. Es macht ei- nen sehr schnell besser, wenn man Quark schreibt. Alle, die schreiben, kennen das:

Es kommt ein Telefon und man muss sich rechtfertigen. Dann macht man es beim nächsten Mal besser.

Sabine Graf: Neugier und Weltoffenheit!

Julia Stephan: Wir sind alle in einer Bubble, im Aargau und in Zürich genau- so. Man beschäftigt sich extrem mit sich selbst. Es würde manchmal helfen, wieder mehr rauszugehen und anderes zu sehen.

In die Westschweiz, ins Tessin. Das regt den Diskurs hier an.

«Bashing ist langweilig.»

Susanne Benedek

Susanne Benedek: Man muss gut ar- gumentieren. Bashing ist langweilig. Es braucht grundsätzlich Respekt gegenüber den Machenden. Wenn man weiss, dass ein Buch zu schreiben anstrengend sein kann und sich vielleicht auch genau an- guckt, wie die Menschen auf der Bühne heissen und die dann auch richtig schreibt und erwähnt, das sind die Basics. Meine Erfahrung zeigt jedenfalls, dass bei gut be- gründeten und geschriebenen, negativen Kritiken nicht weniger Besucherinnen und Besucher kommen.

GUTEN TAG, LUZERNER TATORT Am 5. April erreichte uns die Hiobsbotschaft: Du ziehst weg und heisst ab 2020 wohl «ZüriTatort» –

#zürilove! Schade eigentlich. Wir werden Flückiger aka Gubser aka Clooney-Klon schon vermissen.

Wir haben uns längst daran gewöhnt, uns zwei- mal jährlich über die geografisch unmöglichen Routen deiner Polizeiautos und Segelschiffchen zu echauffieren. Und wir liebten es, jeweils um 21.40 Uhr von SRF auf ARD umzuschalten, da- mit wir die letzten paar Minütchen deiner Fol- gen noch in der wundervollen Synchronfassung bedauern konnten. Eine Frage hätten wir noch:

Wo wird DJ Bobo aka Flückigers Drogenvision in Zukunft die Windschutzscheiben von Prolo- Autos zertrümmern? Wir hoffen, am Sächsilüüte!

Wehmütig grüsst, 041 – Das Kulturmagazin

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Gedanken eines Kritikers

A P HOR I SM E N

Der Luzerner Journalist Meinrad Buholzer schrieb 1997 zu seinem 50. Geburtstag das

«Verrissmeinnicht», eine Aphorismensammlung über sein Leben als Musikkritiker.

Das Büchlein erschien nur für seine Freunde, in einer Auflage von 200 Exemplaren.

21 Jahre später stellt er für unsere Maiausgabe eine neue Auswahl zusammen.

Auf null41.ch/aphorismen finden Sie diese und weitere Aphorismen.

Alles Schreiben ist Plagiat. Ist Variation, Improvisati- on, Interpretation über ein gegebenes Thema.

Denkbar, dass in Zeiten eines an Hysterie grenzen- den, globalen Mitteilungsbedürfnisses und einer omnipräsenten Kommentierungswut – einer neuen Sintflut, diesmal in Worten – jeder mögliche Gedan- ke, jede Idee bereits einmal formuliert wurde.

Die Wörterflut im Netz. Demokratisierung? Oder Verflachung, Anpassung auf dem tiefsten gemeinsa- men Nenner? In den «guten alten Zeiten» sagte man dem Je-ka-mi. Das heisst, die Hürden werden nicht nur tiefer gestellt, sondern überhaupt gleich entsorgt.

Man muss sich das vorstellen: Eine Müllhalde von Worten, die mit hohem Anspruch in die mediale Um- laufbahn gejagt wurden und nun ihr Verfalldatum überschritten haben. Eine übermenschliche Aufgabe:

Darin verborgene Schätze zu heben.

Das Dilemma des Kritikers: Seine Aufgabe ist parasi- tär. Sie lebt von der Kunst anderer.

Das Dilemma des Künstlers, der provozieren, auf- wühlen, aufwecken will: Dass der Angesprochene, nun aufgeweckt, zurückschlägt und widerspricht.

Dann beklagt er sich, fühlt sich missverstanden oder diskreditiert. Dabei müsste er doch zufrieden sein, dass der Treffer sass.

Kritik als Kolonisierung der Kunst – ihre Unterwer- fung unter die Sprache.

Die Unzahl dürftiger Kritiken findet ihre Entspre-

chung in einer Unzahl dürftiger Konzerte. Schade,

dass sie so selten zueinander finden.

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Eine beliebte Kritiker-Phrase: X.Y. ist aus der Szene nicht wegzudenken! Hab’s trotzdem versucht. Geht prima. Es stellt sich sogar ein befreiendes Gefühl ein.

Man kommt wieder zu unbesetzten Räumen …

A P HOR I SM E N

Nachbemerkung:

Der Kulturbegriff ist unscharf geworden. Als ich ange- fangen habe mit dem, was man Kritik nennt, befand sich das herkömmliche Konzept des Feuilletons mit seiner klaren Trennung von E und U (Ernst und Unterhaltung) im Zustand der Erosion. Jazz und Rock und Pop, die zuvor noch unten durch mussten (und im besten Fall auf sogenannten Vermischten- oder Jugend-Seiten Unter- schlupf fanden), drängten auf die geweihten Seiten der Kulturressorts, nicht ohne Rückzugsgefechte der alten Garde, die die Zivilisation des Abendlandes gefährdet sah (offenbar ist die immer wieder, auch jetzt gerade, von irgendwas oder irgendwem bedroht). Es folgte eine Zeit schier grenzenloser Offenheit, die nicht gefeit war vor ihrer Schwester, der Anbiederung. Aber gute Zeiten für die Kritik. Um ein lokales Beispiel zu nennen: Die damals noch drei Luzerner Tageszeitungen publizierten jeweils zum Jazz Festival Willisau eigene Beilagen. Diese Zeiten sind vorbei. Zwar gilt heute alles als Kultur, sobald jemand behauptet, es sei. So wie die Pizza, auf deren Teig man auch alles hindrapieren kann, vom Mozzarella über die Kürbiskerne bis zur Ananas. Dennoch sind die Bedingungen für die Kritik desaströs. Nicht genug, dass sie von der verbalen Inkontinenz im Netz Konkurrenz erfährt, der Platz in den Medien wird zunehmend enger, der Gürtel immer enger geschnallt. Im Kampf um Zeilen oder Minuten heisst das: Zuspitzung. Man spitzt das zu Besprechende so lange zu, bis da nur noch ein Spitz ist, der die Aufmerksamkeitsresistenz der Konsumenten löchern soll – ob sich ein Zusammenhang mit dem Besprochenen erkennen lässt, ist dann sekundär.

Imperativ der Augenhöhe mit den Konsumenten der Medien: Man will die Aufmerksamkeit der grösst- möglichen Menge, gleichzeitig will man ihr nichts zu- muten. Wenn aber die Zumutung verabschiedet wird, macht sich Gleichgültigkeit breit. Wenn alles von gleicher Bedeutung ist, hat nichts mehr Bedeutung.

Die Kritik wird obsolet. Es bleibt ihr dann noch der Rückzug auf journalistisch verbrämte PR.

Kunst kann verschwinden, kann sich unserer Er- reichbarkeit entziehen, weil sie gefährlich ist und da- her verbannt wird. Oder weil sie einfach niemanden mehr interessiert, weil sie nicht genug Likes generiert.

In seinem letzten Buch, «Sehen, Hören, Lesen», befasste sich der französische Strukturalist Claude Lévi-Strauss mit Rameaus Oper «Castor et Pollux»

von 1737. Dabei wunderte er sich, wie dieses Werk in den Salons der Aufklärung zu engagierten Kontro- versen führte, und kam zum Schluss, dass die Hörer damals mehr von Musik verstanden als wir heute. Er meinte, dass die Kunst von einer kleinen Anzahl von Personen für ein kleines Publikum geschaffen wird, schreibt seine Biografin Emmanuelle Loyer. Diese kleine Anzahl sei Voraussetzung für eine wirkliche Kommunikation; andernfalls arte sie aus in passiven Konsum, so wie sich auch die Wahrnehmung ver- schlechtere. Ein elitärer Gedanke – aber ist er deswe- gen schon falsch?

Nochmals Claude Lévi-Strauss. Bei ihm findet sich ein Hinweis auf die «wilden Gesellschaften», denen er sich zeitlebens verbunden fühlte. Sie sollen nicht gezögert haben, die Künstler, die sie für unbegabt hielten, zu töten. Ist das nun die Geburt der Kunst- kritik? Oder ein noch unverbrauchtes, unangepasstes Bewusstsein von Kunst, mit dem Wissen, dass diese niemals unverbindlicher Zeitvertreib sein darf?

Meinrad Buholzer (*1947) ist in Meggen und Kriens aufgewachsen. Zuerst arbeite- te er als freier Journalist für die «Luzerner Neusten Nachrichten», ab 1973 für die Schweizerische Depeschenagentur (SDA).

Von 1975 bis 2012 leitete er die Regional- redaktion Zentralschweiz der SDA. Dane- ben schrieb er für verschiedene Medien über Musik.

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Klischee: «Das Neubad ist ein Vivarium für Schneckenservice.»

«Wahre Kritik und Rückmeldungen nehmen wir sehr ernst – wir bieten für Kritik ver- schiedene Formate und stets ein offenes Ohr.

Klischees werten wir jedoch nicht als Kritik: Klischees sind Gossip, Floskeln, Vorurteile, Gerüchte und festgefahrene Meinungen. Das Neubad-Team gibt sich grosse Mühe, die Organisation, den Service und die Dienstleistung, die Inf- rastruktur sowie den Betrieb konstant weiterzuentwickeln.

Und so haben sich der Betrieb und das Angebot in den vergangenen Jahren stark und positiv verändert – doch das Klischee bleibt und hält sich hartnäckig. Wir haben ausrei- chend diskutiert, analysiert und behandelt – und diesem Klischee schon genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Es soll in Frieden ruhen.» (Dominic Chenaux, Co-Geschäfts- führung Netzwerk Neubad)

Klischee: «D’Schüür esch z’tüür.»

«Hand aufs Herz: Die Tickets und Getränke kosten in der Schüür konstant weniger als an der Limmat, dem Rhein oder der Aare. Trotz Billettsteuer! Will man vor Ort vergleichen, ist klar, dass wir mit den Preisen nicht immer mithalten können. Dafür blinkts und tönt's in der Schüür lässig!

Nightliner vor der Hütte, Stars auf der Bühne. Wer in an- deren Städten an Konzerte geht, wird’s hier wohl schätzen.

A.k.a. Getränke im Konzertraum noch immer erlaubt.

Luxus.» (Antwort von der Schüür)

Klischee: «Die ‹Luzerner Zeitung›

ist ein Käseblatt.»

«Die Schweiz ist nun mal ein Käseland.

Und was gibt es da nicht alles an schmack- haften Varianten! Vom gluschtigen Apéro- Plättli über Älplermagrone, grilliertem Camembert, bis hin zum geselligen Fondue und Raclette. Langeweile gibt’s nicht – wie bei unserer Zeitung mit ihren stabilen Leserzahlen. Interessant am Klischee: Es kommt aus jenen Kreisen, die uns kaum lesen und journalistische Inhalte möglichst gratis haben wollen, um dann regel- mässig die schwindende Medienqualität zu beklagen.»

(Jérôme Martinu, Chefredaktor «Luzerner Zeitung» und Regionalausgaben)

Klischee: «Der Südpol ist kein würdiger Boa-Ersatz.»

«Wie auch könnte der Südpol Luzern die Boa ersetzen? Unsere Ausgangslage un- terscheidet sich grundsätzlich von jener der Boa – also unsere Entstehungsgeschichte, unser Standort, unsere Infrastruktur und von all dem abge- leitet: unsere Angebote. Und das ist gut so. Wir fühlen uns sehr wohl in Luzern Süd und sind überzeugt, dass das, was wir tun, genau das Richtige ist für die Men- schen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, in der Stadt und im Kanton Luzern, in der Zentralschweiz und darüber hinaus.» (Antwort vom Südpol)

Klischee: «An den Konzerten des Lucerne Festival sitzen nur Leute mit weissem Haar.»

«Wir sind stolz darauf, dass an unsere Konzer- te Besucherinnen und Besucher jeden Alters kommen. Gerade unsere innovativen Konzertformate wie 40min oder die Young-Familienkonzerte sind vor allem auch für junge Leute und Familien attraktiv. Vielfalt im Angebot ist uns wichtig, damit auch die junge Generation Zugang zur Klassik findet. Und das nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne, wie etwa mit dem im Sommer erstmals geplanten Orchestercamp mit Superar.» (Antwort vom Lucerne Festival)

K L I SC H E E S

«Die Schweiz ist nun mal ein Käseland.»

Wo Kritik ist, da sind auch Klischees. Die Zentralschweiz ist da keine Ausnahme.

Aber wie reagieren Medien- und Kulturhäuser auf Klischees? Wir wollten es von den Betroffenen wissen.

Zusammengestellt von Tiziana Bonetti

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E S SAY

Lob eines verhassten Berufs

Heinrich Böll sprach jahrelang nicht mehr mit ihm, Max Frisch hielt ihn für «präpotent», und auch andere Schriftsteller wurden von ihm niederge- schrieben und litten darunter. «Lauter Verrisse» nannte Marcel Reich-Ranicki eine lustvolle Auswahl von Texten, in denen er Autoren wie Günter Grass, Peter Handke, Adolf Muschg oder Anna Seghers journalistisch exekutierte. Und wie der Literaturkritiker erkannte: Die Liebe eines Autors zu seinem Kritiker ist immer so gross wie die Liebe des Kritikers zu seinem Autor. Johann Wolfgang von Goethe wusste Abhilfe:

«Schlagt ihn tot, den Hund», empfahl er, «denn es ist ein Rezensent.»

Im besten Fall benehmen sich Kriti-

ker so lustig wie Waldorf und Statler, die beiden einzigen Zuschauer der «Muppet Show». Im schlimmsten Fall betreiben sie ihre Arbeit missmutig, besserwisserisch, humorlos. Kritikerinnen und Kritiker seien wie Eunu- chen, sagte Polo Hofer einmal, der Berner Sänger: «Sie wissen zwar, wie es geht. Aber sie können es nicht.»

Etwas anspruchsvoller formulierte es die amerikanische Essayistin Susan Sontag: Deutung sei die Rache des Intellektuellen an der Kunst.

Wenn das so ist, braucht es uns denn? Ich habe 1984 im «Tages-Anzeiger» als Kritiker angefangen, mit einem Verriss der Stranglers im Zürcher Volkshaus, die zwei Stunden zu spät angekommen waren und ein miserables Konzert abgehalten hatten. Ich bespreche immer noch Konzerte, auch Filme oder Bücher. Und ich sage jetzt:

Wir brauchen die Konzerte, Platten, Bücher, Filme und die Künstler, die sie für uns erschaffen. Aber sie brauchen auch uns. Auch wenn sie es niemals zugeben würden.

Das hat drei Gründe. Erstens ist der Kritiker oder

die Kritikerin die erste öffentliche Person, die ein Werk Jean-Martin Büttner (*1959) ist Reporter beim Zürcher

«Tages-Anzeiger».

Warum es Kritikerinnen und Kritiker braucht, auch wenn sie unbeliebt sind: Weil sie zwischen den Kulturschaffenden und dem Publikum vermitteln. Sie bieten einen Verbreitungskanal der Kultur.

Ein Essay von Jean-Martin Büttner

liest, sieht oder hört. Und da sie nicht mit dem Künstler verheiratet ist oder als seine Verlegerin amtet, ist sie offen für dieses Werk, aber nicht voreingenom- men. Idealerweise. Die Kritik ist kein Spiegel des Werks oder des Künstlers, aber ein Bild davon.

Zweitens funktioniert der Kritiker als Auswähler, er macht für das Publi- kum eine Triage. Kritiker kommt vom griechischen Verb kritein und heisst:

entscheiden, urteilen. Journalismus im Zeitalter von Internet und Social Media, in Zeiten der Überflutung mit Millionen von Songs auf Youtube und Milliarden von Texten, Hinweisen, Warnungen, Behauptungen, entwickelt sich immer stärker zu einem Instrument der Selek- tion. Kritiken helfen bei der Auswahl mit, und je länger man sich mit ihnen beschäftigt, desto besser weiss man, welchen von ihnen man trauen darf. Wer ein gutes Restaurant empfohlen und vor einem gewarnt hat, und beides zu Recht – dem folgt man in die nächste Beiz.

Vor allem drittens, und das geht immer wieder vergessen: Kritiken machen Platten, Filme oder Bücher nicht nur herunter, sie stemmen sie auch in die Höhe. Oft genügte eine begeisterte Besprechung in einer wichtigen Musikzeitung, und eine junge Band hatte eine Karriere.

Lobte Reich-Ranicki, stand das Buch am anderen Tag in den Schaufenstern. Bob Dylans Karriere begann mit einer Rezension in der «New York Times».

Was ich allen Kritikerinnen und Kritikern empfehle:

dass sie selber einmal verrissen werden. Es ist eine interessante Erfahrung, erdulden zu müssen, was man anderen zumutet.

Illustration: M. Meyer

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Kulturschaffen und Aggression

K U LT U R TA N K

Sollten Kulturschaffende wieder aggressiver werden? Gibt es nützliche Aspekte von Aussagen wie:

«Das ist hässlich», «Das ist scheisse» oder «Nur meine Art von Kunst ist gut»? Aggression als An- trieb für die Kultur? Die rohen und primitiven Gewaltlüste als kreativitätsfördernde Mittel?

M

an muss Sigmund Freuds The- sen über Triebe, Ängste und Schuldbewusstsein nicht teilen.

Interessant ist aber seine Annahme, dass Aggression und Kultur zusammenhängen:

«Die Kultur bewältigt also die gefährliche Aggressionslust des Individuums […].»1 Der einzelne Mensch wird von Regeln, Normen und Werten eingeschränkt. Zur Überwindung dieser Einschränkung können die Energien der Aggression sublimiert, d. h., in andere produktive Handlungen umgewandelt wer- den. Anstatt nach der Wut über die Steuer- rechnung den nächstbesten Stadtbeamten zu verprügeln, kann man einen Leserbrief, einen Rap oder ein Manifest verfassen. Was bei Freud zu einem «Unbehagen in der Kultur»

führt, könnte für unser weitgehend tolerantes und professionelles Kunstideal eine Ressource sein. Aggression kann nämlich nicht bloss als Problem, sondern auch als Motor des Kulturschaffens dienen.

Widerstände? Jetzt erst recht!

Kulturprojekte und Kunstwerke, die sich durch Kampf, Polemik und Aggression pro- filieren, bringen dem Kulturschaffen einige Vorteile. Sie bieten zunächst einen festen Grund, von dem man sich abstossen und dis- tanzieren kann. Dies dient der Schärfung und

Weiterentwicklung der eigenen Vision. Im 19.

Jahrhundert teilten sich beispielsweise viele Komponisten in sogenannte «Konservative»

und «Neudeutsche». Sie bekämpften sich und stritten insbesondere über die Harmonik. Es entstanden Manifeste und es wurde nicht an Polemik gespart. Am extremsten war unser Tribschener Komponist Richard Wagner. Er wollte mit seinen Bayreuther Festspielen nichts Geringeres als eine Kulturrevoluti- on herbeiführen. Er polarisierte weit über Deutschland hinaus und erreichte breite Gesellschaftsschichten.

Ein anderes Beispiel: Die heute so beliebten Impressionisten – anfänglich ein Schimpfwort – wurden von der etablierten französischen Salon-Kunst verschmäht. Die Jury des kon- servativen «Salon de Paris» lehnte die Werke der Impressionisten ab. Diese nahmen den dadurch begonnenen Kampf erfolgreich an, schlossen sich zu Gruppen zusammen und begriffen ihre Bilder als neue Kunstrichtung.

Das Unverständnis und die Ablehnung hatten in diesem Fall produktive Konsequenzen.

Mehr bissige Battles

Auch heute werden Projekte und Kunstwerke von Jurys, Verlagen oder Programmleitenden abgelehnt. Sie alle verfügen über Antwortvor- lagen, die jeder inhaltlichen Konfrontation

1Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur. Fischer Verlag, Frank- furt a. M. 1994, S. 87.

säuberlich aus dem Weg gehen. Die Reibung von persönlichen Ansichten, Geschmäckern und Kunstvorstellungen wird behutsam vermieden. Man verweist allenfalls auf die fehlende Professionalität und Qualität. Da- durch werden die in Kunst und Kultur immer mitspielenden Geschmäcker der Entschei- dungstragenden intransparent.

Selbstverständlich sollte nicht wie im Paris des mittleren 19. Jahrhunderts ein einziger Kunststil die Jurys dominieren.

Unsere Vielfalt an Wettbewerben würde es jedoch zulassen, dass verschiedene Jurys ihre jeweiligen Kunstideale explizit hochhalten und in deren Sinne scharfe Kritik üben. Sie böten damit eine Negativfolie, an der sich Kulturschaffende abarbeiten könnten. Doch selbst Kritik verbannt in ihrer sachlichen Form einige Reibungsenergien: In Rap-Battles zeigt sich, dass zuweilen unkritische, aggres- sive und bissige Meinungen die Kreativität fördern und die Konturen der eigenen Kunst sichtbar werden lassen. Erkenntnisse also, die aufgrund fehlender oder formeller Reaktio- nen vielen Kunst- und Kulturschaffenden verwehrt bleiben.

Tobias Brücker

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K U LT U R TA N K

W

er zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen. Und: Nur am Widerstand, an der Kritik und an der Reibung werden unsere Positionen auch wirklich sichtbar – sie werden dort auf den Prüfstand gestellt. Wir entwickeln und schärfen dabei kontinuierlich unser Profil – verorten uns. Ein Kulturbetrieb und dessen entsprechende kulturelle Produktion müssen zwingend von innen heraus selbstkritisch, mit sich dauernd im Widerstand sein – damit sie im Aussen überhaupt effektiv werden können.

Ein Dilemma

Aber wer tritt schon, im vergleichsweise kleinen, überschaubaren und fast familiären Kulturbetrieb der Zentralschweiz, einem anderen Kulturakteur, einer anderen Kul- turinstitution oder einer anderen Künstlerin mit Kritik auf die Füsse – selbst wenn es auch wirklich nur um der «guten Sache willen»

geschieht? Selbstverständlich wird kritisiert;

zuweilen auch «scharf mit alles» – wer hätte es gedacht. Jedoch geschieht dies allermeistens hinter vorgehaltener Hand. Und dafür gibt es gute Gründe. Doch gleichzeitig droht etwas Elementares verloren zu gehen:

Die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung des institutionalisierten Kunst- und Kulturbetriebs, der sich immer

mehr den Gesetzen und Zwängen unserer seligen Marktwirtschaft unterwirft oder auch unterwerfen muss – die durch unzählige Schichten wirkenden Abhängigkeiten der meisten Akteure von privater und öffentlicher Förderung, von Unterstützung Dritter, von Sponsoring – erlauben es uns schlicht und ergreifend nicht, es sich mit jemandem zu verscherzen. Bei Verletzung dieser äusserst sensiblen Bande der Abhängigkeit, besonders durch Kritik, drohen in der Folge unliebsame Konsequenzen – es scheint einfach zu viel auf dem Spiel zu stehen. Ein echtes Dilemma.

Kultur braucht Kritik

Auf dem Spiel steht aber auch, dass wir die Kunst und Kultur, den Kulturbetrieb, wenn wir diese nicht kritisieren (dürfen und wollen), ihrer immensen Kraft und ihres Potenzials berauben – sich diese nicht weiterentwickeln und transformieren können.

Kritik stammt aus dem Griechischen und meint die «Kunst der Beurteilung». Genau diese sollten wir wieder lernen und leben.

Dann darf ich auch einmal etwas «richtig scheisse» finden, das mir gewaltig «stinkt», mich «hässig» und sogar ab und an «aggres- siv» macht. Und ich darf das, solange ich (m)einen Standpunkt klar kommunizieren und mit guten Argumenten untermauern

kann. Solange ich mich mit dem kritisier- ten Gegenstand eingehend und respektvoll auseinandergesetzt habe, einen anderen Standpunkt erfasst habe, diesen verstehen kann – und am Ende allenfalls trotzdem eine andere Meinung haben darf. Das wäre die «Kunst der Beurteilung».

Denn: Wenn wir streicheln anstatt reiben, polieren wir weiterhin die Oberflächen.

Philipp Seiler

Im Kulturtank treffen sich Kulturmanager und «041»- Verlagsleiter Philipp Seiler und Kulturwissenschaftler Tobias Brücker. Die beiden reflektieren eine kulturelle Fragestellung in Theorie (Brücker) und Praxis (Seiler).

Ihre Texte verstehen die beiden als Einladung zum Diskurs und als Beitrag zu einem reflektierten und kritischen Selbstverständnis des Kulturschaffens.

Bonker Inferno Vol. 3, Battle 3 (Jayquilibrium vs. Mimiks), 2015. Bild: Youtube

Vom Reiben und vom Streicheln

In der Zentralschweiz streichelt man sich gegenseitig. Man sollte sich aber reiben. Denn: Wir wachsen

vor allem an Widerstand, an Kritik, am fortwährenden Diskurs. Dies ist meist unangenehm, braucht

Mut und kann kräftezehrend sowie nervtötend sein.

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Einmal Röhrenwechsel

bitte

M U S I K H AU S LU Z E R N

Klassische Pianistinnen, Geiger oder Klarinettistinnen haben es gut in Luzern: Für sie gibt es eine Reihe von Fachgeschäften.

Dort werden sie tipptopp beraten und ausgestattet. In den letzten Jahren kamen sogar neue Händler auf Stadtboden hinzu. Doch Luzern will ja nicht nur Klassikhochburg, sondern auch Rock- Metropole sein. Hat nicht nur das Konservatorium, sondern auch die stolze Jazzschule. Nicht nur den feinen KKL-Klang, sondern die polternden Sedel-Zellen.

Leider kamen den Gitarristinnen und Bassisten in Luzern ihre Anlaufstellen abhanden: Musik Hug zog schon vor drei Jahren in die Agglo und mit Musix hat vergangenen November der letzte Vertreter für Musikequipment dichtgemacht. Das Lokal anfangs Baselstrasse, das man immer noch mit dem langjährigen Mieter Soundhouse in Verbindung brachte, steht seither leer. Wie ein Mahnmal für den Untergang der E-Gitarre in Luzern.

Wohin also im kriselnden Stromgitarren-Gewerbe? Wo bekommt der Röhren-Verstärker die nötige Auffrischung? Und wo kann ich das Effektpedal ausprobieren, bevor ich es kaufe? Und wer sagt mir, ob’s eine Gibson oder eine Fender sein soll?

Es gibt viele Gründe, der Zukunft der E-Gitarrenmusik auf dem Platz Luzern pessimistisch entgegenzublicken. Wenn da nicht Tom Lüthi wäre. Er glaubt unerschütterlich an die Gitarre, das stationäre Geschäft und den Wert von persönlicher Beratung.

Die Luzerner Gitarrenszene hat wieder eine Anlaufstelle: Musik Niederberger ist gezügelt und hat als «Musikhaus Luzern» neu eröffnet.

Es ist ein Zeichen des Widerstands in einer serbelnden Szene.

Von Jonas Wydler, Bild: Mart Meyer

Lüthi hat einen Entscheid getroffen: Er hat sein Geschäft nach Luzern gezügelt. Fast 50 Jahre lang gab es Musik Niederberger in Wolhusen, Ende März hat das Familienunternehmen nun als Mu- sikhaus Luzern an der Maihofstrasse 68 neu eröffnet. Mitte April folgte das grosse Tamtam mit Konzerten und Publikumsaufmarsch.

Den Kunden gefolgt

Viele Gitarristen haben die Eröffnung förmlich herbeigesehnt, es hagelte Glückwünsche auf Facebook und Face-to-Face, als der Umzug verkündet wurde. «Wir leben Musik, hier werden Sie gehört», steht jetzt unter dem neuen Logo. Denn das Geschäft verkauft nicht nur Musikzubehör, sondern ist selbst Teil des Business: Tom Lüthi steht regelmässig hinter den Reglern des Mischpults und sein Vater ist ein begnadeter Gitarrist und Kenner der Instrumente.

Bei allem Optimismus bleibt Tom Lüthi realistisch: «Wir müssen uns auf dem Platz Luzern wieder neu beweisen.» Auch wenn das nur halb stimmt, denn schon zuvor war ein grosser Teil der Kundschaft aus Luzern angereist. Früher habe es in und um Wolhusen noch eher eine eigenständige Szene gegeben, nun hat sich das alles nach Luzern verlagert. Veranstalterinnen, Musiker, Studierende – sie tummeln sich alle in der Stadt, wo man noch eher Proberäume und offene Bühnen vorfindet. Hier sind die letzten Bastionen der Gitarrenmusik wie Sedel, Jazzkantine oder Schüür. Musik Nieder- berger ist also seinen Kunden gefolgt.

Wer sich für Gitarren interessiert, kennt den «Niederberger», darauf baut Lüthi: «Wir müssen jetzt einfach dranbleiben und gut kommunizieren. Es ist erstaunlich, wie viele Leute bereits auf unsere Ankündigung, nach Luzern zu ziehen, positiv reagiert haben.»

Einen angestammten Namen zu wechseln, ist ein Risiko. Aber der «Niederberger» im Namen wurde mit dem Umzug schlicht obsolet. Solange das Geschäft in Wolhusen war, wo unter diesem Namen alles anfing, passte das. Aber der Laden hätte seit 30 Jahren ebenso gut Musik Lüthi heissen können, denn einen Niederberger gab es im Geschäft schon lange nicht mehr. Tom Lüthis Vater Martin

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hatte das Geschäft 1987 nach dem Tod des Gründers übernommen.

Inzwischen ist er pensioniert, hilft aber immer noch, wenn es ihn braucht – wie vor der Eröffnung, als er bei der Einrichtung des Lokals mit anpackte.

Ausprobieren erwünscht

Das neue Geschäft ist zwischen Restaurant Libelle und Bäckerei Macchi gelegen, hat Parkplätze vor der Tür (was bei schweren Amps, die hier rein- und rausgerollt werden, nicht ganz unwichtig ist), besitzt eine gute Sichtbarkeit und ist in einem hellen Parterrelokal angesiedelt.

Das Lokal ist einiges kleiner als zuvor in der Wolhuser Industrie.

Mit Trennwänden haben sie den Raum unterteilt, aber separate Räume, um die Instrumente zu testen, gibt es nicht mehr. Wenn also jemand eine Gibson-Gitarre auf einem Mesa-Boogie-Verstärker zum Test aufdreht, muss Tom Lüthi seine Büroarbeit zwangsläufig unterbrechen. An Telefonieren ist dann nicht mehr zu denken.

Aber das Ausprobieren ist immens wichtig, wenn man sich vom Online-Handel abgrenzen will. Wer mehrere Tausend Franken für eine Gitarre oder einen Verstärker ausgibt, will das Ding zuvor ausgiebig ausprobiert haben. Denn

mit den Preisen der Internethänd- ler wird das Musikhaus Luzern niemals mithalten.

Mit der knapperen Fläche wird sich das Musikhaus arrangieren müssen, das kleine Viererteam agiert flexibel. Und flexibel will Lüthi auch auf Kundenwünsche

eingehen. Etwa wenn sich die Kundschaft vom alten Standort unterscheiden sollte.

Im Musikhaus findet man zwar auch E-Pianos, Keyboards, Bässe, Verstärker, Effekte und Zubehör wie Boxen oder Mikrofone. Aber die Kompetenz im Musikhaus Luzern ist und bleibt die Gitarre – das Instrument, das Vater wie Sohn Lüthi lieben, sammeln und spielen. Auch Kinder sind willkommen, die erste Gehversuche auf der Gitarren planen.

«Etwa 80 Prozent unseres Sortiments drehen sich um die Gitarre», sagt Lüthi. Zwar findet man auch klassische Gitarren im Angebot, aber das Musikhaus setzt klar auf Western- und vor allem E-Gitarren.

«Hier sind wir stark», weshalb Lüthi für ein Liebhaberstück schnell mal ein paar Tausend Franken zahlt. Einsteigermodelle gibt’s ab 400 Franken. Alles, was billiger ist, verkauft Lüthi nicht. Denn:

«Auch eine Schülerin oder ein Schüler soll ein paar Jahre Freude haben an seiner Gitarre.»

Wo ist das Schlagzeug?

Was es nicht mehr gibt im Musikhaus, sind Schlagzeuge. Einerseits wegen des knapperen Platzes, aber auch weil Drums schon zuvor unter «ferner liefen» im Angebot waren und nie zur Kernkompe- tenz gehörten. Und was will man auf dem Platz Luzern gestandene Anbieter herausfordern? Etwa «Pits-Drums» in Reussbühl, das Fachgeschäft «Musikpunkt» (ehemals «Atelier Lohri») beim Al- penquai – das kürzlich Musik Hug aufgekauft hat – oder Pit Furrer mit seinem Geschäft für Vintage-Drums in Kriens.

Besser man arrangiert sich untereinander und macht sich im knapper werdenden Kuchen nicht die Stücke neidig. «Wir kennen uns gut und ergänzen uns», sagt Tom Lüthi. Man rückt zusammen, wenn das Geschäft härter wird, und empfiehlt sich bei spezifischen Wünschen gegenseitig.

Die grösste direkte Konkurrenz dürfte Musik Hug sein, der unweit in Ebikon geschäftet und auch E-Gitarren verkauft. Doch Lüthi glaubt, dass dieser eine andere Kundschaft anspricht. Plakativ gesagt: Der Rocker geht ins Musikhaus, der klassisch Ausgebildete zu Musik Hug.

Es ist eigentlich simpel. Tom Lüthi vertraut mit seinem Musik- haus auf zwei Dinge:

1. Dass Gitarristinnen und Bassisten auch im Partyzeitalter weiterhin existieren.

2. Dass Kompetenz und gute Beratung auch im Zeitalter der Zalando-Mentalität honoriert werden.

Digital ist nicht besser

Lüthi verkauft nicht nur Instrumente, sondern bietet Beratung, Service und in der eigenen Werkstatt Reparaturen an – also einen Rundum-Service vom Kauf bis zur spä- teren Reparatur.

Zwei Tage die Woche ist der erfahrene Techniker Walter Schüpbach für alle Probleme rund um Gitarren und Ver- stärker in der Werkstatt anwesend. Sei es, um eine beschädigte Gitarre zu retten oder nur für einen Röhrenwechsel im Verstärker. Denn noch immer schwören die meisten Gitarristen auf Röhren-Amps – digital ist nicht besser.

Den Verkauf regeln Tom Lüthi und sein Angestellter Moritz Minder. Weiter zum kleinen Team gehört eine Buchhalterin und that’s it. Alle ausser Lüthi arbeiten hier Teilzeit. Lüthi sagt trocken:

«Es macht Spass, aber es ist wirklich ein harter Job. Ich will nicht jammern, aber wir leisten einiges, um zu bestehen.»

Die Zalando-Mentalität: Hat Lüthi keine Angst, dass Leute bei ihm Instrumente testen und danach günstiger online einkaufen?

«Wir müssen das beobachten. Wenn wir viel reden, aber nichts verkaufen, wäre das ein Anzeichen», sagt er.

Und sowieso sei eine teure Fender-Gitarre nicht vergleichbar mit Klamotten: «Wenn man eine Gitarre in den Händen hält und sie einem gefällt, dann will man genau diese.» Denn jedes Stück hat seine Eigenheiten und seine Geschichte. Jedes Instrument fühlt sich anders an, klingt anders und ist anders verarbeitet. «Das ist ein Vorteil in unserem Business: Musikerinnen und Musiker schätzen unsere Beratung und sind bereit, ein paar Franken mehr zu bezahlen», so Lüthi.

Die viel herbeigeschriebene Krise der E-Gitarre bereitet Tom Lüthi keine schlaflosen Nächte. Hat das Instrument also eine Zu- kunft? «Ja», sagt Lüthi bestimmt. Trotz einer Übersättigung, trotz des weltweiten Handels mit Occasionen. «Es wird immer Gitarre gespielt, das Instrument wird nicht verschwinden.»

Musikhaus Luzern, Maihofstrasse 63, Luzern www.musikhausluzern.ch

M U S I K H AU S LU Z E R N

Einsteigermodelle gibt’s ab

400 Franken. Alles, was billiger ist,

verkauft Lüthi nicht.

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1: Bereits das Pressefoto zeichnet ein skurriles Bild: drei uniformierte Männer, umgeben von Federwippen auf einem Spielplatz in einer düsteren Szenerie. Verträumt, skeptisch und fordernd sind die Blicke der drei Herren. Was das nun soll? Keine Ahnung.

Ein schräges Trio

Ländlerquartett Bodaguat, Handorgelduo Betschart-Müller oder auch Urner Ländler-Frühschoppen – so klingt es, wenn man sich durch das Programm des diesjährigen Altdorfer Volksmusikfestivals liest (18. & 19. Mai). So weit, so volksmusikfestivalmässig. Bei einer Formation gerät der eine oder andere Volksmusikfan aber ins Stocken: Madame Gmür. Klingt speziell. Ihr Musik- stil: YetiHardcoreElectroFolk. Klingt noch spezieller. Das verlangt nach einem Bandporträt – mit speziellen Bildern, versteht sich.

2: Warum die Uniform? Die Antwort der Madame: «Warum nicht?» Gehalten sind die Uni- formen in sanftem Beige und feurigem Rot – und mit allem, was dazugehört: Mütze, ange- steckte Orden oder Preisbän- der und eine knallrote Armbinde mit leuchtgelbem Kleiderhaken.

3: Madame Gmür stehen auf das Absurde. Irrwitzige und groteske Elemente begleiten die Band seit ihrer Gründung im Jahr 2012. So werfen sich die drei auch für die Video- clips in die flotten Uniformen. (Bild: «Zorica»).

4: Wer sich einen Videoclip der Band anschaut, merkt schnell, dass Set- ting und Szenerie für Madame Gmür nicht schräg genug sein können (im Bild:

«Bouzkef»). «Es wer- den kaum Prinzipien, Ideale oder ein kon- kreter roten Faden verfolgt, weder in der Musik, noch im Bild.» Was passt, das passt. Und was nicht passt, das passt auch.

Band-Fotostory

6: Das Trio folgt keinem festen Stil. Ein grosser Teil der Stücke im Repertoire lässt sich grob dem osteu- ropäischen oder skandina- vischen Raum zuordnen.

Oftmals sind diese aber «so verwurstelt, dass das ei- gentlich gar nicht mehr so eine Rolle spielt».

7: Was zu Beginn eines Stücks eher nach rassiger ost- europäischer Musik klingt, kann schon nach wenigen Se- kunden durchbro- chen werden – sei es durch E-Gitarre, Synthesizer oder durch das Einschie- ben eines schwei- zerisch anmutenden lüpfigen Parts. Oder

sonst irgendetwas. 8: Viel Melancholie schwebt mit bei den ruhigeren Stücken.

Madame Gmür verstehen es, eine düstere und klagende Atmo- 5: Die Band hilft bei Videoclips und Visuals für die Konzerte ger-

ne nach mittels Greenscreen. Viele Videos kommen collagenhaft daher. Interpretieren muss man aber selbst.

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10: Auch auf der Bühne tauchen die Uniformen wieder auf:

Sie bilden das Konzert-Outfit von Madame Gmür. Der golde- ne Bilderrahmen ist bei den Gigs immer dabei. Er umrahmt die skurrilen und humorvollen Visuals.

11: Damit dies alles klappt, wird auch ei- nige Technik eingesetzt. So arbeiten Ma- dame Gmür mit einer Software und entspre- chenden Gerä- ten, um Musik und Visuals bei den Konzerten aufeinander abstimmen zu können.

9: Da und dort erhält ein Stück von einem Moment auf den an- deren eine subtile Veränderung in der Stimmung. Oftmals sind es die feinen Unterschiede im Spiel eines einzelnen Bandmitglieds, die den gesamten Bandsound in neuem Licht erscheinen lassen.

13: Man weiss nie, was die Band als Nächstes serviert. Eines der wenigen Elemente, das dem Trio neben den Uniformen als roter Faden dient, ist das Wienerli. «Das soll als der das Programm überspannende Bogen genügen.»

12: Trotz der vielen Technik kommen Madame Gmür handgemacht und auch bewusst etwas trashig oder kindlich naiv daher.

Referenzen

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