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Archiv "Rente nach Leistung oder aber nach Bedarf?" (24.06.1991)

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Walter Kannengießer

Rente nach Leistung

oder aber nach Bedarf?

Die Grundprinzipien des Rentensystems werden in Frage gestellt Vor einem neuen Ausgabenschub / einer Beitragserhöhung 1992/93

. -

fen. Gegebenenfalls werden die Au- toren gebeten, Änderungen oder Er- gänzungen ihres Beitrages vorzuneh- men und eine revidierte Fassung vor- zulegen. Die Verfasser müssen dann entscheiden, ob und in welchem Um- fange sie die mitgeteilten Anregun- gen berücksichtigen möchten. Dieses Verfahren unterstreicht die Verant- wortung des Autors für seinen Bei- trag, auf die im „Impressum" auch ausdrücklich hingewiesen wird.

Unabhängigkeit der Entscheidung

Das angewandte „Peer-Review- System", an dem bei Bedarf der me- dizinisch-wissenschaftlichen Redak- tion nicht angehörende Experten be- teiligt werden, soll sicherstellen, daß nur wissenschaftlich fundierte Auf- sätze zur Veröffentlichung ange- nommen werden. Dieser Grundsatz der in ihrer Entscheidung unabhän- gigen wissenschaftlichen Schriftlei- tung wird im Rahmen der gesamten Redaktion des Deutschen Ärzte- blattes ohne Einschränkung akzep- tiert, auch dann, wenn aus be- rufspolitischer oder gesundheits- politischer Sicht zwar wünschens- werte, inhaltlich jedoch für den medizinisch-wissenschaftlichen Teil nicht geeignete Manuskripte zurück- gegeben werden. Zur Klarstellung sei hier angemerkt, daß die wissen- schaftliche Redaktion aus anderen Bereichen der Gesamtredaktion selbstverständlich nur Manuskripte mit medizinischem Inhalt zur Stel- lungnahme erhält.

Insbesondere der mit wissen- schaftlichen Publikationen vertraute Leser wird erkennen, daß das skiz- zierte Verfahren der medizinisch- wissenschaftlichen Redaktion ihrer Aufgabenstellung entsprechen dürf- te. Sie steht im fruchtbaren Dialog mit den übrigen Bereichen der Ge- samtredaktion, die entsprechend den Erfordernissen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche tätig sind.

Daß die medizinisch-wissenschaftli- che Redaktion Akzeptanz findet und sich nicht als Fremdkörper innerhalb der Gesamtredaktion fühlt, dankt sie insbesondere dem feinfühligen Ver- ständnis Ernst Roemers.

Die Rentenversicherung steuert auf eine Beitragserhöhung zu, nach- dem der Beitragssatz gerade erst zum 1. April von 18,7 auf 17,7 Pro- zent gesenkt worden ist, um die Mehrbelastung der Beitragszahler durch die Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 2,5 Prozentpunkte zu begrenzen. Was jedoch schlimmer ist: Die Politik stellt zunehmend den Leistungsbe- zug bei der Rentenbemessung in Frage. Bei der Überleitung des in den westlichen Bundesländern gel- tenden Rentenrechts in die neuen Länder sollen einige Elemente des früheren DDR-Versorgungsrechts, wie Mindestrenten, Sozialzuschläge und Zurechnungszeiten, beibehalten werden. Dadurch soll die Benachtei- ligung der Frauen im Rentenrecht verringert werden. Das Ziel dieser Bestrebungen ist es jedoch, in ganz Deutschland eine Grundsicherung und, wie es heißt, eine eigenständige Alterssicherung der Frauen einzu- führen. Wer die Mindestsicherung des DDR-Rechts und die günstige- ren An- und Zurechnungszeiten bei- behält, der wird früher oder später das westdeutsche Rentenrecht an die wenigen formal günstigeren Be- stimmungen des alten DDR-Rechts anpassen müssen. Sonst würden die Versicherten in den alten Ländern, die jetzt die Verbesserung des Ren- tenrechts in Mittel- und Ostdeutsch- land finanzieren, benachteiligt.

Die Finanzlage der Rentenversi- cherung ändert sich rasant. Vor we- nigen Monaten glaubte die Regie- rung noch, den ermäßigten Beitrags- satz in der Rentenversicherung bis etwa 1994 halten zu können. Ende letzten Jahres erschien die Perspek- tive noch günstiger; da wurde voraus- gesagt, daß der Beitragssatz von 18,7

Prozent bis 2001 reichen würde, um die Renten und die sich aus der de- mographischen Entwicklung erge- benden zusätzlichen Belastungen zu finanzieren. Nun mahnen die Versi- cherungsträger, daß der Beitragssatz spätestens Anfang 1993 auf 19 Pro- zent angehoben werden müsse. Die- ser Einschätzung liegen sogar recht günstige Annahmen über die Wirt- schaftsentwicklung zu Grunde. Blei- ben Wachstum und Beschäftigung hinter den Erwartungen zurück, so wäre der Beitragssatz schon 1992 wieder auf 18 Prozent anzuheben.

Rücklage wird angegriffen Dabei verfügte die Rentenversi- cherung Ende März über eine Rück- lage von 41 Milliarden Mark; das entspricht den Ausgaben von fast drei Monaten. Diese Rücklage muß nun angegriffen werden, um die in den neuen Bundesländern ent- stehenden Defizite auszugleichen.

Auch schlagen die Einnahmeausfälle nach der Senkung des Beitragssatzes zu Buche. Jedenfalls ist nunmehr da- mit zu rechnen, daß die Reserven bis Ende 1992 so weit abgeschmolzen sind, daß nur noch die gesetzlich vor- geschriebene Mindestrücklage von einer Monatsausgabe (rund 16 Milli- arden Mark) vorhanden ist. Nach dem Rentenreformgesetz 1992 muß dann der Beitragssatz automatisch erhöht werden. Dies betrifft auch die Ärzte, und zwar als Arbeitgeber und als Versicherte in den berufsstän- dischen Versorgungswerken, soweit deren Beiträge sich an den Beiträgen der Rentenversicherung orientieren.

Zu den umstrittenen Vorschrif- ten im DDR-Recht gehören die Zu- rechnungszeiten für Kinder von ei- A-2244 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 25/26, 24. Juni 1991

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nem Jahr je Kind, bei drei und mehr Kindern jeweils drei Jahre je Kind.

Zeiten der Pflege von Angehörigen wurden als Beschäftigungszeiten ge- wertet. Frauen, die mit 60 Jahren in die Rente gingen, wurden fünf Jahre zugerechnet. Daneben gab es eine Mindestrente, die nach 15 Arbeits- jahren 340 Ost-Mark und nach 45 Arbeitsjahren 470 Mark betrug. Der Abstand Mindestrenten/Normalren- te war gering; er betrug kaum mehr als 20 Mark.

Was war „fortschrittlich"?

Etwas höher waren die Renten, die durch Anwartschaften aus der freiwilligen Zusatzversicherung auf- gestockt werden konnten. Die letzte DDR-Regierung hatte zum 1. Juli 1990 noch einen Sozialzuschlag einge- führt, durch den der Rentenzahlbe- trag auf mindestens 495 Mark angeho- ben wurde. Dieser Sozialzuschlag, der ursprünglich im Zuge der Rentener- höhungen abgeschmolzen werden sollte, wird jedoch als fester, nicht dy- namisierter Betrag weiter gezahlt.

Diese Hinweise zeigen, daß die frühere DDR ihren Bürgern im Al- ter eine Mindestversorgung gewährt hat, die nur im Abstand von mehre- ren Jahren erhöht wurde. Die Zu- rechnungszeiten, Mindestrenten und Sozialzuschläge haben die Funktion, das Existenzminimum abzusichern.

Nahezu unverständlich ist es daher, daß diese Elemente des DDR-Sy- stems jetzt als besonders „fortschritt- lich" hingestellt werden. Der Sozial- ausschuß des Bundesrates hat sich sogar zu dem Vorwurf verleiten las- sen, daß diese „verwertbaren Teile des Erbes der Vergangenheit einer einseitigen Westorientierung zum Opfer fallen" sollten. Tatsache ist je- doch, daß diese Elemente nur dann vorteilhaft sind, wenn sie mit dem geltenden westdeutschen Renten- recht kombiniert werden. Ein Jahr Kinderzurechnungszeit brachte bis Mitte 1990 monatlich einen Renten- betrag von sechs Ostmark, nach westdeutschem Recht in diesem Jahr knapp 30 D-Mark.

Es kann also keine Rede davon sein, daß die Rentner-Ost benachtei- ligt würden, wenn das westdeutsche

Rentenrecht in den neuen Ländern eingeführt wird. Am 1. Juli dieses Jahres liegen die Renten-Ost um ins- gesamt 66 Prozent über dem Niveau am 30. Juni 1990. Dies ist sicherlich ein einmaliger Vorgang in der Sozial- geschichte. Die Umwertung der Ren- ten Anfang 1992 verbessert die im Durchschnitt gezahlten Renten um 5,3 Prozent auf 1019 Mark und die der Frauen um 13,2 Prozent auf 854 Mark.

Der Entwurf des Rentenüberlei- tungsgesetzes sieht im übrigen vor, daß der Sozialzuschlag erst Mitte 1995 entfallen und die in einem „Auffüllbe- trag" zusammengefaßten Elemente des früheren DDR-Rechts, die nicht in das lohnbezogene System passen, als Festbetrag weitergezahlt und von 1996 an in fünf Jahresraten abgebaut werden sollen.

Eine Vertrauensschutzregelung sieht vor, daß die Rente, die Ende die- ses Jahres gezahlt wird, in ihrem Be- stand gesichert wird. Beim Rentenzu- gang bis 1995 wird die Rente nach westdeutschem und nach früherem DDR-Recht berechnet; der im Ein- zelfall höhere Betrag wird dann als Rente festgesetzt. Für die Versicher- ten in den neuen Ländern ist es vor al- lem vorteilhaft, daß die Witwenrenten erheblich verbessert und die Alters- grenzen herabgesetzt werden.

Beitragserhöhung droht Die Vorschläge der Regierung gehen schon über das hinaus, was vertretbar erscheint. Die Mehrbela- stung ist, wie die Vorausschätzungen zeigen, nur mit einer Beitragssatzer- höhung zu finanzieren. Diese kommt zu den Steuererhöhungen hinzu.

Auch in der Krankenversicherung sind wieder steigende Beiträge zu er- warten; die Beitragssätze in der Ar- beitslosenversicherung bleiben hoch.

Das kann Wachstum und Beschäfti- gung bremsen; die Defizite müßten dann noch steigen. Der Rentenversi- cherung dürfen also keine weiteren Belastungen aufgebürdet werden.

Dem Renten-Uberleitungs-Ge- setz fehlt in einem wichtigen Punkt zudem die Überzeugungskraft. Mit dem Abbau der versorgungsstaatli- chen Elemente des früheren DDR- Rechts soll nach den Regierungsvor-

schlägen erst 1995 und später begon- nen werden. Ende 1994 wird aber der neue Bundestag gewählt. Die Forderung, den Abbau der Mindest- beträge weiter hinauszuschieben und eine allgemeine Grundsicherung ein- zuführen, dürfte dann den Wahl- kampf bestimmen. Wenn es sich die Koalition heute bei Rentenerhöhun- gen von 15 Prozent schon nicht zu- traut, mit kleinen Beträgen die Sozi- alzuschläge abzubauen, dann wird sie vor der Wahl kaum stark genug sein, daran festzuhalten, daß Sozial- zuschläge und „Auffüllbeträge" nach der Wahl abgeschmolzen werden.

Dies liefe jedoch auf eine schrittweise Abkehr vom leistungs- bezogenen Rentensystem hinaus. Im Rahmen einer Grundsicherung wer- den die Sozialleistungen ohne Be- rücksichtigung der Vorleistungen nach dem Bedarf bemessen. Das war für das DDR-System typisch. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Ar- beitnehmer, die ihrem Einkommen entsprechend immer höhere Beiträ- ge entrichten, damit abfinden wer- den, daß andere ohne Beitragsvorlei- stung sozial gesichert werden.

Mit der Uberleitung der lei- stungs- und lohndynamischen Rente in die neuen Bundesländer ist ein weiteres politisch brisantes Problem verbunden. Nach dem DDR-Ren- tenrecht ergaben sich — systembe- dingt — längere Arbeits- und Versi- cherungszeiten. Bei den Männern sind im Durchschnitt 47 Jahre, bei den Frauen 36 Versicherungsjahre zu berücksichtigen. Für die alten Länder lauten die Zahlen: Männer 39 Jahre, Frauen 22 Jahre. Auch wenn man den Vergleich auf die Ar- beitsjahre beschränkt, so bleibt doch.

die Tatsache, daß in den neuen Län- dern deutlich höhere Renten an Männer und Frauen gezahlt werden, sobald sich Löhne und Gehälter ein- ander angeglichen haben. Das liegt in der Logik des leistungsbezogenen Systems. Die Unterschiede würden aber noch größer, wenn dann in den neuen Ländern noch die alten Min- destbeträge, Sozialzuschläge und Zurechnungszeiten bei der Renten- bemessung berücksichtigt würden.

Es wäre die Aufgabe der Politik, den darin liegenden Zündstoff rechtzei- tig zu entschärfen. Dt. Ärztebl. 88, Heft 25/26, 24. Juni 1991 (35) A-2245

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