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6. März 2015STUDIEN IM FOKUS
Checkpoint-Inhibitoren gehören zu den neuen Immuntherapien und lö- sen Blockaden der Aktivierung von T-Zellen. In einer randomisierten Phase-II-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom ist der CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab mit dem Granulozyten-Makrophagen- Koloniestimulierenden Faktor (GM-CSF) Sargramostim kombi- niert worden. GM-CSF verstärkt die Antigen-Präsentation durch dendritische Zellen und die Effekte von T- und B-Lymphozyten.
Die Eastern Cooperative Oncolo- gy Group schloss in ihre Studie 245 Patienten mit Melanom im Stadium III/IV (nicht resezierbar), mindes- tens einer vorhergehenden Thera- pie, ohne Hirnmetastasen und mit einem ECOG-Performancestatus von 0 oder 1 ein. Sie erhielten Ipili- mumab (10 mg/kg i. v. zunächst 4-mal im Abstand von je 3 Wochen und danach alle 12 Wochen) und in jedem dreiwöchigen Zyklus rando- misiert entweder 2 Wochen lang täglich Sargramostim (250 µg s. c.) oder keine zusätzliche Behandlung.
Beim primären Endpunkt Ge- samtüberleben war die Kombinati- on mit im Median 17,5 vs. 12,7 Mo- naten signifikant überlegen. Nach einem Jahr lebten im Kombinati- onsarm noch 68,9 %, im Monothe- rapiearm 52,9 % der Patienten (Ha- zard Ratio 0,64; p = 0,01). Die Zeit des progressionsfreien Überlebens war mit median 3,1 Monaten in bei- den Armen vergleichbar. Nebenwir- kungen vom Grad 3–5 waren mit Sargramostim signifikant seltener (44,9 % vs. 58,3 %; p = 0,04).
Fazit: In dieser Studie waren die Überlebensraten höher als in frühe- ren Studien, vielleicht weil Ipilimu- mab im Gegensatz zur gewöhnli- chen Praxis in einer höheren Dosie- rung (10 und nicht 3 mg/kg) und als Erhaltungstherapie weitergegeben worden war. Für die Abkoppelung
des Gesamt- vom progressionsfrei- en Überleben gibt es eine Erklä- rung: Sargramostim und Ipilimu- mab lösen inflammatorische Reak- tionen in Tumorläsionen aus, was radiologisch als Vergrößerung des Tumors imponieren kann. Die Im- muncheckpoint-Blockade, so Prof.
Dr. med. Carola Berking, München, sei ein großer Fortschritt für Patien- ten mit metastasiertem Melanom, erstmals habe sich das Gesamtüber- leben damit verlängert. Allerdings profitiere nur ein Teil der Patienten, und immunologische Nebenwir- kungen schränkten nicht selten die Anwendung ein. Deshalb seien Kombinationen von Ipilimumab mit anderen Wirkstoffen wie GM-
CSF extrem spannend, wenn sie das Gesamtüberleben ohne vermehrte Toxizität verbesserten. Josef Gulden
Hodi FS, et al.: Ipilimumab plus sargramostim vs ipilimumab alone for treatment of metasta- tic melanoma. JAMA 2014; 312: 1744–53.
Bei Operationen ist ein Schlagan- fall in der Anamnese ein Komplika- tionsrisiko. Nach Herzinfarkt ist be- kannt, dass es umso höher ist, je kürzer die Zeit bis zur nicht kardia- len Operation war. In einer däni- schen Registerstudie wurde nun die Assoziation zwischen Schlaganfall und dem Risiko schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse bei Pa- tienten untersucht, die elektiv an anderen Organen als dem Herzen operiert wurden. Datenbasis waren 481 183 Patienten (> 20 Jahre). Es wurden fünf Gruppen gebildet mit Patienten
●
ohne Schlaganfall in der Anamnese (n = 474 046)●
mit Schlaganfall in den letzten 3 Monaten (n = 862)●
mit Schlaganfall innerhalb von 3 bis 6 Monaten (n = 469)●
mit Schlaganfall innerhalb von 6 bis 12 Monaten (n = 898)●
mit Schlaganfall mindestens 12 Monate vor der OP (n = 4 908).Erfasst wurden schwere kardio- vaskuläre Ereignisse (MACE), kar- diovaskuläre Letalität und Gesamt- sterblichkeit innerhalb von 30 Ta- gen nach der Operation. Die Inzi- denzrate der MACE betrug bei Schlaganfall in der Anamnese 54,4/1 000 Patienten, ohne Schlag- anfall 4,1/1 000 Patienten, die 30-Tage-Sterblichkeit 35,6/1 000 Patienten in der Gruppe mit, und 6,1/1 000 in der Grupee ohne Schlaganfall. Bei Operationen bin- nen 3 Monaten nach Schlaganfall betrug die Odds Ratio für MACE 14,23, bei Operation binnen 3 bis 6 Monaten nach Schlaganfall 4,85, bei Operation zwischen 6 und 12 Monaten nach Schlaganfall 3,04 und bei Operation mehr als 12 Monate nach Schlaganfall 2,47. Vergleich- bar war das Sterblichkeitsrisiko.
Fazit: Ein Schlaganfall in der Anamnese erhöht das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre ELEKTIVE OPERATION NACH SCHLAGANFALL
Mindestens neun Monate Wartezeit sind von Vorteil
MALIGNES MELANOM
Kombinations-Immuntherapie ist hochwirksam
GRAFIK
Kaplan-Meier-Kurven für das Gesamtüberleben von Melanom- Patienten bei Ipilimumab-Therapie mit und ohne Sargramostim
Anteil überlebender Patienten
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0
Zeit nach Randomisierung (in Monaten)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Ipilimumab + Sargramostim
Ipilimumab
Hazard Ratio 0,64 Log-rank p = 0,01
modifiziert nach: JAMA 2014; 312: 1744–53
M E D I Z I N R E P O R T
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6. März 2015 Ereignisse bei Patienten, die sicheiner elektiven, nicht kardialen Operation unterziehen, besonders, wenn der Schlaganfall weniger als 9 Monate zurückliegt. Danach sta- bilisierte sich das Risiko, war aber höher als in der Gruppe ohne Schlaganfall, was nach Meinung der Autoren künftig in den Leitlini- en berücksichtigt werden sollte.
Aus Sicht von Prof. Dr. med.
Christian Förch, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie am Univer- sitätsklinikum Frankfurt, ist die Stu- die hilfreich, weil sie robuste Daten
aus einem großen Register zu einer Frage liefere, die man im Patienten- gespräch bisher eher „nach Bauchge- fühl“ beantwortet habe: „Nun lässt sich präziser angeben, wie stark das Risiko einer elektiven Operation er- höht ist, wenn sie mit kurzem Zeitab- stand zum Schlaganfall durchgeführt wird im Vergleich zu einem späteren Zeitpunkt.“ Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Jørgensen ME, et al.: Time elapsed after ischemic stroke and risk of adverse cardiovas- cular events and mortality following elective noncardiac surgery. JAMA 2014; 312:
269–77.
Die Risiken einer Nierenlebend- spende werden im Allgemeinen als gering bewertet, wenn Spender oder Spenderin zum Zeitpunkt der Nephrektomie gesund sind. Für be- stimmte Subgruppen gibt es aber Wissenslücken, zum Beispiel bei nachfolgender Schwangerschaft.
Kurz nach unilateraler Nephrekto- mie ist die glomeruläre Filtrations- rate um circa 35 % reduziert. Frau- en mit ähnlich verminderter Nieren- funktion unterschiedlicher Genese haben ein erhöhtes Präeklampsie- risiko, wenn sie schwanger werden.
In einer Kohortenstudie mit 85 Frauen, die nach Nierenspende schwanger geworden waren (131 Schwangerschaften), sind die Risi- ken für Gestationshypertonus oder Präeklampsie verglichen worden
mit denen einer in relevanten Krite- rien gematchten Kontrollkohorte der Allgemeinbevölkerung (510 ge- sunde Nichtspenderinnen mit 788 Schwangerschaften). Primäre End- punkte waren Hypertonus oder Präeklampsie nach mindestens 20 Schwangerschaftswochen und bis maximal 12 Wochen nach Geburt.
Schwangerschaftshochdruck war mit 11 % vs. 5 % (15/131 Schwan- gerschaften von Nierenspenderin- nen vs. 38/788 Schwangerschaften in der Kontrollkohorte) statistisch signifikant häufiger nach Nierenle- bendspende als ohne (Odds Ratio [OR]: 2,4; 95-%-Konfidenzinter- vall [KI]: 1,2–5,0; p = 0,01). Die OR betrug 2,5 für Gestationshoch- druck und 2,4 für Präeklampsie. In der Subgruppe der Frauen aller- SCHWANGERSCHAFT NACH NIERENLEBENDSPENDE
Gestationshypertonus und Präeklampsie sind häufiger
dings, die zum Zeitpunkt der Schwangerschaft ≥ 32 Jahre alt wa- ren, war das Risiko nach Nieren- spende deutlich erhöht (siehe Ta- belle). Bei tödlichen Komplikatio- nen bei Mutter und Kind gab es keine Unterschiede, die meisten Schwangerschaften nach Lebend- spende verliefen unkompliziert.
Fazit: Bei Frauen, die im fruchtba- ren Alter eine Niere spenden (29/30–35/36 Jahre in Spender-/
Kontrollkohorte der Studie) ist das Risiko für Präeklampsie und Gesta- tionshochdruck bei nachfolgender Schwangerschaft circa 2,5-fach er- höht. „In diesem Punkt Klarheit zu haben, ist wichtig für die Beratung jüngerer Frauen“, kommentiert Prof. Dr. med. Oliver Witzke vom Universitätsklinikum Essen. „Ob- wohl die Nierenlebendspende bei fertilen Frauen von ärztlicher Seite kritisch gesehen wird, kommt sie gelegentlich vor, meist zugunsten eines leiblichen Kindes“, so der Nephrologe. „Wir haben am Klini- kum ein bis zwei junge Nierenspen- derinnen pro Jahr, aber deutlich mehr Anfragen. In Bezug auf Schwangerschaftsrisiken können wir nun besser informieren.“
Durchschnittlich 60 % der Lebend- nierenspenden stammten in den letzten 5 Jahren von Frauen, bei ih- nen liegt der Anteil der maximal 40-Jährigen zwischen 8 und 11 %.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Garg AX, Nevis IF, McArthur E et al.: Gestatio- nal hypertension and preeclampsia in living kidney donors. N Engl J Med 2015; 372:
124-33
TABELLE
Subgruppenanalysen zur Assoziation zwischen Nierenlebendspende und Risiken für Schwangerschaftshypertonus oder Präeklampsie Untergruppe
Alter der Schwangeren
≤ 32 Jahre
≥ 32 Jahre
Vorausgeg. Schwangerschaft Ja
Nein
Schwangerschaften nach Nierenspenden
Zahl der Ereignisse/Patienten im Risiko (%)
≤ 5/85 (≤ 6)
≥ 10/46 (≥ 22)
≤ 5/31 (≤ 16)
≥ 10/100 (≥ 10)
Schwangerschaften ohne Nierenspenden
30/492 (6) 8/296 (3)
7/173 (4) 31/615 (5)
Odds Ratio (95-%-KI)
Risiko geringer für Risiko höher für Nierenspenderinnen Nierenspenderinnen
0,9 (0,3–2,7) 9,4 (3,2–27,5)
1,6 (0,3–9,1) 2,7 (1,2–6,0)
p-Wert 0,004
0,61
modifiziert nach: Engl J Med 2015; 372: 124-33